Urteil des OLG Frankfurt vom 19.04.2005

OLG Frankfurt: elterliche sorge, wohl des kindes, anhörung des kindes, jugendamt, eltern, haushalt, beratungsstelle, gespräch, vorrang, behinderung

1
2
3
4
Gericht:
OLG Frankfurt 6.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 UF 155/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 1671 Abs 2 Nr 2 BGB
(Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater bei
ständiger Behinderung von Besuchskontakten durch die
Kindesmutter)
Leitsatz
Zur Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindsvater unter dem Aspekt, dass die
Mutter bisher den Umgang des Vaters mit dem Kind vereitelt hat
Gründe
Die Eltern der am …...1999 geborenen A waren nicht miteinander verheiratet. Die
elterliche Sorge stand ihnen gemeinsam aufgrund abgegebener Sorgeerklärung
nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB zu.
Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die elterliche Sorge dem
Vater auf dessen Antrag hin übertragen. Der Beschluss ist im wesentlichen damit
begründet, dass die Mutter den Umgang des Kindes mit dem Vater behindere,
was seiner Persönlichkeitsentwicklung abträglich sei. Mit ihrer Beschwerde erstrebt
die Mutter die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Übertragung
der elterlichen Sorge auf sich.
Der vorbereitende Einzelrichter des Senats hat die Eltern und das Kind persönlich
gehört und ein Gutachten der Diplom-Psychologin C in O1 eingeholt. Auf die
Sitzungsniederschrift vom 27.09.2004, das schriftliche Gutachten vom 11.02.2005
und den Vermerk vom 14.03.2005 über die Anhörung des Kindes wird verwiesen.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat zu Recht die
elterliche Sorge für A dem Vater übertragen, da zu erwarten ist, dass die
Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Vater dem Wohl
des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Das Gutachten der
Sachverständigen C bestätigt die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses. Die
Mutter, welche hierzu wie alle anderen Verfahrensbeteiligten Gelegenheit hatte,
hat zu dem Gutachten nicht Stellung genommen. Der Senat ist von der Richtigkeit
der Ausführungen der Gutachterin überzeugt, welche in sich schlüssig und
insbesondere vor dem Hintergrund des Agierens der Eltern während des laufenden
Verfahrens und zuvor während des Umgangsregelungsverfahrens 54 F 964/03
Amtsgericht Darmstadt sowie dem anschließenden Vermittlungsverfahren 54 F
2176/03 Amtsgericht Darmstadt nachvollziehbar und überzeugend sind. Danach
ist davon auszugehen, dass die Mutter auch weiterhin nicht in der Lage sein wird,
einen unbefangenen Umgang des Kindes mit dem Vater zuzulassen. Die Mutter
hat es in der Vergangenheit verstanden, dass nach der Umgangsvereinbarung
vom 04.09.2003 im Verfahren 54 F 964/03 der Umgang nach wenigen Terminen
zum Erliegen kam, ohne dass hierfür triftige Gründe bestehen. Der Senat hat
keinen Zweifel daran, dass von A geäußerte Vorbehalte gegenüber Besuchen
beim Vater allein ihren Hintergrund darin haben, dass A fühlt, dass die Mutter
solche Besuche nicht wünscht. Im vorliegenden Verfahren hat der Senat sodann
versucht in der Zeit nach dem Anhörungstermin am 27.09.2004 den Eltern
5
6
7
8
9
10
versucht in der Zeit nach dem Anhörungstermin am 27.09.2004 den Eltern
Gelegenheit zu geben, die Kontakte zwischen Vater und Tochter über einen
begleiteten Umgang in der Erziehungsberatungsstelle des Landkreises Darmstadt-
Dieburg wieder herzustellen. Dies ist letztlich am Verhalten der Mutter gescheitert,
wie sich aus dem Bericht der Erziehungsberatungsstelle vom 11.11.2004 ergibt.
Der Mutter ist zuzugeben, dass hinsichtlich des Termins am 26.10.2004
missverständliche Absprachen zwischen ihr und der Erziehungsberatungsstelle
vorlagen. Nachdem ursprünglich für den 26.10.2004 ein Gespräch mit der Mutter
ohne das Kind vereinbart war, dann aber vereinbart wurde, dass die Mutter die
Tochter mitbringen solle, weil sie sie an diesem Tag nicht anderweitig unterbringen
könne und die Mutter dann ohne die Tochter erschien, kann man ihr hieraus
keinen Vorwurf machen, weil sie die vorherigen Absprachen auch so verstehen
konnte, dass von Seiten der Beratungsstelle auf ein Erscheinen der Tochter an
diesem Tag kein Wert gelegt wurde. Andererseits bestand kein Anlass, das
Gespräch an diesem Tag mit der Beratungsstelle erneut abzubrechen in ähnlicher
Weise, wie sie das bereits am 13.10.2004 getan hatte. Dieses Verhalten setzt sich
im Rahmen der Begutachtung durch die Sachverständige fort. Hier hat es die
Mutter verstanden, zu verhindern, dass die Sachverständige den Vater im Kontakt
mit der Tochter beobachten konnte. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die
Angaben der Mutter, sie habe nur Ängsten der Tochter Rechnung tragen wollen,
vorgeschoben sind und es ihr letztlich – bewusst oder auch unbewusst – darum
geht, Kontakte des Vaters mit dem Kind zu unterbinden.
Ein weiteres Unterbleiben von unbefangenen Kontakten des Kindes mit dem Vater,
welches Gelegenheit haben muss, allein in ausreichendem Umfang mit dem Vater
ohne Beisein der Mutter oder Dritter, zusammen zu sein, würde langfristig zu einer
Schädigung des Kindes führen. Den diesbezüglichen Äußerungen der
Sachverständigen ist nichts hinzu zu fügen.
Um dieser Gefahr zu begegnen, ist die beste Möglichkeit, die Tochter aus dem
Haushalt der Mutter heraus zu nehmen. Geschähe dies nicht, so bestünden nur
die zwei folgenden Perspektiven:
Entweder der Vater würde irgendwann sein Bemühen um Umgang mit dem Kind
aufgeben. Das Kind würde ohne Kontakte zum Vater aufwachsen mit denen sich
daraus ergebenden nachteiligen Folgen.
Die andere Möglichkeit wäre, dass, wie es der Erfahrung des Senats in derartigen
Fällen entspricht, ein langjähriger Kampf um den Umgang entbrennen würde mit
immer neuen gerichtlichen Verfahren und Versuchen, den Umgang zwangsweise
durchzusetzen bis hin zur Zwangshaft (OLG Frankfurt/Main, 1. Senat für
Familiensachen, FamRZ 2002, S. 1585 ff.). Hierdurch wäre das Kind vermutlich
mehrjährigen psychischen Belastungen ausgesetzt. Demgegenüber ist ein rascher
Schnitt durch eine Herausnahme des Kindes aus dem mütterlichen Haushalt die
dem Kindeswohl zuträglichere Lösung. Mit der Sachverständigen und in
Übereinstimmung mit dem Jugendamt und der Verfahrenspflegerin hält der Senat
den Vater durchaus für geeignet, die elterliche Sorge zu übernehmen. Dass er
nach einer Herausnahme des Kindes aus dem mütterlichen Haushalt die Probleme
zunächst nicht allein wird bewältigen können und er professioneller Hilfe bedarf,
liegt auf der Hand. Dem Vater ist dies indessen bewusst und er ist bereit mit dem
Jugendamt zusammen zu arbeiten. Vor diesem Hintergrund besteht die
Erwartung, dass es zu seiner stufenweisen Eingewöhnung des Kindes in den
Haushalt des Vaters durch vorübergehende Unterbringung in einer Pflegestelle
kommen wird.
Soweit zwischen der Sachverständigen und dem Jugendamt unterschiedliche
Vorstellungen über die Länge eines solchen Aufenthalts bestehen, hat der Senat
keine Entscheidung zu treffen. Der Vater wird in der Lage sein, diese Frage in
Zusammenarbeit mit dem Jugendamt zum Wohl des Kindes zu klären. Aufgrund
dieser Kooperationswilligkeit des Vaters kam es auch nicht in Frage, die elterliche
Sorge oder Teile derselben beiden Eltern zu entziehen und auf das Jugendamt zu
übertragen. Auch wenn der Vater zuletzt die Meinung vertreten hat, an sich könnte
das Kind unmittelbar zu ihm überwechseln, hat er zugleich signalisiert, dass er sich
der professionellen Beratung durch das Jugendamt nicht widersetzen wird.
Die für das Kind mit einem Verlassen des mütterlichen Haushalts zunächst
verbunden psychischen Probleme hält der Senat für das kleinere Übel gegenüber
einer fortschreitenden Entfremdung gegenüber dem Vater. Auch insoweit tritt der
Senat der Auffassung der Sachverständigen bei.
11
12
13
14
15
Dass A bei ihrer Anhörung durch den Richter geäußert hat, sie wolle im Haushalt
bei der Mutter bleiben, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Nachdem die
Entfremdung zum Vater durch das Verhindern von Besuchskontakten durch die
Mutter fortgeschritten ist, kann das Kind gar nichts anderes äußern. Aus den
dargelegten Gründen wäre es aber langfristig nicht im Interesse des Kindes, jetzt
diesem Wunsch nachzugeben.
Eine Herausgabe des Kindes an den Vater war im Rahmen des
Beschwerdeverfahrens nicht anzuordnen. Es kann dahinstehen, ob das
Beschwerdegericht, nachdem Gegenstand des erstinstanzlichen Vaters allein die
Regelung der elterlichen Sorge und nicht die Kindesherausgabe war, gleichwohl
eine solche Entscheidung generell treffen kann. Vorliegend kommt insoweit dem
Amtsgericht der Vorrang zu, da der Vater nach Erlass der amtsgerichtlichen
Entscheidung beim Amtsgericht einen Herausgabeantrag gestellt hat, der dort
zum Ruhen gebracht wurde, da der Vater zunächst die Entscheidung des Senats
abwarten wollte (54 F 1159/04 Amtsgericht Darmstadt). Selbst wenn man
grundsätzlich in derartigen Fällen eine Regelungsbefugnis des Beschwerdegerichts
bejaht, kommt dem Amtsgericht als dem insoweit zunächst angerufenen Gericht
nach dem Rechtsgedanken des § 4 FGG der Vorrang zu. Damit ist im Ergebnis
einer schnelleren Klärung der Rechtslage hinsichtlich des Sorgerechts Rechnung
getragen, da das Sorgerechtsverfahren mit dieser Entscheidung abgeschlossen
werden kann und keine Äußerungsfrist zu dem erst am 01. April 2005
eingegangenen Herausgabeantrag des Vaters gesetzt werden müssen.
Vorsorglich weist der Senat die Mutter darauf hin, dass sie bereits aufgrund dieser
Sorgerechtsregelung das Kind an den Vater bzw. auf dessen Weisung an Dritte
herauszugeben hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 13a Abs. 1 Satz 2 FGG, 94 Abs. 3 Satz 2, 131
Abs. 3 KostO.Es war angemessen, der Mutter die gesamten außergerichtlichen
Auslagen aus dem Beschwerdeverfahren aufzuerlegen, da dies dem
Rechtsgedanken des § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG entspricht. Für ein Absehen von der
Auslagenerhebung sieht der Senat keinen Anlass.
Die Wertfestsetzung folgt aus § 30 KostO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.