Urteil des OLG Frankfurt vom 07.12.2005

OLG Frankfurt: anwartschaft, auskunft, versorgung, limitierung, altersgrenze, umrechnung, durchschnitt, firma, zustellung, lohnentwicklung

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Gericht:
OLG Frankfurt 6.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 UF 302/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 16 Abs 3 S 1 BetrAVG, §
1587a Abs 4 BGB
(Versorgungsausgleich: Dynamik einer Anwartschaft auf
betriebliche Altersvorsorgung)
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird das am 10.11.2004 verkündete Urteil
des Amtsgerichts-Familiengericht - Darmstadt in seinem Ausspruch über den
Versorgungsausgleich teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Vom Rentenkonto des Antragstellers bei der Beteiligten zu 1), VSNR: xxx werden
auf das Rentenkonto der Antragsgegnerin bei der Beteiligten zu 1), VSNR: xxx
Rentenanwartschaften von monatlich 223,03 EUR, bezogen auf den 31.05.2004
übertragen. Zusätzlich werden vom Rentenkonto des Antragstellers bei der
Beteiligten zu 1), VSNR: xxx auf das Rentenkonto der Antragsgegnerin bei der
Beteiligten zu 1), VSNR: xxx Rentenanwartschaften von monatlich 48,30 EUR,
bezogen auf den 31.05.2004 übertragen. Der Monatsbetrag der
Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen. Im übrigen wird der
schuldrechtliche Versorgungsausgleich angeordnet.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten
des Beschwerdeverfahrens werden unter den Parteien gegeneinander aufgehoben.
Beschwerdewert: 1.000,00 EUR
Gründe
I.
Auf den dem Antragsteller am 28.06.2004 zugestellten Antrag der
Antragsgegnerin und den der Antragsgegnerin am 29.06.2004 zugestellten Antrag
des Antragstellers hat das Amtsgericht durch das angefochtene Urteil die am
16.10.1992 geschlossene Ehe der Parteien geschieden und den
Versorgungsausgleich unter ihnen in der Weise geregelt, dass es vom
Rentenkonto des Antragstellers bei der Beteiligten zu 1) Rentenanwartschaften in
Höhe von 223,03 EUR monatlich auf das Rentenkonto der Antragsgegnerin bei der
Beteiligten zu 1) übertragen hat und darüber hinaus zu Lasten der
Versorgungsanwartschaften des Antragstellers bei der Firma Z AG
Rentenanwartschaften in Höhe von 96,26 EUR monatlich auf dem Rentenkonto der
Antragsgegnerin bei der Beteiligten zu 1) begründet hat.
Gegen das ihm am 23.11.2004 zugestellte Urteil hat der Antragsteller rechtzeitig
am 22.12.2004 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet. Er macht
geltend, der Ausgleich seiner Betriebsrentenanwartschaft sei im Wege des
erweiterten Splittings gemäß § 3b Abs. 1 VAHRG durchzuführen, insoweit sei der
Ausgleich auf 2 % der allgemeinen Bezugsgröße nach SGB IV § 18, dies entspricht
zum Ende der Ehezeit einem Betrag von 48,30 EUR, zu begrenzen.
Hinsichtlich des verbleibenden Betrags in Höhe von 47,96 EUR sei der
schuldrechtliche Versorgungsausgleich anzuordnen, da ein Ausgleich durch
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schuldrechtliche Versorgungsausgleich anzuordnen, da ein Ausgleich durch
Beitragsentrichtung für den Antragsteller eine unzumutbare Härte bedeuten
würde.
Die Antragsgegnerin und die Beteiligte zu 1) sind der Beschwerde nicht
entgegengetreten.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Trägers der Betriebsrente des
Antragstellers eingeholt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere innerhalb der Frist des § 621e Abs. 3 S.
2 i.V.m. § 517 ZPO eingelegt.
Die Beschwerde ist auch begründet und führt zu der aus der Beschlussformel
ersichtlichen Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung. Dabei war nur über
den im 2. Ausgleichsschritt durchgeführten Ausgleich der
Betriebsrentenanwartschaft des Antragstellers zu entscheiden, da der Ausgleich
der Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung einen abtrennbaren
Teil der Entscheidung betrifft, der mit der Beschwerde nicht angegriffen wurde.
Der Antragsteller rügt zu Recht, dass der Ausgleich hinsichtlich seiner
Betriebsrente nicht im Wege des Quasisplittings nach § 1 Abs. 3 VAHRG, das nur
zulässig ist, wenn sich das auszugleichende Anrecht gegen einen
öffentlichrechtlichen Versorgungsträger richtet, sondern im Wege des erweiterten
Splittings nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG durchzuführen ist und der Ausgleich
insoweit auf 2 % des auf einen Monat entfallenden Teils der am Ende der Ehezeit
maßgebenden Bezugsgröße nach § 18 SGB IV zu begrenzen ist.
Da die Entscheidung des Amtsgerichts, soweit sie angefochten wurde, vollständig
auf ihre Richtigkeit zu überprüfen ist (vgl. etwa BGH FamRZ 1998, 1024) waren
darüber hinaus weitere, nicht gerügte Fehler des Amtsgerichts zu korrigieren. So
ist gemäß § 1587a Abs. 2 Nr. 3 BGB nur der Ehezeitanteil der Betriebsrente
auszugleichen. Schließlich ist die Dynamisierung der Betriebsrente im
Leistungsstadium zu beachten.
Die Betriebsrente des Antragstellers, die er bei seiner Arbeitgeberin, der Firma Z
AG erworben hat, ist damit im Versorgungsausgleich wie folgt zu behandeln:
Die Arbeitgeberin hat mitgeteilt, dass zum Ende der Ehezeit eine Anwartschaft auf
eine künftige Jahresrente von 6.405,72 EUR ab Vollendung des 65. Lebensjahres
am 14.10.2012 bestanden hat. Den Anfangszeitpunkt der für die Rente
maßgebenden Betriebszugehörigkeit hat sie mit dem 09.02.1976 angegeben.
Gemäß § 6 Abs. 5 der Regeln der Altersversorgung für Lohnempfänger der
Arbeitgeberin des Antragstellers ist zu beachten, dass die Gesamtversorgung aus
betrieblicher Versorgung und darauf anzurechnender Versorgungsleistungen aus
der gesetzlichen Rentenversicherung in der Form limitiert ist, dass sie nicht mehr
als 80 % des Durchschnittsverdienstes betragen darf, der in den letzten 60
Monaten vor Ende der Ehezeit 2.924,96 EUR betragen hat, andernfalls wird die
Betriebsrente um den übersteigenden Betrag gekürzt. Limitierung
Eine Limitierung greift vorliegend nicht ein, da die Betriebsrente zuzüglich der
Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung 80 % des
Durchschnittsverdienstes der letzten 60 Monate (bezogen auf das Ende der
Ehezeit) nicht erreicht. Das zeigt folgende überschlägige Berechnung: Ausweislich
der Auskunft der Beteiligten zu 1) hat der Antragsteller bisher eine
Rentenanwartschaft von 42,9614 Entgeltpunkten erworben. Bis zum Erreichen der
Altersrente können jährlich maximal 2 weitere Entgeltpunkte (§ 76 Abs. 2 S. 3 SGB
VI) hinzukommen. Bis zum Erreichen der Altersgrenze am 14.10.2012 ist damit
der Erwerb einer Rentenanwartschaft in Höhe von 16,75 Entgeltpunkten [(8 Jahre +
4,5 Monate) x 2] möglich, so dass sich die maximale Rentenanwartschaft des
Antragstellers auf 59,7114 Entgeltpunkte beläuft. Multipliziert mit dem aktuellen
Rentenwert zum Ende der Ehezeit von 26,13 EUR ermittelt sich so eine gesetzliche
Rente in Höhe von 1.560,26 EUR. Zusammen mit der Betriebsrente in Höhe von
533,81 EUR (6.405,72 EUR Jahresrente / 12) monatlich beläuft sich die
höchstmögliche Gesamtversorgung somit auf 2.094,07 EUR und liegt damit
deutlich unter dem Wert von 80 % des Durchschnittsverdienstes der letzten 60
Monate von 2.339.97 EUR (80 % von 2.924,96 EUR).
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Ratierliche Berechnung
Da bei Zustellung des Scheidungsantrags die Betriebszugehörigkeit des
Antragstellers andauerte, ist in den Versorgungsausgleich nur der Teil der
Versorgung einzubeziehen, der dem Verhältnis der in die Ehezeit fallenden
Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zu der
in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze entspricht (§ 1587a
Abs. 2 Ziffer 3a BGB). Dabei ist die Zeit der Betriebszugehörigkeit in
entsprechender Anwendung des § 1587 Abs. 2 BGB in vollen Monaten anzusetzen,
beginnend mit dem 1. des Monats des Betriebseintritts bis zum letzten des
Monats, der dem Betriebsaustritt vorausgeht (BGH FamRZ 2001, 284, 286; OLG
Köln, FamRZ 1999, 1430, 1431). Nach dieser Maßgabe entfällt auf die Ehezeit eine
Jahresbetriebsrentenanwartschaft von 2.038,18 EUR:
Betriebszugehörigkeit gesamt: 440 Monate (01.02.1976 bis 30.09.2012)
Betriebszugehörigkeit in der Ehezeit: 140 Monate (01.10.1992 bis 31.05.2004)
Gesamtrentenanwartschaft jährlich: 6.405,72 EUR
Ehezeitanteil jährlich: 2.038,18 EUR (6.405,72 : 440 x 140) Dynamik
Anwartschaftsphase
Im Anwartschaftsstadium ist die Betriebsrentenanwartschaft als statisch
einzustufen, da im Falle des Ausscheidens aus dem Betrieb die bis zu diesem
Zeitpunkt erworbene Betriebsrentenanwartschaft sich nicht mehr kontinuierlich
entsprechend der Lohnentwicklung erhöht (§ 2 Abs. 5 BetriebsAVG). Nach der
Entscheidung des BGH, FamRZ 1989, 844, 845 ist eine solche Versorgung nicht
als bis zum Leistungsbeginn volldynamisches Anrecht anzusehen.
Leistungsphase
Nach Maßgabe der vom Senat ergänzend eingeholten Auskunft der Arbeitgeberin
des Antragstellers vom 16. Februar 2005 unterliegen die laufenden Betriebsrenten
der Anpassungsprüfung nach § 16 BetriebsAVG, wobei die Renten im 3
Jahresturnus jeweils zum 01.01. eines Jahres angepasst werden. Die Anpassungen
erfolgten in den letzten Jahren zu folgenden Prozentsätzen:
1995: 7,7% 2000: 3,4%
1996: 5,9%2001: 3,6%
1997: 5,3%2002: 4,8%
1998: 4,9%2003: 4,9%
1999: 3,9% 2004: 4,1%
Ein Betriebsrentenempfänger, der zum 01.01.1992 in den Ruhestand getreten ist
hat somit folgende Betriebsrentenerhöhungen bezogen:
19957,7
19984,9
20013,6
20044,1 %
Gesamt 20,3 %
: 12 Jahre ( 1993 bis 2004 )1,69 %
Für den Rentenbezieher ab dem 01.01.1995 stellt sich die Entwicklung wie folgt
dar:
19984,9 %
20013,6 % 20044,1 %
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Gesamt:12,6 %
: 9 Jahre ( 1996 bis 2004 )1,40 %
Demgegenüber ist im Zeitraum 1995 bis 2004 die Beamtenversorgung im
Durchschnitt um 1,424 % und die gesetzliche Rentenversicherung im Durchschnitt
um 1,059 % gestiegen ( vgl. BGH a.a.O. ).
Der Vergleich lässt erkennen, dass im Vergleichszeitraum die Betriebsrenten der
Z AG trotz des Rückgangs der Steigerungssätze stärker gestiegen sind als die
Beamtenpensionen und die gesetzlichen Renten. Nachdem der Bundesgerichtshof
die VBL-Renten, die in der Leistungsphase jährlich um 1 % angepasst werden,
nunmehr als volldynamisch beurteilt (BGH FamRZ 2004, 1474, 1476) sind auch die
Betriebsrenten der Z AG in gleicher Weise einzustufen. Zudem hat der
Antragsteller nach der Auskunft seiner Arbeitgeberin eine betriebliche Zusage
über eine Mindestanpassung der Betriebsrente um 1 % pro Jahr ab Rentenbeginn
erhalten, so dass die Frage, ob die durch § 16 BetriebsAVG eingeräumte
Möglichkeit des Arbeitgebers, die Anpassungsprüfung der wirtschaftlichen Lage
anzupassen und, soweit dies aufgrund der wirtschaftlichen Lage des
Unternehmens vertretbar ist, eine Anpassung nicht vorzunehmen, (vgl. BGH
FamRZ 1985, 1235, 1236) zu einer abweichenden Beurteilung der Dynamik im
Leistungsstadium Anlass gibt, keiner Entscheidung bedarf, da die
Mindestanpassung von 1 % gesichert ist.
Die Betriebsrente ist damit im Anwartschaftsstadium als statisch und im
Leistungsstadium als dynamisch zu beurteilen. Der Ehezeitanteil ist daher nach
Tabelle 1, Anmerkung 2 der Barwertverordnung in eine dynamische
Rentenanwartschaft umzurechnen.
Die Umrechnung ist damit wie folgt vorzunehmen:
Jahresrente 2.038,18 EUR
Alter des Antragstellers zum Ehezeitende56
Barwertfaktor 6,6 x 165 % 10,89
Barwert ( 10,89 x 2038,18 EUR )22.195,78 EUR
Entgeltpunkte (Faktor 0,0001742628)3,8679
aktueller Rentenwert zum Ehezeitende26,13 EUR
dynamischer Wert 3,8679 x 26,13 101,07 EUR
Es sind demnach weitere 50,54 EUR ( ½ von 101,70 EUR ) auszugleichen. Anstelle
des schuldrechtlichen Ausgleichs kann nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG bis zur Höhe
von 2 % der allgemeinen Bezugsgröße nach SGB IV § 18 die Anwartschaft des
Antragstellers in der gesetzlichen Rentenversicherung zum Ausgleich
herangezogen werden, somit bis zur Höhe von 48,30 EUR, so dass weitere
Rentenanwartschaften in dieser Höhe vom Rentenkonto des Antragstellers auf das
Rentenkonto der Antragsgegnerin zu übertragen sind.
Dem schuldrechtlichen Ausgleich bleiben demnach 2,24 EUR. Insoweit war dem
Begehren des Antragstellers entsprechend, dem die Antragsgegnerin nicht
entgegengetreten ist, der schuldrechtliche Versorgungsausgleich anzuordnen.
Die Anordnung der Umrechnung in Entgeltpunkte folgt § 1587b Abs. 6 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 21 Abs. 1 S. 1, 49 Ziffer 2 GKG, 93a
ZPO.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Frage der Leistungsdynamik
bei einer Mindestanpassung von einem Prozent jährlich durch die Entscheidung
des
BGH vom 7.7.2004 ( FamRZ, 2004, 1474 ff. ) geklärt ist.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.