Urteil des OLG Frankfurt vom 29.09.2003

OLG Frankfurt: treu und glauben, flüssiggas, neues vorbringen, duldung, erdreich, anschluss, aufteilungsplan, nutzungsrecht, gemeinschaftsanlage, hauseigentümer

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 231/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 10 WoEigG, § 15 WoEigG, §
22 Abs 1 WoEigG
Wohnungseigentum: Beschränkung des Rechts eines
Sondernutzungsberechtigten; Duldung eines Erdtanks für
Flüssiggas im Erdreich einer sondergenutzten
Grundstücksfläche
Leitsatz
Das Recht des Sondernutzungsberechtigten wird grundsätzlich durch diejenigen
Bindungen eingeschränkt, die für das gemeinschaftliche Eigentum aus anderen
Gründen, insbesondere auf Grund des Rechts zum Mitgebrauch bestehen. Das
Sondernutzungsrecht berechtigt nicht ohne weiteres zur Vornahme von baulichen
Änderungen.
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren nicht erstattet werden.
Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren
Beschwerde zu tragen. Außergerichtlichen Kosten werden auch in diesem
Verfahren nicht erstattet.
Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde und des Beschwerdeverfahrens:
25.000,-- EUR.
Gründe
Die Beteiligten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft ...straße ... in O1. Es
handelt sich hierbei um sechs Doppelhaushälften.
Das Wohnungseigentum wurde gebildet durch am ...03.1991 durch den Notar Dr.
N1 zu UR-Nr. .../91 beurkundete Teilungserklärung. Auf Blatt 5 bis 10 dieser
Teilungserklärung wird Bezug genommen. Hinsichtlich des Hauses Nr. ... heißt es
dort: „Haus Nr. ...: 1/6 Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum
an allen Räumen des Hauses ... gemäß dem anliegenden Aufteilungsplan,
bestehend aus: im Kellergeschoss 3 Räumen, Flur, im Erdgeschoss 2 Räumen,
Diele, WC, im Obergeschoss 3 Räumen, Bad, Flur nebst Garage und
Sondernutzungsrecht an der im anliegenden Freiflächenplan grün angelegten
Fläche.“
Der Teilungserklärung ist der Grundrissplan beigefügt. Auf diesem ist vermerkt:
„An den gekennzeichneten Grundstücksflächen erhalten die jeweiligen
Hauseigentümer das alleinige Nutzungsrecht, ausgenommen an den technischen
Gemeinschaftsanlagen.“ Weiter ist an dem Grundrissplan auf dem hinteren Ende
des zu dem Haus Nr. ... gehörenden Grundstücksteils ein Rechteck eingezeichnet,
das mit der Anmerkung „Gemeinschaftsanlage: Erdtank für Flüssiggas“
gekennzeichnet ist.
Im Erdreich dieses Grundstücksteils befindet sich tatsächlich ein Erdtank für
Flüssiggas, über den die in den einzelnen Häusern befindlichen Flüssiggasbrenner
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Flüssiggas, über den die in den einzelnen Häusern befindlichen Flüssiggasbrenner
versorgt werden. Dieser Erdtank steht im Eigentum der Gaslieferantin X AG. Der
Antragsgegner hat die X AG aufgefordert, den Gastank zu entfernen. Anders als
die übrigen Miteigentümer bezieht er von der X AG kein Flüssiggas mehr.
Die Antragsteller sind der Auffassung, der Antragsgegner und Beschwerdeführer
sei verpflichtet, den Gastank in dem ihm zur Sondernutzung überlassenen
Grundstücksteil zu dulden. Auf ihren Antrag hat das Amtsgericht durch Beschluss
vom 13.09.2001 den Antragsgegner verpflichtet, den Betrieb des Erdtanks für
Flüssiggas samt Armaturen und Zuleitungen für alle Sondereigentumseinheiten
der Wohnungseigentümergemeinschaft ...straße ... in O2 in dem Bereich seines
Sondernutzungsrechts zu Haus Nr. ... an dem Aufteilungsplan eingezeichnet und
mit Gemeinschaftsanlage Erdtank für Flüssiggas bezeichneten Stelle zu dulden.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt, in
der er die Auffassung vertreten hat, zur Duldung des Erdtanks nicht verpflichtet zu
sein. Er hat die Meinung vertreten, das ihm hinsichtlich der Grundstücksfläche Nr.
... eingeräumte Sondernutzungsrecht sei nicht in hinreichender Weise deutlich
durch die Einzeichnung des Flüssiggastanks in dem der Teilungserklärung
beigefügten Grundrissplan beschränkt worden. Im übrigen hat er behauptet, die
Beheizung der Doppelhaushälften mit Flüssiggas sei von Anfang an nur als
Übergangslösung vorgesehen gewesen; nunmehr sei es möglich, die Häuser an
das öffentliche Erdgasnetz anzuschließen, wovon er, wie auch die
Wohnungseigentümer A, bereits Gebrauch gemacht hätten. Im übrigen hat er die
Meinung vertreten, es sei auch den übrigen Wohnungseigentümer zumutbar, ihre
Häuser an das öffentliche Erdgasnetz anzuschließen. Es entstünden hierdurch
lediglich geringfügige Kosten von 1.500,-- DM pro Anschluss. Demgegenüber sei
der Wertverlust, den sein Eigentum durch den Betrieb des Erdtanks erleide, mit
50.000,-- DM zu beziffern.
Die Antragsteller sind der sofortigen Beschwerde entgegengetreten, wobei sie
behauptet haben, die Kosten des Anschlusses an das öffentliche Erdgasnetz seien
mit 4.000,-- DM pro Anschluss zu beziffern.
Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das
Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und dem Antragsgegner die
Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der
Beschwerdegegner auferlegt. Zur Begründung hat das Landgericht im
wesentlichen ausgeführt, dass dem Antragsgegner lediglich ein
Sondernutzungsrecht hinsichtlich der im Aufteilungsplan grün schraffierten
Grundstücksfläche eingeräumt worden sei, jedoch dem Umfang nach dahingehend
eingeschränkt, dass er den Betrieb des Erdtanks im Erdreich der ihm zur
Sondernutzung zugewiesenen Grundstücksfläche zu dulden habe. Eine Änderung
dieses Sondernutzungsrechtes des Antragsgegners bedürfe der Vereinbarung
aller Wohnungseigentümer, die nicht vorliege.
Hiergegen hat der Antragsgegner sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Die
Antragsteller sind der sofortigen weiteren Beschwerde entgegengetreten.
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß § 45 Abs. 1 WEG
statthaft noch ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht
eingelegt worden.
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners hat jedoch in der
Hauptsache keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts beruht
nicht auf einer Verletzung des Rechts, §§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 Satz 1 FGG,
546 ZPO. Nur insoweit hat eine Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht
zu erfolgen.
Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen die
Verpflichtung des Antragsgegners ausgesprochen haben, den Betrieb eines
Erdtanks für Flüssiggas samt Armaturen und Zuleitungen für alle
Sondereigentumseinheiten der Wohnungseigentümergemeinschaft im Bereich
seines Sondernutzungsrechts zu dulden. Die rechtliche Würdigung der
Vorinstanzen, dass eine Auslegung der Teilungserklärung ergäbe, dass das dem
Antragsgegner zugewiesene Sondernutzungsrecht dahingehend eingeschränkt ist,
dass er verpflichtet ist, den Betrieb des Erdtanks unter der ihm als
Sondernutzungsrecht zugewiesenen Freifläche zu dulden, weist zur Überzeugung
des Senats keine Rechtsfehler auf. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass
der Senat als Rechtsbeschwerdegericht die Auslegung der Teilungserklärung
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der Senat als Rechtsbeschwerdegericht die Auslegung der Teilungserklärung
selbstständig und ohne Bindung an die Auffassung der Vorinstanzen vorzunehmen
hat (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 45 Rz. 87; Staudinger/Wenzel, BGB,
Stand Juni 1997, § 45 WEG Rz. 40; Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl., § 45 Rz. 41,
jeweils mit weiteren Nachweisen). Bei dieser Auslegung kommt es nicht auf den
Willen des Erklärenden an, sondern auf das, was jeder gegenwärtige und
zukünftige Betrachter als objektiven Sinn der Erklärung ansehen muss. Umstände
außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den
besonderen Umständen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar
sind (vgl. Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 10 Rz. 53; Staudinger/Kreuzer, a.a.O., § 10
WEG Rz. 72; Palandt/Bassenge, BGB, 62. Aufl., § 10 WEG Rz. 15; Weitnauer/Lüke,
WEG, 8. Aufl., § 10 Rz. 44; Niedenführ/Schulze, a.a.O., § 10 Rz. 15, jeweils mit
weiteren Nachweisen).
Nach dieser Maßgabe ist es zutreffend, dass die Vorinstanzen aus I § 2 Ziff. 2.5 i.
V. m. dem Freiflächenplan entnommen haben, dass das dem Antragsgegner
zugewiesene Sondernutzungsrecht tatsächlich durch den sich auf bzw. unter
dieser Fläche eingebrachten Erdtank beschränkt ist. Dies ergibt sich auch nach
Auffassung des Senats hinreichend deutlich aus der in der Teilungserklärung in
Bezug genommenen Grundrissskizze, in der zum einen die Gemeinschaftsanlage
„Erdtank für Flüssiggas“ in dieser Grundstücksfläche eingezeichnet ist und darüber
hinaus zusätzlich festgehalten ist, dass an den gekennzeichneten
Grundstücksflächen die jeweiligen Hauseigentümer zwar das alleinige
Nutzungsrecht erhalten, jedoch ausgenommen an den technischen
Gemeinschaftsanlagen. Damit kann sich das alleinige Nutzungsrecht nur insoweit
auf die jeweils festgelegten Grundstücksflächen beziehen, als sie nicht für
technische Gemeinschaftsanlagen benötigt werden. Das Landgericht hat
zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Einschränkung ihre Entsprechung in § 3
der Gemeinschaftsordnung findet, in der in Absatz 2 die Rede davon ist, dass die
Instandhaltung der Flüssiggastankanlage der Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer obliegt. Dieser Absatz 2 kann nach seiner Formulierung nur
dahingehend verstanden werden, dass auch die Flüssiggastankanlage eine
Einrichtung darstellt, welche dem gemeinschaftlichen Gebrauch aller oder
mehrerer Eigentümer dient. Auch in § 10 Abs. 4 der Gemeinschaftsordnung ist
ausdrücklich nochmals eine Regelung zur Gasanlage getroffen worden. Aus diesen
Regelungen ist also insgesamt zu entnehmen, dass die Einzeichnung der
Flüssiggasanlage im Grundrissplan nicht lediglich deren Lage kennzeichnen soll
und sonst keine rechtserhebliche Bedeutung hat, wie der Antragsgegner meint.
Ausgehend hiervon ist der Antragsgegner, wie die Vorinstanzen rechtsfehlerfrei
festgestellt haben, nicht zur alleinigen Verfügung über diese Anlage, mithin zur
Duldung verpflichtet, soweit die Beteiligten keine anderweitige Vereinbarung
treffen. Das Recht des Sondernutzungsberechtigten wird grundsätzlich durch
diejenigen Bindungen eingeschränkt, die für das gemeinschaftliche Eigentum aus
anderen Gründen, insbesondere auf Grund des Rechts zum Mitgebrauch,
bestehen (vgl. Niedenführ/Schulze, a.a.O., § 15 Rz. 8, 13; Bärmann/Pick/Merle,
a.a.O., § 15 Rz. 17).
Es kann deshalb dahinstehen, ob in der vom Antragsgegner offensichtlich
geplanten Entfernung des Erdtankes auch eine bauliche Veränderung gesehen
werden könnte, die nach § 22 Abs. 1 WEG nur einstimmig möglich wäre.
Grundsätzlich sind nämlich bauliche Veränderungen auf Dauer angelegte
gegenständliche Eingriffe in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums, die
nicht mehr der Pflege, Erhaltung und Bewahrung des gegenwärtigen Zustands
oder seiner erstmaligen Herstellung dienen, sondern darüber hinaus einen neuen
Zustand schaffen. Zu solchen baulichen Änderungen würde nämlich auch die
Einräumung eines Sondernutzungsrechtes den Antragsgegner nicht ohne weiteres
berechtigen (vgl. etwa Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 15 Rz. 17;
Staudinger/Kreuzer, a.a.O., § 15 WEG Rz. 74; Palandt/Bassenge, a.a.O., § 13 WEG
Rz. 17; Weitnauer/Lüke, a.a.O., § 15 Rz. 27; Niedenführ/Schulze, a.a.O., § 15 Rz. 12,
jeweils m. w. N.; vgl. weiter Senat OLGZ 1991, 185 und Beschluss vom 20.05.2003,
20 W 409/02).
Die Einwendungen des Antragsgegners hiergegen greifen zur Überzeugung des
Senats nicht durch. So spielt es aus den oben genannten Gründen keine Rolle, ob
– wie der Antragsgegner behauptet - die Mietflüssiggasanlage durch den
Bauträger ursprünglich lediglich für einen Übergangszeitraum geplant gewesen
sei. Dies ist kein Umstand, den ein gegenwärtiger oder zukünftiger Betrachter der
Teilungserklärung als deren objektiven Sinn ansehen müsste. Er ist auch nicht
jedermann ohne weiteres erkennbar; die vom Antragsgegner insoweit
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jedermann ohne weiteres erkennbar; die vom Antragsgegner insoweit
vorgetragenen hohen Kosten einer Mietflüssiggasanlage würden den Schluss
hierauf noch nicht zulassen. Gleiches gilt für die weiteren von der weiteren
Beschwerde aufgeführten angeblichen Hintergründe für die Wahl des
Energieträgers. Aus den gleichen Gründen kommt es auch auf die Frage nicht an,
ob und in welchem Vertragsverhältnis die Eigentümergemeinschaft mit dem
Betreiber bzw. Eigentümer der Flüssiggasanlage steht. Auch dies spielt für die
Auslegung der Teilungserklärung, die für das Rechtsverhältnis zwischen den
Beteiligten zunächst maßgeblich ist, keine Rolle. Aus den oben genannten
Gründen gilt dies auch für die angeblichen Zusicherungen des Bauträgers, dessen
Preiskalkulation und mithin für den Umstand, dass der Antragsgegner der
Auffassung ist, angesichts der Verhältnisse einen zu hohen Kaufpreis bezahlt zu
haben; dieser Umstand mag Ansprüche gegen den Verkäufer begründen. Im
vorliegenden wohnungseigentumsrechtlichen Zusammenhang ist er ohne
Bedeutung.
Letztendlich zutreffend hat das Landgericht auch darauf hingewiesen, dass sich
vorliegend aus dem Treueverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander keine
Verpflichtung der übrigen Wohnungseigentümer, mithin der Antragsgegner,
ergeben könnte, einer Änderung des Sondernutzungsrechts zuzustimmen, etwa
dahingehend, die Flüssiggasanlage zu verlagern. Das Landgericht hat bereits
rechtsfehlerfrei darauf hingewiesen, dass eine solche Verpflichtung allenfalls in
Ausnahmefällen möglich erscheint, in denen außergewöhnliche Umstände ein
Festhalten an der getroffenen Regelung als grob unbillig und damit gegen Treu und
Glauben verstoßend erscheinen erlassen (vgl. Weitnauer/Lüke, a.a.O., § 10 Rz. 52;
Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 10 Rz. 38, je mit weiteren Nachweisen). Dass die
Vorinstanzen solche Gründe vorliegend nicht als gegeben angesehen haben, ist
aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dafür wären weder die behauptete
Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse noch die angeblichen Mehrkosten der
Versorgung durch Flüssiggas hinreichend. Ersteres gilt auch im Hinblick auf die
Lage des Flüssiggastanks, die der Antragsgegner unter Bezugnahme auf das
Schreiben der Kreisstadt ... vom 17.08.2001 rügt, abgesehen davon, ob dieser
Umstand zwingend eine Verlegung des Flüssiggastanks erfordern würde. Hieran
würden auch die vom Antragsgegner mit der weiteren Beschwerde vorgetragenen
Kosten- und sonstigen Gesichtspunkte nichts ändern, unabhängig von der Frage,
inwieweit sie – soweit neues Vorbringen betroffen wäre – im Verfahren der
sofortigen weiteren Beschwerde überhaupt zu berücksichtigen wären.
Abzuändern ist der landgerichtliche Beschluss jedoch im Hinblick auf die
Kostenentscheidung, soweit das Landgericht die Erstattung außergerichtlicher
Kosten angeordnet hat. Diese haben die Beteiligten jeweils selbst zu tragen. Zwar
hat der Senat diese ebenfalls lediglich eingeschränkt zu überprüfen, nämlich
darauf hin, ob der Tatrichter von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande
gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Gesichtspunkte außer
Acht gelassen hat oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze
verstoßen hat oder sonst die Grenzen des eingeräumten Ermessens überschritten
hat (vgl. Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 47 Rz. 56). Das bloße Unterliegen des
Antragsgegners im Beschwerdeverfahren wäre nach der Gesetzeslage keinesfalls
ausreichend, um von dem gesetzlichen Regelfall abzuweichen, dass
außergerichtliche Kosten im Wohnungseigentumsverfahren nicht erstatten werden.
Das Landgericht, das die diesbezügliche Kostenentscheidung nicht näher
begründet hat, so dass die dahinter stehenden Erwägungen nicht erkennbar
werden, hat eventuell darauf abstellen wollen, dass bereits das Amtsgericht den
Streitstand ausreichend geklärt und ausführlich, fehlerfrei und verständlich
begründet hat und angesichts der insoweit eindeutigen Rechtslage das
Rechtsmittel des Antragsgegners erkennbar erfolglos war (vgl. etwa
Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 47 Rz. 38). Der Senat vermag jedoch nicht
festzustellen, dass die Rechtslage vorliegend derart eindeutig ist, dass das
Rechtsmittel von vorneherein hätte als erfolglos beurteilt werden müssen. So hat
denn auch der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren durchaus neue
Gesichtspunkte vorgetragen; das Landgericht hat im angefochtenen Beschluss
darauf gründend auch eine eigenständige Sachbegründung vorgenommen, die
sich nicht lediglich auf die Bezugnahme auf den amtsgerichtlichen Beschluss
beschränken konnte.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde beruht
ebenfalls auf § 47 WEG. Demgemäß hat der Antragsgegner die Gerichtskosten
seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen, § 47 Satz 1 WEG. Aus den
oben genannten Gründen entsprach es auch nicht billigem Ermessen, etwa
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oben genannten Gründen entsprach es auch nicht billigem Ermessen, etwa
entstandene außergerichtliche Kosten für erstattungsfähig zu erklären, § 47 Satz 2
WEG.
Den Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde und auch denjenigen des
Beschwerdeverfahrens hat der Senat mit 25.000,-- EUR bemessen. Letzteren kann
der Senat von Amts wegen abändern, § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO, obwohl die
Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller gegen den
diesbezüglichen Beschluss des Landgerichts vom 23.05.2002 dem Senat noch
nicht förmlich vorgelegt worden ist. Vorsorglich bemerkt der Senat; dass er als
Rechtsmittelgericht den Geschäftswert für die erste Instanz, der nach Aktenlage
offensichtlich noch nicht festgesetzt worden ist, nicht erstmals festsetzen darf (vgl.
Korintenberg/Bengel/Reimann, KostO, 15. Aufl., § 31 Rz. 21 mit weiteren
Nachweisen). Bei der Bemessung des Geschäftswerts für das Verfahren der
weiteren Beschwerde und das Beschwerdeverfahren hat der Senat gemäß § 48
Abs. 3 WEG die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt. Maßgebend ist das
Interesse aller Beteiligten an der Entscheidung; es ist also auch das Interesse des
Antragsgegners an der Abweisung des Duldungsantrags zu berücksichtigen und
nicht nur das Interesse der Antragsteller und anderen Wohnungseigentümer an
einer Duldung (vgl. BayObLG WuM 1994, 157, 160; OLG Karlsruhe NZM 2000, 194;
Niedenführ/Schulze, a.a.O., § 48 Rz. 58; Staudinger/Wenzel, a.a.O., § 48 WEG Rz.
24, jeweils zu Unterlassungsansprüchen). Der mit Bestimmungen und
Grundsätzen des Zivilprozessrechts begründeten abweichenden Ansicht des
Kammergerichts (WuM 1993, 434), dass es jedenfalls bei Unterlassungsanträgen
nur auf das Interesse des Antragstellers und nicht auf das Abwehrinteresse des
Antragsgegners ankomme, was ggf. auch für Duldungsansprüche gelten könnte,
vermag der Senat nicht zu folgen; sie ist mit § 48 Abs.2 WEG nicht vereinbar (vgl.
auch BayObLG WuM 1994, 157, 160, unter Hinweis auf OLG Karlsruhe WuM 1993,
290). Auch § 131 Abs.2, § 30 KostO sind entgegen der Ansicht des
Kammergerichts nicht einschlägig (vgl. auch BayObLG WuM 1994, 157, 160,
BayObLGZ 1981, 202, 203 mit weiteren Nachweisen). Das damit maßgebende
Interesse kann hier nur frei geschätzt werden. Der Senat hat das Abwehrinteresse
des Antragsgegners zunächst an dem von ihm mehrfach vorgetragenen durch die
Duldung eingetretenen Wertverlust seines Grundstücks von 50.000,- DM orientiert.
Die Interessen der Antragsteller wären mit den zuletzt in Höhe von 24.000,-- DM
bezifferten Kosten der Antragsteller für den jeweils eigenen Anschluss in Ansatz zu
bringen. Ausgehend von diesen Bemessungsgrundlagen erschien dem Senat im
Wege der Schätzung auch unter Berücksichtigung des § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG eine
Addierung dieser Werte hier nicht für angezeigt, sondern ein Wert von insgesamt
25.000,- EUR für angemessen und hinreichend, um die Interessen aller Beteiligten
an einer Entscheidung in diesem Verfahren zu bewerten.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.