Urteil des OLG Frankfurt vom 05.02.2008

OLG Frankfurt: gegen die guten sitten, sittenwidrigkeit, provision, gegenleistung, vergütung, missverhältnis, dienstvertrag, versprechen, kaufvertrag, haus

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Gericht:
OLG Frankfurt 18.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
18 U 59/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 138 Abs 1 BGB, § 139 BGB, §
652 Abs 1 S 1 BGB
(Immobilienmakler: Sittenwidrigkeit einer zusätzlich
vereinbarten Erfolgsprovision; Nichtigkeit des ganzen
Geschäfts)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main –
7. Zivilkammer - vom 19. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von einer Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen
Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen gemäß § 540 Abs. 1
Nr. 1 ZPO wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313 a Abs. 1 Satz 1
ZPO abgesehen, weil die Revision nicht zugelassen wurde und ein Rechtsmittel
gegen das Urteil deshalb bei einer Beschwer der unterlegenen Beklagten von nicht
mehr als 20.000 Euro unzweifelhaft nicht zulässig ist (§ 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO, §
544 ZPO).
II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 13.340,00
EUR gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB.
1. Unstreitig hat die Klägerin an die Beklagte 13.340,00 EUR gezahlt. Hierbei
handelte es sich um eine Leistung zur Erfüllung des zwischen den Parteien am 2.
August 2004 geschlossenen Vertrags.
2. Dieser Vertrag ist unwirksam, so dass die Leistung der Klägerin ohne
Rechtsgrund erfolgt ist.
a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts folgt dies allerdings nicht daraus,
dass die Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Vergütung in dem von der
Beklagten verwendeten Formularvertrag mit der Regelung des § 652 Abs. 1 BGB
unvereinbar wäre, nach der der Lohnanspruch des Maklers nur im Erfolgsfall
entsteht (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Der Inhalt des Formularvertrags
kann nämlich nicht allein an den gesetzlichen Vorschriften über den Maklervertrag
gemessen werden, weil sich die Beklagte über eine bloße Maklertätigkeit hinaus
auch zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichtet hat, mögen diese im
vorliegenden Einzelfall auch nicht von erheblichem Gewicht gewesen sein. Insoweit
sind die gesetzlichen Vorschriften über den Dienstvertrag als Prüfungsmaßstab
heranzuziehen. Für den Dienstvertrag ist eine erfolgsunabhängige Vergütung aber
gerade typisch (§ 611 Abs. 1 BGB).
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gerade typisch (§ 611 Abs. 1 BGB).
b) Der Vertrag vom 2. August 2004 ist allerdings gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
Er verstößt gegen die guten Sitten, weil sich die Beklagte eine Gegenleistung hat
versprechen lassen, die in einem auffälligen Missverhältnis zum Wert der von ihr
geschuldeten Leistung steht.
Für die Beurteilung des Wertes der von der Beklagten vertraglich übernommenen
Leistung kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Vertrag vom 2. August
2004 insgesamt als Maklervertrag im Sinne von § 652 BGB zu qualifizieren ist –
wovon das Landgericht auszugehen scheint - oder ob er als Maklerdienstvertrag
anzusehen ist (vgl. BGH, NJW 1985, 2477, 2478) oder ob es sich bei ihm um einen
aus einem Dienstvertrag und einem Maklervertrag zusammengesetzten Vertrag
handelt (vgl. BGH, NJW 1983, 985). In jedem Fall sollte die Leistung der Beklagten
nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien in erster Linie darin bestehen,
einen Kaufvertrag über das Hausgrundstück der Klägerin zu vermitteln, wobei es
sich um die typische Leistung eines Immobilienmaklers handelt. Dies kommt
bereits in der „vertraulichen Informationsanfrage“ der Klägerin vom 20. Juli 2004
zum Ausdruck, in der sie der Beklagten mitteilte, sie biete ein freistehendes Haus
zum Verkauf an. Dementsprechend hat die Beklagte das zu veräußernde Objekt in
ihrer hauseigenen Zeitschrift als Immobilie inseriert und darauf hingewiesen, dass
es hauptsächlich „um Grund und Boden und natürlich das Haus“ gehe. Soweit sich
die Beklagte in dem Vertrag vom 2. August 2004 über die reine
Vermittlungstätigkeit hinaus zu Dienstleistungen verpflichtet hat, die
typischerweise im Zusammenhang mit Unternehmensveräußerungen zu
erbringen sind, kam dem von vornherein kein besonderes Gewicht zu. Denn die
gewerbliche Tätigkeit der Klägerin als Betreiberin einer Frühstückspension war ihrer
Art nach ausgesprochen schlicht und ihrem Umfang nach derart unbedeutend,
dass sie vom Finanzamt als reine Liebhaberei eingestuft worden war. Damit stand
bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses fest, dass in Bezug auf das
mitzuveräußernde Unternehmen keine besonderen Beratungsleistungen zu
erbringen sein würden und dass insbesondere eine Prüfung der „Kompetenz“ der
Kaufinteressenten oder eine „Koordination“ der beiderseitigen anwaltlichen,
steuerlichen und sonstigen Berater nicht ernsthaft erforderlich werden würde.
Die Beklagte hat sich für ihre im Wesentlichen in der Tätigkeit eines
Immobilienmaklers bestehende Leistung nicht nur eine erfolgsunabhängige
Vergütung in Höhe von 13.340,00 EUR, sondern zusätzlich eine erfolgsabhängige
Provision in Höhe von 12 % des Verkaufspreises zuzüglich Umsatzsteuer
versprechen lassen. Selbst wenn man das für die übernommenen
Dienstleistungspflichten vereinbarte Honorar noch für angemessen hielte, wäre
jedenfalls die vereinbarte Erfolgsprovision sittenwidrig überhöht. Die
höchstrichterliche Rechtsprechung hat bei gegenseitigen Verträgen ein die
Sittenwidrigkeit begründendes auffälliges Missverhältnis in der Regel bejaht, wenn
der Preis knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (vgl. für
Kaufverträge BGH, NJW-RR 1991, 589; NJW 1992, 899, 900; DtZ 1997, 66; NJW-RR
1990, 1065) oder der marktübliche Preis (vgl. BGH, NJW 1990, 1595). Kommt ein
Kaufvertrag über ein Grundstück durch Vermittlung des Maklers zu Stande, steht
ihm gegen seinen Auftraggeber üblicherweise eine Provision zwischen 3 % und 5%
des Kaufpreises zu (BGH, NJW 2000, 2669). Mit dieser Provision sind sämtliche
Tätigkeiten des Maklers abgegolten. Demgegenüber sollte die Beklagte eine
Provision von 12 % des Kaufpreises erhalten, obwohl sie für ihre
Vermittlungstätigkeiten bereits ein erfolgsunabhängiges Honorar zu beanspruchen
hatte. Damit übersteigt die zwischen den Parteien vereinbarte Provision den
marktüblichen Preis um ein Mehrfaches. Dieses auffällige Missverhältnis legt den
Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten nahe (vgl. BGH, NJW 2000,
2669, 2670; NJW 2002, 3165, 3166). Besondere Umstände, die diese tatsächliche
Vermutung erschüttern könnten, sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
Insbesondere war die Klägerin, obwohl Kleinstgewerbetreibende, in Geschäften der
hier in Rede stehenden Art nach ihrem unbestrittenen Vorbringen gänzlich
unerfahren.
Die Unwirksamkeit der Provisionsvereinbarung hat gemäß § 139 BGB die
Unwirksamkeit des gesamten Vertrags zur Folge. Aus dem Vorbringen der
Parteien ergibt sich nicht, dass die Beklagte den Vertrag vom 2. August 2004 auch
dann abgeschlossen hätte, wenn die Klägerin zur Zahlung einer Erfolgsprovision
von 12 % des Verkaufspreises nicht bereit gewesen wäre. Bei einer sittenwidrigen
Überhöhung des Entgelts ist eine Aufrechterhaltung des Vertrags mit
angemessener Gegenleistung nicht möglich (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., §
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angemessener Gegenleistung nicht möglich (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., §
138 Rdn. 19 m. w. Nachw.).
3. Die Beklagte hat der Klägerin somit gemäß § 818 Abs. 2 BGB einen dem Wert
ihrer Leistung entsprechenden Betrag in Höhe von 13.340,00 EUR zu ersetzen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Abwendungsbefugnis ergibt sich aus den §§ 708
Nr. 10, 711, 713 ZPO in Verbindung mit §§ 542 Abs. 1, 543, 544 ZPO, § 26 Nr. 8
EGZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO
nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch
erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht.
Es war nicht geboten, der Beklagten einen Schriftsatznachlass einzuräumen, um
ihr nochmals Gelegenheit zu geben, zur rechtlichen Problematik der
Sittenwidrigkeit ergänzend Stellung zu nehmen. Dass es für die Entscheidung des
Rechtsstreits auf die Frage der Sittenwidrigkeit des zwischen den Parteien
geschlossenen Vertrags ankommen konnte, lag auf der Hand, da die Klägerin
ihren Klageanspruch von Anfang an gerade auf diesen Gesichtspunkt gestützt
hatte. Dementsprechend haben die Parteien diese Frage bereits in den im ersten
Rechtszug gewechselten Schriftsätzen ausführlich diskutiert. In der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat konnte sich der Prozessbevollmächtigte der
Beklagten zu dieser Thematik nochmals äußern. Damit ist dem Anspruch der
Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs Genüge getan.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 13.340,00 EUR.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.