Urteil des OLG Frankfurt vom 13.10.2009

OLG Frankfurt: öffentliche bekanntmachung, tarif, begründung des urteils, vernehmung von zeugen, billigkeit, allgemeine geschäftsbedingungen, falsche aussage, gas, jahresrechnung, preissockel

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Gericht:
OLG Frankfurt 1.
Kartellsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 U 28/09 (Kart)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 315 BGB
Unbeanstandete Hinnahme von Jahresabrechnungen durch
Gaskunden
Leitsatz
Auch für Sondervertragskunden gilt, dass kein einseitig bestimmter, sondern ein
vereinbarter Preis vorliegt, wenn der Gaskunde die auf erhöhten Tarifen basierenden
Jahresrechnungen unbeanstandet hinnimmt und weiterhin Gas bezieht, ohne in
angemessener Zeit eine Überprüfung der Billigkeit nach § 315 BGB zu verlangen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom
22.1.2009 – Az.: 13 O 159/07 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der
Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollsteckung
Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Berechtigung von Preisbestimmungen für die
Belieferung mit Gas.
Der Kläger bezieht von der Beklagten für seine Wohnung in O1 Gas für den Betrieb
seiner Heizung und der Warmwasserversorgung. Die Beklagte bestätigte dem
Kläger unter dem 8.7.1993 die Anmeldung der Verbrauchsstelle für die Abgabe
von Strom und Gas und teilte ihm mit, dass sie ihn dem Tarif 349 zugeordnet
habe, sofern die Tarife nicht vereinbart worden seien (Bl. 13 d. A.). Bei dem
genannten Tarif handelte es sich um einen allgemeinen Tarif für den
Haushaltsverbrauch. Im Jahr 1995 stellte die Beklagte ihr Tarifsystem für alle
Kunden um, die zuvor zu allgemeinen Tarifpreisen oder nach Sonderabkommen
versorgt worden waren. Danach gab es unter dem Oberbegriff „Allgemeine Tarife"
einen Grundverbrauchstarif bei einem Jahresverbrauch bis 2.428 kWh und einen
Grundpreistarif für Haushalte mit einem Jahresverbrauch bis 4.965 kWh. Ferner
wurden unter dem Begriff „Heizgas-Sonderabkommen" die Tarife R1 und R2 für
Verbrauchsmengen ab 4.966 kWh gebildet. Diese Tarife für „Heizgas -
Sonderabkommen" wurden mit Wirkung vom 1.11.2001 durch die Tarife „…" bis zu
einem Jahresverbrauch von 14.918 kWh und „…" für darüber liegende
Jahresverbrauchsmengen abgelöst. Für diese Tarife veröffentlichte die Beklagte
Bedingungen, die unter Nr. 2 bestimmen:
„Preisänderungen und Änderungen der Bedingungen für „…" werden nach
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„Preisänderungen und Änderungen der Bedingungen für „…" werden nach
öffentlicher Bekanntmachung in der örtlichen Presse wirksam. … ist nicht zu
Einzelbenachrichtigungen verpflichtet".
Unter Nr. 3 ist geregelt:
„Allgemeine Bedingungen:
Soweit in diesen Bedingungen nichts Abweichendes geregelt ist, gelten die
„Allgemeinen Bedingungen für die Gasversorgung für Tarifkunden ...“
(Anlage K 28).
Die Beklagte berechnete den Gasbezug des Klägers je nach der Höhe seines
Energieverbrauchs nach den vorgenannten Tarifen R1 oder R2 beziehungsweise …
und…. Dies beanstandete der Kläger zunächst ebenso wenig wie die mehrfache
Anpassung der Preise durch die Beklagte. Erstmals mit Schreiben vom 20.12.2004
widersprach der Kläger gegenüber der Beklagten einer Erhöhung der Tarifpreise für
Gasbezug ab 1.8.2004 in der Abrechnung vom 14.12.2004 (Bl. 24/25 d. A.). Die
vom Kläger geforderte Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen wies die Beklagte
zurück (Bl. 26/27 d. A.).
Mit der Klage hat sich der Kläger gegen die Jahresendabrechnungen der Beklagten
vom 14.12.2004, 14.12.2005, 15.12.2006 und 15.12.2007 (Bl. 17, 20, 14 d. A.,
Anlage K 10) gewandt. Er hat die Ansicht vertreten, dass die zum 30.11.2003,
1.1.2004, 1.8.2004, 5.12.2004, 1.1.2005, 1.10.2005, 27.11.2005, 1.6.2006,
1.8.2006, 1.4.2007 und 1.10.2007 vorgenommenen Preisbestimmungen der
Beklagten unbillig und unwirksam seien. Außerdem seien die mit der
Jahresabrechnung vom 15.12.2007 geforderten Abschläge von 91,-- € unbillig und
nicht fällig. Bei dem auf ihn angewandten Gastarif habe es sich um einen
Sondertarif im Sinne des § 41 EnWG gehandelt. Aufgrund des
Sondervertragsverhältnisses außerhalb der Grundversorgung (§ 36 EnWG) und des
Fehlens einer wirksamen Preisanpassungsklausel könne die Beklagte die Preise
ihm gegenüber nicht erhöhen. Die Beklagte könne sich auch bei Annahme eines
Grundversorgungsverhältnisses für die Tarifänderungen nicht unmittelbar auf § 4
AVBGasV berufen. Die Klausel in den Allgemeinen Bedingungen der Beklagten sei
hinsichtlich der Verweisung auf die AVBGasV intransparent und daher unwirksam.
Bei Annahme eines einseitigen Preisanpassungsrechts der Beklagten sei diese
jedoch ihrer nach § 315 BGB obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht
nachgekommen. Die von der Beklagten berechneten Tarife entsprächen nicht der
Billigkeit. Auch aus der Zahlung der vorangegangenen Rechnungsbeträge könne
nicht auf einen Ausschluss der Unbilligkeitseinrede geschlossen werden. Insofern
fehle es an den Voraussetzungen für ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Die
Gaseinfuhrpreise im Jahre 2004 seien im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Es
müsse von einem fiktiven Gaspreis von 2 Cent pro KWh ausgegangen werden. Der
Arbeitspreis habe im Zeitraum 1.1.2004 bis 30.9.2006 nicht um 1,75 Cent,
sondern nur um 0,6 Cent erhöht werden dürfen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen,
1. dass die von der Beklagten in dem zwischen den Parteien bestehenden
Gaslieferungsvertrag zum 30.11.2003, 1.1.2004, 1.8.2004, 5.12.2004, 1.1.2005,
1.10.2005, 27.11.2005, 1.6.2006, 1.8.2006, 1.4.2007 und 1.10.2007
vorgenommenen Preisbestimmungen unbillig und unwirksam sind;
2. dass die Endabrechnungen der Beklagten vom 14.12.2004, 14.12.2005,
15.12.2006 und 14.12.2007 auf den Erdgasverbrauch unbillig und nicht fällig sind;
3. dass die von der Beklagten anlässlich der Jahresabrechnung vom
15.12.2007 errechneten und geforderten Abschlagsbeträge in Höhe von 91,-- €
unbillig und nicht fällig sind.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei dem Tarif, in den der
Kläger zu Beginn des Bezugsverhältnis eingestuft worden sei, um einen
allgemeinen Tarif für Haushaltskunden und nicht um einen Sonderkundentarif
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allgemeinen Tarif für Haushaltskunden und nicht um einen Sonderkundentarif
gehandelt habe. Auch die Tarifumstellung 1995 habe nicht zu einer Änderung der
Bezugsgrundlagen geführt. Die missverständliche Bezeichnung der Tarife als
sogenannte Heizgas-Sonderabkommen führe nicht dazu, dass es sich hierbei um
Sondervertragstarife handele. Vielmehr habe es sich um allgemeine Tarife
gehandelt, die ohne besondere Vereinbarung der Parteien bei einer bestimmten
Verbrauchshöhe angewendet worden seien. Auch bei den Tarifen „…“ handele es
sich nicht um Verträge mit Sonderkonditionen. Soweit für diese Tarife eine
Konzessionsabgabe von lediglich 0,03 Cent/KWh abgerechnet worden sei, hänge
dies mit der Konkurrenz von Heizgas zu Heizöl zusammen, für das keine
Konzessionsabgabe zu zahlen sei. Aufgrund der Bedingungen bei so genannten
Heizgas-Sonderverträgen sei sie berechtigt gewesen, die Preise entsprechend
anzupassen. Eine vergleichbare Regelung ergebe sich auch aus den Bedingungen
zu den Preislisten seit 1992. Zudem verwiesen die Bedingungen jeweils auf die
AVBGasV, so dass man auch hieraus bei Annahme eines
Sondervertragsverhältnisses ein Preisanpassungsrecht ableiten könne.
Die Beklagte hat ferner die Ansicht vertreten, die Anhebung der Arbeitspreise sei
schon deshalb nicht unbillig, weil ihre eigenen Bezugskosten in diesem Zeitraum
stärker gestiegen seien als ihre durch die Preisanpassungen bedingten
Verkaufserlöse. Die Beklagte bezieht sich insoweit auf einen Bericht der
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft A vom 27.6.2006 sowie auf einen
Wirtschaftsprüfungstestat vom 7.6.2006.
Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen der Klage nur teilweise
insoweit stattgegeben, als es festgestellt hat, dass die von der Beklagten in dem
zwischen den Parteien bestehenden Gaslieferungsvertrag zum 1.10.2007
vorgenommene Preiserhöhung unwirksam und die Endabrechnung vom
14.12.2007 lediglich in Höhe von 915,50 € begründet und fällig ist. Im Übrigen hat
es die Klage abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes, der tatsächlichen Feststellungen sowie der Begründung im
Einzelnen wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen (Bl. 470 – 508 d. A.,
veröffentlicht in ZNER 2009, 160 ff. ).
Gegen das am 30.1.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.2.2009 Berufung
eingelegt und diese innerhalb der bis zum 30.4.2009 verlängerten Frist begründet.
Mit der Berufung wiederholt der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag und macht
insbesondere geltend, dass ihn das Landgericht zu Unrecht als Tarifkunden
eingestuft habe. Ferner meint er, dass entgegen den Feststellungen des
Landgerichts der Preissockel überprüfbar bleibe, da die Beklagte eine
Monopolstellung innehabe.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und festzustellen,
1. dass die von der Beklagten in dem zwischen den Parteien bestehenden
Gaslieferungsvertrag zum 30.11.2003, 1.1.2004, 1.8.2004, 5.12.2004, 1.1.2005,
1.10.2005, 27.11.2005, 1.6.2006, 1.8.2006 und 1.4.2007 vorgenommene
Preisanpassung der Gastarife sowie der Gaspreis insgesamt im
streitgegenständlichen Zeitraum unwirksam und nicht fällig ist;
2. dass die Endabrechnungen der Beklagten vom 14.12.2004, 14.12.2005,
15.12.2006 und 14.12.2007 bezogen auf den Erdgasverbrauch unwirksam und
nicht fällig sind;
3. dass die von der Beklagten anlässlich der Jahresabrechnung vom
15.12.2007 errechneten und geforderten Abschlagsbeträge in Höhe von 91,00 €
für die Monate Januar 2007 bis November 2007 unwirksam und nicht fällig sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte widerspricht der Erweiterung des Klageantrages zu 1. bezüglich des
Zusatzes „sowie der Gaspreis insgesamt“ und verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten
Schriftsätze verwiesen.
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II.
A)
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Auch die Berufungssumme von 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist überschritten.
Die Beklagte meint zwar, dass der Streitwert nur in der Differenz zwischen den
Preisen nach dem Stand 1.4.2003 und den tatsächlich abgerechneten Preisen
gemäß den Rechnungen vom 14.12.2004, 14.12.2005, 15.12.2006 und 14.12.2007
bestehe, und somit nur 401,21 € betrage (Bl. 166 f. d. A.). Abgesehen davon, dass
noch die Abschläge gemäß dem Klageantrag zu 3. (für 2008) hinzukommen,
übergeht diese Berechnung, dass der Kläger sich nicht nur gegen die
Preiserhöhungen wendet, sondern auch den jeweiligen Preissockel und damit den
gesamten Rechnungsbetrag sowie die Fälligkeit der Jahresrechnungen angreift.
Daher beläuft sich der Streitwert auf die Summe der vier Rechnungen von
3.415,46 € zuzüglich der 11 monatlichen Abschläge von 91,-- € gemäß dem
Klageantrag zu 3., insgesamt 4.416,46 €. Davon hat der Kläger nur bezüglich der
Jahresrechnung vom 14.12.2007 (Anlage K 10) in Höhe von 926,20 € - 915,50 € =
10,70 € obsiegt, so dass seine Beschwer und die Beschwerdesumme bei 4.405,76
€ liegen.
Die Berufung ist auch insoweit zulässig, als der Kläger sich gegen die
Endabrechnung vom 14.12.2007 wendet. Zwar hat das Landgericht der Klage
bezüglich dieser Abrechnung dahin stattgegeben, dass die Abrechnung nur in
Höhe von 915,50 € (anstatt der abgerechneten 926,20 €) begründet und fällig ist.
Das Landgericht hat dabei aber allein die Preiserhöhung zum 1.10.2007
abgezogen und den Preissockel nicht überprüft. Der Kläger will dagegen eine
Überprüfung des gesamten Preises einschließlich des Preissockels erreichen und
ist deshalb auch hinsichtlich dieser Abrechnung unterlegen gewesen.
Die zweitinstanzliche Klageänderung, durch die der Kläger mit dem Antrag zu 1.
auch die Feststellung begehrt, dass der Gaspreis insgesamt unwirksam und nicht
fällig ist, ist zulässig, da die Antragserweiterung jedenfalls sachdienlich im Sinne
von § 533 ZPO ist. Durch die Antragserweiterung kann ein neuer Prozess
vermieden werden und über den Antrag kann aufgrund des erstinstanzlichen
Sach- und Streitstandes entschieden werden. Dies gilt gleichermaßen –
unabhängig davon, ob die Beklagte durch rügelose Einlassung insoweit eingewilligt
hat – bezüglich der weiteren Änderung des Antrags zu 1., durch die der Kläger
nicht mehr die Feststellung der Unwirksamkeit, sondern der mangelnden Fälligkeit
der Preisanpassungen begehrt.
B)
In der Sache ist die Berufung jedoch unbegründet.
1. Die Feststellungsklage ist zwar zulässig.
Der Kläger begehrt die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses
(§ 256 ZPO), nämlich dass die Preisbestimmungen der Beklagten als
Bestimmungen des Inhalts des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien
wirkungslos sind (ebenso BGH ZNER 2009, 34 Rdn. 11) oder die darauf
gegründeten Zahlungsforderungen nicht fällig sind.
2. Die Feststellungsklage zu 1. ist unbegründet.
a) Allerdings ist der Berufung darin beizupflichten, dass es sich bei dem
Versorgungsverhältnis des Klägers nicht um einen Tarifkundenvertrag im Sinne
von § 1 Abs. 2 AVBGasV, sondern um einen Normsonderkundenvertrag handelt.
aa) Die Abgrenzung zwischen Tarifkundenverträgen (§ 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 1
Abs. 1 AVBGasV, jetzt Grundversorgungsverträge, § 36 EnWG 2005) und
Normsonderkundenverträgen mit Haushaltskunden richtet sich danach, ob das
Versorgungsunternehmen – aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers –
die Versorgung zu öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen im
Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften anbietet oder
ob das Angebot unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit
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ob das Angebot unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit
erfolgt (BGH Urteil vom 15.7.2009 – Az.: VIII ZR 225/07, Rdn. 14).
bb) Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass sich dies nach der konkreten
Vertragsgestaltung bestimmt. Für die Einordnung eines Kunden als Tarif- oder
Sondervertragskunde ist letztlich nicht die gewählte Bezeichnung der rechtlichen
Belieferungsgrundlage oder -bedingungen entscheidend. Der Kläger wird deshalb
nicht schon dadurch zum Sondervertragskunden, dass der von der Beklagten
abgerechnete Tarif … als „Sonderabkommen“ bezeichnet ist (Bl. 313 d. A.). Auch
führt nicht jeder gegenüber dem allgemeinen Tarif günstigere Preis zur Einordnung
des betreffenden Vertrages als Sondervertrag. Vielmehr sind auch im Rahmen des
allgemeinen Tarifs Staffelpreise vorstellbar. Ein Sondervertrag liegt vor, wenn die
Belieferung nicht zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen gemäß der
AVBGasV, sondern zu anderen Konditionen erfolgt. Die Versorgungsunternehmen
hatten auch schon unter der Geltung des § 6 Abs. 1 EnWG a. F. die Möglichkeit,
neben dem allgemeinen Tarif günstigere Angebote zu machen. Dies war in der
Gaswirtschaft flächendeckend für Kunden der Fall, die mit dem Gasbezug ihren
Gesamtbedarf an Raumwärme, ggfs. einschließlich Wasserversorgung und Energie
zum Kochen deckten. Ihnen stand zwar ein Anspruch auf Belieferung als Tarifkunde
zu. Erfolgte in diesen Fällen die Belieferung aber zu von den allgemeinen
Bedingungen abweichenden Konditionen, so wurde der Kunde damit zum
Sondervertragskunden (Senat, Urteil vom 5.5.2009 – Az.: 11 U 61/07(Kart) =
ZNER 2009, 153, 154). Einen solchen Fall hat der Senat in dem vorzitierten Urteil
bejaht, wenn das Versorgungsunternehmen mit dem Kunden eine
Preisanpassungsklausel vereinbart.
cc) Im Streitfall hat es nach den Feststellungen des Landgerichts derartige von der
AVBGasV abweichende Bedingungen nicht gegeben (LGU 26 unten, 28 Mitte). In
der Berufungsbegründung beruft sich der Kläger allerdings darauf, dass für den
Tarif „… “ die oben genannten Bedingungen veröffentlicht wurden. Dies wird von
der Beklagten nicht bestritten (Bl. 402 d. A.). Danach sollen die AVBGasV nur
subsidiär gelten, nämlich „soweit in diesen Bedingungen nichts Abweichendes
geregelt ist“. Somit kann nicht mehr von einem Tarifkundenvertrag gesprochen
werden.
b) Gleichwohl sind die Preiserhöhungen der Beklagten wirksam.
aa) Soweit es um die Preisbestimmungen vom 30.11.2003 und 1.1.2004 geht, hat
das Landgericht festgestellt, dass zu diesen Zeitpunkten eine Erhöhung des Tarifs
nicht vorgenommen wurde; am 1.4.2007 wurde der Preis gesenkt (LGU 31). Dem
tritt die Berufung nicht mehr entgegen. Der Preissockel ist nicht mehr auf seine
Billigkeit zu überprüfen (siehe unten).
bb) Die Beklagte war zur Preisänderung gemäß § 315 BGB berechtigt. Dies folgt
aus Nr. 3 der Bedingungen zum Tarif … in Verbindung mit § 4 AVBGasV. Nr. 3 der
Bedingungen zum Tarif … verweist auf die AVBGasV. § 4 AVBGasV räumt dem
Versorgungsunternehmen unter anderem ein Preisänderungsrecht ein (BGH NJW
2007, 2540, 2541 Rdn. 13 ff.; NJW 2009, 502, 504 Rdn. 26).
Die Allgemeinen Bedingungen zu dem Tarif … sind Vertragsbestandteil geworden.
Die Beklagte hat den Kläger mit der Unterlage Anl. K 28 auf die Bedingungen
hingewiesen und sie diesem mitgeteilt, so dass die Voraussetzungen des § 2 Abs.
1 Nrn. 1 und 2 AGBG erfüllt sind. Der Kläger hat sich mit der Geltung
einverstanden erklärt. Dafür genügte seine stillschweigende Zustimmung (z. B.
BGH, Betriebsberater 1983, 15, 16; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 10. Aufl., §
305 BGB Rdn. 161). Das Einverständnis hat der Kläger dadurch erklärt, dass er auf
die Mitteilung der Beklagten hin über einen Zeitraum von drei Jahren (November
2001 bis 20.12.2004) weiterhin Gas bezog, ohne seinen Widerspruch gegen die
Einbeziehung der Bedingungen zu erklären. Der Bundesgerichtshof bejaht mit
Recht ein derartiges Einverständnis des Tarifkunden im Hinblick auf
Preiserhöhungen. Dies gilt ebenso, wenn es sich bei dem Abnehmer wie im
Streitfall um einen Sondervertragskunden handelt (siehe unten). Für das
stillschweigende Einverständnis mit den mitgeteilten Versorgungsbedingungen
kann nichts anderes gelten.
Dieses durch Allgemeine Geschäftsbedingungen eingeräumte
Preisänderungsrecht zugunsten des Gasversorgers hält der Inhaltskontrolle stand
und ist wirksam. Eine Preisanpassungsklausel in einem Sondervertrag, die das im
Tarifkundenverhältnis bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs.
1 und 2 AVBGasV unverändert in einen Normsondervertrag übernimmt, also
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1 und 2 AVBGasV unverändert in einen Normsondervertrag übernimmt, also
davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, stellt keine unangemessene
Benachteiligung des Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BGB
dar. Diesen Bestimmungen der AVBGasV kommt Leitbildfunktion für
Sonderkundenverträge zu (BGH, Urteil vom 15.7.2009 – Az.: VIII ZR 225/07, Rdn.
19 ff.). Zwar würde eine § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV lediglich nachgebildete
vertragliche Preisanpassungsklausel den Anforderungen, die die höchstrichterliche
Rechtsprechung in anderen Fällen an die tatbestandliche Konkretisierung von
Anlass, Voraussetzungen und Umfang eines einseitigen
Leistungsbestimmungsrechts stellt, nicht genügen, da § 4 AVBGasV nicht
erkennen lässt, dass das Versorgungsunternehmen bei der Preisanpassung das
Äquivalenzverhältnis wahren muss und sie nicht nutzen darf, über die Abwälzung
konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne
Begrenzung anzuheben, um nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden,
sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Sie lässt den Kunden weiter im
Unklaren darüber, dass aufgrund der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges
Ermessen mit dem Recht des Versorgungsunternehmens zur Abwälzung von
Kostensteigerungen auf seine Kunden die Pflicht einhergeht, Kostensenkungen
ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und diese nach denselben
Maßstäben weiterzugeben. Ferner ermöglich § 4 AVBGasV – was aus dem
Verordnungstext ebenfalls nicht hervorgeht – die Weitergabe gestiegener
Bezugskosten an Tarifkunden nur insoweit, als die Kostensteigerung nicht durch
rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird (zu allem BGH a. a. O.,
Rdn. 23, 26). Einer unveränderten Übernahme von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV in
einen Sonderkundenvertrag steht dies unter dem Gesichtpunkt einer
unangemessenen Benachteiligung des Sonderkunden (§ 307 Abs. 1 BGB) indes
nicht entgegen. Nach dem Willen des Gesetzgebers (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 AGBG) soll
es den Versorgungsunternehmen freistehen, ihre Allgemeinen
Versorgungsbedingungen mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen
Versorgungsbedingungen für Tarifkunden auszugestalten, und soll der Schutz der
Sonderabnehmer nicht weitergehen als derjenige der Tarifabnehmer. Der
Gesetzgeber hat deshalb mit § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV selbst den Maßstab
gesetzt, nach dem zu beurteilen ist, ob Sonderkunden durch eine
Preisanpassungsklausel im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB unangemessen
benachteiligt werden. Mit einer unveränderten Übernahme von § 4 AVBGasV in
das Sonderkundenverhältnis wird das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel erreicht,
Sonderkunden nicht besser, aber auch nicht schlechter zu stellen als Tarifkunden.
Es ist nicht ersichtlich, dass dafür im Bereich von Sonderverträgen höhere
Anforderungen an die Bestimmtheit und die Konkretisierung einer
Preisanpassungsregelung gestellt werden müssten, als sie im Bereich der
Tarifkundenversorgung durch § 4 AVBGasV unmittelbar erfüllt werden. Dem
Sonderkunden steht ebenso wie dem Tarifkunden eine Überprüfung von
einseitigen Preisänderungen nach § 315 BGB offen. Stimmt die vertragliche
Preisanpassungsklausel mit § 4 AVBGasV inhaltlich überein, das heißt, weicht sie
davon nicht zum Nachteil des Abnehmers ab, liegt danach eine unangemessene
Benachteiligung des Sonderabnehmers nicht vor (BGH a. a. O. Rdn. 24). Das gilt
insbesondere dann, wenn die Allgemeinen Versorgungsbedingungen im
Sonderkundenverhältnis – wie im Streitfall – schlicht auf die AVBGasV verweisen.
Eine Befugnis zur Preisänderung ergibt sich für die Beklagte auch nicht aus
anderen, der Inhaltskontrolle möglicherweise nicht standhaltenden Klauseln ihrer
allgemeinen Bedingungen, insbesondere nicht aus Nr. 2. Der Kunde der Beklagten
entnimmt deshalb der Verweisung auf die AVBGasV, dass der Beklagten das
Preisänderungsrecht allein mit dem in Bezug genommenen § 4 AVBGasV und
nicht etwa mit § 2 der Allgemeinen Bedingungen eingeräumt wird. Die Klausel
besagt zwar, dass Preisänderungen und Änderungen der Bedingungen für „…"
nach öffentlicher Bekanntmachung in der örtlichen Presse wirksam werden. Sie
erscheint damit § 4 Abs. 2 AVBGasV nachgebildet. Gleichwohl folgt daraus keine
materielle Befugnis zur Preisänderung. Vielmehr wird unter Berücksichtigung der in
Nr. 3 enthaltenen Verweisung auf die AVBGasV mit dem sich aus § 4 ergebenden
Preisbestimmungsrecht aus der Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners
der Beklagten nur die Form geregelt, in der die Preisanpassung erfolgt, wobei die
Bestimmung des § 4 Abs. 2 AVBGasV hinsichtlich der Art der Veröffentlichung
(öffentliche Bekanntmachung in der örtlichen Presse) konkretisiert wird (vgl. BGH
a. a. O. Rdn. 30). Insofern liegt der Streitfall anders als der vom Bundesgerichtshof
(a. a. O.) entschiedene Sachverhalt, da dort in § 3 Nr. 1 der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen inhaltliche Vorgaben zur Preisanpassungsbefugnis
ausdrücklich vorgesehen war.
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c) Die Preisbestimmungen der Beklagten sind nur insoweit gemäß § 315 BGB
nachzuprüfen, als es sich um Preiserhöhungen auf den bis zum 29.11.2003
entstandenen Preissockel handelt.
aa) Für Tarifkunden hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass kein
einseitig bestimmter, sondern ein vereinbarter Preis vorliegt, wenn der Gaskunde
die auf erhöhten Tarifen basierenden Jahresrechnungen unbeanstandet hinnimmt
und weiterhin Gas bezieht, ohne in angemessener Zeit eine Überprüfung der
Billigkeit nach § 315 BGB zu verlangen (BGH NJW 2007, 2540, 2543 f.; 2009, 502,
503). Dies gilt entgegen der Auffassung des Klägers auch dann, wenn der
Gasversorger eine Monopolstellung innehat (BGH a. a. O.). Der VIII. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofes hat an dieser Ansicht trotz einer möglicherweise
gegenteiligen Beurteilung durch den Kartellsenat des Bundesgerichtshofes (NJW
2008, 2175, 2177 Rdn. 23 f. – Stromnetznutzungsentgelt III) im Hinblick darauf
festgehalten, dass eine umfassende gerichtliche Kontrolle von allgemeinen Tarifen
eines Gasversorgungsunternehmens der Intention des Gesetzgebers
entgegenlaufe, der eine staatliche Prüfung und Genehmigung dieser Tarife
wiederholt abgelehnt hat (BGH NJW 2009, 502, 503 Rdn. 17 ff.).
bb) Ist eine derartige Preisvereinbarung anzunehmen, ist der Preissockel, der
durch den vertraglich vereinbarten Preis gebildet wird, der Billigkeitskontrolle nach
§ 315 BGB entzogen. Hat der Abnehmer nämlich den zuvor maßgeblichen Preis im
Wege einer derartigen vertraglichen Vereinbarung akzeptiert, so kann er
gegenüber dem neuen Tarif nicht einwenden, schon der alte Preis sei unbillig
überhöht gewesen (BGH NJW 2009, 502, 504 Rdn. 24).
Dies hat auch im Verhältnis zu einem Sondervertragskunden Geltung. Das
Oberlandesgericht Hamm vertritt allerdings den Standpunkt, in
Sondervertragsverhältnissen bestehe ein einseitiges Tariferhöhungsrecht, welches
allein der Billigkeitskontrolle unterliege, grundsätzlich nicht. Sei ein solches
Erhöhungsrecht nicht vereinbart, bedürfe es vielmehr einer Einigung der
Vertragsparteien über die erhöhten Preise. Hierfür gilt nach Auffassung des
Oberlandesgerichts Hamm der Grundsatz, dass Schweigen sowie die
widerspruchslose Hinnahme und sogar die Begleichung von Rechnungen keinen
darüber hinausgehenden Erklärungswillen enthalten. Das
Versorgungsunternehmen könne deshalb die Zahlung nicht ohne weiteres als
Billigung oder Akzeptanz einer vertragswidrig ohne wirksame Vereinbarung
durchgeführten Preiserhöhung verstehen. Zumindest wäre erforderlich, dass der
Kunde nicht nur aus öffentlichen Bekanntmachungen die Erhöhung der
allgemeinen Tarife entnehmen könne, sondern dass er ganz konkret und
hinreichend klar darauf hingewiesen worden sei, ob und wie sich die Erhöhung der
allgemeinen Tarife bei der Berechnung der mit ihm vereinbarten Preise ausgewirkt
habe (Urteil vom 29.5.2009 - Aktenzeichen 19 U 52/08, zitiert nach Juris Rdn. 37,
38). Die Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm überzeugt jedoch nicht. Es ist
nicht einzusehen, weshalb eine im Tarifkundenverhältnis veröffentlichte
Preiserhöhung Gegenstand einer konkludenten Vereinbarung mit dem
Letztverbraucher sein kann, die ohne (wirksame) vertragliche Befugnis erklärte
Preiserhöhung im Sonderkundenvertrag dagegen nicht. Zwar kann es fraglich sein,
ob das Versorgungsunternehmen mit einer mitgeteilten Preiserhöhung überhaupt
eine auf einen Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung abgeben will. Aus der
maßgeblichen Sicht des Kunden macht der Versorger vielmehr von einem
(wirklichen oder nur vermeintlichen) einseitigen Recht zur Preisbestimmung
Gebrauch, zu der es keiner vertraglichen Einigung mit dem Kunden bedarf. Im Falle
eines Sonderkundenvertrages kann sich das einseitige Preisbestimmungsrecht –
wie vorliegend – aus einer Bezugnahme in allgemeinen Geschäftsbedingungen auf
die §§ 4 AVBGasV, 5 GasGVV oder aus einer besonders vereinbarten anderen
Preisanpassungsbefugnis ergeben. Der Fall des Sonderkundenvertrages liegt
insoweit jedoch nicht anders als derjenige eines Tarifkundenvertrages. Dort gibt
das Versorgungsunternehmen die Preisänderung öffentlich bekannt, ohne dabei
ein Angebot zum Abschluss einer Vereinbarung abgeben zu wollen. Gleichwohl
sind die beanstandungslose Hinnahme der auf erhöhten Tarifen basierenden
Jahresrechnung sowie der Weiterbezug von Gas ohne Überprüfung der Billigkeit in
angemessener Zeit als Zustimmung des Tarifkunden und als vertragliche Einigung
über den geänderten Preis zu werten. Auch das Bedenken des Oberlandesgerichts
Hamm, der Sondervertragskunde müsse die Erhöhung der Tarife nicht nur durch
öffentliche Bekanntmachung entnehmen können, sondern müsse ganz konkret
und hinreichend klar darauf hingewiesen werden, ob und wie sich die Erhöhung der
Tarife bei der Berechnung der mit ihm vereinbarten Weise ausgewirkt hat, steht
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Tarife bei der Berechnung der mit ihm vereinbarten Weise ausgewirkt hat, steht
der Annahme einer Preisvereinbarung nicht entgegen. Denn nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist eine solche Vereinbarung jedenfalls
dann geschlossen, wenn dem Kunden – wie im Falle des Klägers – zuvor eine
Jahresrechnung zugegangen ist. Aus dieser Jahresrechnung kann der Kunde
regelmäßig hinreichend deutlich die Erhöhung des Arbeitspreises ersehen.
Insoweit ist der Ansicht des Bundesgerichtshofs ist zu folgen.
(1) Zu Unrecht hält der Kläger dem entgegen, dass nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs die vorbehaltlose Bezahlung einer Rechnung kein
Anerkenntnis darstelle (BGH Urteil vom 11.11.2008 – Az.: VIII ZR 265/07 = NJW
2009, 580). Voraussetzung der stillschweigend getroffenen Preisvereinbarung ist
nämlich nicht die Bezahlung der Jahresrechnung, sondern dass der Kunde
innerhalb einer gewissen Zeit die Jahresrechnung nicht beanstandet, zudem in
Kenntnis des erhöhten Preises weiterhin Gas bezieht und auch nicht in
angemessener Zeit die Überprüfung der Billigkeit der Preiserhöhung verlangt.
Hierbei wird aus über einen längeren Zeitraum hinweg vorgenommenen
(Gasbezug) sowie unterlassenen (Beanstandung der Jahresrechnung oder
Überprüfung der Billigkeit) Handlungen des Kunden auf sein Einverständnis mit der
Preiserhöhung geschlossen. Demgegenüber handelt es sich bei der bloßen
Bezahlung einer Rechnung um eine einmalige Handlung ohne Dauereffekt.
Unabhängig davon behandelt die angesprochene Entscheidung des
Bundesgerichtshofes auch nicht die stillschweigende Abgabe einer
Vertragsabschlusserklärung, sondern ein stillschweigendes bestätigendes
(deklaratorisches) oder tatsächliches Schuldanerkenntnis. In der Begründung des
Urteils ist zutreffend ausgeführt worden, dass die Wertung einer
rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Erklärung als Anerkenntnis in
der Regel eine Interessenlage voraussetzt, die Anlass zur Abgabe eines
Anerkenntnisses sein kann, namentlich, um ein zwischen den Parteien
bestehendes Schuldverhältnis einem Streit oder zumindest einer (subjektiven)
Ungewissheit über dessen Bestand oder seine Rechtsfolgen zu entziehen (Rdn.
11). Der zahlende Rechnungsadressat muss für den Rechnungssteller ersichtlich
trotz Streits oder Ungewissheit über seine Zahlungspflicht gezahlt haben. Solche
Umstände waren im dortigen Fall nicht festgestellt worden. Bereits insoweit
unterscheiden sich die vorliegend in Rede stehenden Fälle von dem Sachverhalt,
der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.11.2008 zu Grunde lag. Das
Versorgungsunternehmen als Vertragsgegenseite kann ohne weiteres davon
ausgehen, dass dem Gaskunden die Preiserhöhung aufgrund der Jahresrechnung
bekannt ist, zumal sie sich entweder regelmäßig unmittelbar aus der Rechnung
ergibt oder jedenfalls durch einen Vergleich mit der Abrechnung der
vorausgegangenen Rechnungsperiode leicht festzustellen ist. Setzt der Kunde
trotz der ihm bekannten Preiserhöhung das Vertragsverhältnis über eine gewisse
Zeit ohne Einwendungen gegen die Preiserhöhung fort, so kann daraus nur der
naheliegende Schluss gezogen werden, dass er die Preiserhöhung akzeptiert. Für
die Richtigkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur stillschweigenden
Preisvereinbarung sprechen zudem praktische Gesichtspunkte. Bei der
Gasversorgung handelt es sich um ein Massengeschäft. Die Rückabwicklung
geleisteter Zahlungen in vielen Einzelfällen nach Ablauf einer längeren Zeit (häufig
eines Jahres oder mehr) zieht bereits als solche einen erheblichen Aufwand nach
sich, der zusätzliche Kosten verursacht und sich letztlich in Preiserhöhungen in den
folgenden Rechnungsperioden niederschlagen wird (zu der vom Gesetzgeber nicht
gewollten Prozessflut gegenüber Energieversorgern bei den Zivilgerichten siehe
BGH NJW 2009, 502, 504 Randnummer 23). Da es somit nicht auf die Bezahlung
der Rechnung ankommt, ist auch der Vortrag des Klägers unerheblich, die
Beklagte habe bis zum Jahr 2005 die Rechnungsbeträge durch Lastschrift
eingezogen (Bl. 375 d. A.).
(2) Unzutreffend ist weiterhin die Ansicht des Klägers, der Bundesgerichtshof habe
in seinem Urteil vom 19.11.2008 (NJW 2009, 502, 506 Rdn. 33) entschieden, dass
der Preissockel gleichwohl überprüfbar bleibe. Der Bundesgerichtshof hat an der
angeführten Stelle lediglich eine Überprüfung der Kostenbestandteile des
Preissockels daraufhin zugelassen, ob bei diesen Bestandteilen eine Verringerung
eingetreten ist. Eine weitergehende allgemeine Überprüfung des Preissockels hat
er demgegenüber nicht zugelassen.
cc) Somit ist auch im Streitfall der bis zum 29.11.2003 entstandene Preissockel
der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB entzogen. Dieser Kontrolle unterfallen
lediglich die nach diesem Zeitpunkt vorgenommenen Preiserhöhungen.
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d) Mit Recht hat das Landgericht auch die Billigkeit der einzelnen
Gaspreiserhöhungen bejaht. Diese ist grundsätzlich gegeben, wenn das
Versorgungsunternehmen mit der Preiserhöhung lediglich gestiegene
Betriebskosten an den Kunden weitergibt. Erst recht steht die Billigkeit einer
Preiserhöhung nicht in Frage, wenn das Versorgungsunternehmen
Bezugskostensteigerungen darlegt, die höher sind als die Preissteigerungen
gegenüber dem Kunden (BGH a. a. O. S. 505 Rdn. 30 f.).
aa) Entgegen der Ansicht des Klägers obliegt es der Beklagten auch nicht, ihre
Kalkulation offenzulegen. Der Kläger beruft sich insoweit darauf, dass er ohne
Kenntnis der Kalkulation nicht substantiiert vortragen und bestreiten könne (Bl.
371, 372 d. A.). Jedenfalls im Streitfall bedarf es der Offenlegung der Kalkulation
nicht. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass die Beklagte bezüglich der Billigkeit
der im Streit stehenden Preiserhöhungen darlegungs- und beweisbelastet ist.
Reicht es aber grundsätzlich materiellrechtlich zur Begründung der Billigkeit aus,
dass die Beklagte mit der Preiserhöhung lediglich ihre gestiegenen Betriebskosten
refinanziert, so bedarf es weiterer Angaben für einen schlüssigen Vortrag nicht.
Der Sachvortrag ist dann schlüssig bzw. erheblich, wenn die darlegungsbelastete
Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind,
die geltend gemachte Rechtsposition begründet erscheinen zu lassen. Die Angabe
näherer Einzelheiten ist erst erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von
Bedeutung sind. Im Hinblick auf die Erwiderung des Gegners bedarf der
Sachvortrag nur dann der Ergänzung, wenn er infolge dieser Einlassung unklar wird
und nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts
zulässt (BGH NJW 2009, 502, 508 Rdn. 32). Diesen Anforderungen genügt jedoch
die Angabe, dass die Betriebskosten der Beklagten, die sie zahlenmäßig pro
Kilowattstunde spezifiziert hat, in größerem Maße angestiegen seien als die von ihr
verlangten Gaspreise. Ob der Vortrag der Beklagten zutrifft, ist keine Frage der
hinreichenden Darlegung, sondern ist im Rahmen der Beweisaufnahme zu klären.
bb) Ohne Erfolg rügt die Berufung, dass der vom Landgericht zur Behauptung der
Beklagten erhobene Zeugenbeweis unzureichend sei und stattdessen ein
Sachverständigengutachten hätte eingeholt werden müssen. Der Zeugenbeweis
ist ein dem Sachverständigenbeweis grundsätzlich gleichwertiges Beweismittel.
Dem Beweisführer steht es frei, welches Beweismittel er anbietet (BGH NJW 2009,
502, 506 Rdn. 38). Hat der Kläger Zweifel daran, ob sich die angeblichen
Bezugspreiserhöhungen an Hand der Preiskalkulation der Beklagten
nachvollziehen und belegen lassen, so hat er die Möglichkeit, die Zeugen dazu zu
befragen. Der Kläger hat ferner nicht etwa selbst gegenbeweislich die Einholung
eines Sachverständigengutachtens beantragt (siehe insbesondere Bl. 438 ff. d.
A.). Er rügt mit der Berufung auch nicht, dass ein Beweisantritt übergangen
worden sei. Sollte sein Berufungsvortrag auf Seite 18 der Berufungsbegründung
als Beweisantritt zu verstehen sein, so ist dieser gemäß § 531 ZPO nicht
zuzulassen.
cc) Dass die von der Beklagten vorgetragenen Gaspreiserhöhungen in den Tarifen
… (1,57 Cent/kWh) und die Erhöhung der Bezugskosten (1,6177 Cent/kWh) in der
Zeit vom 1.8.2004 bis zum 1.7.2006 eingetreten sind, hat das Landgericht
zutreffend festgestellt. Aufgrund der Aussagen der Zeugen steht fest, dass die in
den Anlagen B 31, B 32 und B 34 aufgeführten Änderungen der Verkaufspreise in
Cent pro Kilowattstunde sowie der Bezugspreise in derselben Einheit zutreffen. Die
Zeugen Z1 und Z2 von der von der Beklagten beauftragten
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft haben bestätigt, dass sie die
Verkaufspreisänderungen anhand der veröffentlichten Gastarifpreise der
Beklagten geprüft und für richtig befunden haben. Bezüglich der Bezugspreise
haben sie umfassend die Änderungsmitteilungen der Gaslieferanten der Beklagten
überprüft und diese stichprobenhaft mit den Lieferrechnungen verglichen. Dass
dieser Abgleich zwischen Preisänderungsmitteilungen und Lieferrechnungen nur im
Wege von Stichproben erfolgte, beeinträchtigt den Beweiswert der Aussagen nicht.
Wie der Zeuge Z2 bekundet hat, konnten die Wirtschaftsprüfer bestimmen, welche
Unterlagen sie von der Beklagten vorgelegt bekommen wollten. Die Beklagte
wusste also nicht von vornherein, welche Stichproben genommen würden. Es gibt
keine Anhaltspunkte dafür, dass die nicht überprüften Rechnungen mit den
Preisänderungsmitteilungen nicht übereingestimmt hätten. Weiterhin hat der bei
der Beklagten beschäftigte Zeuge Z3 bestätigt, dass die Angaben in den Anlagen
B 31 und B 32 zutreffen. Er konnte dies feststellen, da er bei der Beklagten für die
Beschaffung verantwortlich ist und in dieser Funktion auch die
Preisänderungsmitteilungen der Lieferanten auf ihre inhaltliche Richtigkeit zu
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Preisänderungsmitteilungen der Lieferanten auf ihre inhaltliche Richtigkeit zu
überprüfen hat. Die Berufung führt gegenüber den Zeugenaussagen auch lediglich
an, dass die Zeugen „im Lager der Beklagten" stünden. Dem Kläger ist zwar
zuzugeben, dass es sich bei den genannten Zeugen um Mitarbeiter der Beklagten
oder um von der Beklagten beauftragte Wirtschaftsprüfer handelt. Gleichwohl ist
kein hinreichendes Interesse der Zeugen ersichtlich, zu Gunsten der Beklagten
eine falsche Aussage zu machen. Abgesehen davon handelt sich bei dem
Gegenstand ihrer Vernehmung um Zahlen, die in der Buchhaltung der Beklagten
durch Unterlagen dokumentiert waren oder noch sind, so dass die Richtigkeit der
Zeugenaussagen ohne weiteres hätte nachgeprüft werden können. Es ist
auszuschließen, dass die Zeugen unter diesen Umständen des Risiko einer
falschen Aussage eingegangenen sind.
dd) Allerdings kann die Weitergabe solcher Kostensteigerungen unbillig sein, die
der Versorger unter Berücksichtigung seines unternehmerischen
Entscheidungsspielraums ohne die Möglichkeit einer Preiserhöhung aus
betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden hätte (BGH a. a. O. Seite 506 Rdn.
43). Dazu enthält der Parteivortrag jedoch keinerlei greifbare Anhaltspunkte.
Ebenso kann eine mit Bezugskostensteigerungen begründete Preiserhöhung
unbillig sein, wenn und soweit der Anstieg durch rückläufige Kosten in anderen
Bereichen derselben Unternehmenssparte ausgeglichen wird (BGH a. a. O. Seite
506 Rdn. 39). Auch insoweit hat sich weder aus dem Parteivortrag noch aus der
Zeugenvernehmung etwas zu Gunsten des Klägers ergeben.
3. Aus diesen Gründen ist auch der Klageantrag zu 2. unbegründet, da sich der
Kläger auch insoweit lediglich darauf berufen könnte, dass die den Abrechnungen
zu Grunde liegenden Preisbestimmungen unbillig sind. Dies ist jedoch, wie
gesehen, nicht der Fall.
4. Soweit das Landgericht den Klageantrag zu 3. abgewiesen hat, ist seine
Entscheidung nicht zu beanstanden. Der im Klageantrag genannte Betrag von 91,-
- € ergibt sich aus der Jahresabrechnung vom 14.12.2007 nicht, dort ist vielmehr
ein Abschlag von 104,-- € festgesetzt worden (Anlage K 10 = Bl. 157 d. A.). Die
Kläger begründet auch nicht, weshalb die Entscheidung des Landgerichts in
diesem Punkt falsch sei.
C)
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
D)
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.
E)
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, weil der Senat von
einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm abweicht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.