Urteil des OLG Frankfurt vom 20.07.2005

OLG Frankfurt: eintritt des versicherungsfalls, atembeschwerden, asthma, rücktritt, anzeigepflicht, anfechtung, nummer, wasser, diagnose, berufsunfähigkeit

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Gericht:
OLG Frankfurt 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 220/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 6 Abs 3 WG , § 16 WG , § 21
WG
(Lebens- und Berufsunfähigkeitszusatzversicherung:
Anfechtung und Rücktritt von den Versicherungsverträgen
wegen Verletzung der Anzeigeobliegenheit bei erfolgter
Angabe von Heuschnupfenbeschwerden)
Leitsatz
Mit der zusammenfassenden Angabe "Heuschnupfenbeschwerden" hat der
Versicherungsnehmer neben den typischen Begleiterscheinungen wie "laufende Nase"
auch die Anzeigeobliegenheit bezüglich Atembeschwerden gerügt und damit auch die
einer solchen Erkrankung zugrundeliegende atopische Diathese offenbart.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 24.9.2004 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Berufsunfähigkeitsrente aus der
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Lebensversicherung Nummer ... seit
1.8.2001 in Höhe von monatlich 511,29 Euro zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte seit 1.8.2001 von der Beitragszahlung zur
Lebensversicherung Nummer ... einschließlich
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung befreit ist.
Es wird festgestellt, dass der Lebensversicherungsvertrag mit der Nummer ...
einschließlich Berufsunfähigkeitszusatzversicherung durch den Rücktritt der
Beklagten vom 13.12.2001 bzw. die Anfechtung vom 6.11.2002 nicht aufgelöst
wurde, sondern fortbesteht.
Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der
Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor
Beginn ihrer Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zur
Vollstreckung gebrachten Betrags leistet.
Gründe
Die Klägerin hat bedingungsgemäße Leistungen aus zwei bei der Beklagten
bestehenden Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen und Feststellung, dass die
Lebensversicherungen samt Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen trotz
Anfechtung und Rücktritt der Beklagten fortbestehen, verlangt.
Das Landgericht hat die Zeugen Z1 (Bl. 240), Dr. Z2 (Bl. 249), Dr. Z3 (Bl. 250,
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Das Landgericht hat die Zeugen Z1 (Bl. 240), Dr. Z2 (Bl. 249), Dr. Z3 (Bl. 250,
271) und Dr. Z4 (Bl. 252) teils schriftlich, teils im Wege der Rechtshilfe zur
Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht und zur konkreten Ausgestaltung
der beruflichen Tätigkeit der Klägerin vernommen sowie zur Kausalität der
Heuschnupfen- und Atembeschwerden für den Eintritt des Versicherungsfalls ein
medizinisches Sachverständigengutachten mit Ergänzungsgutachten (vom
21.11.03 und 14.4.04) eingeholt und die Klage wegen Verletzung der
vorvertraglichen Anzeigepflicht abgewiesen.
Mit der Berufung wendet sich die Klägerin nur noch gegen die Abweisung der Klage
hinsichtlich der älteren, 1993 abgeschlossenen Versicherung (Nr. ...).
In dem zu diesem Vertrag von dem Zeugen Z1, dem Schwiegervater der Klägerin,
aufgenommenen Versicherungsantrag, sind alle Gesundheitsfragen verneinend
beantwortet. Tatsächlich litt die Klägerin bereits 1993 an Heuschnupfen und im
Sommer auch an Atembeschwerden.
Die Klägerin, gelernte Arzthelferin, arbeitet seit 1994 als Medizinische
Bademeisterin und Masseurin. Nachdem sie bei der Beklagten einen
Leistungsantrag gestellt hatte, erhielt die Beklagte nach dem 18.11.2001 das
Gutachten der Ärztin Dr. Z4 – Ärztlicher Dienst des Arbeitsamts O1 - vom Januar
2001, in dem die Heuschnupfen-Erkrankung und ein seit Kindheit bestehendes
Asthma erwähnt sind. Die Beklagte erklärte aufgrund dieser Information mit
Schreiben vom 13.12.2001 (Bl. 139) den Rücktritt „von den Verträgen“. Im
Schriftsatz vom 6.11.2002 hat der Beklagtenvertreter ferner die Anfechtung der
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung erklärt (Bl.167/168).
Die Klägerin behauptet, wegen Ekzemen an den Händen ihren mit häufigem
Händewaschen, Reinigungsarbeiten, Kontakt mit Massageölen u.ä. verbundenen
Beruf nicht mehr ausüben zu können. Sie sei zuletzt als Masseurin/medizinische
Bademeisterin in einer geriatrischen Rehabilitationsklinik tätig gewesen; ihre
Tätigkeit habe bei vom Patientenbedarf abhängigem, wechselndem Tagesablauf
jeweils etwa 6 Stunden Teilmassagen zu je 15 Minuten mit der Notwendigkeit, bei
jedem Wechsel die Hände zu waschen, und 2,5 Stunden Unterwassermassagen,
Bäder und Fango-Behandlungen umfasst.
Die einzelnen Anwendungen hätten folgendes umfasst:
Bewegungstherapie, also gymnastische Übungen mit Einzelnen oder mit Gruppen;
Elektrotherapie als Trocken- und Nasstherapie, bei der Elektroden in feuchte
Schwämme gepackt und am Patienten angebracht oder in Wasserbäder, in die der
Patient sich begibt, gelegt werden. Dabei ist eine Grobreinigung der verwendeten
Geräte und Behältnisse mit Wasser und Reinigungsmitteln erforderlich Komplexe
Physikalische Entstauungstherapie, nämlich Lymphdrainage, Bandagieren und
Bewegungstherapie;
Nassanwendungen, nämlich „heiße Rolle“, d.h. ein mit heißem Wasser gefülltes, zu
einer Rolle gewickeltes Tuch als Wärmetherapie;
Medizinische Bäder, d.h. Bäder mit Zusätzen; anschließend Grobreinigung mit
Wasser und Reinigungsmitteln;
Entspannungstherapie;
Unterwassermassagen, bei denen dem Patienten mit einer technischen
Vorrichtung Massagen unter Wasser verabreicht werden;
Kneippgüsse;
Inhalationen.
Sie habe bei ihrer Arbeitsstelle in der Reha-Klinik aufgrund der Verschlimmerung
der Hautbeschwerden Massagen, Unterwassermassagen und Bäder nur noch
bedingt bzw. gar nicht mehr ausführen können; soweit möglich, hätten dies
Kollegen übernommen; bei schweren Krankheitserscheinungen habe sie nach
Möglichkeit Überstunden abgebaut oder Urlaub genommen, um einen Ausfall
wegen Krankheit aus Angst vor Arbeitsplatzverlust zu vermeiden; tagsüber bei der
Arbeit, in der Freizeit und nachts habe sie Handschuhe über Verbänden mit
Cortison-Salbe getragen.
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Zu dem Vorwurf der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht trägt die
Klägerin vor, sie habe dem Zeugen Z1 gesagt, dass sie
Heuschnupfenbeschwerden habe. Dies habe er nicht aufgenommen, weil die
Beschwerden seiner Meinung nach geringfügig gewesen seien. Dass sie Asthma
habe, habe sie 1993 nicht gewusst. Sie sei vorher weder wegen des
Heuschnupfens noch wegen Asthma in ärztlicher Behandlung gewesen. 1994 habe
sie Dr. Z3 erstmals konsultiert. Dieser habe erstmals die
Heuschnupfenbeschwerden als Asthma bezeichnet. Sie habe gegenüber der Ärztin
des Arbeitsamts auch nicht angegeben, seit Kindheit „Asthma“ zu haben, sondern
habe nur von Atembeschwerden gesprochen. Weder der Heuschnupfen noch das
Asthma seien ursächlich für den auf Kontaktekzemen beruhenden
Versicherungsfall.
Mit der Berufung wendet sich die Klägerin insbesondere gegen die Feststellung des
Landgerichts, dass sie schon 1993 von einer Asthmaerkrankung gewusst habe. Es
interpretiere dabei die Aussagen der Dres. Z3 und Z4 unzutreffend. Der Zeuge Z3
habe die ihm von der Klägerin 1994 berichteten Atembeschwerden als Asthma
diagnostiziert, habe aber nicht bestätigt, diese Diagnose der Klägerin mit diesen
Worten mitgeteilt zu haben. Dass die Klägerin der Zeugin Dr. Z4 von „Asthma seit
Kindheit“ berichtet habe, könne sich nur rückschauend auf die frühere Diagnose
des Dr. Z3 beziehen; vor Juli 1994 habe die Klägerin aber von dieser Diagnose
nichts gewusst. Dass das Gericht die Aussage Dr. Z4 wie im Urteil geschehen
gewürdigt habe, sei daher überraschend. Wäre der Klägerin dies früher bekannt
gewesen, hätte früher mit Beweisanträgen reagiert werden können. So sei aber
erst in der letzten mündlichen Verhandlung hierauf hingewiesen worden. Deshalb
sei der in dieser Verhandlung gestellte Antrag, die Zeugin Dr. Z4 persönlich zu
hören, noch rechtzeitig erfolgt.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil wie folgt abzuändern:
Die Beklagte wird verurteilt,
an die Klägerin Berufsunfähigkeitsrente aus der
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Lebensversicherung Nummer ... seit
1.8.2001 in Höhe von monatlich 511,29 Euro zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte seit 1.8.2001 von der Beitragszahlung zur
Lebensversicherung Nummer ... einschließlich
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung befreit ist.
Es wird festgestellt, dass der Lebensversicherungsvertrag mit der Nummer ...
einschließlich Berufsunfähigkeitszusatzversicherung durch den Rücktritt der
Beklagten vom 13.12.2001 bzw. die Anfechtung vom 6.11.2002 nicht aufgelöst
wurde, sondern fortbesteht.
Die Beklagte beantragt
Zurückweisung der Berufung.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und hat insbesondere bestritten, dass die
Klägerin den Agenten Z1 zutreffend informiert habe.
Die Berufung ist begründet.
Der von der Beklagten wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht
erklärte Rücktritt von der Lebensversicherung ist allein deshalb unwirksam, weil die
in § 6 (3) der Versicherungsbedingungen für die Lebensversicherung für einen
solchen Fall vereinbarte Rücktrittsfrist von drei Jahren seit Übernahme des
Versicherungsschutzes, der im Jahr 1993 begann, bereits verstrichen war, als die
Beklagte den Rücktritt erklärte. Auf die Lebensversicherung hat sie ihre
Anfechtungserklärung ausdrücklich nicht gerichtet.
Der die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung betreffende Rücktritt war zwar
wegen der hierfür in § 9 (2) BUZ vereinbarten Frist von 10 Jahren noch möglich und
erfolgte auch binnen Monatsfrist nach Kenntnis der maßgeblichen Umstände. Er
ist aber unwirksam, weil ein Rücktrittsgrund nicht besteht. Der Senat vermag sich
der Beweiswürdigung des Landgerichts, das aus der im Dezember 2000 erfolgten
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der Beweiswürdigung des Landgerichts, das aus der im Dezember 2000 erfolgten
Angabe der Klägerin gegenüber der Zeugin Dr. Z4, seit Kindheit an Asthma zu
leiden, die schon 1993 bestehende Kenntnis der Klägerin von dieser Diagnose
ableiten will, nicht anzuschließen. Wenn die Klägerin im Jahr 2000 Asthma seit
Kindheit angab, kann dies ohne weiteres darauf beruhen, dass sie sich eine
Diagnose, die Dr. Z3 1994 erstmals gestellt hat, zu Eigen gemacht hat. Dass sie
schon 1993, obwohl sie wegen dieser Beschwerden nicht ärztlich behandelt wurde,
selbst angenommen haben soll, an Asthma zu leiden, kann daraus nicht
geschlossen werden.
Zwar steht fest, dass die Klägerin neben ihrem Heuschnupfen Atembeschwerden
hatte und dass ihr diese Beschwerden schon 1993 bekannt waren; denn gerade
wegen dieser Beschwerden hat sie 1994 Dr. Z3 aufgesucht. Diese
Atembeschwerden waren unter der Antragsfrage 9.2 b) (Bl. 98) anzugeben. Die
Klägerin hat aber dadurch, dass sie dem Zeugen Z1 bei der Antragsaufnahme ihre
Heuschnupfenbeschwerden mitteilte, zugleich ihre Anzeigepflicht bezüglich der
Atembeschwerden erfüllt. Die Klägerin hat mit der Angabe von
Heuschnupfenbeschwerden auch etwaige, damit in Zusammenhang stehende
Atembeschwerden gemeint. Mit der zusammenfassenden Bezeichnung
„Heuschnupfenbeschwerden“, die nach dem Vortrag der Klägerin der Arzt Dr. Z3
später als Asthma bezeichnete (Bl. 7 d.A.), meinte die Klägerin den sämtliche
Symptome umfassenden Beschwerdekomplex, also mehr als nur die für den
Schnupfen typische „laufende Nase“. Hätte die Klägerin mit
„Heuschnupfenbeschwerden“ nur solche Beschwerden gemeint, hätte Dr. Z3 sie
nicht als Asthma, also als bronchiale Atembeschwerden bezeichnen können. Für
ein solches Verständnis spricht auch, dass laut Dr. Z3 die Klägerin bei der
Erstkonsultation über Heuschnupfen seit der Kindheit und Atembeschwerden in
den Sommermonaten berichtet hat, also die Atembeschwerden als saisonale
Begleiterscheinung geklagt wurden. Diese Beschwerden waren, da die Klägerin
1993 noch keinen Arzt in Anspruch nahm, zu dieser Zeit noch nicht so schwer,
dass sie sich aus Sicht der Klägerin als selbständiges, unbedingt neben dem
Heuschnupfen zu erwähnendes Beschwerdebild darstellen mussten.
Selbst wenn die Klägerin Atembeschwerden ausdrücklich neben dem
Heuschnupfen hätte angeben müssen, wäre die Beklagte nicht aufgrund des
Rücktritts leistungsfrei.
Das Landgericht hat auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen
angenommen, Asthma und Heuschnupfen gehörten zu den atopischen
Krankheiten, bei denen eine anlagebedingte Überempfindlichkeit bestehe. Diese
begünstige auch bei der Klägerin die Entstehung von Ekzemen bei
hautbelastender Tätigkeit. Es bestehe daher aufgrund der erhöhten Anfälligkeit die
Möglichkeit, dass der Versicherungsfall ohne die Atemwegsbeschwerden nicht,
nicht so früh oder milder eingetreten wäre. Deshalb sei die Beklagte auch nicht
gemäß § 21 VVG zur Leistung verpflichtet.
Das Landgericht hat damit die Feststellungen des Sachverständigen nicht
zutreffend wiedergegeben und gelangt deshalb zu einer im Ergebnis
unzutreffenden Anwendung des § 21 VVG. Der Sachverständige hat ausdrücklich
gesagt, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen den Atemwegsbeschwerden
und den die Berufsunfähigkeit bedingenden Ekzemen nicht besteht, dass aber die
Atemwegsbeschwerden auf eine atypische Diathese, also eine Neigung zu
Überempfindlichkeitsreaktionen hinweisen, die die Wahrscheinlichkeit von
Hautekzemen erhöhe. Wörtlich hat der Sachverständige ausgeführt:“.. bei Fehlen
dieser Disposition wäre es möglicherweise nicht, nicht so früh oder in
abgemilderter Form zum Eintritt desselben gekommen.
“Wenn als Umstand, in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt ist, nur die
Atembeschwerden anzusehen sind, ergibt die Anwendung des § 21 VVG somit,
dass dieser Umstand für sich genommen auf den Eintritt des Versicherungsfalls
keinen Einfluss gehabt hat. Allerdings gilt als verschwiegen auch ein
Gefahrumstand, den der Versicherer bei Benennung indizierender Symptome
hätte erkennen können (vgl. Prölss/Martin-Prölss, VVG, 27. Aufl. § 21 Rdn. 5 mNw.).
Im vorliegenden Fall kann aber die Anzeigepflicht hinsichtlich der atopischen
Diathese, auf die die Atembeschwerden als indizierendes Symptom hinweisen
konnten, nicht als verletzt angesehen werden, denn die Klägerin hatte ihrem
Schwiegervater, der als Agent der Beklagten als deren „Auge und Ohr“ anzusehen
ist, den Heuschnupfen und damit auch die einer solchen Erkrankung zugrunde
liegende atopische Diathese offenbart. Denn auch beim Heuschnupfen handelt es
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liegende atopische Diathese offenbart. Denn auch beim Heuschnupfen handelt es
sich nur um ein Symptom der zugrundeliegenden Neigung zu
Überempfindlichkeitsreaktionen. Das stellt der Sachverständige mehrfach fest und
wählt deshalb für die Atembeschwerden und den Heuschnupfen den
zusammenfassenden Begriff der Atemwegsbeschwerden.
Auch die von der Beklagten erklärte Anfechtung der
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ist unbegründet. Selbst wenn man davon
ausginge, dass die saisonalen Atembeschwerden nicht zugleich unter der
Sammelbezeichnung „Heuschnupfenbeschwerden“ offenbart worden wären,
könnte aus deren Nichtangabe keine Tendenz zur Verharmlosung und damit auch
nicht der Wille zur Einflussnahme auf die Annahmeentscheidung der Beklagten
abgeleitet werden. Der Zeuge Z1 hat angegeben, vor allem deshalb, weil die
Klägerin wegen ihres Heuschnupfens keinen Arzt konsultierte, davon abgesehen
zu haben, diese Angabe im Fragebogen wiederzugeben. Es ist daher möglich, dass
auch die Klägerin eine besondere Erwähnung der Hand in Hand mit dem
Heuschnupfen auftretenden Atembeschwerden, die sie jedenfalls damals noch
nicht besonders belasteten, gerade deshalb unterließ, weil sie auch wegen dieser
Beschwerden noch keine ärztliche Hilfe beansprucht hatte. Jedenfalls kann sich der
Senat bei dieser Sachlage nicht mit der notwendigen Sicherheit von der Absicht
der Klägerin, die Annahmeentscheidung zu beeinflussen, überzeugen.
Bei der Klägerin liegt auch bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vor.
Aufgrund der ärztlichen Befunde steht fest, dass die Klägerin an einem atopischen
Kontaktekzem leidet, das insbesondere an den Händen auftritt und bei Kontakt
mit Feuchtigkeit, Reinigungsmitteln, Badezusätzen und ätherischen Ölen immer
wieder auftritt bzw. nicht verheilen kann. Aufgrund dieser Erkrankung kann die
Klägerin ihren Beruf zu mehr als 50% nicht mehr ausüben. Aufgrund der
glaubhaften Bestätigung des Zeugen Dr. Z2 steht fest, dass zu der beruflichen
Tätigkeit der Klägerin auch Arbeiten gehören, die einen Kontakt mit
Reinigungsmitteln, Wasser und Badezusätzen zwangsläufig mit sich bringen. Es
handelt sich vor allem um die Massagetätigkeit, die Elektrotherapie und die Bäder.
Diese Arbeiten kann die Klägerin nicht mehr ausführen, da sie zu einem erneuten
Auftreten des Kontaktekzems bzw. zu einer verzögerten Heilung führen. Es kommt
nicht darauf an, ob der Anteil solcher Arbeiten an einem durchschnittlichen
Arbeitstag mindestens 50% der Arbeitszeit beanspruchte. Denn die Klägerin
konnte jedenfalls nicht vollständig von solchen Arbeiten freigestellt werden, so
dass sie sie auch bei halbschichtiger Tätigkeit hätte übernehmen müssen. Das
ergibt sich zwangsläufig daraus, dass der Arbeitsanfall nach Bedarf der Patienten
variierte, die in der Behandlung tätigen Personen also in der Lage sein mussten,
sämtliche erforderlichen Behandlungen auch zu erbringen (vgl. BGH VersR 2003,
631). Dass die Kollegen der Klägerin ihr nach Möglichkeit Arbeiten abgenommen
haben, die ihr nicht zuträglich waren, beseitigt ihre Berufsunfähigkeit nicht. Denn
sie musste diese Arbeiten doch ausführen, wenn keine andere Möglichkeit
bestand. Dass dies erforderlich gewesen ist, zeigt sich daran, dass bei der Klägerin
auch noch Ende des Jahres 2001 ein behandlungsbedürftiges Ekzem bestand, wie
die Zeugen Dr. Z4 und Dr. Z3 bestätigt haben.
Auf eine andere zumutbare Beschäftigung hat die Beklagte die Klägerin nicht
verwiesen.
Da der Klägerin bedingungsgemäße Leistungen aus der 1993 abgeschlossenen
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung – Rente und Beitragsbefreiung – seit
1.8.2001 gebühren und die Lebensversicherung fortbesteht, war das angefochtene
Urteil antragsgemäß abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.