Urteil des OLG Frankfurt vom 19.07.2006

OLG Frankfurt: rücktritt vom vertrag, aufschiebende bedingung, abholung, lieferung, gerüst, geschäftsführer, dach, bezahlung, gegenleistung, rechtshängigkeit

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Gericht:
OLG Frankfurt 19.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
19 U 80/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 320 Abs 1 BGB, § 92 Abs 2
Nr 1 ZPO
(Geltendmachung und prozessuale Kostenfolge eines
Leistungsverweigerungsrechts)
Tenor
[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde
vom Gericht nicht mitgeteilt.]
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Bezahlung des Kaufpreises aus einem
Lieferauftrag vom 15.11.2005. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und
Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug
genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit am 16.03.2006 verkündetem Urteil abgewiesen
mit der Begründung, dass die Klägerin nicht dargelegt habe, dass sie den
Kaufantrag der Beklagten angenommen habe (Bl. 54 – 58 d.A.). Die Klägerin hat
gegen das ihr am 01.04.2006 zugestellte Urteil am 18.04.2006 Berufung eingelegt
und das Rechtsmittel am 02.05.2006 begründet.
Sie rügt mit der Berufung, dass das Landgericht unter Verkennung der
Schlüssigkeit der Klage die danach erforderliche Beweiserhebung unterlassen habe
und wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zu
verurteilen, an die Klägerin 22.910,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.11.2005 zu zahlen,
hilfsweise die Beklagte zur Zahlung zu verurteilen, Zug-um-Zug gegen
Übergabe des Zeltes Fabrikat X, Breite 14 m, Länge 22 m, Seitenhöhe 3 m,
Binderabstand 5 m, Gerüst aus eloxiertem Aluminium-Kastenprofil, 4-Nut-Profil,
Expanderabspannung, Befestigung auf verzinkten Bodenplatten mittels Erdanker,
Dach- und Seitenverbände, sowie neue Beplanung aus beidseitig beschichtetem
PVC-Hochglanz-Material, weiß, transluzent, flammenhemmend ausgerüstet nach
DIN 4102/B1, gebraucht, sowie dreier Pagodenzelte, Fabrikat X HTS, Typ Y,
Abmessungen 5 m x 5 m, Seitenhöhe 2,5 m, Gerüst aus stammgepressten
eloxierten Aluminiumprofilen, Eckverbindungen mit Federbolzen, ohne Fußrohre,
Dach- und Seitenplanen aus PVC-Hochglanz-Material, schwer entflammbar nach
DIN 4102B1, Seitenmarkisen PVC, davon je eine Seitenmarkise mit je 2
Rundbogen-Sprossenfenstern, mit Fußrohrtaschen,
sowie festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Abholung der oben
genannten Gegenstände seit dem 25.11.2005 in Verzug befindet.
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt ihr erstinstanzliches
Vorbringen. Zusätzlich behauptet die Beklagte, die Gespräche zwischen den
Parteien über die angestrebte „Gesamtvereinbarung“ seien am 21.11.2005
gescheitert; in diesem Zusammenhang habe der Geschäftsführer der Klägerin
erklärt, dass die Bestellung vom 15.11.2005 nicht angenommen werde (Beweis:
Zeugnis Z1, Z2).
II.
Die Berufung der Klägerin hat ganz weitgehend Erfolg. Die Klägerin kann von der
Beklagten gemäß § 433 BGB die Bezahlung des Kaufpreises von insgesamt
22.910,-- EUR wegen des Kaufs der in der Bestellung der Beklagten vom
15.11.2005 genannten Zelthalle und Pagodenzelte verlangen.
Der Abschluss des Kaufvertrages ergibt sich nach den Grundsätzen über das
kaufmännische Bestätigungsschreiben bereits aus dem Telefax der Beklagten vom
15.11.2005, mit welchem die Beklagten eine entsprechende mündliche
Vereinbarung bestätigt. Ferner ergibt sich aus der nachvollziehbaren und
plausiblen Aussage des Zeugen Z3, dass die Parteien sich nach den geführten
Telefongesprächen über den Abschluss des Kaufvertrages zunächst mit dem Inhalt
des Telefax der Beklagten vom 15.11.2005 einig waren, und dass in der Folgezeit
der Abholtermin einvernehmlich auf den 25.11.2005 abgeändert wurde, wie auch
das in der Berufungsinstanz vorgelegte Telefax der Beklagten vom 16.11.2005
bestätigt. Der Vertragsschluss war nicht abhängig von dem Zustandekommen des
in dem Telefax der Beklagten vom 15.11.2005 angesprochenen
„Komplettvertrages“, über dessen Abschluss die Parteien seinerzeit verhandelten.
Das ergibt sich bereits aus dem schriftlichen Telefax der Beklagten vom
15.11.2005. Danach sollte die (ohne eine aufschiebende Bedingung)
abgeschlossene Vereinbarung lediglich (nachträglich) in den Komplettvertrag der
Gartenmöbelzelte aufgenommen werden, wenn dieser zustande kommt. Nichts
anderes ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Z4. Der Zeuge Z4 hat bestätigt,
dass der Auftrag vom 15.11.2005 in den Komplettvertrag dann mit aufgenommen
werden sollte, wenn dieser zustande kommt. Den Abschluss des Kaufvertrages
unter der Bedingung, dass der sogenannte „Komplettvertrag“ zustande kommt,
hat der Zeuge hingegen nicht bestätigt.
Die Wirksamkeit des danach zwischen den Parteien zustande gekommenen
Kaufvertrages wird nicht dadurch berührt, dass Herr Z3 am 17.11.2005 unstreitig
erklärte, dass er die Produktion der bestellten Zelte solange nicht veranlassen
werde, solange nicht der beabsichtigte Mietkaufvertrag abgeschlossen worden sei.
Diese Erklärung kann nicht als Ablehnung eines Vertragsangebotes angesehen
werden, da der Vertrag bereits zustande gekommen war. In ihr kann auch nicht
eine (unwirksame) Kündigung bzw. Rücktritt vom Vertrag gesehen werden; sie
enthält vielmehr eine (nicht berechtigte) Geltendmachung eines
Zurückbehaltungsrechtes der von der Klägerin geschuldeten Leistung, die sich auf
die Wirksamkeit des Kaufvertrages jedoch nicht auswirkt.
Die Behauptung der Beklagten, der Geschäftsführer der Klägerin habe am
15.11.2005 erklärt, dass die Bestellung der Beklagten vom 15.11.2005 nicht
angenommen werde, ist ein in der Berufungsinstanz neues Verteidigungsmittel;
die damit vorgebrachte Behauptung widerspricht dem erstinstanzlichen
Sachvortrag der Klägerin, den diese in der Berufungsinstanz erkennbar aufrecht
erhält. Das neue Verteidigungsvorbringen ist deshalb gemäß § 531 Abs. 2 ZPO
nicht zuzulassen. Es bedarf deshalb keiner Erörterung, ob wegen der behaupteten
Äußerung des Geschäftsführers der Klägerin vom 21.11.2005 in Verbindung mit
dem Verhalten der Beklagten von einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung
auszugehen ist.
Die Klage hat jedoch nur im Rahmen des hilfsweise gestellten Antrages auf
Verurteilung zur Zahlung Zug-um-Zug gegen Lieferung Erfolg. Zwar muss sich der
Schuldner auf das Leistungsverweigerungsrecht des § 320 Abs. 1 BGB berufen,
damit dieses Wirksamkeit entfalten kann. Diese Voraussetzung liegt hier jedoch
vor. Allerdings hat die Beklagte nicht ausdrücklich ein Zurückbehaltungsrecht
geltend gemacht. Es reicht jedoch aus, dass die Beklagte bereits im ersten
Rechtszug einen uneingeschränkten Abweisungsantrag gestellt hatte, und dass ihr
Wille, die eigene Leistung im Hinblick auf das Ausbleiben der Gegenleistung
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Wille, die eigene Leistung im Hinblick auf das Ausbleiben der Gegenleistung
zurückzubehalten, eindeutig erkennbar war. Dass ist etwa dann der Fall, wenn ein
Beklagter den Klageabweisungsantrag damit begründet, der Kläger könne oder
wolle die ihm obliegende Gegenleistung nicht erbringen (BGH NJW 1999, 53, 54
m.w.N.). So liegt es hier. In der Klageerwiderung hat die Beklagte behauptet, dass
die Klägerin zur Lieferung nicht bereit gewesen sei; sie hat auch bestritten, dass
die Klägerin die Zelte überhaupt hergestellt habe.
Die Zinsforderung ist gemäß § 291 BGB für den Zeitraum nach Rechtshängigkeit
begründet. Einen zuvor eingetretenen Zahlungsverzug der Beklagten hat die
Klägerin nicht dargelegt. Deshalb ist die Klage wegen der weitergehenden
Zinsforderung nicht begründet.
Der mit Rücksicht auf den hilfsweise gestellten Antrag auf Zahlung Zug-um-Zug
gegen Lieferung zulässige Antrag auf Feststellung, dass die Beklagte sich mit der
Abholung der Kaufsachen im Verzug befindet, ist begründet. Aufgrund der
Aussage des Zeugen Z3 steht fest, dass sich die Klägerin zur Abholung bereit
hielt, insbesondere die Zelthalle von dem ursprünglichen Normmaß auf das
bestellte Sondermaß abgeändert hatte. Im übrigen geriet die Beklagte mit
Rücksicht auf den nach dem Kalender bestimmten Zeitpunkt der Abholung gemäß
§ 296 BGB auch ohne Angebot der Klägerin in Annahmeverzug gemäß § 293 BGB.
Obwohl die Klage nur unter den genannten Einschränkungen Erfolg hat, hat die
Beklagte die Kosten des Rechtsstreits in vollem Umfang zu tragen. Denn die
Zuvielforderung der Klägerin war verhältnismäßig geringfügig und hat keine
besonderen Kosten veranlasst (§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Zug-um-Zug-
Einschränkung bei der Verurteilung bedeutet bei wirtschaftlicher Betrachtung eine
nur unwesentliche Einbuße der Klägerin, da sie die verkauften Zelte vorhält und
nicht ersichtlich ist, dass sie diese behalten will (vgl. Hensen, NJW 1999, 395,
396).Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.
10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.