Urteil des OLG Frankfurt vom 19.04.2004

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Gericht:
OLG Frankfurt 1.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 U 235/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 16 Abs 3 TKV
(Telefonrechnung für Mehrwertdienste: Verneinung eines
Zahlungsanspruchs gegen einen Gewerbetreibenden bei
Umgehung der Rufnummernsperre gegen 0190-
Verbindungen durch einen Dritten)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 2.09.2003 verkündete Urteil der 10.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die
Klage auf Zahlung von 5.025,87 € für Verbindungen zu 0190-Rufnummern
abgewiesen.
Allerdings hat das Landgericht nicht berücksichtigt, dass für das Vertragsverhältnis
zwischen den Parteien auch die in den AGB der Klägerin ausdrücklich in Bezug
genommenen Bestimmungen der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung
(TKV), hier insbesondere deren Regelungen über die Darlegungs- und Beweislast
für Zahlungsverpflichtungen des Kunden, maßgeblich sind. Die Klage ist indes
auch unter Berücksichtigung der TKV auf der Grundlage des Sachvortrages der
Klägerin unschlüssig.
Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 TKV oblag der Klägerin als Anbieter der Nachweis, die
Leistung – hier die 0190-Verbindungen – bis zu der Schnittstelle, an der der
allgemeine Netzzugang der Beklagten als Kundin bereitgestellt wird, technisch
einwandfrei erbracht und richtig berechnet zu haben. Diesen Nachweis hat die
Klägerin dadurch erbracht, dass sie einen Einzelentgeltnachweis im Sinne des § 15
Abs. 1 Satz 1 TKV unter Aufschlüsselung der Verbindungsdaten erstellt und
außerdem eine technische Prüfung nach § 16 Abs. 1 TKV mit negativem Ergebnis
durchgeführt und dokumentiert hat. Danach ist davon auszugehen, dass die 0190-
Verbindungen in der von der Beklagten beherrschbaren Sphäre hergestellt worden
sind.
Das Entgelt für derartige Verbindungen hat grundsätzlich der Kunde zu zahlen.
Das gilt nach Nr. 5.2 der AGB der Klägerin (inhaltsgleich § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV)
auch dann, wenn die Verbindungen aufgrund unbefugter Nutzung des Anschlusses
durch Dritte entstanden sind. Ausgenommen sind nach den genannten
Regelungen allerdings die Preise für eine unbefugte Nutzung des Anschlusses
durch Dritte, die der Kunde nicht zu vertreten hat. Zu vertreten im Sinne von Nr.
5.2 AGB und § 16 Abs. 3 Satz TKV hat der Kunde entsprechend § 276 Abs. 1 BGB
Vorsatz und Fahrlässigkeit. Ferner muss er sich das Verhalten derjenigen, denen
er Zugang zu dem Netzanschluss gewährt, entsprechend § 278 BGB zurechnen
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er Zugang zu dem Netzanschluss gewährt, entsprechend § 278 BGB zurechnen
lassen (BGH, Urteil vom 4.03.2004, III ZR 96/03, Juris). Die Beweislast dafür, dass
er den Missbrauch des Anschlusses nicht zu vertreten hat, trägt der Kunde. Das
entspricht den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über die
Beweislastverteilung nach Gefahren- oder Verantwortungsbereichen. Sind die
Verbindungen in der vom Kunden beherrschbaren Sphäre hergestellt worden,
muss er beweisen, dass die (unbefugte) Benutzung von ihm nicht zu vertreten ist
(Hahn, Telekommunikationsdienstleistungs-Recht, Rn. 211, 294; Spindler/Imping,
Vertragsrecht der Telekommunikations-Anbieter, Teil VI Randzeichen 50; Graf von
Westphalen, Der Telefondienstvertrag, Seite 116, 117; OLG Köln, Urteil vom
8.05.1998 – 6 U 149/96 – A 3 JURIS).
Hier beruhen die zustande gekommenen 0190-Verbindungen nicht auf einem
Verstoß der Beklagten gegen ihre Sorgfaltsobliegenheiten. Unstreitig hat die
Beklagte ihre Telefonanlage durch eine Fachfirma mit einer Sperre für 0190-
Verbindungen ausstatten lassen. Die Sperrung der 0190-Nummern wurde
fortlaufend überwacht und überprüft. Für eine in der Vergangenheit bereits zu Tage
getretene Lückenhaftigkeit des installierten Schutzes gegen 0190-Verbindungen
bestehen keine Anhaltspunkte. Der Umstand, dass in dem der Klageforderung zu
Grunde liegenden Abrechnungszeitraum gleichwohl 0190-Verbindungen vom
Telefonanschluss der Beklagten aus hergestellt wurden, beruht unstreitig darauf,
dass die in der Telefonanlage installierte Sperre für 0190-Verbindungen von einem
Dritten unbemerkt manipuliert wurde, möglicherweise in Verbindung mit der
Installation einer Rückrufschaltung, über die dann die Anlage außerhalb der
Geschäftszeiten der Beklagten Verbindungen zu 0190-Nummern aufgestellt hat.
Diese Manipulation hat die Beklagte nicht zu vertreten. Vielmehr hat die Beklagte
durch Installation der Sperre von 0190-Verbindungen in ihrer Telefonanlage die
nach Lage der Sache erforderliche Sorgfalt beachtet, um sich selbst vor Schaden
zu schützen. Da sich diese Sicherungsmaßnahme bisher nicht als unzuverlässig
erwiesen hatte, bestand kein Anlass zu weitergehenden Schutzvorkehrungen. Der
Beklagte hat die Manipulation ihrer Telefonanlage auch dann nicht zu vertreten,
wenn sie von einem ihrer Mitarbeiter vorgenommen wurde. In diesem Falle ist der
Beklagten das Verhalten des Mitarbeiters nicht entsprechend § 278 BGB
zuzurechnen. Es steht ersichtlich in keinem inneren sachlichen Zusammenhang
mit dem Aufgeben, die die Beklagte ihren Mitarbeitern zugewiesen hat. Bei der
Manipulation der Telefonanlage zur Umgehung der installierten Sperre gegen
0190-Verbindungen handelt es sich vielmehr um einen nur bei Gelegenheit der
Tätigkeit des Mitarbeiters begangenen rechtswidrigen Eingriff in das Eigentum der
Beklagten. Dieser rechtswidrige Eingriff ist der Nutzung des Anschlusses durch
Einbrecher vergleichbar, die im Normgebungsverfahren als Beispiel für einen vom
Kunden nicht zu vertretenden Missbrauch im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 3 1.
Alternative TKV angeführt wurde (amtliche Begründung zu § 15 des
Verordnungsentwurfs der Bundesregierung = § 16 TKV, in BR-Drucksache 551/97,
Seite 36). Beide Fälle betreffen rechtswidriges, gegen den Kunden gerichtetes
deliktisches Verhalten unter Ausschaltung bzw. Umgehung von
Sicherungsmaßnahmen, die der Kunde im Rahmen des Zumutbaren zum Schutz
vor missbräuchlicher Benutzung des Telefonanschlusses getroffen hat. Das
Missbrauchsrisiko trägt nach Nr. 5.2 AGB/§ 16 Abs. 3 Satz 3 1. Alternative TKV die
Klägerin, wenn – wie hier – Verbindungen in der vom Kunden beherrschbaren
Sphäre ohne dessen Verschulden zustande gekommen sind.
Danach kann die Klägerin die geltend gemachte Vergütung für die 0190-
Verbindungen nicht beanspruchen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen
Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine
grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des
Revisionsgerichts nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.