Urteil des OLG Frankfurt vom 04.07.2003

OLG Frankfurt: recht der europäischen union, zielgesellschaft, eugh, verwaltungsverfahren, zivilrechtliche ansprüche, gegenleistung, ausländische gesellschaft, europäische kommission

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Gericht:
OLG Frankfurt
Wertpapiererwerbs-
und
Übernahmesenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
WpÜG 4/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 14 GG, § 13 VwVfG, § 4
Abs 2 WpÜG, § 15 Abs 1 Nr 2
WpÜG, § 31 Abs 1 WpÜG
(Freiwillige Übernahme: Kein Rechtsschutz für Aktionäre
gegen Genehmigung eines Übernahmeangebots)
Tenor
Die Beschwerden der Beschwerdeführerinnen werden zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen haben die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens
zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: 54.500,00 €
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin zu 1) hat ihren Sitz in U. die Beschwerdeführerin zu 2) in
G. Die Beschwerdeführerinnen treten als Kapitalanleger an deutschen Börsen auf.
Sie halten zurzeit Vorzugsaktien der X-AG.
Die Y-GmbH mit Sitz in S. veröffentlichte am 18. März 2003 die Entscheidung, den
Aktionären der X-AG ein freiwilliges Übernahmeangebot zu machen. Anschließend
beantragte die Y-GmbH bei der Bundesanstalt für ..., die Veröffentlichung der
Angebotsunterlagen zu gestatten. Das Angebot beinhaltete unter anderem, dass
Y im Zeitraum vom 28. April 2003 bis zum 28. Mai 2003 X-Aktien kaufen wollte und
zwar die Stammaktien zum Preis von jeweils 92,25 € Euro und die Vorzugsaktien
zum Preis von 65 €. Die Bundesanstalt für ... gestattete die Veröffentlichung der
Angebotsunterlagen durch Bescheid von 25. April 2003.
Die Beschwerdeführerinnen halten das Angebot von Y für zu niedrig. Sie haben
sich deshalb gegen den Y erteilten Gestattungsbescheid der Bundesanstalt für ...
gewendet und mit Schreiben vom 22. Mai 2003 Widerspruch erhoben. Außerdem
haben die Beschwerdeführerinnen mit Schreiben vom 26.05.2003 beim
Oberlandesgericht Frankfurt am Main einstweiligen Rechtschutz begehrt. Diese
Anträge hat der Senat durch Beschluss vom 28.05.2003 zurückgewiesen. Die
Bundesanstalt für ... hat das Begehren beider Beschwerdeführerinnen jeweils
durch Widerspruchsbescheid vom 03.06.2003 zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen verfolgen ihr Rechtsschutzbegehren unter Vorlage
eines Kurzgutachtens von Prof. Dr. S. zum Drittschutz im Übernahmeverfahren
weiter. Sie bringen vor, gegen Verfügungen der Bundesanstalt
Finanzdienstleistungsaufsicht sei für sie als Vorzugsaktionärinnen die Beschwerde
statthaft. Die Gestattung der Angebotsunterlage sei ein Verwaltungsakt, der sich
durch die Veröffentlichung der Angebotsunterlage nicht erledigt habe, ansonsten
sei ein effektiver Rechtsschutz im Sinne von Art. 19 IV GG nicht gewährleistet.
Die Anfechtungsbefugnis sei auch nicht wegen § 15 WpÜG weggefallen. Die
Bundesanstalt für ... müsse bei nicht gesetzeskonformer Angebotsunterlage die
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Bundesanstalt für ... müsse bei nicht gesetzeskonformer Angebotsunterlage die
Gestattung versagen. Werde die Rechtswidrigkeit des Angebots erst nachträglich
bekannt, setze die nachträgliche Untersagung in jedem Fall die Rücknahme der
Gestattung voraus. Mit der Anfechtung der Gestattung sei die Wirkung des
Angebots ausgesetzt. Das Übernahmeverfahren komme zum Stillstand. Damit sei
dem Rechtsschutzziel der Beschwerdeführerinnen entsprochen. Das Argument,
nur mit einer Verpflichtungsbeschwerde könne das Angebot zum Erliegen gebracht
werden, sei nicht zutreffend.
Die Beschwerdeführerinnen seien in eigenen subjektiven Rechten verletzt. Sie
hätten sich gegen die beanstandete Verfügung mit dem Widerspruch gewehrt.
Eine Beteiligung am Ausgangsverfahren sei insoweit nicht erforderlich. Nach § 80 a
VwGO sei anerkannt, dass auch Nichtadressaten durch einen Verwaltungsakt, der
sich an einen Dritten richtet, verletzt sein könnten. Sie seien in ihrem Recht auf
vollständige und richtige Information in der Angebotsunterlage (§§ 3 II, 11 I S. 2
und 3, 11 II Nr. 2, 11 II Nr. 4 i.V. m. § 3 WpÜG-AngVO) verletzt, ebenso in ihrem
Recht im Rahmen eines öffentlichen Übernahmeangebots einen angemessenen
Preis für die zum Erwerb angebotenen Vorzugsaktien zu erhalten (§ 15 I Nr. 2 ggf.
i. V. m § 31 I S. 1 WpÜG), sowie in ihren Rechten auf Eigentum (Art. 14 GG) und auf
freien Kapitalverkehr (Art. 56 EGV).
Die Beschwerdeführerinnen räumen ein, dass der Rechtsschutz Dritter,
insbesondere von Aktionären der Zielgesellschaft im Übernahmeverfahren nicht
hinreichend geklärt sei. Aus der Entstehungsgeschichte zum WpÜG ließe sich aber
nicht ableiten, dass der Drittschutz ausgeschlossen werden sollte. Die
Gesetzesmaterialien ließen einen gegenteiligen Befund zu. § 41 I S. 2 WpÜG
ergebe nur dann einen Sinn, wenn man die Figur des Verwaltungsakts mit
Drittwirkung anerkenne. Außerdem habe der Gesetzgeber die gescheiterte EU-
Richtlinie weitgehend umsetzen wollen. Aus § 4 II WpÜG ließen sich keine
Argumente gegen den Drittschutz herleiten. Diese Vorschrift sei von der Sorge
des Gesetzgebers motiviert, die Bundesanstalt für ... könne
Amtshaftungsansprüchen ausgesetzt sein. Das Argument, die
Gesetzesbegründung zu § 4 II WpÜG gewähre keinen Drittschutz, stelle im
Ergebnis einen klassischen Zirkelschluss dar. Wenn die Auslegung einer Norm
ergebe, dass sie die subjektiven Rechte Dritter schütze, so könne sich der
Gesetzgeber nicht durch den Ausschluss des Drittschutzes von jeder
Verantwortung frei zeichnen. Eine solche Freizeichnung sei eine rechtsunwirksame
Verwahrung. Der historische Wille des Gesetzgebers lasse sich nicht eindeutig
dahingehend feststellen, dass ein Schutz der Aktionäre ausgeschlossen sein solle.
Auch § 3 I und 2 WpÜG sprächen Schutzinteressen der Aktionäre an. Ebenso
fänden sich im Wortlaut des Gesetzes Hinweise auf individualschützende Normen,
so z. B. in § 11 WpÜG. Selbst für das Börsengesetz sei anerkannt, dass einzelne
Normen drittschützenden Charakter hätten, so z.B. das Delisting. Das
verfassungsrechtliche Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 IV GG)
bedinge, dass der Gesetzgeber den Drittschutz nicht ausschließen könne, wenn
sich aus der materiellen Auslegung des Gesetzes ergebe, dass dieses
individualschützenden Charakter habe.
Das von der Beschwerdegegnerin angeführte Argument der raschen
Verfahrensdurchführung könne nur als erstaunlich bezeichnet werden. Soweit das
WpÜG in den Fällen der Beschwerden betroffener Aktionäre hinsichtlich der
verfahrensrechtlichen Regelungen lückenhaft sei, sei es Sache des Gesetzgebers
dem Grundsatz der raschen Verfahrensdurchführung Rechnung zu tragen.
Der Beschwerdebefugnis könne auch nicht entgegengehalten werden, dass
etwaige Konflikte mit der Bieterin zivilrechtlich zu lösen seien, denn grundsätzlich
habe jeder in einem subjektiven Recht Betroffene Anspruch auf Abwehr
rechtswidriger hoheitlicher Eingriffe. Nach h.M. sei eine Zweigleisigkeit öffentlich-
rechtlicher und zivilrechtlicher Verfahren durchaus möglich. Ob ein effektiver
zivilrechtlicher Rechtsschutz des Aktionärs gegen den Bieter bestehe, sei
zweifelhaft. § 12 WpÜG stelle jedenfalls keine ausreichende Anspruchsgrundlage
dar.
Es sei zwar denkbar, dass eine Vielzahl von Aktionären Widerspruch und
Beschwerde erhebe. Aus Furcht vor Massenverfahren könne aber nicht jeder
Rechtsschutz verneint werden. Korrekturen seien hier aber dem Gesetzgeber
vorbehalten, der sich wiederum an die Vorgaben unserer Verfassung zu halten
habe.
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Bei den als verletzt gerügten Rechten der Beschwerdeführerinnen handele es sich
nach der Schutznormtheorie um subjektive Rechte. Soweit man nicht bereits § 15 I
Nr. 2 WpÜG individualschützenden Charakter einräume, habe dies wenigstens in
Verbindung mit dem Recht des Aktionärs auf einen angemessenen Preis (§ 31 I 1
WpÜG) zu erfolgen. Hier überwögen eindeutig die Individualinteressen.
Bei Versagung der drittschützenden Wirkung sei eine gerichtliche Überprüfung und
damit letztlich auch eine Weiterentwicklung des Übernahmerechts nicht
gewährleistet.
Wenn der hier vertretenen Auslegung des WpÜG zum individualschützenden
Charakter einzelner Normen nicht gefolgt werde, komme eine Verletzung von
Grundrechten (Art. 14 GG) und eine Verletzung von Art. 56 EGV in Betracht. Die
Beschwerdeführerin zu 2) könne sich auf das europarechtliche
Diskriminierungsverbot berufen, wonach sie hinsichtlich des Grundrechtsschutzes
nicht schlechter gestellt werden dürfe als inländische juristische Personen.
Das Eigentum werde bereits beeinträchtigt, wenn in die Verkehrsfähigkeit der
Aktien einer an der Börse zugelassenen Aktiengesellschaft eingegriffen werde. Ein
erfolgreiches Übernahmeangebot stehe in seiner Wirkung einem Wegfall des
Marktes durch ein Delisting gleich, denn die Liquidität in den Wertpapieren, die
Gegenstand eines erfolgreichen Übernahmeangebotes gewesen seien, gehe in
vielen Fällen in erheblichem Ausmaß zurück. Dieses Szenario werde auch durch
die Angebotsunterlage und die Stellungnahme der X sehr deutlich beschrieben.
Institutionelle Anleger würden sich oft gezwungen sehen, aus den betreffenden
Werten auszusteigen, weil sie infolge des verringerten Streubesitzes nicht mehr
Teil des Aktienindexes sei.
Wertpapiere fielen in den Anwendungsbereich von Art. 56 EGV. Unterschiedliche
Bestimmungen in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten zur Behandlung von
Stimmrechtsaktien und stimmlosen Aktien, beschränkten den freien
Kapitalverkehr. So lasse der City Code on Takeovers and Mergers (Rule 14) und
das österreichische Übernahmegesetz (§ 26 II) unterschiedliche Aufschläge in den
Aktiengattungen nicht zu. Die Kapitalverkehrsfreiheit sei außerdem wegen der
Möglichkeit der Illiquidität der X-Aktien nach einer erfolgreichen Übernahme
betroffen. Die Möglichkeit des Verkaufs der Aktie könne dem nicht
entgegengehalten werden, da hier gerade die Angemessenheit des Preises
umstritten sei.
Den Beschwerdeführerinnen könne auch nicht entgegengehalten werden, sie
könnten zivilrechtliche Schadenersatzansprüche gegen die Bieterin stellen, denn
dies sei kein hinreichender Ausgleich. Abgesehen davon ermögliche die Zivilklage
im Verhältnis zu dem hier eingeschlagenen Verfahren keine einfachere
Rechtsdurchsetzung.
Die den Vorzugsaktionären angebotene Gegenleistung entspreche nicht dem
Vorerwerbspreis, denn der von der Bieterin gezahlte Vorerwerbspreis für die
Stammaktie betrage 92,25 €. Der Vorerwerbspreis für die Stammaktie übersteige
mithin den für die Vorzugsaktie gezahlten Preis um nahezu 42 %. Aus § 4 S. 1
WpÜG-AngVO ergebe sich, dass hinsichtlich der Maßgeblichkeit des
Vorerwerbspreises nicht zwischen Stamm- und Vorzugsaktien unterschieden
werden dürfe. Im Referentenentwurf sei der Paketzuschlag auf maximal 15 %
begrenzt gewesen. Dieser Entwurf sei aber wegen des allgemeinen
Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht Gesetz geworden. Man habe Aktionäre an
Paketzuschlägen teilhaben lassen wollen. Daraus ergebe sich, dass der
Gesetzgeber die Einflussmöglichkeit auf die Zielgesellschaft nicht als ein
maßgebliches Kriterium für die Preisfindung ansehe. Demzufolge könne es im
Hinblick auf einen von der Bieterin gezahlten Vorerwerbspreis auch nicht darauf
ankommen, ob die Aktien der Zielgesellschaft Stimmrechte vermittelten oder wie
Vorzugsaktien regelmäßig stimmrechtslos ausgestaltet seien. Dies ergebe sich
auch im Hinblick auf § 140 II AktG, wonach das Stimmrecht auflebe, wenn der
Vorzugsbetrag in zwei aufeinander folgenden Jahren nicht oder nicht vollständig
bezahlt werde.
Bei einer anderen Entscheidung ginge auch der übernahmerechtliche
Gleichbehandlungsgrundsatz des § 3 I WpÜG ins Leere. Nicht wenige vormalige
Familiengesellschaften wie auch die X-AG hätten ausschließlich oder überwiegend
Vorzugsaktien beim breiten Publikum platziert, um den Einfluss der
Familienaktionäre zu wahren. Die Inhaber der Stammaktien könnten jetzt ihre
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Familienaktionäre zu wahren. Die Inhaber der Stammaktien könnten jetzt ihre
Aktien zu einem hohen Preis veräußern. Das WpÜG habe nicht gewollt, dass der
Erwerber nicht auch den Vorzugsaktionären einen Paketaufschlag vergüten
müsse. Der Vorerwerbspreis müsse mindestens geboten werden, wenn er höher
als der durchschnittliche Börsenpreis sei. Wenn die Aktie jedoch im Markt
unterbewertet sei, was sich insbesondere an einem höheren Vorerwerbspreis
zeige, dann müsse die Gegenleistung auch entsprechend höher bemessen
werden. Ein Paketpreis dürfte immer auch den Unternehmenswert reflektieren. Ein
Vorerwerbspreis, der weit von dem vom Erwerber nach seinen Methoden
ermittelten Unternehmenswert abweiche, werde auch bei einem Verkauf eines
Pakets von 50 % und mehr nicht zu erzielen sein. Bei der Behandlung der
Vorzugsaktien könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Vorzugsaktien
von einer Teilnahme am Unternehmenswert der Zielgesellschaft ausgeschlossen
sein sollten. Nicht jeder Gattungsunterschied rechtfertige einen
Bewertungsunterschied.
Auch das von der ..., zu der auch die Beschwerdeführerinnen gehören, eingeholte
und hier vorgelegte Gutachten der S. und Partner OHG
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, H., komme für Stämme und Vorzüge auf der
Basis einer Stand-alone-Betrachtung (d. h. ohne Synergie-Effekte der Übernahme)
zu einem Wert pro Aktie, der zwischen 84 und 97 Euro liege. Dieser Wert werde in
einer gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. R., Universität M., bestätigt.
Die Angebotsunterlage der Bieterin enthalte keine Ausführungen darüber, warum
der für die Stammaktien gezahlte Vorerwerbspreis, der den für die Vorzugsaktien
gebotenen Preis um ca. 42 % übersteige, nicht bei der Angemessenheit der
Preisfindung der Vorzugsaktien Berücksichtigung finde. Da eine unzureichende
Begründung der Angemessenheit des gebotenen Preises es den
Beschwerdeführerinnen unmöglich mache, eine informierte Entscheidung über die
Annahme oder Nichtannahme des Angebots zu treffen, seien die
Beschwerdeführerinnen auch insoweit durch die rechtswidrige Gestattung in ihren
Rechten verletzt.
Die Angebotsunterlage leide ferner auch unter dem Mangel, dass die Bieterin ihre
Absichten im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft in der
Angebotsunterlage nicht offen gelegt habe. Die Angebotsunterlage enthalte
lediglich floskelhafte Angaben, lasse aber alle Möglichkeiten offen. Aus der Angabe
der Bieterin, dass die Übernahme ein Synergiepotential von 300 Millionen Euro
freisetze, lasse sich entnehmen, dass die Bieterin offensichtlich konkrete
Maßnahmen bei der Zielgesellschaft ins Auge gefasst habe. In der Internet-
Pressemitteilung der Bieterin vom 29.05.2003 sei von einem bereits
angekündigten Business Plan die Rede, der den Aktionären nicht mitgeteilt worden
sei.
Die Angebotsunterlage sei offensichtlich unvollständig, was die Bundesanstalt für
... auch ohne umfangreiche Nachforschungen hätte erkennen können und daher
eine Nachbesserung der Angebotsunterlage verlangen oder das Angebot
untersagen müssen.
Die Außerachtlassung des Vorerwerbspreises bei der Ermittlung des für
Vorzugsaktien anzubietenden Mindestpreises missachte auch Art. 56 EGV. Dieser
sei betroffen, da den Beschwerdeführerinnen die in anderen Mitgliedstaaten
geltenden Mindestpreisregelungen infolge der Auslegung des § 4 WpÜG-AngVO
durch die Bundesanstalt für ... verwehrt bleibe. Nach der Note on Rule 14-UK City
Code müsse der Bieter den Inhabern von Vorzugsaktien bei Vorerwerben zu
höheren Preisen den prozentual gleichen Aufschlag bieten. Ähnliches gelte im
österreichischen Übernahmegesetz. Die fragwürdige Auslegung der Bundesanstalt
für ... nehme einem ausländischen Investor jedoch die Gelegenheit, seine Aktien
im Fall der Kontrollerlangung durch den Bieter zu einem angemessenen Preis
veräußern zu können. Das Verweigern einer angemessenen Gegenleistung
verwehre diesen Investoren den Zugang zum inländischen Markt, weil der übliche
Schutz im Fall einer Kontrollerlangung fehle. Gesichtspunkte, die diese
Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Es sei ständige
Rechtsprechung des EuGH und der Entscheidungspraxis der Europäischen
Kommission, dass die Verschlechterung von Rechten bestimmter
Gesellschaftsgruppen, die ausländische Investoren von einer Investition in die
Gesellschaft abschrecke, den freien Kapitalverkehr beeinträchtige. Einschlägig
seien insoweit die jüngst ergangenen EuGH-Entscheidungen zu den „Goldenen
Aktien“. Hier sei auch an das am 19. März 2003 wegen des Volkswagen-Gesetzes
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Aktien“. Hier sei auch an das am 19. März 2003 wegen des Volkswagen-Gesetzes
von der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland
eingeleitete Verfahren zu denken. Wenn eine Regelung Vorzugsaktien
wirtschaftlich schlechter stelle als Stammaktien würden damit die Rechte der
Inhaber von Vorzugsaktien beschnitten. Da tendenziell ausländische Aktionäre
eher der Gruppe der Vorzugsaktionäre angehörten, läge insoweit eine mittelbare
Benachteiligung ausländischer Aktionäre vor. Art. 56 EGV könne damit direkt auf
den hier zu beurteilenden Fall angewendet werden. Falls der Senat gleichwohl
Zweifel an der Anwendung des Art. 56 EGV habe, werde die Vorlage an den EuGH
erforderlich. Insoweit werde angeregt, die dem EuGH vorzulegende Rechtsfrage
sinngemäß wie folgt zu formulieren: „Verstößt eine nationale Vorschrift, die es im
Rahmen eines öffentlichen Übernahmeangebots erlaubt, dass einem Inhaber von
stimmrechtslosen Aktien (Vorzugsaktien) die vom Bieter für den Erwerb der
Kontrolle an die Inhaber der stimmrechtsvermittelnden Stammaktien gezahlte
Prämie vorenthalten wird, gegen Art. 56 EGV?“
Hilfsweise machen die Beschwerdeführerinnen geltend, dass sie einen Anspruch
gegen die Beschwerdegegnerin auf deren Einschreiten gegen die Bieterin hätten.
Einerseits sei ihnen eine Entscheidung über das Angebot nicht zumutbar,
andererseits bestehe für sie die Gefahr, dass mit Vollzug der Abwicklung des
Angebots die Liquidität der X-AG dermaßen stark absinke, dass die
Beschwerdeführerinnen auch über die Börse ihre Aktien an der X-AG nicht mehr zu
angemessenen Konditionen veräußern könnten.
Die Beschwerdeführerinnen bringen weiter vor, die Bieterin habe die Transaktion
bei der EU-Kommission noch nicht einmal angemeldet. Offenbar versuche die
Bieterin durch den von ihr gesetzten Kartellvorbehalt das von ihr veröffentlichte
Übernahmeangebot in der Schwebe zu halten. § 18 I WpÜG untersage aber, dass
ein Angebot von Bedingungen abhängig gemacht werde, die die Bieterseite selbst
herbeiführen könne. Auch wegen dieser Verfahrensverschleppung hätten die
Beschwerdeführerinnen einen Anspruch auf Untersagung des Angebots.
Die Beschwerdeführerinnen beantragen,
die Gestattung der Veröffentlichung des freiwilligen öffentlichen
Übernahmeangebots der Y-GmbH an die Aktionäre der X Aktiengesellschaft, D.,
durch die Bundesanstalt für ... gemäß Bescheid vom 25. April 2003 (Gz.: WA 16 –
W 2902 – 2/2003) aufzuheben;
hilfsweise,
die Bundesanstalt für ... zu verpflichten, das gemäß Bescheid vom 25. April
2003 gestattete freiwillige öffentliche Übernahmeangebot der Y-GmbH an die
Aktionäre der X Aktiengesellschaft, ..., gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WpÜG zu
untersagen;
hilfsweise
gleichwertig mit dem anderen Hilfsantrag, festzustellen, dass die
Gestattung der Veröffentlichung rechtswidrig war.
Die Bundesanstalt für ... beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den beiden Widerspruchsbescheiden.
Sie verweist insbesondere darauf, dass öffentlich-rechtliche Pflichten der Bieterin
nicht Rechte der Aktionäre seien. Es gehe um die Abwicklung eines
Übernahmeverfahrens, die prozessuale Kodifizierung sehe hier keinen
Individualschutz vor. Die Bundesanstalt für ... werde nur im öffentlichen Interesse
zum Zweck der Vertrauensbildung und nicht im Interesse der einzelnen Aktionäre
tätig. Das WpÜG sehe im Übrigen kein Verfahren vor, um die Angemessenheit der
Preise zu kontrollieren.
Der Senat hat die Bieterin auf deren Antrag am Beschwerdeverfahren beteiligt. Die
Bieterin beantragt ebenfalls die Zurückweisung der Beschwerde. Sie verteidigt die
angefochtenen Entscheidungen der Bundesanstalt für ... und ihre
Angebotsunterlagen. Sie hält unter Vorlage der Rechtsgutachten von Professor B.
und von Prof. H. ihre Angebotsunterlage für rechtmäßig. Sie meint,
Vorzugsaktionäre hätten kein Recht auf Gleichbehandlung mit Stammaktionären.
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Vorzugsaktionäre hätten kein Recht auf Gleichbehandlung mit Stammaktionären.
Darüber hinaus hält sie den Angebotspreis für die Vorzugsaktien auch für
angemessen. Sie bringt vor, der Drei-Monats-Durchschnittskurs, den die
Bundesanstalt für ... ermittelt habe, habe für die W.-Vorzugsaktie 57,00 Euro
betragen. Am 11.10.2002 habe der Kurs der Vorzugsaktie bei 41,89 Euro und am
17.03.2002 bei 61,35 Euro gelegen. Die Kursentwicklung sei erheblich durch die
Übernahmespekulationen beeinflusst worden. Es gebe Anhaltspunkte, dass
Hedgefonds während des Übernahmeverfahrens Aktienpakete erworben hätten,
um Druck in Richtung Erhöhung des Angebotspreises auszuüben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
II.
Die Beschwerde hat insgesamt keinen Erfolg. Die Beschwerdeführerinnen haben
zwar ein Recht auf gerichtliche Überprüfung des ihnen jeweils erteilten
Widerspruchsbescheids der Bundesanstalt für ..., denn sie sind Beteiligte des auf
ihren Antrag in Gang gesetzten Verwaltungsverfahrens (§ 48 Abs. 2 WpÜG), das zu
den angegriffenen Widerspruchsbescheiden vom 03.06.2003 geführt hat. Die
Widerspruchsbescheide sind jedoch rechtmäßig. Der Senat folgt im Ergebnis der
Ansicht der Bundesanstalt für ..., dass die Beschwerdeführerinnen keinen
zulässigen Widerspruch gegen den der Bieterin erteilten Gestattungsbescheid
erheben können, da sie insoweit keine Antragsbefugnis haben. Fraglich ist
allerdings die Ansicht der Bundesanstalt für ..., die Beschwerdeführerin zu 2) könne
sich als ausländische Gesellschaft nicht auf Art. 14 GG berufen, denn aufgrund des
EG-Vertrags sind juristische Personen aus anderen Mitgliedstaaten der
Europäischen Union inländischen juristischen Personen gleichzustellen (Stumpf,
Grundrechtsschutz im Aktienrecht, NJW 2003, 9 ff, 10). Eine Entscheidung hierzu
ist jedoch nicht erforderlich, denn auch wenn man der Beschwerdeführerin zu 2)
den gleichen Grundrechtsschutz wie inländischen juristischen Personen zubilligt
(vgl. Art. 19 Abs. 3 GG), wird davon das Ergebnis der Entscheidung nicht
beeinflusst.
Da die Bundesanstalt für ... die von Y eingereichte Angebotsunterlage genehmigt
hat, ist das Verfahren vor der Bundesanstalt für ... mit einer Y begünstigenden
Entscheidung abgeschlossen worden. Das WpÜG sieht dagegen kein Antrags- oder
sonstiges Beschwerderecht der Beschwerdeführerinnen vor. Nach dem Wortlaut
des § 48 II WpÜG steht die Beschwerde nur den am Verfahren vor der
Bundesanstalt Beteiligten zu. Die Frage, welcher Kreis von Personen diesen
gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann, hängt also von der
vorherigen Beteiligung am Verwaltungsverfahren ab (Schnorbus, Rechtsschutz im
Übernahmeverfahren, Teil I, WM 2003, 616 ff, 620). Die Beschwerdeführerinnen
waren an dem von der Bieterin eingeleiteten Gestattungsverfahren indessen nicht
beteiligt (§§ 41, 48 WpÜG). Die Einlegung ihres Widerspruchs gegen die Gestattung
der Angebotsunterlage durch Bescheid vom 25.04.2003 änderte daran nichts. Die
formelle Beschwerdebefugnis des § 48 Abs. 2 WpÜG wäre eine sinnlose Regelung,
wenn Dritten freistünde, allein durch Einlegung eines Widerspruchs gegen die an
einen anderen gerichtete Entscheidung der Bundesanstalt selbst die
Voraussetzungen für die Beschwerdebefugnis herbeizuführen. Es muss vielmehr
bei dem allgemeinen beschwerderechtlichen Grundsatz für multipolare Konflikte
bleiben, dass der Beschwerdeführer nur dann beschwerdebefugt ist, wenn er durch
die vorausgegangene Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist (§§ 42
Abs. 2 VwGO, 20 FGG; vgl. Schnorbus, Rechtsschutz im Übernahmeverfahren, WM
2003, 657; a. A. Cahn, Verwaltungsbefugnisse der Bundesanstalt für ... im
Übernahmerecht und der Rechtsschutz Betroffener, ZHR 167 (2003), S. 262 ff,
296).
Das WpÜG gibt den Beschwerdeführerinnen weder einen Anspruch auf Beteiligung
an dem Verfahren der Bieterin vor der Bundesanstalt für ... noch ein
Beschwerderecht. Ein etwaiger Beteiligungsanspruch der Beschwerdeführerinnen
im Verfahren der Bieterin vor der Bundesanstalt für ... ergibt sich auch nicht aus
dem Verwaltungsverfahrensgesetz, das für die Bundesanstalt für ... grundsätzlich
anwendbar ist (§§ 1 ff VwVfG). Die Beschwerdeführerinnen gehören weder zu den
„geborenen“ Beteiligten im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 1 – 3 VwVfG, noch liegt ein
Fall des § 13 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG vor, denn die Bundesanstalt für ... hat die
Beschwerdeführerinnen gerade nicht zu dem Übernahmeverfahren beigeladen.
Nach § 13 Abs. 2 S. 2 VwVfG hat die Behörde einen Dritten auf Antrag
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Nach § 13 Abs. 2 S. 2 VwVfG hat die Behörde einen Dritten auf Antrag
hinzuzuziehen, wenn der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für
den Dritten hat. Eine rechtsgestaltende Wirkung hat die Entscheidung der
Bundesanstalt für ... nicht, denn die Beschwerdeführerinnen bleiben unabhängig
von der Entscheidung der Bundesanstalt für ... Aktionärinnen der X-AG.
Auch sonst ist keine Anspruchsgrundlage ersichtlich, auf den die
Beschwerdeführerinnen einen im Verfahren nach dem WpÜG durchsetzbaren
Widerrufs- bzw. Untersagungsanspruch stützen könnten.
Die Voraussetzungen, unter denen Gesetze subjektive öffentliche Rechte
begründen, werden in der Rechtsprechung üblicherweise in der Schutznormlehre
dahingehend zusammengefasst, dass das Gesetz eine Person objektiv
begünstigen muss, diese individuelle Begünstigung muss als solche vom Gesetz
bezweckt sein und die Durchsetzbarkeit der Rechtsfolge für die gezielt begünstigte
Person muss vom Gesetz intendiert sein (Sachs, Grundgesetz, 3. Aufl. 2003, Art.
19 Rn 129; auch Schmidt-Aßmann in Maunz-Dürig, Komm. zum GG, Art. 19 Rn
128).
Soweit die Beschwerdeführerinnen meinen, dass sie ein subjektiv-öffentliches
Recht auf das beantragte Tätigwerden der Bundesanstalt für ... aus § 31 Abs. 1
WpÜG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG herleiten können, vermag der
Senat ihnen nicht zu folgen. Nach diesen Vorschriften hat die Bundesanstalt für ...
das Angebot zu untersagen, wenn die angebotene Gegenleistung nicht
angemessen ist (Geibel/Süßmann, WpÜG, § 31 Rn 26). Weder § 31 WpÜG noch
sonstige Vorschriften des WpÜG oder der WpÜG-AngVO sehen aber ein Verfahren
vor, mit dessen Hilfe die Angemessenheit der Gegenleistung für die Aktionäre der
Zielgesellschaft überprüfbar wäre (Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 31 Rn 86). Die
Aktionäre sind vielmehr darauf verwiesen, ihre etwaigen Ansprüche auf eine
angemessene Gegenleistung vor den Zivilgerichten durchzusetzen (KK-
WpÜG/Kremer/Oesterhaus, § 31 Rn 105; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 31 Rn 88).
Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerinnen lässt sich aus der
Entstehungsgeschichte zum WpÜG ableiten, dass das Verwaltungsverfahren vor
der Bundesanstalt für ... und die insoweit von der Bundesanstalt für ... zu
beachtenden gesetzlichen Vorschriften keine drittschützende Wirkung mit der
Folge eigener Antrags- und Beschwerderechte der Antragstellerin im Verwaltungs-
bzw. im Beschwerdeverfahren haben sollten. Ziel des Gesetzes war es vielmehr,
Rahmenbedingungen bei Unternehmensübernahmen und anderen öffentlichen
Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren in Deutschland zu schaffen, die den
Anforderungen der Globalisierung und der Finanzmärkte angemessen Rechnung
tragen und hierdurch den Wirtschaftsstandort und Finanzplatz Deutschland auch
im internationalen Wettbewerb weiter stärken (Pötsch, Das neue Übernahmerecht,
S. 16). Das WpÜG ist beschlossen worden, weil die Selbstregulierung in
Deutschland nicht im gleichen Umfang zu einer Kapitalmarktusance geworden ist,
wie in anderen Ländern (BT-Drucksache 14/7034, S. 1, 27). Der Bundesanstalt für
... obliegt damit eine allgemeine Missstandsaufsicht über den Ablauf des
öffentlichen Übernahmeverfahrens. Das WpÜG gibt der Bundesanstalt für ...
spezialgesetzliche Eingriffsbefugnisse (Schnorbus, Drittklagen im
Übernahmeverfahren, ZHR 166 (2002), 72 ff, 74). Der Gesetzgeber eröffnete für
die Minderheitenaktionäre mit dem WpÜG ein geregeltes Verfahren, ihre
Beteiligungen außerbörslich zu veräußern. Die Übernahmefreiheit des Bieters wird
eingeschränkt. Der einzelne Aktionär soll danach die Möglichkeit einer
Desinvestitionsentscheidung erhalten. Daraus resultiert aber noch kein Anspruch
des einzelnen Aktionärs auf einen Eingriff der Bundesanstalt für ..., sofern er die
Angemessenheit des Angebots bezweifelt. Vertrauensschutz durch ein
verbindliches geregeltes Verfahren der Eingriffsverwaltung gegenüber dem Bieter
bedeutet noch nicht Individualschutz und Teilhabe an diesem Kontrollverfahren.
Der Gesetzgeber ist dabei möglicherweise in Richtung Vertrauensschutz auf
halbem Weg stehen geblieben. Weiterzugehen war er aber nicht verpflichtet.
Das WpÜG enthält zwar etliche Normen, die sich für die Aktionäre vorteilhaft
auswirken können, so z.B. die §§ 11, 14, 15, 20, 22, 26, 27, 35, 36, 37 WpÜG.
Damit ist jedoch noch nicht gesagt, dass der Gesetzgeber insoweit dem einzelnen
Aktionär eine geschützte, im Verwaltungs- bzw. im Beschwerdeverfahren
durchsetzbare Rechtsposition einräumen wollte (vgl. hierzu auch Geibel/Süßmann,
WpÜG, § 4 Rn 13; KK-WpÜG/Giesberts, § 4 Rn 50 ff; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 41
Rn 18), vielmehr ist mit der Einführung eines geordneten Verfahrens durch das
WpÜG schon eine Verbesserung der Rechtsstellung der Aktionäre einhergegangen.
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WpÜG schon eine Verbesserung der Rechtsstellung der Aktionäre einhergegangen.
Einen Schutz der Aktionäre der Zielgesellschaft soll, ähnlich dem Schutz der
Zeichner von Wertpapieren aufgrund eines Verkaufsprospekts, die Haftung für das
Angebotsdokument schaffen (§ 12 WpÜG, Geibel/Süßmann, Erwerbsangebote
nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, BKR 2002, 52 ff, 56). Dieser
Schutz ist jedoch nicht im Verwaltungs- sondern im Zivilverfahren einzufordern.
Ein darüber hinausgehender gesetzgeberischer Wille zur Schaffung
drittschützender Normen, die im Verwaltungsverfahren zu beachten sind, ergibt
sich weder in teleologischer Hinsicht aus weiteren Regelungen des WpÜG noch aus
seiner Entstehungsgeschichte. Zwar war im Entwurfsstadium des WpÜG die
Beteiligungsmöglichkeit Dritter im Verwaltungsverfahren und daraufhin auch im
gerichtlichen Verfahren breiter angelegt. Dem korrespondierte auch eine
Missbrauchsklausel. Danach lag der Gedanke nahe, der Gesetzgeber habe
drittschützende Normen schaffen und auch den Aktionären Rechte gewähren
wollen, die diese im Verfahren vor und im gerichtlichen Verfahren gegen die
Bundesanstalt für ... auch durchsetzen könnten. Der Regierungsentwurf ist jedoch
so nicht Gesetz geworden, sondern hat gerade bezüglich des Verfahrens
beträchtliche Einschränkungen erfahren. Im Lichte dieser Einschränkungen ist
auch die Begründung des ursprünglichen Regierungsentwurfs (BT-Ds 14-7034) zu
lesen. Der Senat hält es deswegen nicht für zulässig, zur Begründung von
drittschützenden Wirkungen umstandslos auf die Begründung des ursprünglichen
Regierungsentwurfs zurückzugreifen.
Im Ergebnis wird durch die hier vertretene Auslegung des WpÜG zwar die
Rechtsprechung zum WpÜG nicht beim Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenat
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main konzentriert, wie es für die
Anfechtungs- und Verpflichtungsbeschwerde hinsichtlich beantragter oder
unterlassener Verfügungen der Bundesanstalt für ... in § 48 WpÜG vorgesehen ist.
Eine Konzentration aller sich aus dem WpÜG ergebender Ansprüche vor dem
Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenat ist aber im WpÜG ohnehin nicht
vorgesehen, vielmehr sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem
WpÜG ergeben, die Landgerichte zuständig (§ 66 I WpÜG). Entgegen dem
Vorbringen der Beschwerdeführerinnen kann ein Drittschutz sich deshalb nicht auf
den Konzentrationsgedanken stützen. Es mag auch sein, wie die
Beschwerdeführerinnen vorgebracht haben, dass die hier diskutierten Fragen vom
Gesetzgeber nicht mehr gelöst werden konnten, weil das WpÜG zum 1.1.2002 in
Kraft treten sollte. Dies ist indessen hinzunehmen, da die gesetzgeberische
Entscheidung zur Engführung der Individualrechte der Aktionäre hinreichend
deutlich geworden ist.
An den Regelungen des § 4 Abs. 2 WpÜG, der Entwicklungsgeschichte des § 52
WpÜG und dem Wegfall des im Regierungsentwurf noch vorgesehenen § 42 wird
deutlich, dass der Gesetzgeber eine Beschränkung der Verfahrensbeteiligten im
Verwaltungsverfahren gewollt hat und damit notwendigerweise jedenfalls in den
das Verwaltungsverfahren betreffenden Regelungen nicht von einer
drittschützenden Wirkung ausgegangen ist (vgl. zur bürgerlich-rechtlichen Natur
mancher Normen des WpÜG, Pötzsch, Das neue Übernahmerecht, S. 51).
§ 4 Abs. 2 WpÜG stellt ausdrücklich fest, dass die Bundesanstalt für ... die ihr nach
diesem Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen
Interesse wahrnimmt. Während das WpÜG die Beteiligtenstellung für das Verfahren
vor dem Beschwerdegericht nur schlicht dahingehend regelt, dass an dem
Beschwerdeverfahren der Beschwerdeführer und die Bundesanstalt für ... beteiligt
sind (§ 52 WpÜG), lautete der Regierungsentwurf zum WpÜG (damals § 53) noch
dahingehend, dass neben dem Beschwerdeführer und dem Bundesaufsichtsamt
(jetzt: Bundesanstalt für ...) auch die Personen und Personenvereinigungen
beteiligt seien, die vom Bundesaufsichtsamt hinzugezogen worden seien. In der
Begründung zum Regierungsentwurf heißt es weiter dazu, dass damit die
Beteiligung derjenigen Personen und Personenvereinigungen geregelt sei, die das
Bundesaufsichtsamt hinzugezogen habe, weil ihre rechtlichen Interessen berührt
worden seien. Der Begriff der Hinzuziehung verweise auf § 13 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG.
Eine allein wirtschaftliche Betroffenheit durch das Übernahmeverfahren sei
hingegen nicht ausreichend für eine Beteiligung. Durch die Beteiligung der
Personen und Personenvereinigungen, die vom Bundesaufsichtsamt hinzugezogen
worden seien, solle sichergestellt werden, dass im Verwaltungsverfahren wie im
Beschwerdeverfahren die gleichen Beteiligten erfasst seien (BT-Drucksache
14/7034, S. 66). Dieser Entwurf ist aber nicht Gesetz geworden. Der
Finanzausschuss hat zu seinem Abänderungsvorschlag, der dem heutigen § 52
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Finanzausschuss hat zu seinem Abänderungsvorschlag, der dem heutigen § 52
WpÜG entspricht, ausgeführt, die Neufassung der Vorschrift berücksichtige, dass
in dem Verfahren vor dem Bundesaufsichtsamt ausschließlich der Adressat einer
Verfügung beteiligt sei, bzw. derjenige, der geltend mache, einen Anspruch auf
den Erlass einer Verfügung zu haben. Dementsprechend erfolge auch keine
Hinzuziehung von Personen und Personenvereinigungen durch das
Bundesaufsichtsamt (BT-Drucksache 14/7477, S. 52).
Ein besonderes Gewicht bei der Beurteilung dessen, was der Gesetzgeber durch
das WpÜG an einklagbaren Individualrechten schaffen wollte, hat die Streichung
des § 42 WpÜG-RegE. § 42 WpÜG-RegE sah eine Schadensersatzpflicht für den
Missbrauch des Widerspruchs- oder Beschwerderechts vor, wenn sich Widerspruch
oder Beschwerde als von Anfang an ungerechtfertigt herausstellen sollten. An
Missbrauchsbeispielen nannte der Entwurf dabei insbesondere das Erwirken der
Untersagung des Angebots durch vorsätzlich oder grob fahrlässig vorgetragene
falsche Angaben, die Stellung eines Überprüfungsantrags mit dem Ziel, das
Angebotsverfahren zu behindern oder Konkurrenten zu schädigen oder die
Einlegung von Widerspruch bzw. Beschwerde in der Absicht, diese später gegen
Geld oder andere Vorteile zurückzunehmen. Dieser Entwurf ist im Bundesrat
kritisiert worden, u. a. weil unklar sei, wer anspruchsberechtigt sei. Daraufhin ist
diese Missbrauchsklausel fallen gelassen worden, weil sie keinen praktischen
Anwendungsbereich habe, da Dritte durch Verfügungen des Bundesaufsichtsamts
nicht in ihren Rechten verletzt sein und demzufolge keinen Widerspruch oder
Beschwerde einlegen können, der als missbräuchlich zu qualifizieren wäre
(Pötzsch, Das neue Übernahmerecht, S. 265, 266).
Ein solcher Ausschluss der Aktionäre vom Verwaltungsverfahren und der
anschließenden gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit ist aus Gründen der
Rechtsstaatlichkeit allerdings nur möglich (Art. 19 Abs. 4, 20 GG), wenn die
Verwaltungsentscheidung nicht unmittelbar in verfassungsrechtlich abgesicherte
Positionen des Aktionärs eingreift. Wäre eine Grundrechtsposition des Aktionärs
durch die Entscheidung unmittelbar betroffen, dann könnte sich ein
verfassungsrechtlicher Anspruch auf Verfahrensteilhabe ergeben
(Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Auf. 2001, § 13 Rn 39; v.
Münch, Grundgesetz-Kommentar, Vorb. 1 – 19, Rn 27). Damit wäre
notwendigerweise auch ein Anspruch auf gerichtliche Überprüfung der das
Rechtsgut verletzenden Verwaltungsentscheidung (Art. 19 IV GG) verknüpft. Gibt
das Entscheidungsprogramm des Gesetzes der Behörde auf, bei der
Ermessenausübung auch rechtlich geschützte Interessen des Betroffenen zu
berücksichtigen, so greift die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG (BVerfG, NJW
1997, 3013 ff, 3014).
Einfachgesetzlich sieht das Entscheidungsprogramm wie vorstehend ausgeführt
und in § 4 Abs. 2 WpÜG manifestiert, nur ein Tätigwerden der Bundesanstalt für ...
im öffentlichen Interesse vor. In verfassungsrechtlich abgesicherte Positionen der
Beschwerdeführerinnen hat die Bundesanstalt für ... nicht eingegriffen.
Anteilseigner bzw. Aktionäre sind durch eine Entscheidung der Bundesanstalt für ...
zwar möglicherweise in ihren wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt, Art. 14
Abs. 1 GG ist jedoch nicht verletzt. Schutzgut des Art. 14 Abs. 1 GG ist das
Eigentum und nicht das Vermögen. Als Anteilseigentum unterfällt die Aktie zwar
dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG. Der Schutz erstreckt sich auf die
mitgliedschaftliche Stellung in einer Aktiengesellschaft, die das Aktieneigentum
vermittelt. Aus dieser erwachsen dem Aktionär im Rahmen der gesetzlichen
Vorschriften und der Gesellschaftssatzung sowohl Leitungsbefugnisse als auch
vermögensrechtliche Ansprüche (DAT/Altana, BVerfG, ZIP 1999, 1436 ff, 1439).
Dabei ist die herrschaftsrechtliche Seite für die Beschwerdeführerinnen als
Vorzugsaktionäre wegen der grundsätzlichen Stimmlosigkeit ihrer Vorzugsaktien
sehr begrenzt. Die Vermögenskomponente steht im Vordergrund. Das Interesse
der Beschwerdeführerinnen konkurriert außerdem mit dem ebenfalls durch Art. 14
Abs. 1 GG geschützten Interesse der Mehrheitsaktionäre an der Verwertung und
Verwertbarkeit der von ihnen gehaltenen Stammaktien. Das Anteilseigentum wird
mithin durch Art. 14 Abs. 1 GG nur in dem Umfang geschützt, wie es in seiner im
Wesentlichen gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung erworben wurde. Nur neue
gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen, die die bisherigen Befugnisse
des Anteilseigentümers abstrakt und generell beschneiden oder mit ihm neue
Pflichten verbinden, stellen Eingriffe in das Anteilseigentum dar. Als solche müssen
sie zu ihrer Rechtfertigung im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dem
Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie der Institutsgarantie des Eigentums und dem
rechtsstaatlichen Prinzip des Vertrauensschutzes Rechnung tragen (Jung,
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rechtsstaatlichen Prinzip des Vertrauensschutzes Rechnung tragen (Jung,
Individualschutz durch Wirtschaftsgrundrechte im Gesellschaftsrecht, JZ 2001,
1004 ff, 1012).
Das Eigentum der Beschwerdeführerinnen an ihren Vorzugsaktien ist vorliegend
nicht verletzt worden, da die Entscheidung der Bundesanstalt für ... das Eigentum
an den Aktien der Beschwerdeführerinnen nicht berührt. Die
Beschwerdeführerinnen werden durch das Übernahmeangebot aus ihrer
Eigentümerstellung nicht herausgedrängt. Der Verlust ihrer Eigentümerstellung
hängt vielmehr derzeit ausschließlich von ihrem Entschluss ab, ob sie die
Vorzugsaktien zu den angebotenen Bedingungen verkaufen wollen oder nicht.
Soweit die Beschwerdeführerinnen mit der von der Bieterin angebotenen
Gegenleistung nicht einverstanden sind, weil sie die Gegenleistung für zu niedrig
halten, ist dieser Konflikt gesellschaftsrechtlich und nicht über das WpÜG zu lösen
(so im Ergebnis auch KK–WpÜG/Giesberts, § 4 Rn 80).
Der Gesetzgeber hat durch das WpÜG die Übernahme von Aktienpaketen nicht
erst ermöglicht, sondern – wie dargelegt – nur einer gesetzlichen Regelung
zugeführt, um so auch eine Schutzwirkung für die Aktionäre im öffentlichen
Interesse herbeizuführen. Die Einführung eines Verfahrens zur Regelung von
Übernahmen ist nicht von Verfassungs wegen geboten gewesen. Der
Rechtszustand vor Erlass des Übernahmegesetzes war mit den Grundrechten
vereinbar (Cahn, Verwaltungsbefugnisse der Bundesanstalt für ... im
Übernahmerecht und der Rechtsschutz Betroffener, ZHR 167 (2003), S. 262 ff,
286, 287). Es gibt auch keine übergeordneten Vorschriften des EG-Rechts die es
erfordern würden, dass der Gesetzgeber Normen mit Drittwirkung für den Schutz
der Aktionäre, insbesondere der Vorzugsaktionäre erlässt. Von den Fällen der
Grundrechte und sonstiger verfassungsmäßiger bzw. übergeordneter Rechte
abgesehen, bestimmt der Gesetzgeber, unter welchen Umständen dem Bürger
ein Recht zusteht und welchen Inhalt es hat (BVerfG, NJW 1991, 1878 ff; BVerfG,
NJW 1989, 666 ff, 667; vgl. auch Jarras/Pieroth, Grundgesetz, 6. Aufl. 2002, Vorb.
Vor Art. 1 Rn 30, 51; Stumpf, Grundrechtsschutz im Aktienrecht, NJW 2003, 9 ff).
Vergleichbare Gründe wie sie Papier (Papier in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 34,
Rn 188 ff) für die verfassungsrechtlichen Bedenken im Bereich der Banken- und
Versicherungsaufsicht vorbringt, liegen hier nicht vor. Bei der Bankenaufsicht hat
der Gesetzgeber vorhandene Haftungstatbestände abgestellt, wohingegen er
beim WpÜG aufsichtsrechtlich in einen bislang nicht gesetzlich ausgefüllten Raum
vorgestoßen ist. Dabei geht es ebenfalls um grundrechtlich geschützte Rechte des
Bieters. Der Gesetzgeber musste auch die Belastung für die Zielgesellschaft so
gering wie möglich halten (vgl. hierzu Aha, Rechtsschutz der Zielgesellschaft bei
mangelhaften Übernahmeangeboten, AG 2002, 160 ff). Es ist denkbar, dass einige
Aktionäre im Übernahmeverfahren sich von ihren vermögensrechtlichen
Interessen leiten lassen, so dass diese während des Übernahmeverfahrens mit
den unternehmerischen Interessen und letztlich dann auch verfassungsrechtlich
geschützten Interessen der Zielgesellschaft konfligieren könnten. Öffentliche
Angebote, insbesondere wenn sie auf Übernahme gerichtet sind, entfalten
gravierende Auswirkungen auf die Zielgesellschaft und belasten diese in nicht
unerheblichem Maße (BT-Drucksache 14/7034, S. 29). Insbesondere kommt es zu
einer Konzentration der Verwaltung auf das Übernahmeverfahren und damit zu
einer außergewöhnlich starken Bindung von Kräften und Ressourcen des
Managements der Zielgesellschaft. Der Vorstand muss sich in verstärktem Maß
um die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt, den Aktionären und den
Mitarbeitern und deren Vertretungen bemühen. Aufgrund dieses
Schwebezustandes besteht auch die Gefahr, dass qualifizierte Mitarbeiter den
Arbeitsplatz wechseln und interessante Bewerber absagen (vgl. auch Aha,
Rechtsschutz der Zielgesellschaft bei mangelhaften Übernahmeangeboten, AG
2002, 160 ff). Es könnte eine Verletzung der Zielgesellschaft in ihrem Grundrecht
aus Art. 14 I GG sein, wenn dieser Zustand durch ein von einigen Aktionären
eingeleitetes Verwaltungs- und Gerichtsverfahren so lange andauern würde, dass
die Verhältnisse im Unternehmen so kompliziert würden, dass Entscheidungen
kaum oder kaum mehr getroffen werden könnten (vgl. BVerfGE 50, 290 ff, 352;
Papier in Maunz-Dürig, Komm. zum GG, Art. 14 Rn 196). Es ist nicht
unverhältnismäßig, wenn der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund diesen für ihn
einfacheren Weg des Haftungsausschlusses gegenüber Dritten gewählt hat, mag
es auch andere Möglichkeiten gegeben haben.
Es trifft auch nicht zu, dass § 41 I S. 2 WpÜG nur dann einen Sinn ergibt, wenn man
die Figur des Verwaltungsakts mit Drittwirkung anerkennt. Eine erstmalige
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die Figur des Verwaltungsakts mit Drittwirkung anerkennt. Eine erstmalige
Beschwer ergibt sich bereits dann, wenn die Bundesanstalt für ... für den Bieter
andere Auflagen macht als zuvor.
Beteiligungsrechte für Aktionäre am Verwaltungsverfahren wären auch nur
schwerlich mit dem Bestreben des Gesetzgebers zu vereinbaren, die
Durchführung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmeverfahrens in möglichst
kurzer Zeit zu ermöglichen (vgl. § 14 Abs. 1 und 2, § 3 Abs. 4 WpÜG). Angesichts
der divergierenden Interessen der Aktionäre, wäre eine rasche Durchführung des
Verwaltungsverfahrens oder des möglichen anschließenden Beschwerdeverfahrens
kaum darstellbar (Cahn, Verwaltungsbefugnisse der Bundesanstalt für ... im
Übernahmerecht und der Rechtsschutz Betroffener, ZHR 167 (2003), S. 262 ff,
293; Möller, Rechtsmittel und Sanktionen nach dem Wertpapiererwerbs- und
Übernahmegesetz, AG 2002, 170). Dies zeigen auch die Erfahrungen mit den sich
mitunter lange hinziehenden Spruchstellenverfahren nach §§ 304 ff AktG.
Auch unter dem Blickwinkel des EG-Rechts ergibt sich kein anderes Ergebnis; denn
das WpÜG steht zum derzeit geltenden Europarecht insoweit nicht in Widerspruch
(vgl. Ihrig, Rechtsschutz Drittbetroffener im Übernahmerecht, ZHR 167 (2003), 315
ff, 326; Möller, Das Verwaltungs- und Beschwerdeverfahren nach dem
Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz unter besonderer Berücksichtigung der
Rechtsstellung Dritter, ZHR 167 (2003), 301 ff, 305, Habersack, Reformbedarf im
Übernahmerecht, ZHR 166 (2002) 619 ff, 621; Hopt, Grundsatz- und
Praxisprobleme nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, ZHR 166
(2002) 383, 388; vgl. auch K-K- WpÜG/Giesberts, § 4 Rn 6; K-K zum
WpÜG/Pohlmann, § 48 Rn 70). Ein Vorlagefall an den EuGH (Art. 234 EGV) ist
deshalb nicht gegeben.
Nach Art. 234 EGV (vormals Art. 177 EGV) entscheidet der Gerichtshof im Weg der
Vorabentscheidung über die Auslegung des EG-Vertrags. Nach allgemeinem
Verständnis geht es bei der Auslegung des Vertrags i. S. v. Art. 234 EGV um die
Ermittlung des Inhalts und der Tragweite einer bestimmten Rechtsnorm oder eines
bestimmten Rechtsgrundsatzes. Der Begriff Auslegung umfasst auch die
Schließung von Lücken im Gemeinschaftsrecht sowie die Beantwortung der Frage
nach dem Bestehen oder dem Inhalt der in die Gemeinschaftsrechtsordnung
rezipierten allgemeinen Grundsätze (Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar
zum EU-/EG-Vertrag, 5. Aufl. 1997, Art. 177 Rn 37, 38).
Der von den Beschwerdeführerinnen angesprochene Art. 56 EGV, der im Kapitel
über den Kapital- und Zahlungsverkehr steht, bestimmt, dass im Rahmen dieses
Kapitels alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten
sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten sind. Die
Beschwerdeführerinnen haben darauf verwiesen, dass Art. 56 EGV die Freiheit des
Kapitalverkehrs gebietet und sich jeder auf diese Vorschrift berufen kann. Dies ist
unbestritten. Hätte die Bundesrepublik Deutschland hier eine beschränkende
Vorschrift erlassen, dann könnte sich die Frage nach der Auslegung des EG-
Primärrechts mit der Folge stellen, dass ein Vorlagefall nach Art. 234 EGV
jedenfalls hinsichtlich der Beschwerdeführerin zu 2) gegeben sein könnte. Dies ist
jedoch nicht der Fall.
Die Kapitalverkehrsfreiheit schützt – wie auch die übrigen Grundfreiheiten –
grenzüberschreitende Vorgänge vor einer Benachteiligung im Vergleich zu
innerstaatlichen Vorgängen (Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf, Das Recht der
Europäischen Union, Art. 56 Rn 39). Diese Verbotsnorm ist unbedingt und ohne
weitere Konkretisierung anzuwenden. Sie ist auch geeignet, unmittelbare
Wirkungen in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und der ihrem Recht
unterworfenen Personen zu erzeugen. Art. 56 EGV verpflichtet die Mitgliedstaaten
unmittelbar und berechtigt ebenso unmittelbar die der jeweiligen Hoheitsgewalt
des Mitgliedstaates ausgesetzten Personen. Diese erlangen also subjektive Rechte
auf Einhaltung der Verbote. Regelungen, die mit Art. 56 EGV nicht in Einklang
stehen, dürfen von den Behörden und Gerichten nicht angewendet werden
(Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 56 Rn 70).
Der Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts mit dem die Bundesanstalt für
... im aufsichtsbehördlichen Verfahren einem Bieter die Gestattung zur
Veröffentlichung einer Angebotsunterlage erteilt und die in dem
Gestattungsverfahren gleichermaßen sowohl für in- und ausländische Stamm- als
auch für Vorzugsaktionäre nicht eröffnete verfahrensrechtliche Beteiligung
bedeutet keine europarechtsrelevante Beschränkung im Sinne des Art. 56 EGV.
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bedeutet keine europarechtsrelevante Beschränkung im Sinne des Art. 56 EGV.
Die Beschwerdeführerinnen fordern vielmehr hinsichtlich der Bildung des
angemessenen Angebotspreises, dass Stämme und Vorzüge bei dem
vorliegenden Kontrollwechsel annähernd gleich zu behandeln und deswegen der
Angebotspreis für die Vorzüge zu erhöhen sei. In der unterschiedlichen
Behandlung sehen sie im Falle der Desinvestition einen unzulässigen Nachteil,
denn die Vorzugsaktionäre könnten im Fall eines Übernahmeangebots deutlich
niedrigere Zahlungen für ihre Aktien erhalten als die Inhaber von Stammaktien,
obwohl die Vorzugsaktionäre außerhalb der Übernahme mit ihrer Investition das
gleiche unternehmerische Risiko trügen wie die Stammaktionäre. Die
Beschwerdeführerinnen erstreben damit im Kern eine positive
Preisbildungsregulierung im Übernahmefall zugunsten der Vorzugsaktien und
wehren sich nicht gegen eine Restriktion. Der Umstand, dass das österreichische
und das britische Recht alle Aktionäre tendenziell an der Kontrollprämie teilhaben
lässt, wie die Beschwerdeführerinnen vorbringen (vgl. hierzu auch Habersack, Auf
der Suche nach dem gerechten Preis – Überlegungen zu § 31 WpÜG, ZIP 2003,
1123 ff, 1128/1129; vgl. für den City Code on Takeovers, abgedruckt bei Hirte,
WpÜG, 349 ff; zum österreich. und schweiz. Recht Fleischer/Kalss, Das neue
Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 145 ff, 1057 ff), vermag die
Rechtsstellung der Beschwerdeführerinnen nicht zu verbessern. Entsprechendes
gilt hinsichtlich ihres Vorbringens zum Schweizer Recht.
Der Senat lässt es dahinstehen, ob Angleichungs- also Partizipationsregelungen
für Vorzugsaktien im Fall der Übernahme- wenn sie in der Bundesrepublik
Deutschland vorhanden wären – im Sinne von Art. 56 EGV unbedenklich wären. Es
könnte hier immerhin die Gefahr bestehen, dass die Freiheit des Kapitalverkehrs
eingeschränkt würde, weil einem potentiellen Übernehmer dadurch für die
Vorzugsaktie ein Preis aufgezwungen werden könnte, der auf dem Markt vorher
nicht zu erzielen war und den der Übernehmer deshalb für die stimmrechtslosen
Aktien auch nicht zu zahlen bereit ist, so dass ein solches Junktim einen
potentiellen Übernehmer abschrecken könnte.
Soweit die Beschwerdeführerinnen darüber hinaus meinen, aus den von ihnen
angeführten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für sich ganz
allgemein Ansprüche oder auch nur Ansprüche auf Beteiligung am behördlichen
Aufsichtsverfahren herleiten zu können, sind die Ausführungen nicht zielführend.
Der Senat kann bereits nicht nachvollziehen, dass die Schlechterstellung von
Vorzugs- gegenüber Stammaktien mindestens genauso schwerwiegend sei wie
der Effekt bei Goldenen Aktien. In den von den Beschwerdeführerinnen insoweit
angeführten Entscheidungen des EuGH (Urteile vom 4. Juni 2002 in den
Rechtssachen C-367/98, Kommission/Portugal, C-483/99, Kommission/Frankreich,
und C-503/99, Kommission/Belgien = NJW 2002, 2303- 2307) stehen die
Sonderrechte staatlicher Stellen in Aktiengesellschaften, die durch Privatisierung
aus staatlichen Unternehmen hervorgegangen sind, im Mittelpunkt. Durch die
Sonderrechte sind die Verwaltungsrechte der Aktionäre beschnitten, der
Grundsatz „one share one vote“ ist durchbrochen worden. Es ging in den den
Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen um die Verhinderung von
ausländischem Kontrollerwerb in den inländischen Gesellschaften. Dabei übersieht
der Senat nicht, dass der EuGH auch auf die faktische Versperrung des Zugangs
zu einer Kapitalanlage abgestellt hat, bis hin zu einer Verminderung der
Attraktivität der Kapitalanlage (vgl. auch Grundmann/Möslein, ECLR, Die Goldene
Aktie, ZGR 2003, 318 ff). Auch in den von den Beschwerdeführerinnen weiter
angeführten Entscheidungen des EuGH geht es um nationale Restriktionen. In der
Rechtssache C –222/97 hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 16. März 1999
ausgeführt, dass Art. 73 b des Vertrages (jetzt Art 56) dem österreichischen
Verbot entgegenstehe, eine Hypothek in ausländischer Währung zu begründen.
Die EuGH- Entscheidung vom 14. Dezember 1995 (C- 163/94, C-165/94 und C-
250/94, Strafverfahren gegen Sanz de Lera u. a.) beschäftigte sich mit dem
Genehmigungsvorbehalt für Devisenausfuhren in Spanien. Die weiter vorgelegte
jüngste Entscheidung des EuGH vom 13. Mai 2003 (C-98/01, Kommission gegen
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland) hinsichtlich der Rechte, die
mit der vom Vereinigten Königreich gehaltenen Sonderaktie der BAA plc
verbunden sind, ist wiederum dem Komplex der Staatskontrollrechte zuzuordnen.
Auf die oben genannten drei Golden Shares- Entscheidungen des EuGH hat sich
auch die Europäische Kommission bei der Begründung ihres Vorschlag vom
02.10.2002 für eine EG-Richtlinie bezüglich einheitlicher Mindeststandards für
Übernahmegebote und Übernahmebeschränkungen ausdrücklich bezogen (vgl.
BT-Drucksache 15/606, S. 1 ff, 10 m. w. N.). Der Richtlinienvorschlag geht dabei
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BT-Drucksache 15/606, S. 1 ff, 10 m. w. N.). Der Richtlinienvorschlag geht dabei
davon aus, dass die Entscheidung darüber, ob Rechte vorzusehen seien, die in
Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren gegen ein Aufsichtsorgan (das wäre für die
Bundesrepublik Deutschland die Bundesanstalt für ...) oder zwischen den Parteien
des Angebots geltend gemacht werden können, den Mitgliedstaaten überlassen
bleiben sollen. In diesem Rahmen sollten die Mitgliedstaaten die notwendigen
Schritte unternehmen, um Wertpapierinhaber, insbesondere Wertpapierinhaber
mit Minderheitsbeteiligungen, nach einem Kontrollwechsel in ihrer Gesellschaft zu
schützen, wobei alle Inhaber von Wertpapieren einer Zielgesellschaft, die der
gleichen Gattung angehören, in gleichwertiger Weise zu behandeln sind (Art. 3 Nr.
1 a des Richtlinienvorschlags). Art. 5 Nr. 4 des Richtlinienvorschlags sieht dabei
vor, dass als angemessener Preis der höchste Preis gilt, der vom Bieter oder einer
mit ihm gemeinsam handelnden Person sechs bis zwölf Monate vor dem Angebot
gemäß Absatz 1 für die gleichen Wertpapiere gezahlt worden ist. Wie in den
Gründen zum Richtlinienvorschlag weiter ausgeführt ist, soll die Verpflichtung zur
Abgabe eines Angebots nicht für den Erwerb von Wertpapieren, die kein
Stimmrecht in der ordentlichen Hauptversammlung verleihen, gelten. Den
Mitgliedstaaten wird allerdings die Möglichkeit gelassen, ein Pflichtangebot auch für
Wertpapiere vorzusehen, die unter bestimmten Umständen Stimmrechte
verleihen oder überhaupt nicht mit Stimmrechten ausgestattet sind (BT-
Drucksache 15/606, S. 20, 24). Der Richtlinienvorschlag zeigt, dass insoweit
europarechtlich keine zwingenden Schutzrechte im Aufbau begriffen sind, die die
Beschwerdeführerinnen in ihren Rechtsausführungen stützen könnten.
Schließlich gibt auch der Vorlagebeschluss des BGH vom 16.05.2002 (III ZR 48/01
= ZIP 2002, 1136 ff) keine die Ansicht der Beschwerdeführerinnen stützenden
Anhaltspunkte. Die Vorlage bezieht sich ausschließlich auf
bankenaufsichtsrechtliche Fragen, auch soweit Wertpapierdienstleistungen
erwähnt sind. Der BGH hat angesichts des mit § 4 II WpÜG vergleichbaren § 6 IV
KWG, der ebenfalls vorsieht, dass die Bundesanstalt für ... die ihr nach diesem
Gesetz und anderen Gesetzen zugewiesenen Aufgaben nur im öffentlichen
Interesse wahrnimmt, seine Vorlagefragen vor dem Hintergrund etlicher EG-
Richtlinien formuliert, die es möglich erscheinen lassen, dass durch die Richtlinien
auch Rechte der Sparer und Anleger begründet worden sind, wonach die
Bankenaufsicht auch in ihrem Interesse durchzuführen ist.
Damit lässt sich insgesamt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen
auch aus den derzeit geltenden europarechtlichen Bestimmungen ein subjektives
Recht der Inhaber von Vorzugsaktien auf Beteiligung am behördlichen
Aufsichtsverfahren nach dem WpÜG nicht ableiten.
Sofern die Beschwerdeführerinnen Nachteile befürchten, weil die Bieterin die
Zielgesellschaft beherrschen könnte, ist dies aktienrechtlich (§§ 305 ff AktG; vgl.
hierzu auch Tarkett/Pegulan und Sen/KHS, BVerfG, AG 1999, 217 ff: Moto Meter,
BVerfG, ZIP 2000, 1670; Atlanta DAT, BVerfG, ZIP 1999, 1436 ff) und nicht
aufsichtsrechtlich zu berücksichtigen.
Nicht zu entscheiden ist hier die Frage, ob die Bundesanstalt für ... den Hinweisen
der Beschwerdeführerinnen im Interesse des Kapitalmarkts von Amts wegen
nachgehen muss oder musste. Mit einer solchen etwaigen Amtspflicht wäre
jedenfalls kein klagbarer Anspruch der Beschwerdeführerinnen im Sinne der
geltend gemachten Anträge verbunden. Ebenfalls unberührt bleibt die Frage, ob
die Beschwerdeführerinnen gegenüber der Bieterin zivilrechtliche Ansprüche
geltend machen können.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beschwerdeführerinnen
als die unterliegenden Beteiligten zu tragen. Ihnen auch die außergerichtlichen
Kosten der Bundesanstalt für ... und der hinzugezogenen Bieterin zu überbürden
hat der Senat keinen Anlass gesehen.
Die Wertfestsetzung entspricht dem von den beiden Beschwerdeführerinnen
erstrebten Vermögensvorteil.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.