Urteil des OLG Frankfurt vom 18.07.2005

OLG Frankfurt: wiedereinsetzung in den vorigen stand, gründung der gesellschaft, erfüllung, rechtsmittelfrist, gesellschaftsrecht, fax, berufungsfrist, altersrente, original, verweigerung

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Gericht:
OLG Frankfurt 1.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 U 109/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 362 BGB, § 19 GmbHG
(Gesellschaftsrecht: Beweispflichtige Erfüllung der
Einlageschuld des Gesellschafters)
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die
Berufungsinstanz wird abgelehnt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, Insolvenzverwalter einer Ende 1977 gegründeten GmbH, nimmt die
Beklagten auf Erfüllung einer restlichen Einlagenverpflichtung in Anspruch. Das
Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 14.4.2005 (Bl. 96 ff. d. A.), das den
Beklagten am 19.4.2005 zugestellt worden ist (Bl. 102 d. A.), stattgegeben. Die
Beklagten haben mit am 19.5.2005 eingegangenem Schriftsatz vom 17.5.2005
(Bl. 117 ff. d. A.) per Fax Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz beantragt
und den Entwurf einer Berufungsbegründung vorgelegt. Entgegen S. 2 Mitte dieses
Schriftsatzes, dessen Original am 23.5.2005 eingegangen ist (Bl. 130 d. A.), waren
dem Fax keine Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
der Antragsteller beigefügt; eine Angestellte der Prozessbevollmächtigten der
Beklagten hatte dies vergessen. Mit Schriftsatz vom 20.5.2005, der per Fax am
gleichen Tage (Bl. 128 d. A.) und im Original am 25.5.2005 (Bl. 136 d. A.)
eingegangen ist, hat der Beklagte zu 2. seine Formularerklärung nachgereicht und
gebeten, „das Büroversehen zu entschuldigen“. Der Beklagte zu 1. hat zu seinen
Haupteinkünften - einer Altersrente - keine Belege eingereicht. Das Formular des
Beklagten zu 2. ist unter der Rubrik „E“ (Bruttoeinnahmen) höchst unvollständig
ausgefüllt. Der Beklagte zu 1. begehrt wegen der verspäteten Vorlage seiner
Formularerklärung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
II. Den Beklagten ist die beantragte Prozesskostenhilfe zu versagen, weil ihre
beabsichtigte Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§
114 ZPO).
1. Die beabsichtigte Berufung ist wegen Versäumung der Berufungsfrist
unzulässig. Es spricht viel dafür, dass den Beklagten insoweit keine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sein wird, weil sie die
Berufungsfrist nicht schuldlos versäumt haben.
a) Einer Partei, die vor Ablauf der Rechtsmittelfrist Prozesskostenhilfe zur
Durchführung des Rechtsmittels beantragt hat, ist nach Ablehnung des
Prozesskostenhilfegesuchs nur dann wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist
Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht
mit der Verweigerung der Prozesskostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit
rechnen musste, sich also für arm halten und davon ausgehen durfte, die
wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe
dargetan zu haben. Von einer ordnungsgemäßen Darlegung dieser
Voraussetzungen darf eine anwaltlich vertretene Partei nicht ausgehen, die
innerhalb der Rechtsmittelfrist weder den nach § 117 Abs. 4 ZPO erforderlichen,
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innerhalb der Rechtsmittelfrist weder den nach § 117 Abs. 4 ZPO erforderlichen,
ordnungsgemäß ausgefüllten Vordruck vorgelegt noch auf Prozesskostenhilfe-
Unterlagen aus den Vorinstanzen mit der Erklärung Bezug genommen hat, dass
sich seither nichts verändert habe (vgl. BGHZ 148, 66, 69; BGH NJWE-FER 2001, 57
f. [unter II 2 der Entscheidungsgründe]; VersR 1997, 383 [unter II der
Entscheidungsgründe]). Ungeklärt ist, ob Gleiches gelten muss, wenn der
Antragsteller die Höhe seiner Einnahmen nicht belegt hat, wie das Formular dies
vorsieht.
b) An einer fristgerechten Darlegung im dargestellten Sinne fehlt es im
Streitfall.
(1) In der Formularerklärung des Beklagten zu 2. fehlen Angaben zu
Einnahmen aus selbständiger Arbeit, Vermietung und Verpachtung,
Kapitalvermögen und Wohngeld. Der Beklagte zu 1. hat die Höhe seiner
angeblichen Haupteinkünfte, einer Altersrente, nicht belegt.
(2) Die verspätete Vorlage der Urkunden zu den persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen dürfte auf einem Verschulden der
Prozessbevollmächtigten der Beklagten beruhen, das diese sich nach § 85 Abs. 2
ZPO zurechnen lassen müssen (vgl. BGHZ 148, 66, 70 ff.). Der Beklagte zu 2. hat
sich auf die lapidare Mitteilung beschränkt, die verspätete Übersendung seiner
Unterlagen beruhe auf einem zu entschuldigenden Büroversehen. Der Beklagte zu
1. hat sein Wiedereinsetzungsgesuch bezüglich des Prozesskostenhilfeantrags mit
einer Vergesslichkeit einer Büroangestellten seiner Prozessbevollmächtigten, die
„in der Regel“ ihre Arbeiten gewissenhaft und sorgfältig ausführe, zu entschuldigen
versucht. Bereits zu seinem erstinstanzlichen Prozesskostenhilfeantrag waren die
Anlagen unvollständig übersandt worden, was seine Prozessbevollmächtigten mit
Schriftsatz vom 13.4.2005 (Bl. 90 d. A.) ebenfalls als Büroversehen bezeichnet
hatten. Diese ungewöhnliche Häufung von Büroversehen weckt erhebliche Zweifel
an der Zuverlässigkeit des Büropersonals der Prozessbevollmächtigten sowie
daran, ob diese hinsichtlich der Auswahl und der Kontrolle desselben die nötige
Sorgfalt walten lassen.
2. Die Berufung kann jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben. Das Landgericht
hat die Beklagten zu Recht für die Erfüllung ihrer Einlageschuld als beweispflichtig
und -fällig angesehen. Der Senat teilt die Ansicht des Landgerichts und des OLG
Koblenz (NZG 2002, 821, 822; insoweit ohne nähere Begründung bestätigt durch
das Revisionsurteil BGH WM 2004, 2365 f. [juris-Rn. 9]; a. A. noch OLG Frankfurt
am Main NJW-RR 2001, 402 f. [juris-Rn. 5]; NZG 2002, 822, 823), dass die
Beweislast des sich auf die Erfüllung seiner Einlageschuld berufenden
Gesellschafters nicht dadurch entfällt und sich die Anforderungen an diesen
Beweis nicht allein dadurch ermäßigen, dass seit Gründung der Gesellschaft
geraume Zeit verstrichen ist. Soweit sich die Beklagten auf nunmehr
vorgefundene, erstmals vorgelegte Zahlungsbelege berufen, wird dies nach § 531
Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zu berücksichtigen sein.
III. Es besteht kein Grund, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 574 Abs. 2, 3 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.