Urteil des OLG Frankfurt vom 14.03.2017

OLG Frankfurt: dvd, gefahr, besitz, aushändigung, sicherheit, strafvollzug, anstalt, kontrolle, siegelung, meinung

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Gericht:
OLG Frankfurt 3.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 Ws 1224 -
1225/04 (StVollz),
3 Ws 1224/04
(StVollz), 3 Ws
1225/04 (StVollz)
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 70 Abs 1 StVollzG, § 70 Abs
2 StVollzG
(Strafvollzug: Gestattung von Besitz und Benutzung eines
DVD-Players)
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen
Auslagen des Gefangenen fallen der Staatskasse zur Last.
Der Gegenstandswert wird für beide Instanzen auf 200,- € festgesetzt.
Gründe
Mit Beschluss vom 13. 10. 2004 hat die Strafvollstreckungskammer bei dem
Landgericht Gießen die JVA X unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 9.
8. 2004 verpflichtet, den Antrag des Gefangenen vom 3. 8. 2004 auf Genehmigung
des Kaufs und der Aushändigung eines DVD-Players inkl. Scart-Kabels unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Hiergegen
wendet sich der Leiter der JVA mit der form- und fristgerecht eingelegten und
ebenso begründeten Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung materiellen Rechts
gerügt wird.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, da die Nachprüfung der angefochtenen
Entscheidung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich ist (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Sie gibt Anlass zur Klärung
der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein DVD-Player einem Gefangenen
gemäß § 70 Abs. 1 StVollzG zur Freizeitbeschäftigung überlassen werden kann.
Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die
Strafvollstreckungskammer ist in dem angefochtenen Beschluss im Ergebnis zu
Recht zu der Auffassung gelangt, dass die von der JVA vorgebrachten
Versagungsgründe nach § 70 Abs. 2 StVollzG nicht tragen.
Zwar stellt das Landgericht fehlerhaft darauf ab, das eine konkrete Gefahr in der
Person des Gefangenen für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt bei
Aushändigung des DVD-Players von der JVA dargelegt werden müsse. Nach § 70
Abs. 2 Nr. 2 StVollzG ist jedoch die von einem Gegenstand ausgehende abstrakte
Gefahr aufgrund seiner Eignung, in einer die Sicherheit und Ordnung gefährdenden
Weise eingesetzt zu werden, als Versagungsgrund ausreichend, sofern dieser
Gefahr nicht mit den im Rahmen einer ordnungsgemäßen Aufsicht
anzuwendenden Kontrollmitteln der JVA begegnet werden kann (vgl. BVerfG NStZ
2003, 621; OLG Karlsruhe NStZ 2003, 622; OLG Frankfurt, Beschl. v. 18. 4. 2002, 3
Ws 163/02 (StVollz)).
Indes geht von dem begehrten DVD-Player keine abstrakte Gefahr aus, die eine
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Indes geht von dem begehrten DVD-Player keine abstrakte Gefahr aus, die eine
Versagung der Aushändigung nach § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG rechtfertigen
könnte. Soweit sich die Beschwerdeführerin darauf beruft, dass es sich bei der JVA
X um eine Anstalt des höchsten Sicherheitsgrades handele, der DVD-Player
Versteckmöglichkeiten biete und eine tägliche Kontrolle des Gerätes mit genauer
Durchsuchung durch Bedienstete mit speziellen Fachkenntnissen nicht möglich
sei, greifen diese Einwände nicht durch. Wie der Senat bereits mit Beschluss vom
6. 3. 1989 (NStZ 1989, 343) hinsichtlich des Besitzes eines CD-Players ausgeführt
hat, kann der Nutzung als Versteck für kleinere Gegenstände dadurch begegnet
werden, dass das Gerät verplombt bzw. versiegelt und sodann in die üblichen
Kontrollen einbezogen wird. Im Gegensatz zu der Spielekonsole Y verfügt ein
einfacher DVD-Player nicht über Speichermöglichkeiten, deren missbräuchlicher
Nutzung und/oder Manipulation von Schnittstellen begegnet werden müsste (vgl.
dazu OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. 1. 2004, 3 Ws 1384/02 (StVollz)). Eine
Kontrolle erfordert daher keine Spezialkenntnisse der Bediensteten. Der Senat
stellt ausdrücklich klar, dass sich die Genehmigungsfähigkeit ausschließlich auf
reine Abspielgeräte ohne jede Aufzeichnungs- und Speicherungsmöglichkeit
bezieht.
Einem für die JVA nicht mehr zumutbaren Kontrollaufwand kann dadurch begegnet
werden, dass Gefangene, die bereits einen CD-Player besitzen, den DVD-Player
nur im Austausch gegen diesen erhalten. Eine Benachteiligung des jeweiligen
Gefangenen tritt hierdurch nicht ein, da der DVD-Player die Funktion eines CD-
Abspielgerätes mit umfasst.
Auch der weitere Vortrag der JVA, der Inhalt der Datenträger könne vor der
Aushändigung aus Zeitgründen nicht auf pornografischen oder
gewaltverherrlichenden Inhalt sowie verfassungsfeindliche Bezüge überprüft
werden, vermag eine Versagung nicht zu begründen. Nach Ansicht des Senats
kann dieser Gefahr durch zumutbare mildere Maßnahmen begegnet werden wie
den ausschließlichen Bezug von DVDs, die von der FSK ab 18 Jahre freigegeben
worden sind, über ein ausgesuchtes Versandhandelsunternehmen, einer
Mengenbegrenzung für ihren Besitz und durch ihre - z. B. in der JVA Z mit Erfolg
praktizierte - Siegelung (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. 1. 2005, 3
Ws 1322 - 1323/04 (StVollz)). Durch diese Maßnahmen kann zugleich die Gefahr,
dass Gefangene unerlaubt gebrannte DVDs mit sicherheitsrelevantem Inhalt von
außen erhalten, begrenzt werden. Das verbleibende Risiko ist nicht höher als bei
dem Einschmuggeln sonstiger verbotener Gegenstände; dem wird durch
Kontrollen - die indes durch eine Siegelung wesentlich erleichtert werden -
begegnet werden müssen. Da die Beurteilung der generellen Gefährlichkeit des
Besitzes von DVD-Datenträgern überwiegend tatsächlicher Natur ist, erfordert die
insoweit abweichende Auffassung des OLG Jena (NStZ - RR 2003, 222) keine
Vorlage durch den Senat.
Nach alledem tragen nicht nur die von der JVA vorgebrachten Gründe die
Versagung eines DVD-Players nicht, es sind auch keine weiteren Umstände für
eine Ablehnung erkennbar. Einfache DVD-Player sind bereits zu einem Preis von
deutlich unter 100,- € zu erwerben, so dass nicht zu erwarten steht, dass es durch
den Besitz der Geräte - wie von der JVA befürchtet - zu einem sozialen Gefälle
zwischen den Gefängnisinsassen kommen wird.
Nach Meinung des Senats ist damit über die Auffassung der
Strafvollstreckungskammer hinaus eine Reduzierung des Ermessens der JVA auf
Null eingetreten. Durch diesen Rechtsfehler ist die Beschwerdeführerin jedoch
nicht beschwert. An einer Abänderung der Entscheidung zugunsten des
Antragstellers ist der Senat jedoch gehindert, weil dieser nicht gleichermaßen
Rechtsbeschwerde gegen den angefochtenen Beschluss eingelegt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 1 und 4 StVollzG i. V. mit § 467
Abs. 1 StPO.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts ergibt sich aus §§ 52 Abs. 1, 60, 62 GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.