Urteil des OLG Frankfurt vom 07.08.2007

OLG Frankfurt: lege artis, ärztliche behandlung, verwertung, form, gutachter, schmerzensgeld, eingriff, sachverständiger, implantation, fehlbehandlung

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Gericht:
OLG Frankfurt 8.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 U 108/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 323 BGB, § 847 BGB
(Zahnarzthaftung: Fehlerhaftes Behandlungskonzept bei
Sofortimplantation nach Zahnextraktion;
Schmerzensgeldbemessung bei notwendiger
Implantatentfernung nach Wundheilungsstörung)
Leitsatz
Zahnarzthaftung / Implantat: Einzeitiges Vorgehen, d. h. Entfernung eines Zahnes und
sogleich Implantatsetzung im Einzelfall behandlungsfehlerhaft wegen persistierender
Infektion, 5.000 € Schmerzensgeld, zwei Folgeoperationen, über fünf Monate erhebliche
Einschränkung in der Lebensführung.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 9.3.2005 verkündete Urteil der 2.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 2/1 0 35/03) teilweise
abgeändert.
Das Teilversäumnisurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a.M. vom
21.1.2004 wird insoweit aufrechterhalten,
1. als der Beklagte verurteilt wurde , 6.707,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.7.2003 zu zahlen;
2. als festgestellt wurde, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche
materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aus der
Sofortimplantation des Zahnes 2 1 am 15.5.2000 und aus dem Umstand
entstehen, dass das Implantat des Zahnes 2 1 nicht spätestens am 13.9.2000
entfernt worden ist, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder
Dritte übergegangen sind.
Im übrigen wird das Teilversäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten der ersten Instanz haben die Klägerin 75% und der Beklagte 25%
zu tragen. Ausgenommen hiervon sind die Kosten der Säumnis, diese fallen dem
Beklagten zur Last.
Von den Kosten der Berufungsinstanz haben die Klägerin 60% und der Beklagte
40% zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 21.707,55 €.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schmerzensgeld und Schadensersatz
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I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schmerzensgeld und Schadensersatz
wegen einer behaupteten fehlerhaften Zahnbehandlung und unzureichender
Nachsorge in Anspruch.
Der Beklagte entfernte am 15.5.2000 den vertikal frakturierten Zahn 2 1 und
brachte in regio 2 1 ein Implantat ein. Zur Auffüllung eines Defektes des
Kieferdammes wurden Knochenspäne verpflanzt, Bindegewebe transplantiert und
körperfremdes Material eingebracht. Der Zahn 2 1 wurde überkront.
Wundheilungsstörungen machten weitere Behandlungen erforderlich. Am
29.5.2000 wurde eine Wundkantenanfrischung und eine Deckung der freiliegenden
Membran mit Weichteilgewebe vorgenommen. Am 13.9.2000 entnahm der
Beklagte Reste der Membran und transplantierte Bindegewebe nach regio 2 1. Die
Klägerin brach die Behandlung beim Beklagen nach dem 26.9.2000 ab und ließ
sich im Oktober 2000 das Implantat in Izmir durch den Zahnarzt Dr. A entfernen.
Der fehlende Zahn 2 1 wurde sodann durch eine Brücke prothetisch versorgt.
Das Zahnärztliche Rechenzentrum Dr. X GmbH nahm die Klägerin auf Vergütung
gemäß Rechnung des Beklagten vom 11.10.2000 in Anspruch. Das Amtsgericht
Frankfurt (Az. 29 C 912/01-46) hat nach Einholung von Gutachten des Prof. Dr. Dr.
SV1 vom 30.4. und 2.8.2002 (Bl. 11ff, 41ff d.A.) die Klage mit der Begründung
abgewiesen, die Rechnung betreffe eine versuchte Mängelbeseitigung nach
Fehlbehandlung.
Im vorliegenden Verfahren hat das Landgericht den Beklagten durch
Teilversäumnis- und Schlussurteil vom 21.1.2004 (Bl. 158) verurteilt, an die
Klägerin 21.707,55 € zu zahlen und dem Feststellungsbegehren entsprochen. Die
über 20.000,-- € hinausgehende Schmerzensgeldklage hat es abgewiesen. Das
Landgericht ist aufgrund des klägerischen Vorbringens davon ausgegangen, dass
die Klägerin durch eine vermeidbare fehlerhafte ärztliche Behandlung geschädigt
worden ist, weil das Behandlungskonzept nicht tragfähig war und neben dem
Verlust des Implantats zu erheblichen Wundheilungsstörungen geführt hat. Einen
über 20.000,-- € hinausgehenden Schmerzensgeldanspruch hat das Landgericht
als unangemessen erachtet.
Die gegen das Schlussurteil form- und fristgerecht eingelegte Berufung (8 U
70/04) der Klägerin, mit der sie sich gegen die Abweisung des über 20.000,-- €
hinausgehenden Schmerzensgeldanspruches gewehrt hat, ist nach
Hinweisbeschluss des Senates vom 25.4.2005 (Bl. 328 d.A.) durch Beschluss vom
3.6.2005 (Bl. 354 d.A.) mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass das
Vorbringen der Klägerin vom 10.11. und 12.12.2003 - als zutreffend unterstellt -
ein über 20.000,-- € hinausgehendes Schmerzensgeld nicht rechtfertige.
Auf den Einspruch gegen das Teilversäumnisurteil vom 9.3.2005 hat das
Landgericht unter urkundenbeweislicher Verwertung der Gutachten von Prof. Dr.
Dr. SV1 vom 30.4. und 2.8.2002 durch Urteil vom 9.3.2005 das
Teilversäumnisurteil mit der Begründung aufrechterhalten, dass nach den
Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. SV1 im Verfahren des
Zahnärztliches Rechenzentrum Dr. X GmbH gegen die Klägerin das
Behandlungskonzept des Beklagten nicht tragfähig gewesen sei.Die Höhe des
Schmerzensgeldes sei wegen des Verlusts des Implantats, der erforderlich
gewordenen Überkronung der Zähne 11, 22 und 23 und der mit den
Wundheilungsstörungen und weiteren operativen Eingriffen verbundenen
Schmerzen gerechtfertigt.
Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung erstrebt der Beklagte
Abänderung des angefochtenen Urteils, Aufhebung des Teilversäumnisurteils und
Klageabweisung. Er ist der Auffassung, das Landgericht habe das Versäumnisurteil
jedenfalls wegen sachlicher Unrichtigkeit aufheben müssen. Das Landgericht sei
vor allen Dingen verpflichtet gewesen, dem Antrag auf Einholung eines
Sachverständigengutachtens zu entsprechen, da die die Verwertung von
Gutachten aus anderen Verfahren vorsehende Vorschrift des § 411 a ZPO
seinerzeit noch nicht gegolten habe. Die These des Sachverständigen Prof. Dr. Dr.
SV1, sein Behandlungskonzept sei nicht tragfähig gewesen, sei nach dem
wissenschaftlichen Meinungsstand zur Insertion von Dentalimplantaten nicht
haltbar. Der Beklagte habe im übrigen schon in der Klageerwiderung dargelegt,
dass die streitige Implantation erfolgreich durchgeführt worden sei, der
Behandlungserfolg jedoch durch das postoperative Verhalten der Klägerin zunichte
gemacht worden sei.
Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteil das Teilversäumnisurteil des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.1.2004 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die urkundenbeweisliche Verwertung des Gutachtens des Prof. Dr.
Dr. SV1 sowie die Nichteinholung eines weiteren Gutachtens.Im übrigen nimmt sie
auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug.
Gemäß Beweisbeschlüssen vom 29.12.2005 und 6.12.2006 ist Beweis erhoben
worden durch Einholung eines Gutachtens und eines Ergänzungsgutachtens des
Sachverständigen Dr. Dr. Dr. SV2 (im folgenden: Dr. SV2), wegen deren Inhalt auf
Bl. 426 – 466,524 - 548 d.A. Bezug genommen wird. Des weiteren haben Dr. SV2
sowie Prof. Dr. Dr. SV1 (im folgenden. Prof. Dr. SV1) ihre Gutachten mündlich
erläutert (Sitzungsprotokoll vom 22.5.2007/Bl. 604 – 609 d.A.).
II. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten
hat in der Sache zum Teil Erfolg. Der vom Landgericht zuerkannte
Schmerzensgeldbetrag war auf 5.000,-- € zu reduzieren und der
Feststellungsantrag - eingeschränkt auf die dem Beklagten vorzuwerfenden Fehler
– neu zu fassen. 1. Die formale Rüge des Beklagten, das Landgericht habe sich
nicht ohne Zustimmung der Parteien auf die urkundenbeweisliche Verwertung des
Gutachtens des Prof. Dr. SV1 stützen dürfen und das im vorliegenden Verfahren
beantragte Gutachten einholen müssen, ist berechtigt, weil die Bestimmung des §
411 a ZPO, die die Verwertung von in anderen Verfahren eingeholten
Sachverständigengutachten erlaubt, nach § 29 Zif. 3 EGZPO hier nicht anwendbar
ist. Dementsprechend hat der Senat zu den maßgeblichen Fragen ein Gutachten
und ein ergänzendes Gutachten des Sachverständigen Dr. F. eingeholt. Aufgrund
von deren Ergebnis hat der Senat den Sachverständigen Dr. F. zur Erläuterung
seines Gutachtens geladen und den im vorangegangenen Verfahren tätig
gewordenen Gutachter Prof. Dr. SV1 ebenfalls als Sachverständigen zu seinem
Gutachten und ergänzend gehört.
2. Aufgrund des Ergebnisses der gutachterlichen Äußerungen beider
Sachverständiger teilt der Senat die Einschätzung des Landgerichts, dass das
Behandlungskonzept des Beklagten fehlerhaft war. Der Beklagte hätte angesichts
der bei der Klägerin vorgefundenen Lage nicht in einem Termin sowohl den Zahn 2
1 entfernen und sogleich ein Implantat in regio einbringen dürfen. Auch wäre das
Implantat in Anbetracht der Wundheilungsstörungen und Beschwerden der
Klägerin spätestens am 13.9.2000 zu entfernen gewesen.
Zwar hat der Sachverständige Dr.F. in seinen schriftlichen Gutachten ausgeführt,
dass eine Sofortimplantation unmittelbar im Anschluss an eine Zahnextraktion ein
implantologisch gesichertes und ausreichend erprobtes Verfahren für einen
implantatgetragenen Zahnersatz darstelle und klinisch erprobt sei und dass der
operative Eingriff vom 15.5.2000 lege artis gewesen sei. Gleichwohl vermochte der
Senat eine dahingehende Überzeugung nicht zu gewinnen, nachdem sowohl der
Sachverständige Dr.F. als auch der Sachverständige Prof. Dr. SV1 zusätzlich
mündlich sachverständig befragt wurden.
Es kann letztlich dahin stehen, inwieweit eine Sofortimplantation nach dem
Wissensstand des Jahres 2000 fachärztlichem Standard entsprach. Prof. Dr. SV1
hat insoweit ausgeführt, dass es in diesem Bereich sehr wenig evidenzbasierte
Untersuchungen gibt, welche eine allgemeingültige Aussage erlaubten. Selbst
wenn aber ein einzeitiges Vorgehen – Zahnextraktion und sofortige Implantierung
– seinerzeit grundsätzlich anerkannt gewesen sein sollte, so hat auch Dr. SV2 bei
der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens schließlich der Einschätzung von
Prof. Dr. SV1 zugestimmt, dass das Vorgehen des Beklagten nicht fachärztlichem
Standard entsprach. Der Grund, weswegen nicht nur Prof. Dr. SV1, sondern auch
Dr. SV2 im Falle der Klägerin ein mindestens zweizeitiges Vorgehen gewählt hätte,
wobei zwischen Extraktion und Einbringung des Implantats nicht unbedingt ein
langer Zeitraum hätte liegen müssen, ist darin zu sehen, dass vorliegend ein Zahn
aus einem jedenfalls vorher infizierten Gebiet entfernt worden ist und zudem ein
Knochendefekt mit Fremdmaterialien behoben werden musste. Die klassische
Indikation für eine Sofortimplantation – nämlich die Ersetzung des Verlustes eines
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Indikation für eine Sofortimplantation – nämlich die Ersetzung des Verlustes eines
Zahnes aufgrund eines Traumas – lag hier nach der Einschätzung beider
Gutachter nicht vor. Beide Gutachter waren sich auch dahingehend einig, dass
eine Sofortimplantation kontraindiziert ist, wenn nach der Extraktion eines Zahnes
der Verdacht auf eine persistierende Infektion fortbesteht.
Letzteres war vorliegend zu bejahen. Zwar hat sich der Sachverständige Dr. SV2
zunächst dahingehend geäußert, dass es aufgrund wissenschaftlicher Studien
grundsätzlich möglich sei, gleich nach Extraktion eines Zahnes aus einem
infizierten Gebiet ein Implantat einzubringen und dass im Falle der Klägerin ein
lokal begrenzter entzündlicher Prozess vorgelegen habe. Angesichts der
gleichzeitig durchzuführenden antibiotischen Behandlung gehe er davon aus, dass
der Beklagte kein Implantat in einen erkennbar infizierten Raum eingebracht habe.
Demgegenüber hat der Sachverständige Prof. Dr. SV1 die Auffassung vertreten,
dass angesichts des klinischen Befundes auch nach Entfernung des Zahnes 2 1
eine Keimkontamination des umliegenden Gewebes zu befürchten war, nachdem
entzündliche Prozesse hätten ausgeräumt werden müssen. Ungeachtet der
Unterschiede in den Stellungnahmen beider Gutachter, inwieweit vorliegend nach
der Extraktion ein fortbestehender chronischer entzündlicher Prozess
wahrzunehmen bzw. zu befürchten war und inwieweit er sich erst nach der
Extraktion und Einbringung des Implantats akut entwickelt hat, wertet der Senat
die Ausführungen auch des Sachverständigen Dr. SV2 - wie in dessen
abschließender Stellungnahme - dahin, dass das Vorgehen des Beklagten nicht
fachärztlichem Standard entsprach. Insoweit ist insbesondere auch in Rechnung zu
stellen, dass vorliegend nach Entfernung des Zahnes eine
Knochenaufbaumaßnahme mit verschiedenen Fremdmaterialien erfolgte, die zwar
nicht kontraindiziert und für sich gesehen auch lege artis war, die indessen das
Risiko der Infektion deutlich erhöhte. Bei der Klägerin bestand eine die
Primärstabilität nachhaltig vermindernde Inkongruenz zwischen Zahnfach und
Implantat; die Kombination mehrerer nicht blutgefäßversorgter
Gewebeersatzmittel und körpereigener Transplantate hat die Möglichkeiten der
natürlichen Geweberegeneration und der physiologischen Keim- und Infektabwehr
reduziert. Auch im Jahre 2002 – dem Zeitpunkt der Erstellung des Erstgutachtens
durch Prof. Dr. SV1. – existierten nach seinen Angaben keine fundierten
Untersuchungen zu den kontroversen Fragen im Zusammenhang mit
Sofortimplantation und gleichzeitiger Knochenaugmentation. Da bereits bei einer
„komplikationslosen“ Sofortimplantation ein geringerer Grad an Fixierung erreicht
wird, gilt dies umso mehr, wenn zuvor ein Knochendefekt zu beheben ist. Die mit
einer Sofortimplantation verbundenen Vorteile – Ersparung eines weiteren Eingriffs
und Minimierung des Risikos einer Verschmälerung des Kieferhammers – wogen
bei der gegebenen Sachlage weit weniger schwer als die mit einem einzeitigen
Vorgehen verbundenen Risiken.
Nach allem ist davon auszugehen, dass die Sofortimplantation vom 13.9.2000
nicht lege artis erfolgte. Diese Einschätzung ist nicht die Folge einer ex-post-
Betrachtung, sondern die Beurteilung des ärztlichen Vorgehens des Beklagten
aufgrund des klinischen Befundes am 13.9.2000.
3. Nicht fachärztlichem Standard entsprach aber auch das weitere Vorgehen des
Beklagten nach dem Auftreten der Wundheilungsstörungen und den massiv
persistierenden Beschwerden der Klägerin.
Zwar war der nachfolgende operative Eingriff vom 29.5.2000 – die teilweise
Entfernung der Augmentationsmembran zur besseren Wundheilung – nach
Angabe des Sachverständigen Dr. SV2 medizinisch indiziert, wenn sonst reizlose
Wundverhältnisse bestanden. Inwieweit für den Eingriff vom 13.9.2000 eine
Indikation bestand, vermochte der Sachverständige Dr. SV2 nicht zu beantworten.
Demgegenüber hat der Sachverständige Prof. Dr. SV1 beide Eingriffe als
versuchte Mängelbeseitigung qualifiziert: Da die wesentlichen Mängel des
Therapiekonzepts – Versuch der Sofortimplantation im iatrogen ersatzschwachen
infektbeladenen Lager - nicht hätten beseitigt werden können, sei es nicht zur
Wundkonsolidierung gekommen. Beurteilt man den Ausgangseingriff als fehlerhaft,
so stellten die Nachfolgeeingriffe Versuche dar, die eingetretene Lage zu
beherrschen, d.h. die Auswirkungen des nicht fachlichem Standard
entsprechenden Eingriffs zu minimieren.
Jedenfalls nicht fachgerecht war es aber nach sachverständiger Einschätzung, das
nicht eingeheilte Implantat nicht wenigstens am 13.9.2000 zu entfernen. Der
Sachverständige Dr. SV2 hat insoweit ausgeführt, dass dies der letzte Zeitpunkt
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Sachverständige Dr. SV2 hat insoweit ausgeführt, dass dies der letzte Zeitpunkt
war, zu dem der Beklagte hätte erkennen müssen, dass sein Behandlungskonzept
fehlgeschlagen war und eine Einheilung des Implantats nicht mehr erfolgen würde.
Die heftigen Schmerzen der Klägerin an der Implantatstelle stellten bereits für sich
allein einen Hinweis auf einen entzündlichen Prozess im Knochen dar.
4. Dass die Klägerin für den Implantatverlust selbst zumindest mit verantwortlich
gewesen ist, hat die Beweisaufnahme nicht bestätigt. Der Sachverständige Dr.
SV2 hat ausgeführt, dass Kaugummikauen eine ungünstige mechanische Reizung
der Wundheilung darstellen könne. Bei der Klägerin sei die operierte Region jedoch
durch ein festes an den Nachbarzähnen angeklebtes Provisorium geschützt
gewesen, so dass eine Störung durch Kaugummikauen eher auszuschließen sei.
Was das Rauchen anbelangt, so kann es nach den Ausführungen des
Sachverständigen die Erfolgsprognose einer Implantation durchaus
verschlechtern. Gleichwohl sieht der Senat es nicht als erwiesen an, dass die
Klägerin durch etwaigen Nikotingenuss messbar zum Misserfolg beigetragen hat.
Dies folgt aus dem Umstand, dass vorliegend ein insgesamt ungeeignetes
Behandlungskonzept gewählt wurde, dass nach der Extraktion nicht nur eine
bestehende bzw. aufkeimende Infektion bekämpft werden musste, sondern vor
allen Dingen auch ein knöcherner Defekt einer ausreichenden Konsolidierung
bedurfte.
5. Was die Höhe des Schmerzensgeldes angeht, so hält der Senat einen Betrag
von 5.000,-- € für angemessen, aber auch ausreichend.
Die Klägerin hat durch die Sofortimplantation und die Nachfolgeeingriffe
beträchtliche Schmerzen erleiden müssen, die bei fachgerechtem Vorgehen in
dieser Form nicht aufgetreten wären. Sie musste sich am 29.5. und 13.9.2000 zwei
operativen Nachfolgeeingriffen aussetzen, zu denen es bei korrektem zumindest
zweizeitigen Vorgehen des Beklagten in dieser Form nicht gekommen wäre. Zwar
hätte auch ein zumindest zweizeitiges oder sogar dreizeitiges Vorgehen –
Extraktion – Knochenaufbau – Implantateinbringung – Folgeeingriffe erforderlich
gemacht, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht völlig schmerzlos verlaufen wären.
Der Senat ist indessen davon überzeugt, dass die Klägerin infolge der Einbringung
des Implantats in eine infektbeladene Region Wundheilungsstörungen und
Schmerzen in einem Ausmaß erlitten hat, die bei korrekter Behandlung nicht
entstanden wären. Vor allen Dingen ist aber auch zu berücksichtigen, dass der
Beklagte die von der Klägerin geschilderten Schmerzen offensichtlich
unterbewertet und nicht hinreichend ernst genommen hat. Weitere gravierende
Beschwerden wären der Klägerin erspart geblieben, wenn der Beklagte frühzeitig
oder jedenfalls im September 2000 erkannt hätte, dass die Sofortimplantation –
mit der er der Klägerin zwar ursprünglich mehrere Eingriffe ersparen wollte –
fehlgeschlagen und ein weiteres Zuwarten erfolglos und für die Klägerin
unzumutbar sein würde.
Dass die Klägerin gerade durch das fehlerhafte Konzept des Beklagten auch
Magen- und Darmbeschwerden bekommen hätte, vermag der Senat nicht mit der
notwendigen Sicherheit festzustellen. Zwar kann eine mehrwöchige
Antibiotikaeinnahme durchaus zu Magen- und Darmbeschwerden führen. Eine
Antibiotikagabe wäre jedoch vorliegend angesichts der infizierten Region ohnehin
erforderlich gewesen.
Die Höhe des Schmerzensgeldes trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die
Klägerin über 5 Monate durch die ständigen Beschwerden in ihrer
Lebensgestaltung erheblich eingeschränkt war. Die Größenordnung orientiert liegt
an der oberen Grenze vergleichbarer Fälle zahnärztlicher Fehlbehandlung (vgl.z.B.
LG Düsseldorf v. 25.8.2005 – 3 0 354/04).
6. Der Feststellungsantrag ist begründet, soweit es um die Folgen geht, die auf der
Extraktion nebst Sofortimplantation in regio 2 1 und darauf zurückzuführen sind
bzw. sein werden, dass der Beklagte das Implantat nicht wenigstens am 13.9.2000
entfernt hat.
7. Nach allem war das angefochtene Urteil entsprechend abzuändern.Die
Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs.1, 344 ZPO.Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO. Die Revision war
nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht erfüllt sind.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.