Urteil des OLG Frankfurt vom 09.03.2004

OLG Frankfurt: umsetzung des gemeinschaftsrechts, innerstaatliches recht, strafbarkeit, rechtsverordnung, eingriff, ermächtigung, rechtsgrundlage, steuerhinterziehung, bestimmtheitsgebot

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Gericht:
OLG Frankfurt 2.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 Ss 237/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 14 GG, Art 80 Abs 1 S 2
GG, Art 80 Abs 1 S 3 GG, Art
103 Abs 2 GG, Art 104 Abs 1 S
1 GG
Steuerhinterziehung durch Verstoß gegen die
Milchgarantiemengenverordnung
Leitsatz
1. In einer Rechtsverordnung ist gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG lediglich das zugrunde
liegende einzelstaatliche förmliche Parlamentsgesetz, nicht jedoch auch eine
gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage anzugeben. Die
Milchgarantiemengenverordnung (MGV) ist daher nicht wegen Verstoßes gegen das
Zitiergebot nichtig. Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG ist vielmehr gewahrt, da in ihrer Präambel
die Vorschriften des Marktordnungsgesetzes, auf denen die Verordnung beruht, unter
Ziffer 7 ausdrücklich benannt sind. Einer Zitierung der EG-VO Nr. 3950/92 bedurfte es
danach nicht.
2. § 12 Abs. 2 Satz 1 MOG stellt eine gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ausreichend
bestimmte Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der MGV dar.
3. Die Erhebung der Milchabgabe stellt keinen Eingriff in den eingerichteten und
ausgeübten landwirtschaftlichen Betrieb dar.
4. Die in § 370 AO i.V.m. §§ 8 Abs. 2, 12 Abs. 1 MOG als mehrstufiges Blankettgesetz
geregelte Strafbarkeit bei Verstößen gegen die Milchmengenverordnung wird dem
verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG und des Art. 104
Abs. 1 Satz 1 GG gerecht.
Tenor
Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe
Das Amtsgericht Kassel hatte den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung (§§
370 I Nr. 1 AO; 12 MOG; 1, 3, 7a MGV; EG-VO Nr. 3950/02; 25 StGB) zu einer
Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und die Vollstreckung der
Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt.
Die dagegen eingelegte Berufung des Angeklagten verwarf das Landgericht Kassel
mit Urteil vom 13. Mai 2003.
In diesem Urteil wurden u. a. folgende Feststellungen getroffen:
Im Jahre 1984 änderte der Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die bis
dahin gültige Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse und führte eine
Quotenregelung ein, um das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Angebot und
Nachfrage auf diesem Sektor zu beseitigen (Verordnung EWG Nr. 856/84).
Diese Regelung setzte für jeden Mitgliedsstaat eine Garantiemenge fest. Bis zum
Erreichen der Garantiemenge findet die gemeinschaftsrechtliche
Interventionsregelung Anwendung, d. h. es besteht eine Abnahmegarantie, wenn
ein von der EG festgesetzter Preis nicht erzielt werden kann. Bei Überschreitung
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ein von der EG festgesetzter Preis nicht erzielt werden kann. Bei Überschreitung
der Garantiemengen sind Zusatzabgaben zu erheben (Verordnung EWG Nr.
857/84).
Durch die Verordnung EWG Nr. 3950/92 vom 28.12.1992 wurden die Bedingungen
der Milchmarktordnung zum 01.04.1993 in verschiedenen Punkten modifiziert. Die
Gestaltungsspielräume der Mitgliedsstaaten wurden gegenüber der bis dahin
geltenden Regelung erweitert.
Die Abgabe wurde auf 115 % des Richtpreises festgelegt (Artikel 1 der EWG
Verordnung Nr. 3950/92).
Danach teilten die Mitgliedsstaaten ihre Garantiemengen auf die Erzeuger sprich
Landwirte auf, die auf ihrem Gebiet Milch produzierten. Solche „Referenzmengen“
wurden den Landwirten für Direktverkäufe und für Lieferungen an einen Abnehmer
(Molkerei) zugeteilt.
Die Summe der den Erzeugern zugeteilten Referenzmengen darf die dem
Mitgliedsstaat zugewiesene Garantiemenge nicht übersteigen. Wird die
Gesamtgarantiemenge des Mitgliedsstaates überschritten, werden die Erzeuger,
die zur Überproduktion beigetragen haben, zur Zusatzabgabe herangezogen.
Abgabenschuldner sind die Landwirte. Eingezogen werden diese Zusatzabgaben
indessen von den Molkereien als Zahlungsstellen. Dies geschieht im Wege der
Verrechnung mit dem Milchpreis.
Die Abgabe ist nicht nur von der Menge der überlieferten Milch, sondern auch von
deren Fettgehalt abhängig. Die zur Einrechnung des Fettgehaltes anzuwendende
Methode wird in der Verordnung 536/93 der Kommission vom 09. März 1993
festgelegt.
Die Mitgliedstaaten legen die Abgabenberechnung- und Erhebung fest. Dies
bestimmt Artikel 2 der Verordnung Nr. 3950/92.
Die Einzelheiten sind für Bundesrepublik Deutschland durch die
Milchgarantiemengenverordnung (MGV) geregelt. Diese Verordnung wiederum
stützt sich auf eine Ermächtigung im Marktordnungsgesetz (MOG), nämlich §§ 12
und 8 dieses Gesetzes. Die §§ 4 bis 7 MGV regeln die Errechnung der
Referenzmenge.
Nach § 7b Abs. 1 MGV kann der Käufer, also die Molkerei, Referenzmengen die im
jeweiligen Zwölfmonatszeitraum nicht genutzt worden sind (Unterlieferungen)
anderen Milcherzeugern, die ihre Referenzmengen überschritten haben, nach
einem bestimmten Schlüssel zuteilen. Die Abgabepflicht entsteht erst, wenn nach
einer Saldierung sämtlicher bei der Molkerei anliefernder Erzeuger gegenüber der
Gesamtsumme der Referenzmengen aller Anlieferer ein Überschuss entsteht.
Indessen durften bis zum Jahre 2000 nach § 7b I Unterabsatz 3 Satz 4 MGV
Unterlieferungen aus Betrieben in den neuen Bundesländern nur gegen
Überlieferungen verrechnet werden, die gleichfalls aus diesen Ländern stammten.
Eine Verrechnung von Milchmengen hessischer Landwirte mit von thüringischen
Landwirten gelieferter Milch war demnach nicht möglich.
Dem Angeklagten, einem Diplom-Agraringenieur, der auf seinem
landwirtschaftlichen Hof Milchwirtschaft betreibt, wurde die Erzeugernummer …
zugeteilt. Unter dieser Erzeugernummer lieferte der Angeklagte Milch an die A, die
auch von thüringischen Landwirtschaftsbetrieben beliefert wird. Da sich bei dem
Angeklagten bereits im Milchwirtschaftsjahr 1997/1998 eine Überschreitung seiner
Referenzmenge abzeichnete, wandte er sich an den Mitarbeiter der A, den Zeugen
Z1. Dieser vermittelte den Angeklagten an die Agrargenossenschaft O1 mit der
Abnehmernummer …. Unter dieser Codenummer lieferte der Angeklagte im März
1998 bereits fettkorrigiert 29.136 KG Milch an die A. Die entsprechende Rechnung
erstellte die A für die Agrargenossenschaft O1, die unter Abzug eines
Selbstbehaltes von 0,10 DM je Kilogramm Milch den Milcherlös in Höhe von
15.676,75 DM an den Angeklagten weitergab.
Da auch andere West-Landwirte in gleicher Weise verfuhren, wurden im März 1998
von der A insgesamt 142.490 kg Milch als angeblich aus ostdeutscher Produktion
stammend abgerechnet, obwohl diese Lieferungen in Wirklichkeit aus
Westdeutschland kamen. Auf seine eigene Erzeugernummer lieferte der
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Westdeutschland kamen. Auf seine eigene Erzeugernummer lieferte der
Angeklagte im Milchwirtschaftsjahr 1997/1998 bei einer Referenzmenge von
400.471 KG, fettkorrigiert 404.178 kg Milch und war damit „offiziell“ nicht
angabepflichtig, da seine Überlieferung über die Agrargenossenschaft O1
abgewickelt worden war.
Für den Tatzeitraum des Wirtschaftsjahres 1998/1999 wurde dem Angeklagten nur
noch eine Referenzmenge von 389.171 KG zugeteilt, dadurch zeichnete sich eine
noch größere Überschreitung der zugelassenen Referenzmenge ab.
Deshalb wandte sich der Angeklagte wieder an den Zeugen Z1, der dem
Angeklagten die gleiche Vorgehensweise wie im Vorjahr vorschlug, allerdings sollte
diesmal ein schriftlicher Pachtvertrag mit dem ostdeutschen Erzeuger
abgeschlossen werden. Nach dem Pachtvertrag sollte der Angeklagte 65 seiner
Milchkühe an die Agrargenossenschaft O1 verpachten, wobei die Kühe laut Vertrag
auch in den Stall der Agrargenossenschaft O1 verbracht werden sollten.
Entgegen dem Wortlaut des Pachtvertrages war nie beabsichtigt, dass die Kühe
des Angeklagten an die Agrargenossenschaft O1 übergeben werden sollten. Die
angebliche „Pacht“ bestand darin, dass nunmehr dem Angeklagten von der A
erneut ein Codeblock mit der Codenummer … der Agrargenossenschaft O1
übergeben wurde.
Entsprechend der Übung im vergangenen Jahr sandte auch hier die A die
Milchabrechnungen nicht an den Angeklagten, sondern an die
Agrargenossenschaft O1. Diese bekam auch die entsprechenden Beträge für die
Milchlieferungen überwiesen und zwar für Februar 1999 21.808,94 DM und für März
1999 23.045,17 DM. Nach Abzug des vereinbarten „Pachtzinses“ von 0,10 DM pro
Kilogramm Milch überwies die Agrargenossenschaft O1 dem Angeklagten für
Februar 1999 18.358,04 DM und für März 1999 19.364,17 DM. Einziger Zweck des
Vorgehens des Angeklagten war es, die Milchgarantiemengenabgabe einzusparen
und seine Überlieferung der Agrargenossenschaft O1 zuzuweisen, da für diese
aufgrund der noch freien Referenzen keine Abgabe anfiel.
Der Angeklagte wusste, dass dieses Vorgehen rechtswidrig war und gegen die
gesetzliche Milchmengengarantieregelung verstieß. Auf seine eigene
Referenznummer … lieferte der Angeklagte im Wirtschaftsjahr 1998/1999 eine
Menge von 398.400 kg fettkorrigierter Milch, folglich fand eine Überlieferung von
9229 kg statt. Durch die fehlende Berücksichtigung der Lieferungen auf die
Erzeugernummer der Agrargenossenschaft O1 verkürzte der Angeklagte für das
Wirtschaftsjahr 1998/1999 die Milchmengengarantieabgabe in Höhe von 30.837,13
DM.
Gegen dies Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die
Verletzung materiellen Rechts rügt und beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und ihn freizusprechen.
Gleichzeitig wird “angeregt“, das Verfahren auszusetzen und die Sache dem
Bundesverfassungsgericht mit der Frage vorzulegen, “ob die als Rechtsgrundlage
des Strafverfahrens herangezogenen §§ 370 Abs. 1 AO i. V. m. §§ 8, 12 MOG i. V.
m. der EG-Verordnung 3950/92 i. V. m. §§ 3 ff Milch-Garantiemengen-Verordnung
(MGV) verfassungsgemäß sind.“
Die Revisionsbegründung enthält nahezu ausschließlich Ausführungen dazu,
ob die strafrechtlichen Vorwürfe gegen den Angeklagten auf einer gesetzlichen
Grundlage beruhen, die den Anforderungen an Strafgesetze gem. Art. 103 Abs. 2,
104 Abs. 1 Nr. 1 GG genügen
und
ob die gesamte Milch-Garantiemengen-Verordnung nichtig ist, weil die
gesetzliche Ermächtigungsgrundlage der §§ 12 Abs. 2, 1 Abs. 2 MOG nicht dem
Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs.1 S. 2 GG und dem Zitiergebot des Art. 80
Abs. 1 S. 3 GG entspricht.
Die form- und fristgerecht eingelegte und ebenso begründete Revision ist zulässig,
hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Die Überprüfung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs auf die Sachrüge hin
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Die Überprüfung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs auf die Sachrüge hin
hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.
Besonderer Erörterung bedürfen nur die in der Revisionsbegründung
aufgeworfenen Probleme. Dazu hat die Staatsanwaltschaft bei dem
Oberlandesgericht in ihrer Stellungnahme vom 10.11.2003 folgendes ausgeführt:
“Die in der Revisionsbegründung formulierte Behauptung, dass die Milch-
Garantiemengen-Verordnung (MGV) wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot (Art.
80 Abs. 1 Satz 3 GG) nichtig sei, ist mittlerweile hinreichend widerlegt. Aufgrund
höchstrichterlicher Rechtsprechung ist geklärt, dass in einer Rechtsverordnung
lediglich das zugrunde liegende einzelstaatliche förmliche Parlamentsgesetz, nicht
jedoch auch eine gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage anzugeben ist (vgl.
BVerwG, Urteil vom 20. März 2003 - 3 C 10.02, zur Veröffentlichung in BVerwGE
bestimmt; BFH, Beschluss vom 25.9.2003 - VII B 309/02).
Das BVerwG (Urteil vom 20.3.2003 - 3 C 10/02, vgl. Pressemitteilung Nr.
16/2003 des BVerwG, NVwZ 2003, 704; Bl. 158 ff Bd. II d.A.) hat entschieden, dass
eine auf Umsetzung von Gemeinschaftsrecht in innerstaatliches Recht gerichtete
Rechtsverordnung nicht deshalb nichtig ist, weil sie keinen Hinweis auf die
maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Normen enthält.
Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG ist in einer Rechtsverordnung deren
Rechtsgrundlage anzugeben.
In der Literatur mehren sich die Stimmen, die in solchen Fällen auch die
Angabe der gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen für geboten erachten (vgl. u.a.
Bonner Kommentar zum GG - Nierhaus, Art. 80 Abs. 1, Rdnr. 327; Schwarz, DÖV
2002, 852, 853; Erbel, DÖV 1989, 338 (341 f)). Sie berufen sich hierfür zumeist auf
das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 1999 (BVerfGE 101, 1), durch
das die Hennenhaltungsverordnung wegen Missachtung des Zitiergebotes für
nichtig erklärt worden war. Diese Verordnung diente auch der Umsetzung von
Rechtsakten der Gemeinschaft in nationales Recht. Ausschlaggebend für dieses
Urteil war das Fehlen eines Hinweises auf Art. 2 des Ratifikationsgesetzes vom 25.
Januar 1978 als (weitere) Ermächtigungsgrundlage. Die angegriffene fehlende
Zitierung betraf aber nicht unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht sondern ein
internationales Abkommen, welches in nationales Recht transformiert worden war.
Isoliert betrachtet können die vom Bundesverfassungsgericht herausgestellten
rechtsstaatlichen Funktionen des Zitiergebotes allerdings den Gedanken nahe
legen, auch die gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen seien zu benennen.
Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG soll zum einen der Exekutive durch Angabe ihrer
Ermächtigungsgrundlage ermöglichen, sich selbst des ihr aufgegebenen
Normsetzungsprogramms zu vergewissern und sich auf dieses zu beschränken.
Das Zitiergebot soll zum anderen dem Normadressaten die Prüfung ermöglichen,
ob der Verordnungsgeber die Grenzen seiner Rechtsetzungsmacht gewahrt hat.
Diese Zielsetzung könnte dafür sprechen, dem in der Verordnung zu
benennenden „Ermächtigungsrahmen" (BVerfG, a.a.O. S. 42) auch jene Normen
zuzurechnen, die der nationale Gesetz- oder Verordnungsgeber aus eigener
Kompetenz nicht hätte erlassen dürfen, für die er vielmehr einer
gemeinschaftsrechtlichen Rechtsetzungsbefugnis bedurfte. Diese
Betrachtungsweise beruht jedoch auf einer grundlegenden Verkennung des
Regelungsgehalts des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG. Die Vorschrift soll dazu beitragen,
dass die aus dem Prinzip der Gewaltentrennung folgenden engen Grenzen
exekutiver Rechtsetzungsmacht nicht zu Lasten der (parlamentarischen)
Legislative verschoben werden. Der Erlass von Verordnungen stellt eine
Durchbrechung des ansonsten geltenden Normsetzungsmonopols der Parlamente
dar. Die Verfassung (Art. 80 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG) verlangt hierfür eine
besondere Ermächtigung „durch Gesetz". Nur wenn und soweit sich der
Gesetzgeber ausdrücklich außerhalb seiner Rechtsetzungsmacht begeben hat
oder keinen Gebrauch davon gemacht hat, darf die Exekutive ihn insoweit
vertreten. Durch Angabe der hierfür in Anspruch genommenen
bundesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage hat der Verordnungsgeber
nachzuweisen, dass er die Prärogative des parlamentarischen Gesetzgebers
gewahrt hat. Dies folgt schon aus dem systematischen und terminologischen
Zusammenhang der in Art. 80 Abs. 1 GG getroffenen Regelungen. Der Begriff
„Rechtsgrundlage" in Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG knüpft an den in den
voranstehenden beiden Sätzen verwandten Begriff „Gesetz" an, worunter
ausschließlich förmliche Parlamentsgesetze zu verstehen sind. Das Zitiergebot
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ausschließlich förmliche Parlamentsgesetze zu verstehen sind. Das Zitiergebot
geht hierüber nicht hinaus. Ihm kommt nicht die Funktion zu, die Vereinbarkeit der
Verordnung mit höherrangigem Recht auch insoweit kontrollieren zu können, als
eine Verletzung des Parlamentsvorbehalts ausscheidet. Dies gilt nach
Überzeugung des BVerwG auch im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht, und zwar
selbst dann, wenn dieses eine unerlässliche „Ermächtigungsgrundlage" für die in
der Verordnung getroffene Regelung darstellt. Die Einhaltung der
gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben betrifft eine andere, vom Zitiergebot nicht
erfasste Ebene. Die dadurch für den Normadressaten möglicherweise bestehende
Schwierigkeit, die mit der Verordnung umgesetzte gemeinschaftsrechtliche
Regelung herauszufinden und die Übereinstimmung zwischen beiden
Rechtsquellen zu überprüfen, bestünde auch dann, wenn der Bundestag selbst -
wozu er unbeschränkt befugt wäre - die Umsetzung vorgenommen hätte, denn
insoweit bedarf es einer Benennung der Rechtsgrundlagen jedenfalls nicht. Eine
Rechtsverordnung genügt danach dem Zitiergebot, wenn sie die in einem
deutschen Parlamentsgesetz enthaltene Ermächtigungsnorm benennt. Dagegen
betrifft das Zitiergebot nicht das Verhältnis von Europäischer Gemeinschaft und
Mitgliedstaat bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts (vgl. BVerwG, Urteil
vom 20.3.2003 - 3 C 10/02).
Dies ist vorliegend der Fall.
Zutreffend führt das Landgericht insoweit aus (S. 22 U.A.), dass das
Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG gewahrt sei, da in der Präambel des MGV
die Vorschriften des MOG, aufgrund derer die MGV erlassen wurde unter Ziff. 7
ausdrücklich benannt seien. Einer Zitierung der Vorschriften des EG-VO Nr.
3950/92 bedurfte es danach nicht.
Über die vom Angeklagten weiter aufgestellte Behauptung, dass die §§ 8, 12
des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisation (MOG) keine
ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der MGV
darstellen, ist gleichfalls bereits entschieden und diese verneint worden. Der BFH
hat entschieden, dass § 8 Abs. 1 Nr. 1 des MOG vom 31. August 1972 - MOG 1972
- (BGBl I, 1617) als Ermächtigungsgrundlage den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1
Satz 2 GG entsprach (vgl. BFH, Beschluss vom 17.12.1985 - VII B 116/85, BFHE
145, 289, 296). Hieran hat der BFH auch in der Folgezeit festgehalten (vgl. BFH,
Urteil vom 22.4.1986 - VII R 184/85, BFHE 146, 302, 306). Auch das
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ist hinsichtlich des Bescheinigungsverfahrens
wiederholt davon ausgegangen, dass § 8 Abs. 1 Nr. 1 MOG 1972 eine hinreichende
gesetzliche Ermächtigung ist (vgl. Urteile vom 24.3.1988 3- C 41.87; BVerwGE 79,
171 (174); 3 C 48.86; BVerwGE 79, 192 (193); BFH; Beschluss vom 25.9.2003 - VII
B 309/02).
Unmaßgeblich ist auch, dass § 8 Abs. 1 MOG 1972 durch § 12 Abs. 2 Satz 1
MOG ersetzt worden ist. Denn die maßgeblichen Tatbestandsmerkmale beider
Regelungen entsprechen sich (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4.5.1999 - IX B 38/99,
BFHE 188, 395 (396), BStBl II 1999, 587; vom 13.12.2000 - IX B 109/00, BFH/NV
2001, 599 (600); BFH, Beschluss vom 25.9.2003 - VII B 309/02).
Soweit der Angeklagte geltend macht, durch die §§ 8, 12 MOG werde dem
Verordnungsgeber in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise die Entscheidung
darüber übertragen, ob eine Abgabe erhoben werde oder nicht, gelten
unverändert die Grundsätze, die der BFH in seinem Beschluss in BFHE 145, 289
(296) dargelegt hat. Obgleich die VO Nr. 3950/92 die EG-VO Nr. 857/84 abgelöst
hat, enthält nach wie vor das Gemeinschaftsrecht, auf das in den §§ 8 Abs. 1 Satz
1, 12 Abs. 2 Satz 1 MOG jeweils i.V.m. § 1 Abs. 2 MOG Bezug genommen wird, die
materiell-rechtlichen Vorschriften über die Erhebung der Milchabgabe. Der
Gesetzgeber ist zudem befugt, mit einer Verweisung auf Gemeinschaftsrecht
Inhalt, Zweck und Ausmaß einer gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass von
Rechtsverordnungen näher zu bestimmen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom
13.10.1970 - 2 BvR 618/68; BVerfGE 29, 198 (210); vom 28.2.1973 - 2 BvL 19/70;
BVerfGE 34, 348 (366); BFH, Beschluss vom 25.9.2003 - VII B 309/02).
Dabei kann hier dahinstehen, ob der Maßstab des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG auf
das in einer einzelstaatlichen Ermächtigung in Bezug genommene
Gemeinschaftsrecht angewendet werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.
6.1977 - 2 BvR 499/74 und 1042/75; BVerfGE 45, 142 (166), das diese Frage offen
gelassen hat). Denn Art. 1 Unterabs. 2 EG-VO Nr. 3950/92 regelt die Höhe der
Abgabe, wobei die Art. 1 und 2 EG-VO Nr. 536/93 detaillierte Bestimmungen zur
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Abgabe, wobei die Art. 1 und 2 EG-VO Nr. 536/93 detaillierte Bestimmungen zur
Berechnung der Abgabe enthalten. Art. 4 Abs. 1 EG-VO Nr. 3950/92 stellt auch
eine ausreichend bestimmte Regelung für die Ermittlung der einzelbetrieblichen
Referenzmenge dar. Hierbei wird an die Summe der einzelbetrieblichen
Referenzmengen jeweils gleicher Art - d.h. jeweils für Lieferungen und
Direktverkäufe - sowie an die in Art. 3 dieser Verordnung festgelegten
Gesamtmengen angeknüpft. Hinsichtlich der Kürzungen zur Aufstockung der
einzelstaatlichen Reserve nach Art. 5 VO Nr. 3950/92 enthält Art. 6 VO Nr. 536/93
nähere Bestimmungen. Der Auffassung von Thiele (Das Recht der Gemeinsamen
Agrarpolitik der EG, 1997, S. 110), die §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 2 Satz 1 MOG
seien wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit des in Bezug genommenen
Gemeinschaftsrechts verfassungswidrig, hat sich der BFH nicht angeschlossen
(BFH, Beschluss vom 25.9.2003 - VII B 309/02).
Deshalb kann unerörtert bleiben, ob die vom Bayerischen
Verwaltungsgerichtshof, auf dessen Urteil vom 24. Juni 2003 (9 B 02.1730) sich der
Angeklagte ergänzend berufen hat, geäußerten Zweifel daran durchgreifen, dass
die an die Stelle der MGV getretene Zusatzabgabenverordnung vom 12. Januar
2000 (BGBl I, 27) hinsichtlich ihrer Regelungen über die Möglichkeiten einer
Übertragung von Referenzmengen und deren Einziehung den Anforderungen des
Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügen. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte,
könnte dies nicht die Rechtswidrigkeit der, auf einer rechtsstaatlich ausreichenden
Grundlage beruhenden Abgabenerhebung im Falle des Angeklagten zur Folge
haben, welcher von diesen eben erwähnten Regelungen nicht betroffen ist (vgl.
BFH, Beschluss vom 25.9.2003 - VII B 309/02).
Insoweit führt das landgerichtliche Urteil (S. 23 U.A.) aus, dass die genannte
Ermächtigungsgrundlage auch den Erfordernissen des Art 80 Abs. 1 Satz 2 GG
nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt sei.
Die in § 12 MOG enthaltenen Vorgaben machen deutlich, welchem Ziel die zu
erlassenden Regelungen dienen sollen und auf welche Fragen sie sich beziehen
können. Dabei macht die Verweisung in Abs. 1 verständlich, dass es sich jeweils
um die Umsetzung von Maßnahmen aus dem Bereich des Gemeinschaftsrechts
handelt. Hier ist es dem Bundesgesetzgeber verwehrt, präzisere Vorgaben zu
machen, denn auch das sekundäre Gemeinschaftsrecht, wie hier, die Verordnung
des Rates, überlagert gegebenenfalls entgegenstehendes nationales Recht. Eine
ausdrückliche Benennung der jeweiligen gemeinschaftsrechtlichen Verordnung ist
schon deshalb entbehrlich, weil diese Normen unmittelbar geltendes Recht in allen
Mitgliedstaaten sind und jeder Wirtschaftsteilnehmer sich so behandeln lassen
muss, als wären ihm die Rechtsetzungsakte der Gemeinschaft nach
Veröffentlichung bekannt (Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 24.6.2002 - 7 K
2991/01).
Die Revision trägt weiter vor, die Zusatzabgabe habe erdrosselnde Wirkung,
weil sie höher sei als das Entgelt, das der Angeklagte als Erzeuger für die
angelieferte Milch erhalte. Sie stelle deshalb einen Eingriff in die Eigentums- und
Berufsfreiheit, deren Ausgestaltung in wesentlichen Einzelheiten nicht dem
Verordnungsgeber überlassen werden dürfe, dar.
Ob die Milch-Garantiemengen-Abgabe „zu hoch“ ist, ist eine rechtliche
Bewertung, die weder dem Tatgericht noch dem Revisionsgericht zusteht (vgl.
BFH, Beschluss vom 12.7.1999 - VII B 81/99, NV 1999, 1655 (1666)). Es ist
jedenfalls auszuschließen, dass die gegen die Höhe der
Milchgarantiemengenabgabe oder die Regelungen zur Bemessung der
einzelbetrieblichen Referenzmengen vorgetragenen Einwendungen, die vom
gemeinschaftlichen Gesetzgeber zur Drosselung der Milchproduktion für
erforderlich gehaltenen Regelungen zu Fall bringen. Das ergibt sich schon daraus,
dass der gemeinschaftliche Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum
besitzt und die Erforderlichkeit seiner wirtschaftslenkenden Maßnahmen - wie die
Höhe der Milchabgabe, aber auch der gemeinschaftlichen sowie der einzelnen
nationalen Garantiemengen - in erster Linie in politischer Verantwortung zu
beurteilen hat, was einer gerichtlichen Kontrolle Granzen setzt (vgl. Urteile des
EuGH in EuGHE 1992, I-2062; EuGHE 1990, I-435; BFH, Beschluss vom 26.11.1998
- VII S 21/98, NV 1999, 532 (533)).
Der Angeklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Erhebung
der Milchabgabe stelle einen Eingriff in seinen eingerichteten und ausgeübten
landwirtschaftlichen Betrieb dar. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten
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landwirtschaftlichen Betrieb dar. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb kann keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen, sondern ist
im Zusammenhang mit seiner gesellschaftlichen und sozialen Funktion zu sehen.
Daher kann die Ausübung dieses Rechts, insbesondere im Rahmen einer
gemeinsamen Marktordnung, Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese
tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zwecke der Gemeinschaft entsprechen
und nicht einem im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht
tragbaren Eingriff darstellen, der dieses Recht in seinem Wesensgehalt antastet
(EuGH-Urteil vom 10.1.1992 Rs - C 177/90, ZfZ 1992, 75 f.). Die Regelung über die
Milchabgabe, gegen die sich der Angeklagte wendet, ist Teil eines Komplexes von
Vorschriften, mit denen die Überschusssituation auf dem Markt für Milch und
Milcherzeugnisse beseitigt werden soll. Sie dient somit Zielen, die dem
Gemeinwohl der Gemeinschaft entsprechen. Sie stellt auch keinen nicht tragbaren
Eingriff dar. Die Regelung tastet schließlich das Recht am eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb auch nicht in ihrem Wesensgehalt an, denn es bleibt
dem Angeklagten unbenommen, in seinem Betrieb etwas anderes als Milch zu
erzeugen bzw. die Milchproduktion entsprechend einzuschränken (vgl. FG
Düsseldorf, Urteil vom 6.1.1999 - 4 K 7866/97, ZFZ 1999, 280 ff).
Insbesondere sind die Gründe nicht überzeugend, die offenbar dagegen
geltend gemacht werden sollen, dass die Regelungen über die Festsetzung der
einzelbetrieblichen Referenzmengen ergänzt werden von nationalen
Gesamtgarantiemengen, innerhalb derer Überlieferungen einzelner Betriebe mit
nicht ausgeschöpften Quoten anderer Betriebe saldiert werden können (vgl. Art. 2
Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 3950/92, vgl. BFH, Beschluss vom 26.11.1998 -
VII S 21/98, NV 1999, 532 (533)). Die Revision trägt insofern vor, dass die konkrete
Art und Ausgestaltung der Saldierung eine Besserstellung für Milcherzeuger in den
neuen Bundesländern darstelle; damit wird konkludent ein Verstoß gegen das
Gleichbehandlungsgebot geltend gemacht.
Der Gemeinschaftsgesetzgeber musste Regelungen finden, die einerseits die
Erreichung seines Ziels garantierten, die Milchproduktion in der Gemeinschaft zu
drosseln, ohne anderseits den Mitgliedstaaten zu genaue Vorgaben zu machen,
die sie daran gehindert hätten, der von ihnen am besten zu beurteilenden
Situation einzelner Erzeuger oder einzelner Regionen Rechnung zu tragen.
Deshalb hat das Gemeinschaftsrecht durch eine Reihe von Regelungen eine
flexible Verwaltung der Milchquoten geschaffen. Ein Verstoß gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz, der auch Bestandteil des Gemeinschaftsrechts ist,
liegt demnach nicht vor. Denn da sich die Landwirte in den neuen Ländern nicht in
vergleichbarer Lage wie die Landwirte in den alten Bundesländern befinden, ist es
gerechtfertigt, den Landwirten in den neuen Bundesländern Milchquoten nach
besonderen Grundsätzen zuzuteilen (vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 21.2.1990 Rs C-
267/88 bis C-285/88; EuGHE 1990, I-435), wie dies bei den einschlägigen
Regelungen der EG-VO 3950/92 geschehen ist (BFH, Beschluss vom 26.11.1998 -
VII S 21/98, NV 1999, 532 (533); Urteil vom 19.3.1988 - VII R 73/97; BFHE 186,
179).
Dementsprechend ist die Würdigung des Landgerichts im angefochtenen Urteil
(S. 24, 25 U.A.) zutreffend, dass auch kein Verstoß gegen das gemeinschaftliche
Diskriminierungsverbot vorliege, obwohl hinsichtlich des Saldierungsverbots für
Westerzeuger darin eine Schlechterstellung der westdeutschen Erzeuger
gegenüber den ostdeutschen Erzeugern zu sehen sei, da diese Schlechterstellung
nicht ungerechtfertigt sei.
Dem landgerichtlichen Urteil ist auch darin zuzustimmen, dass auch die
speziellen Anforderungen für Strafgesetze bei den hier zur Anwendung
gekommenen Normen erfüllt sind. Da in § 370 AO eine Freiheitsstrafe angedroht
wird, richtet sich die Strafbarkeit nicht nur nach § 1 StGB sondern auch nach Art
104 Abs. 1 GG. Dabei ist allerdings anerkannt, dass dieses förmliche Gesetz auch
ein - mehrstufiges - Blankettgesetz sein kann, wie es im vorliegenden Fall § 370
AO i.V.m. §§ 8, 12 Abs. 1 MOG darstellt.
Nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG hat der Gesetzgeber beim Erlass einer
Strafvorschrift, die Freiheitsstrafe androht, mit hinreichender Deutlichkeit selbst zu
bestimmen, was strafbar sein soll, und Art und Maß der Freiheitsstrafe im
förmlichen Gesetz festzulegen. Bei § 370 AO handelt es sich um ein
Blankettgesetz (BVerfGE, 37, 201, (208 f)). Blankettgesetze ersetzen die
Beschreibung des Straftatbestandes (ganz oder teilweise) durch die Verweisung
auf eine Ergänzung im gleichen oder in anderen - auch künftigen - Gesetzen oder
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auf eine Ergänzung im gleichen oder in anderen - auch künftigen - Gesetzen oder
Rechtsverordnungen, die nicht notwendig von derselben rechtssetzenden Instanz
erlassen werden müssen (BVerfGE 14, 245, (252). Blankettgesetze genügen dem
in Art. 103 Abs. 2 GG verankerten Bestimmtheitsgrundsatz, wenn sich die
möglichen Fälle der Strafbarkeit aufgrund eines Gesetzes, auf das Bezug
genommen wird, voraussehen lassen (BVerfGE 14 245 (252); 75, 329 (342); st.
Rspr.).
Die Voraussetzungen der Strafbarkeit sowie Art und Maß der Strafe müssen
entweder im Blankettstrafgesetz selbst oder in einer anderen gesetzlichen
Vorschrift, auf die das Blankettstrafgesetz Bezug nimmt, hinreichend deutlich
umschrieben werden (BVerfGE 75, 329 (342); BVerfG, NStZ 1991, 45 ff).
Dies ist vorliegend der Fall.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 103 Abs. 2
GG gelten auch im Strafrecht allgemeine Begriffe, die der Auslegung bedürfen und
deren Gehalt erst durch Rückgriff auf normative Leitideen zu erschließen ist, als
unvermeidlich, will das Strafrecht der Vielzahl der Phänomene Herr werden
(grundsätzlich BVerfGE 45, 365 (371)). Über die konkrete Reichweite sollen die
Besonderheiten des jeweiligen Straftatbestandes entscheiden, die Umstände, die
zur gesetzlichen Regelung geführt haben, und vor allem das Gewicht der Sanktion,
die, je schwerer sie wird, um so höhere, je leichter sie wird, um so geringere
Anforderungen an die Bestimmtheit stellt. Allerdings wird auch allgemein vor einer
Übersteigerung des Bestimmtheitsgrundsatzes gewarnt und eine gesetzliche
Präzisierung nur innerhalb eines bestimmten Rahmens verlangt (vgl. Bonner
Kommentar zum GG - Rüping, Art. 103 Abs. 2 Rdnr. 21 mit zahlreichen
Nachweisen von BVerfGE).
Als wichtigstes Kriterium des Bestimmtheitsgrundsatz wird die
Voraussehbarkeit / Vorhersehbarkeit staatlicher Reaktion angesehen. Dem Bürger
sollen die Grenzen des straffreien Raumes klar vor Augen stehen, damit er sein
Verhalten daran orientieren kann. (vgl. Bonner Kommentar, a.a.O., Art. 103 Abs. 2
Rdnr. 23). Art 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen
der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und
Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch
Auslegung ermitteln lassen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1.10.1995 - 1 BvR
718/89; vom 19.12.2002 - 2 BvR 666/02).
Im Nebenstrafrecht kommt hinzu, dass auch Verstöße strafrechtlich
sanktioniert werden, die Verstöße gegen Normen des Verwaltungsrechts
darstellen. Je mehr der Gesetzgeber den Bereich klassischer Strafrechtsnormen
verlässt und über die Technik der Verweisung den Verwaltungsungehorsam unter
Strafe stellt, hängt die Voraussehbarkeit von der Kenntnis der
verwaltungsrechtlichen Vorfragen ab. Die in der häufig erst durch die
Rechtsprechung möglichen Klärung liegende Bestimmtheit schrumpft in diesem
Bereich zwangsläufig zur Bestimmbarkeit, Voraussehbarkeit wandelt sich zur
Informationsmöglichkeit, und das Kriterium des vermeidbaren Verbotsirrtums wird
im Nebenstrafrecht dazu, sich nicht hinreichend erkundigt zu haben (vgl. BGHSt
21, 18 ff; vgl. Bonner Kommentar, a.a.O., Art. 103 Abs. 2 Rdnr. 32).
§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO wird dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot
des Art. 103 Abs. 2 GG und des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG gerecht. Die Vorschrift
bestimmt, dass sich derjenige strafbar macht, der den Finanzbehörden über
steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht
und dadurch Steuern verkürzt (zu § 392 Abs. 1 Satz 1 AO a.F. vgl. BVerfGE 37, 201
(206)) Auch werden in § 370 Abs. 1 und Abs. 3 AO die angedrohten Strafen
genannt. In § 369 Abs. 1 Nr. 1 AO wird zudem klargestellt, dass unter
Steuerstraftaten Taten fallen, die nach den Steuergesetzen strafbar sind.
Ob eine Steuerverkürzung vorliegt, richtet sich nach den Vorschriften des
materiellen Steuerrechts.
Die Steuerpflicht sowie die Grundlagen der Besteuerung ergeben sich
vorliegend aus § 370 AO i.V.m. §§ 8 Abs. 2, 12 Abs. 1 MOG. In § 12 Abs. 1 MOG ist
der Strafbarkeitsbereich inhaltlich auf Abgaben zu Marktordnungszwecken
begrenzt. § 2 MOG definiert „Marktordnungswaren“ als „Erzeugnisse“, die den
gemeinsamen Marktorganisationen unterliegen, sowie die Erzeugnisse, für die in
Ergänzung oder zur Sicherung einer gemeinsamen Marktorganisation, Regelungen
im Sinne des § 1 Abs. 2 MOG getroffen sind. Der Verweis in § 12 MOG auf die AO
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im Sinne des § 1 Abs. 2 MOG getroffen sind. Der Verweis in § 12 MOG auf die AO
umfasst auch deren Strafvorschriften, wie sich aus § 35 MOG ergibt.
Die Grundlagen der Besteuerung sind durch Gemeinschaftsrecht normiert,
wobei in § 1 Abs. 2 Nr. 3 MOG normiert ist, dass Regelungen im Sinne der MOG
Rechtsakte des Rates oder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften
aufgrund oder im Rahmen der in § 1 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 genannten Verträge sind.
Dass sich die Fälle der Strafbarkeit nicht sogleich aus der AO alleine ergeben,
macht das Blankettgesetz ebensowenig ungültig wie andere Gesetze, deren
Unklarheiten erst durch die Rechtsprechung oder weitere Gesetzgebung behoben
werden müssen (vgl. BVerfGE 14 245 (253)).
Dem Bestimmtheitsgebot steht auch nicht entgegen - wie das landgerichtliche
Urteil zutreffend ausführt -, dass eine weitere Konkretisierung mittels dynamischer
Bezugnahmen auf die jeweils geltende Fassung der MGV bzw. auf das
Gemeinschaftsrecht erfolgt. Das BVerfG hat in seinen Entscheidungen zu § 21
StVG und zu § 327 Abs. 2 StGB dargelegt, dass dynamische Bezugnahmen bei
Blankettgesetzen nicht unzulässig sind (BVerfGE 14, 245 (252 ff); BVerfGE 75, 329,
(345 ff)). Denn wenn wechselnde und mannigfaltige Einzelregelungen erforderlich
werden können, ist es dem Verordnungsgeber überlassen gewisse
Spezialisierungen zu treffen (BVerfGE 14 245 (251); 75, 329 (342)). Dass die
Präzisierung im Rahmen von Rechtsverordnungen und nicht in einem förmlichen
Gesetz erfolgt ist, unterliegt im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG keinen
durchgreifenden Bedenken. Eine detaillierte Regelung dieser sehr spezifischen
Fragen direkt im MOG würde dieses Gesetz starr und kasuistisch machen und die
notwendige Anpassung an die ständigem Wandel unterworfene
Milchmarktwirtschaft erschweren (vgl. BVerfGE 75, 329 (345)).
Die These, dass die Rechtsprechung des Amts- und Landgerichts Kassel in
Widerspruch zur revisionsgerichtlichen Rechtsprechung des OLG Koblenz stünde,
ist unzutreffend, da die vom Angeklagten angeführte Entscheidung des OLG
Koblenz (NStZ 1989, 198) einen Fall betraf, der mit dem vorliegenden Fall nicht
vergleichbar ist. Vom OLG Koblenz war entschieden worden, dass wenn eine
Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die in den Anlagen 2 und 4
zu § 67 WeinG (in der Fassung vom 27.8.1982 (BGBl. I, 1196)) aufgeführt ist, durch
eine neue Verordnung ersetzt wird, im Falle eines Verstoßes gegen die EWG-
Verordnung eine Bestrafung des Täters wegen eines Weinvergehens mangels
ausreichender Bestimmtheit der Strafnorm nicht erfolgen könne. § 67 Abs. 1 Nr. 1
WeinG in der angegeben Fassung normierte, dass mit Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer ... entgegen einer Vorschrift dieses
Gesetzes oder in einer in Anlage 1 Abschnitt 1 aufgeführten Vorschrift der
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ein Erzeugnis ... . In dem damals zu
beurteilenden Fall wurde die in Anlage 1 genannte EWG-VO durch eine andere
ersetzt. Die im Zeitpunkt der Tat geltende EWG-VO konnte zum Zeitpunkt der
Hauptverhandlung nicht mehr Grundlage der Ahndung bilden.
Die Problematik dieses Falls war eine der Bestimmtheit des WeinG im Sinne
von Art 103 Abs. 2 letzter Halbsatz GG, das heißt ein Problem der zeitlichen
Geltung einer Rechtsnorm.
Das WeinG in der Fassung vom 8.7.1994 (BGBl. I, 1467) hat daher nunmehr in
§ 48 Abs. 1 Nr. 4 die Formulierung: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit
Geldstrafe wird bestraft, wer einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten
der Europäischen Gemeinschaft zuwiderhandelt, die inhaltlich einer Regelung
entspricht, zu der die in Nummer 2 genannten Vorschriften ermächtigen, soweit
eine Rechtsverordnung nach § 51 für einen bestimmten Tatbestand auf diese
Strafvorschrift verweist.“
Abgesehen davon, dass der vom OLG Koblenz beurteilte Fall nicht mit dem
vorliegenden vergleichbar ist, ist die Systematik des Blankettgesetzes § 370 AO
auch eine andere, als die des § 67 WeinG a.F.. § 370 AO verweist nicht unmittelbar
auf Verordnungen der Europäischen Union, sondern nimmt - wie bereits
dargestellt - über § 369 AO insgesamt auf Straftaten Bezug, die nach den
Steuergesetzen strafbar sind. Wie bereits dargestellt verweist das MGO in seinen
§§ 35, 12 Abs. 1 auf die Strafnormen der AO.
Der Angeklagte befand sich auch nicht in einem schuldausschließenden
unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB. Diesen hat das Landgericht mit
zutreffender Begründung verneint. Gemäß § 17 Satz 1 StGB handelt der Täter
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zutreffender Begründung verneint. Gemäß § 17 Satz 1 StGB handelt der Täter
ohne Schuld, wenn ihm bei Begehung der Tat die Einsicht Unrecht zu tun fehlt und
er den Irrtum nicht vermeiden konnte.
Zunächst wird auf die Ausführungen zum Vorliegen des subjektiven
Tatbestandes Bezug genommen. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass
der Angeklagte wusste, dass er mit seinem Verhalten gegen die gesetzlichen
Milchgarantiemengenregelungen verstößt, auch wenn er die gesetzlichen
Regelungen als Milchwirt nicht in allen Einzelheiten gekannt haben sollte. Denn zur
Unrechtseinsicht genügt das Bewusstsein eines Verstoßes gegen die rechtliche
Ordnung, ohne dass es der Kenntnis der bestimmten verletzten Norm bedarf (vgl.
Großer Senat des BGH, BGHST 11, 263 (266 f)). Unrechtsbewusstsein ist die
Einsicht, dass das Tun oder Unterlassen gegen die durch verbindliches Recht
erkennbare Wertordnung verstößt (Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 17 Rdnr. 3).
Danach ist es ausreichend, dass der Täter die von dem in Betracht kommenden
Tatbestand umfasste Rechtsgutsverletzung als Unrecht erkennt (Tröndle/Fischer,
StGB, 51. Aufl., § 17 Rdnr. 4). Davon ist das Landgericht in zutreffender Weise
ausgegangen, soweit es ausführt, dass der Angeklagte durch die Regelungen nicht
in seinem privaten, sondern in seinem beruflichen Umfeld betroffen sei und ihn
insoweit eine erhöhte Informationspflicht treffe (vgl. BGHSt 21, 18 ff).
Die Frage, ob die §§ 3 ff Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) und das
damit in Zusammenhang stehende MOG i.V.m. der EG-VO 3950/92 wegen eines
Verstoßes gegen Art 80 GG nichtig sind, unterfällt nicht dem Verwerfungsmonopol
des Bundesverfassungsgerichts, sondern ist von den Fachgerichten zu
entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juli 2001 - 1 BvR 529/01 -). Diese
haben selbst darüber zu entscheiden, dass bestimmte Gesetze mit dem GG
vereinbar sind (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., Rn. 220 der Einl. m.w.N.).
Da das Landgericht offensichtlich nicht von der Verfassungswidrigkeit der §§
370 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 8, 12 MOG i.V.m. 1, 3, 7, 7a, 11 MGV i.V.m. der EG-VO
3950/92 überzeugt war, kam eine Vorlage des Verfahrens an das
Bundesverfassungsgericht nach Art 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht (vgl. Meyer-
Goßner, StPO, a.a.O., Rn. 221 der Einl. m.w.N.).
Nach allem hält m.E. der angegriffene Schuldspruch einer - auch
verfassungsrechtlichen - Überprüfung stand.
III.
Der Rechtsfolgenausspruch des Landgerichts begegnet ebenfalls keinen
Bedenken.
Innerhalb des für die Bemessung der verhängten Strafe zugrunde zu legenden
Strafrahmens des § 370 Abs. 1 AO (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren)
hat die Strafkammer, die Leitgesichtspunkte des § 46 StGB berücksichtigend, die
für die Strafe maßgeblichen Strafzumessungserwägungen aufgeführt und
gegeneinander abgewogen. Zu Gunsten des Angeklagten hat das Landgericht die
Umstände, dass er den objektiven Sachverhalt eingeräumt, bisher strafrechtlich
noch nicht in Erscheinung getreten und dass die Initiative möglicherweise nicht von
ihm sondern von den Mitarbeitern der A ausgegangen ist, berücksichtigt. Zu
seinen Lasten wertete die Kammer dagegen insbesondere die raffinierte und
geschickt geplante Tatausführung mittels des „Scheinkuhpachtvertrages“ und die
Höhe des Abgabenschaden in Höhe von über 30.000- DM. Nach § 46 Abs. 2 Satz 2
StGB gehören die verschuldeten Auswirkungen der Tat und damit bei Fällen der
Steuerhinterziehung der Umfang der hinterzogenen Steuern zu den im Rahmen
der Strafzumessung abzuwägenden Umstände.
Rechtsfehler bei der Abwägung der für und gegen den Angeklagten
sprechenden Umstände lassen die Urteilsgründe nicht erkennen. Die
ausgesprochene Freiheitsstrafe von 7 Monaten ist nicht zu beanstanden.
Auch die Ausführungen der Kammer zur Frage einer Strafaussetzung der
verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung begegnen keinen Bedenken. Mit
nachvollziehbaren Erwägungen, insbesondere unter Berücksichtigung der
bisherigen Unbescholtenheit, hat die Kammer dem Angeklagten eine günstige
Sozialprognose gestellt und zutreffend den Hinweis gegeben, dass eine andere
Entscheidung als die Strafaussetzung zur Bewährung im Hinblick auf § 331 StPO
ohnehin nicht möglich gewesen wäre.“
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Diesen Ausführungen schließt sich der Senat im vollen Umfang an.
Die Revision des Angeklagten war daher kostenpflichtig (§ 473 Abs. 1 StPO) zu
verwerfen. Einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bedurfte es nicht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.