Urteil des OLG Frankfurt vom 04.12.2001

OLG Frankfurt: gesellschaft mit beschränkter haftung, juristische person, aufzählung, vorrang, beitrittserklärung, scheingesellschaft, entstehung, eugh, gesellschaftsvertrag, eng

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 31/01
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 144 Abs 1 S 2 FGG, § 75
GmbHG
(Amtslöschung einer GmbH: Abschließende Aufzählung der
Nichtigkeitsgründe)
Leitsatz
Die Beteiligung einer ausländischen Gesellschaft, die zwar rechtmäßig im Ausland
gegründet wurde, sodann aber ihren faktischen Verwaltungssitz nach Deutschland
verlegt hat (sog. Auslandsscheingesellschaft), an der Gründung einer GmbH kann
deren amtswegige Löschung im Handelsregister nach § 144 HGB nicht rechtfertigen.
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Beschwerdewert: - auch für das Verfahren der Erstbeschwerde - 5.000,-- DM.
Gründe
I.
Die GmbH wurde gemäß notarieller Urkunde vom 15. März 1999 durch die P. C.
International LDA als Alleingesellschafterin errichtet und am 20. Mai 1999 in das
Handelsregister des Amtsgerichts Langen eingetragen. Bei der
Alleingesellschafterin handelt es sich um eine auf der Grundlage eines Company
Management Agreements von einer M. F. als Treuhänderin 1997 gegründete und
im Handelsregister der freien Handelszone Madeira mit Sitz in Fu. registrierte
Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach portugiesischem Recht. Zu den fünf
registrierten Verwaltungsratsmitgliedern gehören nach Angaben der Antragsteller
diese selbst sowie der Geschäftsführer der hier betroffenen Gesellschaft.
Die LDA war ursprünglich von fünf Personen zum Zwecke der Vermarktung eines
Verfahrens aus dem Bereich der Medizintechnik gegründet worden,
zwischenzeitlich besteht erheblicher Streit zwischen den Gründern. Der
Geschäftsanteil der ursprünglichen Alleingesellschafterin der GmbH wurde
ausweislich der Mitteilungen an das Handelsregister zwischenzeitlich mehrfach
aufgeteilt und an verschiedene Personen übertragen, eine zwischenzeitlich
angemeldete Erhöhung des Stammkapitals wurde wegen des anhängigen
Verfahrens noch nicht in das Handelsregister eingetragen.
Mit Schriftsatz vom 30. September 1999 regten die Antragsteller die Löschung der
GmbH gemäß § 144 FGG im Handelsregister an. Dies wurde durch Beschluss des
Amtsgerichts Langen vom 17. Januar 2000 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete
Beschwerde wies das Landgericht zurück. Hiergegen wenden sich die Antragsteller
mit der weiteren Beschwerde.
Die weitere Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet, da die
Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§§
27 FGG, 550 ZPO).
II.
Die Vorinstanzen sind im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die
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Die Vorinstanzen sind im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die
Voraussetzungen für eine Amtslöschung der Gesellschaft gemäß § 144 FGG nicht
gegeben sind.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG kann eine in das Handelsregister eingetragene
GmbH nach den §§ 142, 143 FGG als nichtig gelöscht werden, wenn die
Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach den §§ 75, 76 GmbHG die
Nichtigkeitsklage erhoben werden kann.
Dies ist jedoch nicht schon dann der Fall, wenn - wie die Antragsteller behaupten -
die Alleingesellschafterin der GmbH zwar nach portugiesischem Recht rechtmäßig
gegründet und in Madeira registriert worden ist, aber ihre Geschäfte allein in
Deutschland führt und auch ihre Verwaltung allein in Deutschland hat.
Daher kann für das vorliegende Verfahren dahinstehen, welche Auswirkungen nach
den Regelungen des internationalen Privatrechts sich bei etwaigen
Auslandsscheingesellschaften im einzelnen ergeben (vgl. hierzu z.B. Kindler,
MünchKomm IntGesR 3. Aufl., Rn. 344 ff; Staudinger/Großfeld, EGBGB/IntGesR
1998, Rn. 425 ff; Kösters NZG 1998, 241 ff) und wie sich in diesem
Zusammenhang die sog. "C. - Entscheidung" des EuGH (NJW 1999, 2027) auswirkt
(vgl. hierzu Kindler NJW 1999, 1993).
Löschungsgründe im Sinne der §§ 144 Abs. 1 Satz 2 FGG,75 GmbHG sind nämlich
grundsätzlich nur dann gegeben, wenn der Gesellschaftsvertrag keine
Bestimmungen über die Höhe des Stammkapitals oder über den Gegenstand des
Unternehmens enthält oder die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages über
den Gegenstand des Unternehmens nichtig sind. Solche Nichtigkeitsgründe sind
hier nicht ersichtlich und werden auch von den Antragstellern nicht geltend
gemacht.
Durch die Regelung des § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG und dessen Verweisung auf die
Nichtigkeitsgründe des § 75 Abs. 1 GmbHG wurde eine die allgemeinen
Bestimmungen der §§ 142, 143 FGG ausschließende Sonderregelung geschaffen,
deren Zweck es ist, die Löschung von in das Handelsregister eingetragenen
Gesellschaften nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zuzulassen. Hat eine GmbH
die gerichtliche Gründungsprüfung durchlaufen und wurde in das Handelsregister
eingetragen, so führt dies zur Entstehung einer eigenständigen juristischen
Person, die am Wirtschaftsleben in vielfältiger Weise teilnimmt. § 144 Abs. 1 Satz 2
FGG begründet durch die weitgehende Begrenzung der Geltendmachung von
Gründungsmängeln für eingetragene Gesellschaften einen weitreichenden
Bestandsschutz (vgl. Paschke ZHR 155, 1, 7). Hierdurch wird bewusst das
Vertrauen der Öffentlichkeit in den Bestand der Gesellschaft geschützt und diesem
der Vorrang vor den privaten Interessen einzelner Personen eingeräumt, die durch
die Eintragung einer fehlerhaften Gesellschaft in ihren Rechten betroffen sein
können (vgl. BGHZ 21, 378, 381; KG FGPrax 2001, 31; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG,
14. Aufl., § 144 Rn. 2).
Deshalb ist die Aufzählung der Nichtigkeitsgründe in §§ 141 Abs. 1 Satz 2 FGG, 75
GmbHG abschließend. Sämtliche sonstigen Mängel des Gesellschaftsvertrages
oder der Beitrittserklärung eines Gründungsgesellschafters sind unbeachtlich (vgl.
Scholz/Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 75 Rn. 12; Scholz-Emmerich, GmbHG, 9. Aufl.,
§ 2 Rn. 65; Hachenburg/Hohner, GmbHG, 8. Aufl., § 75 Rn. 7). Als Konsequenz
dieses gesetzlich bewusst weit gezogenen Bestandsschutzes führen nach
vollzogener Handelsregistereintragung auch schwerste Mängel der
Beitrittserklärung eines Gründungsgesellschafters wie Geschäftsunfähigkeit,
fehlende Vertretungsmacht, Unterschriftsfälschung oder Drohung mit Gewalt nicht
zur Nichtigkeit oder Löschung der Gesellschaft (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG,
17. Aufl., § 2 Rn. 38 ff m. w. N.).
Lediglich im Falle einer gegenstandslosen Eintragung bzw. einer materiell
überhaupt nicht existierenden bloßen Scheingesellschaft wird eine Nichtigkeit
anerkannt, die gemäß der dann ausnahmsweise heranzuziehenden Vorschrift des
§ 142 FGG oder analog § 144 Abs. 1 FGG zur Amtslöschung führen soll (vgl.
Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 2 Rn. 97; Baumbach/Hueck, a.a.O., § 2 Rn.
40 jeweils m. w. N.). Hiervon können jedoch nur solche seltenen Ausnahmefälle
erfasst werden, in denen es an jeder privatautonomen Grundlage für einen
Personenverband fehlt, auf die sich die Registereintragung beziehen könnte, etwa
in dem Sinne, dass eine Satzung überhaupt nicht festgestellt worden ist oder ein
Wille der Gründer zur Anmeldung der Gesellschaft überhaupt nicht vorhanden war
(vgl. Paschke, a.a.O., S. 8).
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Dabei kann für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob von einer derartigen
löschungsfähigen Scheingesellschaft auch dann ausgegangen werden kann, wenn
die Errichtungserklärung des Gründers einer Einpersonen-GmbH etwa wegen
Geschäftsunfähigkeit unwirksam ist (so: Baumbach/Hueck, a.a.O., § 2 Rn. 40;
Hachenburg/Ulmer a.a.O., Rn. 97; Scholz-Emmerich, a.a.O., Rn. 68 a;
Rohwedder/Rittner/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 3. Aufl., § 2 Rn. 6) oder in diesem Fall
ebenfalls an dem grundsätzlichen Vorrang des Bestandsschutzes der zwar
fehlerhaft gegründeten, aber in das Handelsregister eingetragenen Gesellschaft
festzuhalten ist (so insbesondere KG FGPrax 2001, 31; Roth/Altmeppen, GmbHG,
3. Aufl., § 2 Rn. 39; Hachenburg/Hohner, a.a.O., § 75 Rn. 8; Scholz-Schmidt, a.a.O.,
§ 75 Rn. 6).
Denn jedenfalls kann der hier von den Antragstellern behauptete Fall der
Gründung durch eine Scheinauslandsgesellschaft mit faktischem Sitz in
Deutschland der Gründung einer Einpersonen-GmbH durch eine geschäftsunfähige
natürliche Person nicht gleichgestellt werden. Dies wird bereits dadurch
verdeutlicht, dass nach den Grundsätzen des internationalen Gesellschaftsrechts
die sogenannten Scheinauslandsgesellschaften nicht als im Ganzen nichtig zu
behandeln sind. Sie werden lediglich wegen mangelnder Eintragung in einem
deutschen Register nicht als eigenständige juristische Person anerkannt. Auf ihre
Rechtsbeziehungen und Rechtsverhältnisse soll aber das vergleichbare inländische
Kooperationsrecht anzuwenden seien, das ihrer jeweiligen Struktur am ehesten
entspricht. Dabei kommen für eine portugiesische Gesellschaft mit beschränkter
Haftung mit erwerbswirtschaftlicher Zweckrichtung die Regelungen der offenen
Handelsgesellschaft am ehesten in Betracht (vgl. Kindler/MünchKomm, a.a.O., Rn.
344 und 352; Staudinger/Großfeld, a.a.O., Rn. 435 und 440). Zwar handelt es sich
bei einer OHG nach deutschem Recht nicht um eine juristische Person, jedoch um
eine rechtlich verselbständigte Personengemeinschaft, die Gesellschafter einer
GmbH sein kann (allg. Meinung vgl. Baumbach/Hueck, a.a.O., § 1 Rn. 31 m.w.N;
Balser/Bokelmann/Piorreck, Die GmbH, 2. Aufl., Rn. 10). Deshalb kann von einem
völlig fehlenden oder nicht existierenden Gründungsvorgang nicht ausgegangen
werden.
Damit verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung der § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG, 75
GmbHG, wonach aufgrund der vollzogenen gerichtlichen Gründungsprüfung und
Eintragung der Bestandsschutz der Gesellschaft eingreift und im Interesse des auf
ihre Existenz vertrauenden Rechtsverkehrs Vorrang gegenüber den
möglicherweise bestehenden privaten Interessen einzelner Personen an der
Geltendmachung von eventuellen Rechtsmängeln bei der Gründung hat.
Damit kommt eine Amtslöschung der GmbH gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG nicht
in Betracht, ohne dass es hierzu der im registergerichtlichen Verfahren ohnehin
nur eingeschränkt möglichen Überprüfung der Angaben der Antragsteller über den
Sitz der Gründungsgesellschafterin bedarf.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 31 Abs. 1 Satz
2, 30 Abs. 2 KostO. Die Gebührenfreiheit gemäß § 88 Abs. 2 KostO bezieht sich nur
auf die Vornahme einer Löschung gemäß § 144 FGG, nicht jedoch auf den hier
vorliegenden Fall der Zurückweisung von Löschungsbegehren im
Beschwerdeverfahren.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.