Urteil des OLG Frankfurt vom 27.05.2003

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Gericht:
OLG Frankfurt 25.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
25 U 73/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 233 ZPO, § 234 Abs 1 ZPO, §
236 Abs 2 S 2 ZPO
(Wiedereinsetzung gegen Versäumung der
Berufungsbegründungsfrist bei unterbliebener Nachholung
der Berufungsbegründung innerhalb der
Wiedereinsetzungsfrist)
Leitsatz
Zur Frage, welchen Formerfordernissen ein wirksamer Wiedereinsetzungsantrag gegen
die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist entsprechen muss.
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach
Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. Januar 2003 verkündete Urteil der 9.
Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Kassel wird als unzulässig
verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens nach einem
Gegenstandswert von 20.549,87 Euro zu tragen.
Gründe
I.
Der am 10. April 2003 bei Gericht eingegangene Antrag der Klägerin (vertreten
durch ihren Prozessbevollmächtigten) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
nach Versäumung der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist bleibt
jedenfalls hinsichtlich der erbetenen Wiedereinsetzung nach Versäumung der
Berufungsbegründungsfrist schon deswegen ohne Erfolg, weil entgegen § 236 Abs.
2 S. 2 ZPO die versäumte Berufungsbegründung nicht innerhalb der 14-tägigen
Frist für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrages (§ 234 Abs. 1 ZPO)
nachgeholt worden ist.
Das landgerichtliche Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 28.
Januar 2003 zugestellt worden. Der Wiedereinsetzungsantrag des
Prozessbevollmächtigten der Klägerin ging am 10. April 2003 ein, mithin nach
Ablauf der bis zum 28. Februar 2003 laufenden Berufungsfrist und nach Ablauf der
am 28. März ablaufenden Berufungsbegründungsfrist. Der
Wiedereinsetzungsantrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hätte binnen
14 Tagen nach Wegfall des Hindernisses für die Einhaltung der Fristen gestellt sein
müssen. Ausweislich der eidesstattlichen Versicherung der Klägerin erhielt sie am
27.03.2003 Kenntnis von dem zu ihrem Nachteil ergangenen landgerichtlichen
Urteil. Selbst wenn man auf diesen Zeitpunkt abstellt - und nicht auf den Zeitpunkt
der Zustellung am 28. Januar 2003, an dem ihre Prozessbevollmächtigten, deren
Kenntnis und Verhalten sie sich nach §§ 166 Abs. 1 BGB, 85 Abs. 2 ZPO zurechnen
lassen muss, von dem Urteil Kenntnis erhielten - ist die 14-tägige Frist für den
Wiedereinsetzungsantrag nicht eingehalten. Denn binnen der vom 27.03.2003 bis
zum 10.04.2003 laufenden Frist wurde kein im Sinne von § 236 Abs. 2 ZPO
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zum 10.04.2003 laufenden Frist wurde kein im Sinne von § 236 Abs. 2 ZPO
formgerechter Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Zwar ging die Antragsschrift am
10. April 2003 bei Gericht ein, sie entsprach aber nicht dem unabdingbaren
Formerfordernis, dass mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte
Prozesshandlung nachzuholen ist. Mit Schriftsatz vom 10. April 2003 wurde
nämlich nur die Einlegung der Berufung, nicht aber die Begründung der Berufung
nachgeholt. Allerdings wurde in diesem Schriftsatz um Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist nachgesucht. Dieser Antrag ist jedoch nicht mit der
versäumten Prozesshandlung der Berufungsbegründung selbst gleichzusetzen.
Vielmehr entspricht nach - soweit ersichtlich - einhelliger Rechtsprechung der
Antrag auf Verlängerung einer Rechtsmittelbegründungsfrist gerade nicht der mit
dem Wiedereinsetzungsantrag zu verbindenden Rechtsmittelbegründung selbst
(BGH, Beschluss vom 07.06.1999, MDR 1999, 1094 = NJW 1999, 3051; OLG
Frankfurt am Main, 7. Zivilsenat, Beschluss vom 15.07.1999, OLGR Frankfurt am
Main 2000, 222 - insoweit von BGH, Beschluss vom 17.11.1999 (IV ZB 18/99) nicht
kritisiert; LAG Köln, Urteil vom 25.01.2002, AR-Blattei ES 160.11 Nr. 137; Zöller-
Greger, ZPO, 23. Aufl., Rdn. 8 zu § 236 ZPO).
Da der Wiedereinsetzungsantrag schon aus dem genannten Grunde ohne Erfolg
bleibt, sei nur noch am Rande darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelfristen
nach dem eigenen Vortrag der Klägerin jedenfalls nicht ohne Verschulden ihres
Prozessbevollmächtigten versäumt wurden. Sie führt nämlich in ihrem Schreiben
an das Gericht vom 01.04.2003 aus, sie habe bereits im Oktober 2002 ihren
Prozessbevollmächtigten "vorab" (also vor Erlass der landgerichtlichen
Entscheidung) darauf hingewiesen, dass sie (im Unterliegensfalle) jedenfalls "in die
Berufung gehen würde". Darin kann ein Auftrag zur Rechtsmitteleinlegung an ihren
Anwalt gesehen werden. Wenn ihr Anwalt sodann dieser Anweisung nicht
entsprach, hat sich die Klägerin das Verschulden ihres Anwaltes in einer nach §
233 ZPO schädlichen Weise zurechnen zu lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO; vgl. BGH NJW
2003, 1528, 1529). Denn zur Schlüssigkeit eines Gesuches um Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand ist es erforderlich, dass der Gesuchsteller einen Sachverhalt
vorträgt, der ein schuldhaftes Verhalten seines Prozessbevollmächtigten
ausschließt (vgl. BAG, Beschluss vom 10.01.2003, NJW 2003, 1269).
Schließlich entspricht auch das Schreiben der Klägerin vom 01.04.2003 direkt an
das Gericht nicht den genannten Erfordernissen eines formgerechten
Wiedereinsetzungsantrages. Ein solcher konnte zudem wirksam nur von einem
beim Oberlandesgericht zugelassenen Anwalt gestellt werden (§§ 236 Abs. 1, 78
Abs. 2 ZPO), wie der Klägerin bereits unmittelbar nach Eingang ihres Schreibens
durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 2. April 2003 mitgeteilt wurde.
Nach alledem ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach
Versäumung der Berufungsbegründungsfrist unbegründet. Mithin kommt es
darauf, ob der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach
Versäumung der Berufungsfrist begründet sein könnte, nicht mehr an.
II.
Da die Berufungsbegründungsfrist mangels Wiedereinsetzung versäumt ist und
nach ihrem Ablauf nicht verlängert werden kann, ist die Berufung insgesamt
unzulässig (§§ 520, 522 ZPO) und daher durch Beschluss zu verwerfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 97 ZPO zu tragen,
da ihr Rechtsmittel ohne Erfolg bleibt. Der Wert des Berufungsgegenstandes ist
nach § 3 ZPO festgesetzt worden.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.