Urteil des OLG Frankfurt vom 13.02.2003

OLG Frankfurt: letztwillige verfügung, freiwillige gerichtsbarkeit, testament, eltern, pflichtteil, erbschaft, wohlverhalten, enterbung, prüfungsbefugnis, verjährungsfrist

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 475/01
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2269 BGB, § 2303 BGB, §
2325 BGB
(Berliner Testament: Auslegung einer
Pflichtteilsstrafklausel zum Schutz des längstlebenden
Ehegatten)
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1) hat den Beteiligten zu 2) und 3) die im Verfahren der weiteren
Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Geschäftswert für die weitere Beschwerde wird auf 48.164,66 DM = 24.626,20
€ festgesetzt.
Gründe
Die Erblasserin und ihr Ehemann haben am 10.08.1941 die Ehe geschlossen, aus
der die Beteiligten zu 1) - 3) hervorgegangen sind. Am 23. März 1988 haben die
Eheleute ein gemeinsames notarielles Testament errichtet, das u.a. folgenden
Wortlaut hat:
"Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.
Der Längstlebende von uns soll den Vorversterbenden beerben und in der
Verfügung über sein Vermögen, sowie über das Ererbte völlig frei sein.
Der Längstlebende von uns soll insbesondere auch das Recht haben, nach
dem Tode des Erstversterbenden erneut anderweitig zu testieren.
Macht er von diesem Recht keinen Gebrauch, so sollen hinter dem
Längstlebenden unsere 3 Kinder Erben sein, nach Maßgabe nachstehender
Teilungsanordnung: "
"Wer sich unserem Willen nicht fügt oder dieses Testament anficht oder seinen
Pflichtteil, bzw. Ergänzungspflichtteil verlangt, soll hinter jedem von uns auf den
Pflichtteil gesetzt sein, also nicht lediglich hinter dem Erstversterbenden.
Bei der Berechnung des Pflichtteils soll dem Betreffenden alles angerechnet
werden, was er zu Lebzeiten bereits von uns erhalten hat. Damit dürfte alsdann
bereits durch diese Vorempfänge der Pflichtteil voll erfüllt sein."
Der Ehemann der Erblasserin ist am 25.06.1991, die Erblasserin am 28.08.1997
verstorben.
Mit einer Klageschrift vom 21.03.2000 haben die Beteiligten zu 2) und 3) unter
Bezugnahme auf ein entsprechendes Schreiben ihres Bevollmächtigten vom
09.04.1998 dem Landgericht Frankfurt am Main erklärt, sie machten
Pflichtteilsansprüche und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegenüber dem
Beteiligten zu 1) geltend und hätten sich entschlossen, das Erbe nach der Mutter
nicht anzutreten. Für diesen Rechtsstreit (2/22 O 145/00) ist am 22.05.2000 das
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nicht anzutreten. Für diesen Rechtsstreit (2/22 O 145/00) ist am 22.05.2000 das
Ruhen des Verfahrens mit dem Recht des jederzeitigen Widerrufs angeordnet
worden.
Am 03.11.2000 hat der Beteiligte zu 2) einen Antrag auf die Erteilung eines
Erbscheins nach der Erblasserin gestellt, der die Beteiligten zu 1) - 3) als Miterben
zu 1/3 ausweist.
Er hat dabei ausgeführt, der Einzelrichter in dem genannten Zivilrechtsstreit habe
die Pflichtteilsstrafklausel in dem gemeinschaftlichen Testament für unwirksam
gehalten.
Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 05.07.2001 (Bl. 74 ff d.A.) angekündigt,
dass es den beantragten Erbschein erlassen werde. Gegen diesen Vorbescheid
hat der Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt, die vom Landgericht durch
Beschluss vom 24.08.2001 (Bl. 113 ff d. A.) zurückgewiesen worden ist. Wegen der
Einzelheiten wird auf den landgerichtlichen Beschluss verwiesen (Bl. 157 ff d. A.).
Die wiederum dagegen gerichtete weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist
entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2) und 3) zulässig (§§ 27, 29 I, IV, 20, 21
FGG). Die Formulierung in § 27 FGG, die weitere Beschwerde sei zulässig, wenn die
Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe, ist nicht als
Zulässigkeitsvoraussetzung für die weitere Beschwerde zu verstehen. Diese
Vorschrift begrenzt lediglich die Prüfungsbefugnis des Gerichts der weiteren
Beschwerde und legt den Entscheidungsmaßstab fest (Keidel/Kuntze/Winkler,
Freiwillige Gerichtsbarkeit, 14. Aufl. 1999, § 27 Rn. 1).
Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1) hat jedoch keinen Erfolg (§§ 27 FGG, 550
a.F., 546 n.F. ZPO). Der landgerichtliche Beschluss enthält keinen Rechtsfehler
zum Nachteil des Beteiligten zu 1).
Eine letztwillige Verfügung ist nach § 133 BGB auszulegen, d.h. es ist der wirkliche
Wille des Erblassers zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des
Ausdrucks zu haften (Palandt-Edenhofer (2003), § 2084 BGB Rn 1). Dabei kommt
es bei einem gemeinschaftlichen Testament auf den übereinstimmenden Willen
beider Testierenden an (Palandt-Edenhofer, (2003), Einf. vor § 2265 BGB Rn 12 m.
w. N.). Die Auslegung des Testaments selbst obliegt den Tatsacheninstanzen. Der
Senat ist als Rechtsbeschwerdegericht an die vom Landgericht vorgenommene
Auslegung gebunden. Die dritte Instanz im FGG - Verfahren ist nach
revisionsähnlichen Grundsätzen ausgestaltet und nicht zur Nachprüfung von Tat-
und Ermessensfragen eröffnet. Der Senat kann daher die getroffene Auslegung
nur daraufhin nachprüfen, ob diese nach den Denkgesetzen und der Erfahrung
möglich ist, ob sie mit den gesetzlichen Auslegungsregeln im Einklang steht, ob
sie dem klaren Sinn und Wortlaut des Testaments nicht widerspricht und ob alle
wesentlichen Umstände berücksichtigt sind. Dabei müssen die Schlussfolgerungen
des Tatrichters nicht zwingend sein; es genügt, wenn sie nur möglich sind, mag
auch eine andere Schlussfolgerung ebenso nahe oder noch näher liegen
(Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 14. Aufl. 1999, § 27 Rn 1, 42).
Die Eheleute hatten sich in dem gemeinsamen Testament wechselseitig zu
Alleinerben eingesetzt und sich alle Verfügungsfreiheiten einschließlich der
Testierfreiheit eingeräumt. Damit waren die Beteiligten zu 1) - 3) im ersten Erbfall
von der Erbfolge ausgeschlossen. Sie hätten deswegen nach dem ersten Erbfall
Pflichtteilsansprüche gegenüber der Erblasserin als dem längstlebenden Elternteil
geltend machen können (§ 2303 BGB), wobei es der Erblasserin nach dem
Testament freigestanden hätte, es nach der Geltendmachung des
Pflichtteilsanspruchs bei der Strafklausel des gemeinsamen Testaments zu
belassen oder die Strafklausel durch eine anderweitige letztwillige Verfügung
abzumildern.
Soweit der Beteiligte zu 1) meint, die Klausel regele nicht nur den Fall, dass hinter
dem Erstversterbenden Pflichtteilsansprüche geltend gemacht werden, ist diese
Auslegung keinesfalls zwingend, sie ist nicht einmal naheliegend. Daran ändert
auch der Umstand nichts, dass die Beteiligten zu 2) und 3) zunächst die Klausel
ebenso ausgelegt haben, wie der Beteiligte zu 1) sie ausgelegt wissen will. Die
Ursachen und Motive für diese Auslegung sind von den Vorinstanzen nicht
abschließend festgestellt worden. Sie können hier auch dahinstehen, denn es ist
nicht ersichtlich geworden, dass die Eltern in dem gemeinschaftlichen Testament
ihre Abkömmlinge auch beim zweiten Erbfall dazu bringen wollten, auf die
Geltendmachung ihrer Rechte zu verzichten. Die Eltern wussten - wie sich aus der
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Geltendmachung ihrer Rechte zu verzichten. Die Eltern wussten - wie sich aus der
Formulierung der Klausel ergibt - das ein Abkömmling einen Pflichtteilsanspruch
und unter Umständen auch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch hat. Sie wollten -
vorbehaltlich einer anderweitigen letztwilligen Verfügung des Letztversterbenden -
ihre Kinder zu Erben einsetzen. Eine Anordnung, dass das Verlangen eines
Pflichtteils oder eines Ergänzungspflichtteils nach dem Letztversterbenden im
Nachhinein mit der Enterbung nach dem Erstversterbenden sanktioniert werden
solle, macht bei dieser Ausgangssituation wenig Sinn. Sofern ein Abkömmling im
ersten Erbfall sich entsprechend der testamentarischen Anordnung wohlverhalten
und keinen Pflichtteil gefordert hat, ist nach Ablauf der dreijährigen
Verjährungsfrist (§ 2332 BGB) der Pflichtteilsanspruch hinter dem
Erstversterbenden ohnehin in aller Regel nicht mehr durchsetzbar. Schon das
Amtsgericht hatte mit Recht darauf hingewiesen, dass es für die vom Beteiligten
zu 1) verfolgte, weitreichende Auslegung der Strafklausel keine Anhaltspunkte gibt
und auch der Beteiligte zu 1) (dort Beteiligter zu 3) keine konkreten Anhaltspunkte
hierfür vorgetragen habe.
Das Landgericht war nach alledem aus Rechtsgründen nicht an der Annahme
gehindert, dass die Strafklausel vorliegend durch die Geltendmachung von
Pflichtteilsansprüchen nicht erfüllt worden ist. Das Landgericht durfte die Klausel
als Schutzklausel nur für den längstlebenden Ehegatten ansehen und brauchte
nicht davon auszugehen, dass die Strafklausel auch bei Streitigkeiten der Miterben
nach dem letzten Erbfall eingreifen sollte.
Die Rügen des Beteiligten zu 1) laufen bei dieser Sachlage im Ergebnis darauf
hinaus, dass er seine Testamentsauslegung hinsichtlich der Strafklausel an die
Stelle derjenigen des Landgerichts setzen will. Dies muss im Hinblick auf den
dargelegten Prüfungsrahmen im Verfahren der weiteren Beschwerde erfolglos
bleiben. Pflichtteilsansprüche haben die Beteiligten zu 1) - 3) nach dem ersten
Erbfall gegenüber der Mutter nicht geltend gemacht. Mithin konnte die
Sanktionsklausel auch nicht greifen. Dies führte nach dem Tod der Mutter dazu,
dass das noch vorhandene Vermögen auf die Beteiligten zu 1) - 3) als Miterben
überging (§ 1942 BGB). Die Miterbenstellung hätten die Beteiligten zu 2) und 3)
zwar wieder verlieren können, wenn sie vor Annahme der Erbschaft innerhalb von
sechs Wochen nach Kenntnis des Erbanfalls und dem Grund ihrer Berufung die
Erbschaft ausgeschlagen hätten (§§ 1943, 1944 BGB). Vorliegend spricht viel
dafür, dass auch die Beteiligten zu 2) und 3) die Erbschaft angenommen haben,
denn zur Klage haben sie sich erst später entschlossen. Die Frage der Annahme
kann jedoch dahinstehen, denn die Ausschlagung hätte gegenüber dem
Nachlassgericht erfolgen müssen und zwar zur Niederschrift des Nachlassgerichts
oder in öffentlich beglaubigter Form (§ 1945 BGB). Solche Erklärungen haben die
Beteiligten zu 2) und 3) aber nicht abgegeben.
Mithin verbleibt es bei der Erbeinsetzung aller drei Abkömmlinge in dem
gemeinsamen Testament. Da ihnen keine unterschiedlichen bestimmten Erbteile
zugewiesen sind, konnte das Landgericht auch davon ausgehen, dass die Eltern in
dem gemeinschaftlichen Testament gleiche Erbquoten gewollt haben (§§ 2091,
2087 BGB), also alle drei Söhne jeweils Erben zu 1/3 sein sollten. Dafür spricht
auch, dass die Eltern in dem Testament den Grundbesitz nicht vollständig durch
eine abschließenden testamentarische Regelung aufgeteilt haben, sondern
angekündigt haben, noch zu Lebzeiten an die Kinder das eine oder andere
Grundstück zu übertragen. Hinzu kommt, dass die Eltern für Geld und Wertpapiere
ausdrücklich eine Aufteilung zu gleichen Teilen unter ihre drei Kinder angeordnet
haben.
Danach war die weitere Beschwerde mit den Nebenentscheidungen aus den §§ 13
a I 2 FGG, 131 II, 30 KostO zurückzuweisen. Die Geschäftswertfestsetzung erfolgt in
Anlehnung an die insoweit nicht angegriffene Wertfestsetzung des Landgerichts.
Für den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens ist das mit dem Rechtsmittel
verfolgte wirtschaftliche Interesse maßgeblich. Das wirtschaftliche Interesse des
Beschwerdeführers entspricht dem vollen angenommen Wert der beiden auf die
Beteiligten zu 2) und 3) entfallenden Erbteile. Ein Abschlag hat nicht zu erfolgen,
da zwischen dem Beteiligten zu 1) und den Beteiligten zu 2) und 3) etwaige
Pflichtteilsrechte nicht unstreitig sind.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.