Urteil des OLG Frankfurt vom 13.08.2010

OLG Frankfurt: wiederaufnahme des verfahrens, nichtigkeitsklage, gebühr, anforderung, verfügung, zustellung, vorauszahlung, kostenvorschuss, zwangsvollstreckung, arbeitsrecht

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Gericht:
OLG Frankfurt 4.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 W 34/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 12 Abs 1 GKG, § 45 Abs 1 S
2 GKG, § 67 GKG
Leitsatz
Werden mit einer Klage ein Haupt- und ein oder mehrere Hilfsanträge gestellt, so ist die
als Kostenvorschuss vor Zustellung der Klage angeforderte Gebühr für das Verfahren
im Allgemeinen allein aus dem Wert des Hauptanspruches zu berechnen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Vorschussanordnung des Landgerichts
Hanau vom 14.5.2010 in Verbindung mit der Verfügung vom 10.5.2010 teilweise
abgeändert:
Die Zustellung der Klage wird von einem von der Klägerin zu leistenden
Kostenvorschuss von 3.780,- Euro abhängig gemacht.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin hat eine Nichtigkeitsklage eingereicht, mit der sie die
Wiederaufnahme des Verfahrens über eine von ihr zusammen mit einer weiteren
Widerklägerin beim Landgericht erhobenen Eventualwiderklage erstrebt. Mit dieser
Widerklage hat die Klägerin, nach ihrem Vortrag hilfsweise für den Fall der
Zulässigkeit der Klage,
1. die Verurteilung der dortigen Kläger zur Zahlung von 158.113,40 Euro im
Urkundenprozess,
2. hilfsweise für den Fall des Widerspruchs den Widerbeklagten die Ausführung
ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten,
3. sowie weiter hilfsweise und dann unter Abstandnahme vom
Urkundenprozess beantrag, die Zwangsvollstreckung durch den Klägers zu 2) und
eine Dritte aus verschiedenen Urkunden im Umfang von zusammen 82.643,07
Euro für unzulässig zu erklären nebst weiteren Hilfsanträgen.
Diese Anträge hat das Landgericht durch rechtskräftig gewordenes Teilurteil vom
12.1.2010 (Bl. 21 ff. dA.) als unzulässig abgewiesen.
Mit der Nichtigkeitsklage beantragt die Klägerin die Aufhebung dieses Teilurteils
und die Verbindung mit dem Verfahren über die Klage.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 10.5.2010 hat den Gebührenstreitwert für
die Nichtigkeitsklage vorläufig auf 252.608,58 Euro festgesetzt und mit Verfügung
vom selben Tag angeordnet, die Zustellung dieses Beschlusses mit einer
Vorschussanforderung zu verbinden. Der Kostenbeamte hat auf der Grundlage
des festgesetzten Streitwertes eine Verfahrensgebühr KV 1210 zum GKG von
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des festgesetzten Streitwertes eine Verfahrensgebühr KV 1210 zum GKG von
5.268,- Euro als Vorschuss angefordert.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin sowohl gegen die
Streitwertfestsetzung als auch gegen die Anordnung der Vorauszahlung und
beantragt, von der Anforderung eines Vorschusses nach § 21 GKG abzusehen
sowie den Streitwert auf 5 – 20 % des „Hauptsachebetrages“ von 163.613,40 Euro
festzusetzen.
Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen.
II.
Das Rechtsmittel ist teilweise zulässig und teilweise begründet.
1. Soweit die Klägerin sich gegen den Beschluss über die vorläufige Festsetzung
des Gebührenstreitwertes vom 10.5.2010 wendet ist die Beschwerde nicht
statthaft. Nach § 63 Abs. 1 S. 2 GKG können vielmehr Einwendungen gegen die
Höhe des vorläufig festgesetzten Wertes nur im Verfahren über die über die
Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund
des GKG von der vorherigen Zahlung der Kosten abhängig gemacht wird, geltend
gemacht werden. Damit ist eine unmittelbare Anfechtung des Beschlusses über
eine vorläufige Streitwertfestsetzung ausgeschlossen.
2. Demgegenüber ist die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Anordnung der
Vorauszahlung vom 14.5.2010 richtet, nach § 67 GKG statthaft und zulässig. Zwar
ist sie gegenüber der Klägerin durch den Kostenbeamten ergangen und die
Beschwerde ist nach § 67 GKG allein gegen einen Beschluss des Gerichts eröffnet
(Richter oder Rechtspfleger, vgl. Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, § 67
Rz. 3). Ein solcher Beschluss ist jedoch gegeben, weil die Kostenanforderung des
Kostenbeamten auf dem Beschluss des Gerichts vom 10.5.2010 beruht.
Zwar ist die Anordnung des Einzelrichters als „Verfügung“ bezeichnet. Es kommt
jedoch nicht auf die Überschrift sondern auf den sachlichen Gehalt an als
verbindliche Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung an. Aus
diesem Grund kann auch eine als „Verfügung“ bezeichnete Anordnung zur
Einholung eines Vorschusses einen Beschluss im Sinne des § 67 GKG darstellen
(Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, § 67 Rz. 3).
3. Die Beschwerde ist teilweise begründet, denn der vom Landgericht auf der
Grundlage von § 12 Abs. 1 GKG für die Nichtigkeitsklage zu verlangende Vorschuss
bemisst sich lediglich auf 3.780,- Euro.
a) Für die Berechnung des Vorschusses ist nicht, wie vom Landgericht
angenommen, von einem Gebührenstreitwert von 252.608,58 Euro auszugehen
sondern einem solchen von 158.113,40 Euro, dem Wert des Widerklageantrages
zu 1.
Der Gebührenstreitwert einer Wiederaufnahmeklage bestimmt nach dem
Interesse, welches der Nichtigkeitskläger in dem abgeschlossenen Verfahren als
Kläger verfolgt hat oder als verurteilter Beklagter mit der Abänderung des Urteils
verbindet, soweit die Aufhebung des Urteils begehrt wird (vgl. BGH AnwBl. 1978,
260). Dementsprechend kommt es darauf an, wie der Gebührenstreitwert der im
Vorprozess mit den Anträgen zu 1. – 3. erhobenen Widerklage zu bestimmen ist.
aa) Dabei hat allerdings außer Betracht zu bleiben, dass es sich bei der Widerklage
um eine Hilfswiderklage handelte, deren Wert für die Berechnung des
Gesamtstreitwertes erst dann zu berücksichtigen ist, wenn der Eventualfall eintritt
(Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmemann, GKG, § 45 Rz. 17; Hartmann,
Kostengesetze, 40. Aufl., § 45 Rz. 28 m.w.N.). Denn bei der vorliegenden
Nichtigkeitsklage handelt es sich trotz ihres einem Rechtsbehelf ähnelnden
Charakters um eine neue, eigenständige Klage, mit der der Kläger das Ziel
verfolgt, die Rechtskraft des klageabweisenden Urteils zu beseitigen, um den
abgewiesenen Anspruch noch geltend machen zu können. Maßgebend ist allein
dieses Interesse. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Anspruch im
aufzunehmenden Prozess hilfsweise geltend gemacht werden soll und deshalb in
jenem Prozess erst nach einer Entscheidung in die Berechnung des
Gebührenstreitwertes aufzunehmen ist. Aus demselben Grund kommt es nicht
darauf an, ob die Widerklageanträge „denselben Gegenstand“ betreffen, wie die
Klage in dem teilweise abgeschlossenen Vorprozess und deshalb nach § 45 Abs. 1
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Klage in dem teilweise abgeschlossenen Vorprozess und deshalb nach § 45 Abs. 1
S. 3 GKG die Widerklageansprüche nicht mit dem Wert der Klage
zusammengerechnet würden.
bb) Der Gebührenstreitwert der aus drei Anträgen bestehenden Widerklage
bestimmt sich jedoch gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 GKG allein nach dem Wert des
Antrages zu 1. Bei den Anträgen zu 2. und 3. handelt es sich um gestaffelte
Hilfsanträge. Nach § 45 Abs. 1 S. 2 GKG wird ein hilfsweise geltend gemachter
Anspruch nur dann mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet „soweit“ eine
Entscheidung über ihn ergeht. Dies bedeutet, dass ein Hilfsantrag für die
Streitwertbemessung erst dann und auch nur insoweit heranzuziehen ist, wenn
über ihn vom Gericht eine (Sach-)Entscheidung getroffen worden ist.
Für die Festsetzung des Vorschusses nach § 12 Abs. 1 GKG ergibt sich daraus die
soweit ersichtlich in Rechtsprechung und Literatur noch nicht näher erörterte
Konsequenz, dass die mit der Klageeinreichung fällig werdende Gebühr für das
Verfahren im Allgemeinen, wenn sie als Vorschuss kann nach § 12 Abs. 1 GKG
angefordert wird, allein aus dem Wert des Hauptantrages zu berechnen ist. Denn
in diesem Stadium des Verfahrens ist noch keine gerichtliche Entscheidung über
den Hilfsantrag ergangen und es ist auch offen, ob eines solche ergehen wird. Die
Gebühr kann zu diesem Zeitpunkt deshalb allein aus dem für den Hauptantrag der
Klage maßgeblichen Streitwert bemessen werden. Es ist nichts dafür ersichtlich,
dass das Gesetz in § 12 Abs. 1 GKG die Anforderung einer Gebühr als Vorschuss
zulassen will, die in dieser Höhe noch nicht entstanden ist und allein nach den
angekündigten Anträgen im Verlauf des Rechtsstreits möglicherweise entstehen
kann.
Dem Umstand, dass sich der Streitwert eines Prozesses im Laufe des Verfahrens
verändert, trägt das Festsetzungsverfahren nach den §§ 63 ff. GKG auch
Rechnung. Bei einer vorläufigen Streitwertfestsetzung zu Beginn des Verfahrens
nach § 63 Abs. 1 GKG ist mithin in der Regel allein der Wert des Hauptanspruches
anzusetzen. Wird mit der Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand auch
über den Hilfsantrag entschieden, so ist bei der endgültigen Wertfestsetzung nach
§ 63 Abs. 2 GKG der Wert des Hilfsanspruches hinzuzurechnen. Ergeht im Verlauf
des Rechtsstreits eine Entscheidung über den Hilfsantrag, so kann die Gebühr für
das Verfahren im Allgemeinen neu berechnet und angefordert werden (vgl. auch §
13 Abs. 4 KostVfg sowie Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., KV 1210 Rz. 25 f.).
cc) Die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen (GKG KV 1210) aus einem
Streitwert von 158.113,40 Euro beträgt 3.780,- Euro.
dd) Nur ergänzend sei schließlich angemerkt, dass der Widerklageantrag zu 2.
selbst bei einer Berücksichtigung zur keiner Erhöhung des Wertes führen würde.
Ihm kommt keine eigene rechtliche Bedeutung und damit auch kein besonderer
wirtschaftlicher Wert zu. Denn das Gericht hat bei einem Widerspruchs des
Beklagten im Urkundenprozess ein Vorbehaltsurteil zu erlassen, ohne das es dazu
eines Antrages des Klägers bedarf (§ 599 Abs. 1 ZPO).
b) Die weitergehende Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet.
aa) Zu Unrecht meint die Klägerin, der Wert der Nichtigkeitsklage sei hier
ausnahmsweise mit einem Bruchteil des Gebührenstreitwertes der Widerklage zu
bemessen, weil das Interesse der Klägerin allein dahin gehe, sich bis zur Klärung
der Zulässigkeit der Klage offen zu halten, die Widerklage als unbedingte zu
erheben oder binnen 6 Monaten nach Abweisung eine eigene Klage neu
anzubringen. Die Klägerin hätte zwar auch die Möglichkeit die lediglich als
unzulässig abgewiesenen Widerklageanträge mit einer eigenen Klage geltend zu
machen. Die Nichtigkeitsklage soll hier aber gerade den Weg zur Geltendmachung
der Ansprüche im Weg der Widerklage ebnen. Das Interesse der Klägerin darum
dahin, die Ansprüche mit diesem prozessualen Mittel durchzusetzen. Dass die
Klägerin sich durch die hilfsweise Erhebung der Widerklage die Möglichkeit
vorbehält, sie noch vor einer gerichtlichen Entscheidung zurückzuziehen, kann
keine Bedeutung haben. Eine Möglichkeit zur Klagerücknahme besteht auch sonst
jederzeit.
Auf die Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts und die alternative Möglichkeit,
die Ansprüche mit einer eigenen Klage geltend zu machen, kommt es darum nicht
an.
bb) Für die Nichtigkeitsklage besteht entgegen der Meinung der Klägerin auch
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bb) Für die Nichtigkeitsklage besteht entgegen der Meinung der Klägerin auch
keine Vorschussfreiheit nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GKG deshalb, weil das
aufzuhebende Urteil über eine Widerklage entschieden hat, für welche ein
Vorschuss nicht angefordert werden könnte. Die Nichtigkeitsklage eröffnet
rechtsbehelfsähnlich, jedoch in der Form einer Klage eine eigene Instanz zur
Überprüfung eines rechtskräftigen Urteils. Die Gebühren und eine etwaige
Vorschusspflicht von Rechtsbehelfsverfahren bestehen jedoch unabhängig davon,
ob das Verfahren, in dem die angegriffene Entscheidung ergangen ist, vorschuss-
oder gebührenfrei ist. Im Übrigen wird mit Einreichung der Widerklage die
Verfahrensgebühr für sie fällig und kann sofort beigetrieben werden
(Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmemann, GKG, § 12 Rz. 14).
cc) Von der Vorauszahlung der Kosten für die Nichtigkeitsklage kann auch nicht
wegen unrichtiger Sachbehandlung nach § 21 GKG abgesehen werden. Zwar
mögen die Kosten für die Durchführung des Nichtigkeitsverfahrens auf einer
unrichtigen Sachbehandlung des Gerichts beruhen, wenn sich das angefochtene
Urteil als nichtig erweist. Dies kann jedoch erst aufgrund der zu erhebenden Klage
im Nichtigkeitsverfahren festgestellt werden. Die Entscheidung über eine
Niederschlagung kann nicht im Vorgriff auf diese Beurteilung bei Anforderung des
Vorschusses, sondern nur zugleich mit der Entscheidung über die Begründetheit
der Wiederaufnahme durch Zwischenurteil oder nach erneuter Verhandlung durch
Endurteil getroffen werden.
III.
Über die Zulassung des Rechtsmittels einer weiteren Beschwerde wegen
grundsätzlicher Bedeutung der entschiedenen Rechtsfrage ist nicht zu
entscheiden, weil gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte im Verfahren der
Anforderung des Kostenvorschusses eine weitere Beschwerde nicht statthaft ist (§
67 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG).
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, denn das Beschwerdeverfahren ist
gebührenfrei und Kosten werden nicht erstattet (§ 67 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 66 Abs. 8
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.