Urteil des OLG Frankfurt vom 06.04.2010

OLG Frankfurt: terrasse, mauer, grenzabstand, bepflanzung, nachbarrecht, wohnung, erlass, grundstück, rückbau, haus

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 78/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1004 Abs 1 BGB, § 14 Nr 1
WoEigG, § 15 Abs 3 WoEigG, §
22 Abs 1 WoEigG
Mauer als bauliche Veränderung
Leitsatz
Die Errichtung einer aus Pflanzsteinen samt Bepflanzung mit Thujen bestehenden
Mauer zwischen zwei Sondernutzungsflächen stellt eine bauliche Veränderung nach §§
22 Abs. 1 Satz 1, 14 Nr. 1 WEG dar.
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen, soweit durch den
angefochtenen Beschluss die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen die
Zurückweisung seines Antrags auf Verpflichtung der Antragsgegner zur Entfernung
der auf ihrer Sondernutzungsfläche aus sog. Florwallsteinen errichteten Mauer
einschließlich der darin gepflanzten Thujen zurückgewiesen worden ist.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit darin die Antragsgegner zur
Entfernung einer Kirschlorbeerpflanze neben der Terrasse verpflichtet worden sind,
und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die
gesamten Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde - an das
Landgericht zurückverwiesen.
Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 2.600,00 €
festgesetzt.
Gründe
Die Beteiligten sind die Miteigentümer der Wohnungseigentumsanlage …Straße…/
…, Stadt1
Der Antragsteller ist Eigentümer einer Wohnung Nr. …, die sich im Haus …
befindet und die Antragsgegner sind Eigentümer einer Wohnung Nr. …, die sich in
dem angrenzenden Haus Nr. … befindet. Dem Antragsteller und den
Antragsgegnern stehen Sondernutzungsrechte an Gartenflächen zu, die
aneinandergrenzen. In einem Vorverfahren, das die jetzigen Antragsgegner gegen
den jetzigen Antragsteller führten und das den Verlauf der Grenzen des jeweiligen
Sondernutzungsrechts zum Gegenstand hatte, wurde am 19.04.2004 durch den
Sachverständigen SV1 ein Gutachten erstellt, für dessen Inhalt auf Bl. 27-32 d. A.
Bezug genommen wird. Die Verfahrensbeteiligten haben den in diesem Gutachten
festgelegten Grenzverlauf nach den Feststellungen des Amtsgerichts als
zutreffend anerkannt.
Sie streiten sich jetzt noch um die Beseitigung einer aus so bezeichneten
Florwallsteinen errichteten und mit Thujen bepflanzten Mauer, die von den
Antragsgegnern gemäß den Feststellungen des Amtsgerichts auf ihrer
Sondernutzungsfläche entlang der Grenze zu der dem Sondernutzungsrecht des
Antragstellers unterliegenden Gartenfläche errichtet worden ist.
Insoweit haben sowohl das Amtsgericht wie auch das Landgericht den Antrag des
Antragstellers auf Rückbau zurückgewiesen nach Durchführung von
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Antragstellers auf Rückbau zurückgewiesen nach Durchführung von
Ortbesichtigungen, für deren Ergebnis auf das Protokoll des Amtsgerichts vom
26.04.2006 (Bl. 158, 159 d. A.) samt aus der Anlage ersichtlichen Lichtbildern (Bl.
160-164 d. A.) sowie das Protokoll des Landgerichts vom 27.06.2007 samt aus der
Anlage ersichtlichen Lichtbildern Bezug genommen wird (Bl. 211 ff. d. A.).
Das Landgericht hat dazu in seiner Beschwerdeentscheidung vom 23.01.2008 (Bl.
228-235 d. A.) u. a. ausgeführt, dass eine das Maß des § 14 WEG a. F.
überschreitende Beeinträchtigung des Antragstellers nicht festgestellt werden
könne, da nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung die Florwallsteine ebenso
wenig störten wie die darin eingepflanzten Thujen. Die Steine seien vom
Grundstück des Antragstellers aus nicht wahrnehmbar und die Thujen fügten sich
in das Gesamtbild ein. Die Erstbeschwerde des Antragstellers wurde deshalb
insoweit zurückgewiesen.
Im landgerichtlichen Verfahren hatte der Antragsteller über seine erstinstanzlichen
Anträge hinaus - die bis auf die Beseitigung der sog. Florwallmauer samt
Thujabepflanzung nicht mehr streitgegenständlich sind - neu beantragt, die
Kirschlorbeerpflanze neben der Terrasse zu entfernen, da der Grenzabstand nach
§ 38 Hess NachbarrechtsG nicht eingehalten sei.
Diesen Antrag gemäß Schriftsatz vom 19.10.2006 (Bl. 185 d. A.) hat der
Antragstellervertreter in der Sitzung vor der Kammer vom 28.02.2007 (Bl. 192,
193 d. A.) gestellt und nach der Inaugenscheinseinnahme am 27.06.2007 (Bl. 212
d. A) wiederholt, obwohl die Kammer festgestellt hatte, dass ein größerer und ein
kleinerer Kirschlorbeerstrauch neben der Terrasse vorhanden seien, wobei der
größere in der Mitte des Stammes 40 cm und der kleinere mittig im Stamm 38 cm
von der gemeinsamen Grenze entfernt stehe.
Das Landgericht hat auf die Erstbeschwerde des Antragstellers den
amtsgerichtlichen Beschluss vom 09.06.2006 (Bl. 169-172 d. A.) insoweit
abgeändert, als es die Antragsgegner verpflichtet hat, eine Kirschlorbeerpflanze
neben der Terrasse zu entfernen. Insoweit hat die Kammer ausgeführt, dass die
Ortsbesichtigung ergeben habe, dass es zwei Kirschlorbeerpflanzen neben der
Terrasse gebe, die beide nicht den nach § 38 Hess NachbarG, der auch auf die
Verhältnisse zwischen Wohnungseigentümern Anwendung finde, erforderlichen
Mindestabstand von 50 cm zur Grenze einhielten. Daher sei ein Strauch zu
entfernen.
Gegen den Beschluss des Landgerichts, der ihrem Verfahrensbevollmächtigten
am 28.01.2008 zugestellt worden ist, wendet sich der Antragsteller mit der
sofortigen weiteren Beschwerde, die per Fax-Schreiben am 11.02.2008 bei Gericht
eingegangen ist.
Er verfolgt hinsichtlich des Rückbaus der aus sog. Florwallsteinen mit
Thujabepflanzung errichteten Mauer seinen bisherigen Antrag weiter. Insoweit trägt
der Antragsteller vor, entgegen den Feststellungen des Landgerichts sei er durch
die streitgegenständliche Mauer beeinträchtigt, da die entlang der Grenze auf
seinem Grundstück vorhandenen Pflanzen in ihrer Entwicklung durch die
"Abmauerung" im Wurzelbereich geschädigt würden. Außerdem habe die Kammer
nicht berücksichtigt, dass die Thujen, die in einer Entfernung von 22-25 cm zur
Grenze gepflanzt seien, bei einer Höhe von 1,0-1,60 cm den nach hessischem
Nachbarrecht erforderlichen Abstand von 50,00 cm nicht einhielten.
Weiter beantragt der Antragsteller, die Antragsgegner zur Entfernung beider
Kirschlorbeerpflanzen neben der Terrasse zu verpflichten, da beide nach den
Feststellungen bei der Ortsbesichtigung den erforderlichen Grenzabstand nicht
einhielten. Da der landgerichtliche Beschluss auch nicht bezeichne, welche der
beiden Kirschlorbeerpflanzen zu entfernen seien, fehle die Vollstreckungsfähigkeit.
Die Antragsgegner sind der weiteren Beschwerde entgegengetreten. Sie
verteidigen den angefochtenen Beschluss und verweisen hinsichtlich der
Entfernung der Kirschlorbeersträucher auf die Antragstellung im landgerichtlichen
Beschwerdeverfahren.
Sie bestreiten eine Beeinträchtigung des Antragstellers durch die Florwallsteine
und machen geltend, auch ein Anspruch auf Beseitigung der Thujen komme nicht
in Betracht. Das Nachbarrecht finde nach ihrer Auffassung auf im
Sondernutzungsrecht stehende benachbarte Gartenflächen keine Anwendung.
Außerdem sei bei einer Hecke bis zu 1,20 m Höhe lediglich ein Grenzabstand von
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Außerdem sei bei einer Hecke bis zu 1,20 m Höhe lediglich ein Grenzabstand von
0,25 m einzuhalten.
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist gemäß den §§ 45 Abs. 1
WEG a. F., 62 Abs. 1 WEG n. F. statthaft und auch ansonsten zulässig,
insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist aber nur im Umfang des
Tenors begründet.
Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler - und nur insoweit findet eine Überprüfung
im Rechtsbeschwerdeverfahren statt - davon ausgegangen, dass dem
Antragsteller der geltend gemachte Beseitigungsanspruch gemäß den §§ 1004
Abs. 1 BGB, 14 Nr. 1, 22 Abs. 1 WEG nicht zusteht. Allerdings scheitert der Antrag
nicht bereits daran, dass dem Antragsteller die Klagebefugnis fehlen würde, wie die
Antragsgegner meinen, denn den Beseitigungsanspruch kann jeder
Wohnungseigentümer allein ohne Ermächtigung durch die übrigen
Wohnungseigentümer gerichtlich durchsetzen
(Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten: WEG, 9. Aufl., § 22, Rdnr. 194;
Palandt/Bassenge: WEG, 69. Aufl., § 22, Rdnr. 34 a). Vielmehr fehlt es, wie die
Kammer zutreffend entschieden hat, an einer Beeinträchtigung des Antragstellers,
die das Maß des § 14 Nr. 1 WEG überschreiten würde.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der § 22 Abs. 1 WEG in seiner früheren Fassung
oder in der seit 01.07.2007 geltenden Fassung anzuwenden ist, da dies nicht zu
unterschiedlichen Ergebnissen führen würde.
Um bauliche Veränderungen im Sinn des § 22 WEG handelt es sich bei auf Dauer
angelegten gegenständlichen Eingriffen in die Substanz des gemeinschaftlichen
Eigentums, die nicht mehr der Pflege, Erhaltung oder Bewahrung des
gegenwärtigen Zustands oder seiner erstmaligen Herstellung dienen, sondern
darüber hinaus einen neuen Zustand schaffen
(Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten: WEG, 8. Aufl., § 22, Rdnr. 11). Nach dieser
Definition liegt bei der Errichtung der sogenannten Florwallmauer samt
Thujabepflanzung eine bauliche Veränderung vor. Aber auch soweit die Errichtung
und Bepflanzung der Mauer ohne Substanzeingriffe erfolgt sein sollte, besteht
dann ein Unterlassungsanspruch nach § 15 Abs. 3 WEG, wenn von dem
gemeinschaftlichen Eigentum ein Gebrauch gemacht wird, der zu einem Nachteil
im Sinn von § 14 Nr. 1 WEG führt (BGH NJW 2004, 937, 938;
Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, 9. Aufl., § 22, Rdnr. 11).
Daran ändert auch die Einräumung eines Sondernutzungsrechts an einer
unbebauten Fläche nichts, weil sich dadurch der Charakter der Fläche als
Gemeinschaftseigentum nicht ändert und mit der Einräumung dieses
Sondernutzungsrechts nicht ohne Weiteres auch die Zustimmung zur Bebauung
verbunden ist (Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten: WEG, 9. Aufl., § 22, Rdnr. 141).
In diesem Zusammenhang ist zu unterscheiden zwischen der Einräumung eines
Sondernutzungsrecht -sei es rein schuldrechtlich oder verdinglicht- und der
Zustimmung zu einer baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums. Das
Sondernutzungsrecht berechtigt zum alleinigen Gebrauch bzw. zu Ausschluss der
übrigen Wohnungseigentümer, es erlaubt dem Berechtigten aber keinen weiteren
Gebrauch, als er den anderen Eigentümern zustünde, wenn das
Sondernutzungsrecht nicht bestünde. Bauliche Veränderungen des
Gemeinschaftseigentums sind auch bei Bestehen eines Sondernutzungsrechts nur
unter des Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 WEG zulässig (Senat ZWE 2006, 243,
246; Riecke/Schmid: WEG, § 13, Rdnr. 37; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten,
aaO., § 13, Rdnr. 39). Dass im vorliegenden Fall die Gemeinschaftsordnung den
Sondernutzungsberechtigten bei der Gartengestaltung einen weitergehenden
Gestaltungsspielraum gewähren würde, ist in den Tatsacheninstanzen weder von
den Beteiligten vorgetragen, noch –mangels Beiziehung der
Gemeinschaftsordnung- von den Vorinstanzen festgestellt worden und kann
deshalb nicht Grundlage der rechtlichen Beurteilung im
Rechtsbeschwerdeverfahren sein.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG in Verbindung mit § 14 Nr. 1 WEG hat ein
Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung hinzunehmen, durch die ihm
kein Nachteil erwächst, der über das bei einem geordneten Zusammenleben
unvermeidliche Maß hinausgeht. Unter einem Nachteil in diesem Sinn ist jede
nicht ganz unerhebliche, objektiv und konkret feststellbare Beeinträchtigung zu
verstehen. Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein
Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise
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Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise
beeinträchtigt fühlen kann (BGH NJW 1992, 978, 979; Senat, z. B. Beschluss vom
18.02.2002 -20 W 452/2000- und Beschluss vom 14.09.2005 -20 W 305/2003-). Bei
der Beurteilung, ob eine bauliche Veränderung eine nicht ganz unerhebliche
Beeinträchtigung in diesem Sinne darstellt, handelt es sich weitgehend um eine
Tatsachenfeststellung der Kammer als Tatsacheninstanz, die das
Rechtsbeschwerdegericht gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 559 Abs. 2 ZPO nicht
auf ihre sachliche Richtigkeit überprüfen kann, sondern nur darauf, ob das Ergebnis
auf einem Rechtsfehler beruht (Bärmann/Pick/Merle,: WEG, 9. Aufl., § 22, Rdnr.
130). Ein derartiger Rechtsfehler ist der Kammer nicht unterlaufen, wenn sie nach
Ortsbesichtigung von einer derartigen Beeinträchtigung des Antragstellers nicht
ausgegangen ist. Entgegen der Begründung der weiteren Beschwerde hat die
Kammer ausweislich Seite 6 (Mitte) der angefochtenen Entscheidung eine
Beeinträchtigung im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG sowohl hinsichtlich der sog.
Florwallsteine als auch hinsichtlich der darin eingepflanzten Thujen verneint.
Auch soweit in der weiteren Beschwerde erstmals vorgetragen und unter Beweis
durch Sachverständigengutachten gestellt wird, eine Beeinträchtigung liege in der
Schädigung der Pflanzen auf dem Sondernutzungsteil des Antragstellers durch
eine "Abmauerung" im Wurzelbereich, kann dies nicht zum Erfolg führen.
Grundlage der Entscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren sind nur die in der
Entscheidung des Beschwerdegerichts festgestellten Tatsachen, also der
Sachverhalt, wie er sich bei Erlass der Beschwerdeentscheidung darstellt. Neue
Tatsachen und Beweismittel können, soweit sie sich auf die Sache selbst beziehen,
in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich weder von den Beteiligten, noch
durch das Gericht eingeführt werden; sie können deshalb im
Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich keine Berücksichtigung mehr finden.
Dies gilt sowohl für Tatsachen, die bei Erlass der Beschwerdeentscheidung bereits
bestanden, aber nicht vorgebracht wurden, wie auch für erst nachträglich
eingetretenen (vgl. die Nachweise bei Senat, Beschluss vom 01.02.2007, 20 W
8/06, zitiert nach juris).
Entsprechendes gilt auch, soweit der Antragsteller sein Beseitigungsbegehren
hinsichtlich der Thujabepflanzung auf die Nichteinhaltung von Grenzabständen
nach dem Hessischen Nachbarrechtsgesetz stützt. Auch hier hat der Antragsteller
erst mit der Begründung der weiteren Beschwerde im Schriftsatz vom 10.07.2008
unter Angabe von Zahlen zum Grenzabstand und zur Höhe der Pflanzen
vorgetragen und Beweis angetreten. Die Begründung der Erstbeschwerde
(Schriftsatz vom 19.10.2006, Bl. 185, 186 d. A.) enthält dagegen nur die pauschale
Behauptung, der Grenzabstand sei nicht eingehalten worden. In echten
Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen auch die
Wohnungseigentumsverfahren nach altem Recht zählen, ist die Ermittlungspflicht
des Gerichts durch die Darlegungs- und Förderungslast der Beteiligten begrenzt.
Sie besteht nur, sofern der Vortrag der Beteiligten oder der im Übrigen
festgestellte Sachverhalt zu Ermittlungen Anlass gibt. Hierbei ist davon
auszugehen, dass jeder Beteiligte die für ihn vorteilhaften Umstände von sich aus
vorbringt (Niedenführ/Schulze: WEG, 7. Aufl., §§ 43, Rdnr. 145 m. w. H.).
Davon abgesehen finden zwar inzwischen nach ganz überwiegender Auffassung
bei Streitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern über die Bepflanzung
unmittelbar benachbarter Gartenteile, an denen jeweils einem der Eigentümer ein
Sondernutzungsrecht zusteht, nachbarrechtliche Vorschriften nach Landesrecht
über die Grenzabstände von Bäumen und Sträuchern und ihren Rückschnitt sowie
über Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Beseitigungsansprüchen
entsprechende Anwendung. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine
wertende Einbeziehung nachbarrechtlicher Vorschriften in die nach dem WEG
vorzunehmende Interessenabwägung, nicht jedoch um eine pauschale Anwendung
der nachbarrechtlichen Vorschriften, denn für das Verhältnis der
Wohnungseigentümer untereinander gelten weitergehende
Rücksichtnahmepflichten als im allgemeine Nachbarrecht (vgl. BGH NJW 2007,
3636 m. w.; Oberlandesgericht Hamm NZM 2003, 156, 157). Deshalb wäre bei
dieser wertenden Einbeziehung der Abstandsregelung in § 39 Abs. 1 Nr. 3 Hess
NachbarG durchaus zu berücksichtigen, dass der Antragsteller, wie sich aus den
vom Amtsgericht bei der Ortbesichtigung erstellten Lichtbildern ergibt, an der
Grenze zwischen den Sondernutzungsflächen der Beteiligten Thujen angepflanzt
hat, die inzwischen eine über 2 m hohe Hecke bilden und nach den Feststellungen
des Amtsgerichts zu einem Überhang von Zweigen auf die Sondernutzungsfläche
der Antragsgegner geführt hatten.
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Die angefochtene Entscheidung beruht jedoch insoweit auf einem Rechtsfehler, als
darin die Verpflichtung der Antragsgegner zur Entfernung einer
Kirschlorbeerpflanze neben der Terrasse ausgesprochen wird.
Nachdem die Ortsbesichtigung ergeben hatte, dass nicht nur eine, sondern zwei
Kirschlorbeerpflanzen neben der Terrasse stehen, die beide mit 38 bzw. 40 cm den
nach § 38 Nr. 3 b Hess NachbarG erforderlichen Grenzabstand von 50 cm nicht
einhalten – wie auf Blatt 6 letzter Abschnitt des Beschlusses vom 23.01.2008 auch
ausführt wird- hätte die Kammer auf die Stellung eines sachgerechten Antrags
hinwirken bzw. den gestellten Antrag auslegen (Niedenführ/Schulze: WEG, 7. Aufl.,
vor §§ 43 ff, Rdnr. 42) oder in den Entscheidungsgründen ausführen müssen, dass
und aus welchen Gründen der Beseitigungsanspruch nur bezüglich einer Pflanze
und zwar welcher von beiden für begründet erachtet wird. Da diese Ausführungen
in den Entscheidungsgründen fehlen, kann auch keine Auslegung des Tenors
erfolgen, weshalb der Antragsteller zu Recht die fehlende Vollstreckbarkeit des
angefochtenen Beschlusses rügt, soweit darin die amtsgerichtliche Entscheidung
abgeändert worden ist.
Da dies im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden kann, war
insoweit die Aufhebung und Zurückverweisung erforderlich.
Die Festsetzung des Geschäftswertes des Verfahrens der weiteren Beschwerde
folgt aus § 48 Abs. 3 WEG a. F. und orientiert sich an der unbeanstandet
gebliebenen Festsetzung durch das Landgericht, wobei berücksichtigt worden ist,
dass verfahrensgegenständlich lediglich noch der Rückbau der sogenannten
Florwallmauer samt Bepflanzung und die Entfernung der Kirschlorbeersträucher
waren.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.