Urteil des OLG Frankfurt vom 27.05.2009

OLG Frankfurt: vertragliches verhältnis, analogie, auskunftsrecht, kreditinstitut, einsichtnahme, besucher, verfügung, fax, unentgeltlich, briefpost

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Gericht:
OLG Frankfurt 17.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
17 U 43/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 675a BGB, § 12 BGB-InfoV
Leitsatz
Einsichtnahme in Preis- und Leistungsverzeichnis einer Sparkasse.
Anmerkung: Das Rechtsmittelverfahren wird beim BGH unter dem Aktenzeichen XI ZR
188/09 geführt.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 09.12.2008 verkündete Urteil der 18.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen die Abweisung seiner Klage, mit der
er die Beklagte darauf in Anspruch nimmt, dem Kläger auf Verlangen unentgeltlich
per E-Mail, Fax oder Briefpost ein aktuelles vollständiges Preis- und
Leistungsverzeichnis zur Verfügung zu stellen.
Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, der sich auf bankenrechtlichen
Verbraucherschutz spezialisiert hat und als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4
UklaG eingetragen ist, schrieb unter dem 05.02.2007 (Anlage K 2 = 9 d. A.) an die
Beklagte und erbat unter Hinweis auf § 675 a BGB i. V. m. § 10
Informationspflichtenverordnung eine vollständige Ausfertigung des derzeit
gültigen Preis- und Leistungsverzeichnisses – nicht etwa des Preisaushangs –, und
zwar kostenlos.
Mit Schreiben vom 09.02.2007 (Anlage K 3 = S. 10 d. A.) lehnte die Beklagte dies
ab, weil sich der Kläger außerhalb ihres Geschäftsgebietes befinde und deshalb als
möglicher Kunde ausscheide.
Nach Ablauf der gesetzten Frist mahnte der Kläger die Beklagte unter
Übermittlung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab (Anlage B 2 = Bl. 34
d. A.). Die Beklagte wies die Abmahnung mit der Begründung zurück,
Informationspflichten bestünden nur gegenüber Kunden sowie Personen, die eine
Geschäftsverbindung mit der A aufbauen wollten. Ferner verwies die Beklagte auf
die …rechtliche Besonderheit des gesetzlichen Regionalitätsprinzips –
Geschäftsbeziehungen würden nur zu Kunden aus dem Geschäftsgebiet geführt.
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Geschäftsbeziehungen würden nur zu Kunden aus dem Geschäftsgebiet geführt.
Mangels Regelungslücke wäre eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 675 a
BGB unstatthaft.
Der Anspruch auf (noch dazu kostenlose) Überlassung des Preis- und
Leistungsverzeichnisses wurde damit verneint.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei gemäß § 675 a BGB
analog und nach §§ 1, 2 UklaG i. V. m. §§ 675 a, 312 b Abs. 1 Satz 1 und 2, 312 c,
126 b BGB i. V. m. der Informationspflichtverordnung § 1 Abs. 1 Nr. 7 analog
verpflichtet, Interessenten Einsicht in das komplette aktuelle Preis- und
Leistungsverzeichnis zu geben. Die Beklagte sei entsprechend der
Rechtsprechung zu Testkäufen verpflichtet, Testbeobachtungen des Klägers
zuzulassen. Die ihr zugewiesenen Aufgaben, die in der Richtlinie 93/13/EWG des
Rats vom 15.04.1993 über die Verwendung missbräuchlicher Klauseln festgehalten
seien, könne der Kläger nur erfüllen, wenn er das aktuelle Preis- und
Leistungsverzeichnis einsehen könne. Der Kläger hat sich auf die Entscheidung
des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19.01.2007, Az.: 2/2 O 267/06, des
Landgerichts Nürnberg/Fürth vom 16.11.2006, 9856/06, des OLG Bamberg vom
22.02.2007, 3 W 19/07, und des Landgerichts Schweinfurt vom 30.01.2007, Az.: 22
O 3/07, bezogen.
Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, § 13 UklaG regle auch
Auskunftsansprüche wie den vorliegenden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger auf Verlangen unentgeltlich per E-
Mail, Fax oder Briefpost ein aktuelles vollständiges Preis- und Leistungsverzeichnis
zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, § 12 BGB Informationsverordnung stelle klar,
dass als interessierte Personen nur tatsächliche und mögliche Kunden als
Anspruchsberechtigte in Frage kommen. Das Gleiche ergebe sich aus der
Überweisungsrichtlinie (Art. 3 bis 5 der Richtlinie 97/5/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 bei grenzüberschreitenden
Überweisungen). Die Rechtsprechung zu Testkäufen sei nicht einschlägig. Den
Informationsanspruch von Kunden bzw. potentiellen Kunden habe die Beklagte nie
in Frage gestellt. Das Vorgehen des Klägers, der die Beklagte – wie andere
abgemahnte Banken – ohne irgendeinen Anhaltspunkt für konkrete Verstöße unter
Pauschalverdacht stelle, sei weder durch den Vereinszweck abgedeckt, noch
entspreche es dem Sinn und Zweck des UklaG. Der Kläger mahne massenhaft ab.
Er habe in einem Schreiben an die A O2 unter dem Datum des 06.04.2006
mitgeteilt, dass er bislang 140 A zur Ordnung gerufen habe und 120 strafbewehrte
Unterlassungserklärungen abgegeben wurden.
Die massenhafte Abmahnung gleichgearteter Fälle lege die Vermutung nahe, dass
es dem Kläger in erster Linie um die Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke gehe. Das
sei unzulässig. Das Begehren des Klägers stelle sich als Ausforschungsanspruch
dar. Die Unterlassungsklagenrichtlinie (Richtlinie 96/27/EG des Europäischen
Parlaments und des Rats vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz
der Verbraucherinteressen) diene nicht einer Vorabkontrolle, sondern dem Schutz
der Verbraucherinteressen zur Abstellung von beanstandeten
grenzüberschreitenden Verstößen.
Die Beklagte hat ferner auf das Regionalprinzip verwiesen. Wegen des Sitzes des
Klägers in O1 sei eine mögliche Geschäftsbeziehung …rechtlich von vornherein
ausgeschlossen. Es fehle deshalb das Rechtsschutzbedürfnis für eine
Übersendung des Preis- und Leistungsverzeichnisses.
Unter Verweis darauf, dass es für die Zurverfügungstellung ausreiche, wenn die
Information zur Kenntnis vor Ort bereit gehalten werde, womit eine Holschuld
gemäß § 269 BGB begründet werde, bestehe ein Anspruch auf Übersendung bzw.
gar kostenlose Übersendung nicht. Die angesprochene Richtlinie habe
qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UklaG gerade keine vorvertraglichen
Informationsrechte eingeräumt. Tätig werden dürfe der Kläger nur bei
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Informationsrechte eingeräumt. Tätig werden dürfe der Kläger nur bei
beanstandeten Verstößen und nicht pauschal im Masseverfahren.
Das Landgericht hat – in der Argumentation im Wesentlichen dem
Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts München vom 22.11.2007 (Anlage B 8 =
Bl. 101 ff. d. A.) folgend – die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein
Auskunftsanspruch des Klägers gemäß § 675 a BGB i. V. m. Art. 239 EGBGB i. V.
m. § 12 BGB-InfoVO bestehe nicht, weil die Verpflichtung zur Gewährung von
Einsicht in das vollständige Preis- und Leistungsverzeichnis nur gegenüber
möglichen Kunden anzunehmen sei, zu denen der Kläger nicht gehöre.
Ein Auskunfts- und Einsichtnahmeanspruch sei nicht allgemein auf den Kläger als
Verbraucherschutzverband zu erstrecken. § 12 BGB-InfoVO beruhe auf der
Umsetzung des Art. 3 der Richtlinie Nr. 97/5/EG vom 27.01.1997 – die
Einsichtspflicht werde dort lediglich auf tatsächliche und mögliche Kunden
erstreckt. Eine analoge Erstreckung der Verpflichtung gegenüber
Verbraucherschutzverbänden widerspreche der eng gefassten Legaldefinition.
Auch Grundsätze des Verbraucherschutzes geböten nicht die analoge Anwendung.
Der Kläger könne erforderliche Informationen über den Verbraucher problemlos
erlangen.
Gegen diese Bewertung wendet sich der Kläger mit der Berufung und macht
geltend, der Begriff „interessierte Besucher“ sei mit dem des potentiellen Kunden
gleichzusetzen. Da der Kläger an der Einsichtnahme in das Preis- und
Leistungsverzeichnisses interessiert gewesen sei – aus welchen Gründen auch
immer –, sei er Interessent und im Sinne des § 675 a BGB anspruchsberechtigt.
§ 675 a BGB definiere die Gruppe der Informationsberechtigten nicht. So spreche
die Kommentierung im Palandt von „Interessenten“. Wann ein Interessent
„Kunde“ und „möglicher Kunde“ oder nur Interessent, der kein „möglicher Kunde“
sei, rufe hinsichtlich dieser Begriffe Abgrenzungsschwierigkeiten und damit
Rechtsunsicherheiten hervor, die vermeidbar seien, wenn die Herkunft des
Interesses nicht hinterfragt werde. Die vom Landgericht vorgenommene
Einschränkung unterlaufe den Sinn und Zweck der Vorschrift, dem Verbraucher die
effektive Möglichkeit zu geben, sich zu informieren. § 675 a BGB sei wirkungslos,
wenn die Bank dem Interessierten zuvor aufbürden dürfe, nachzuweisen, ob er
überhaupt Kunde oder potentieller Kunde sei.
Der Kläger ist deshalb nunmehr der Auffassung, sein Anspruch folge nicht aus §
675 a BGB.
Im Übrigen rügt der Kläger die Rechtsauffassung der angefochtenen Entscheidung
als haltlos, soweit eine analoge Anwendung des § 675 a BGB i. V. m. Art. 239
EGBGB i. V. m. § 12 Abs. 1 S. 1 BGB-InfoVO mangels Regelungslücke verneint
würde. Die Heranziehung des Art. 2 der Richtlinie Nr. 97/5/EG vom 27.01.1997 zur
Auslegung des Begriffes Kunden sei nicht zielführend, da die
Abgrenzungsschwierigkeiten des möglichen Kunden vom – angeblich nicht mehr
auskunftsberechtigten – Interessenten bestehen blieben. Der Kläger verweist im
Übrigen auf seine erstinstanzlichen Darlegungen, dass der EU-Gesetzgeber die
Mitgliedsstaaten in der zitierten Richtlinie dazu verpflichtet habe, die
Verbraucherschutzverbände mit wirksamen Mitteln auszustatten, um
missbräuchlichen Klauseln ein Ende zu setzen. Diesen EU-Gesetzgeberwillen
missachte das Landgericht im angefochtenen Urteil, sei doch ein
Auskunftsanspruch bei der Bekämpfung missbräuchlicher Klauseln wesentlich
wirksamer, als der von der Kammer für ausreichend erachtete Weg, sich die zur
Bekämpfung missbräuchlicher Klauseln benötigten Informationen über Kunden und
potentielle Kunden im Rahmen der Beratertätigkeit zu besorgen. Er verweist auf
die praktischen Schwierigkeiten, wie denn der Verband herausfinden solle, welche
Kunden oder potentiellen Kunden die Bank habe. Die Beschränkung auf die
Hoffnung, irgendein Kunde oder potentieller Kunde melde sich bei ihr und weise auf
eine missbräuchliche Klausel hin – wozu der Kunde dann auch zunächst
rechtserfahren sein müsse, um dies überhaupt zu erkennen –, sei dem Kläger
nicht zumutbar.
Der Kläger beantragt deshalb auch, nach Art. 234 Abs. 2 EGV eine
Vorabentscheidung des EuGH zu der Frage einzuholen, ob Art. 7 der Richtlinie
93/13 EWG vorsehe, dass Verbraucherschutzverbänden als wirksames Mittel zur
Bekämpfung missbräuchlicher Klauseln ein Auskunftsanspruch gegenüber
Klauselverwendern zusteht, die ihre Klauseln nicht allgemein öffentlich (z. B. im
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Klauselverwendern zusteht, die ihre Klauseln nicht allgemein öffentlich (z. B. im
Internet) zugänglich machen, um diesen die Überprüfung der Klauseln auf
Missbräuchlichkeit zu ermöglichen, und zwar für den Fall, dass der Senat zu dem
Ergebnis gelangt, dem Kläger stehe kein Direktanspruch aus § 675 a BGB zu.
Der Kläger beantragt,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten,
dem Kläger auf Verlangen unentgeltlich per E-Mail, Fax oder Briefpost ein aktuelles
vollständiges Preis- und Leistungsverzeichnis zur Verfügung zu stellen;
es wird angeregt, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und meint, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, und
schon gar nicht ein Anspruch auf kostenlose Übersendung des Preis- und
Leistungsverzeichnisses. Ein interessierter Besucher sei kein tatsächlicher oder
möglicher Kunde – die Beklagte kein Museum, das in seinen Räumen „Besucher“
empfange. Die Anwendung des § 675 a BGB setze einen möglichen oder
tatsächlichen Kunden voraus, wie sich ohne Weiteres der den der Neufassung des
§ 675 a BGB zugrunde liegenden EU-Richtlinie herleiten lasse, wobei die
Überweisungsrichtlinie die Definition des Kunden enthalte.
Analogievoraussetzungen fehlten vollständig. Es gebe keinen explizit
ausgedrückten EU-Gesetzgeberwillen, wonach Verbraucherverbände vorab ein
allgemeines Informations- und Auskunftsrecht hätten. Eine Vorabkontrolle im
Sinne einer Überprüfung ohne konkrete Beanstandung solle nach der
Überweisungsrichtlinie gerade nicht stattfinden.
Da der deutsche Gesetzgeber die Überweisungsrichtlinie nicht unvollständig oder
falsch umgesetzt habe, verbiete sich eine Vorlage an den EuGH.
Im übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes auf den vorgetragenen Inhalt
der eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung des Klägers ist unbegründet.
Die Beklagte ist nur verpflichtet, Kunden oder im Rahmen der
Geschäftsanbahnung potentiellen Kunden gemäß § 675 a BGB ein Einsichtsrecht
in ihr Preis- und Leistungsverzeichnis zu gewähren, nicht aber irgendwelchen
„Interessenten“. Diese Informationsverpflichtung wird von der Beklagten auch in
vollem Umfang anerkannt.
Dem Kläger kann nicht gefolgt werden, soweit er den Begriff „interessierte
Besucher“ mit dem eines potentiellen Kunden gleichsetzt.
Soweit sich der Kläger zur Stützung seiner Auffassung auf Palandt/Sprau BGB, 67.
Aufl. § 675 a Rdz. 6 bezieht, in der unter dem Tatbestandsmerkmal
„Zurverfügungstellen der Information“ vom „Interessenten“ die Rede ist, ist unter
den anderen Randnummern fortlaufend von Kunden die Rede. Hier ist lediglich
eine sprachliche Abwechslung vorgenommen, ohne dass damit etwas anderes
gemeint ist. Auch soweit im MünchKomm (5. Aufl. BGB § 675 a Rdn. 9 und 10) vom
„Interessenten“ die Rede ist, meint dies sprachlich den Kunden oder potentiellen
Kunden. Der insoweit einschlägige § 12 der Verordnung über Informations- und
Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht (BGB-InfoVO), der auf der Grundlage
von Art. 239 EGBGB erlassen wurde, spricht ausdrücklich von
Kundeninformationspflichten gegenüber tatsächlichen und möglichen Kunden.
Der Senat schließt sich der Bewertung des Landgerichts in vollem Umfang an.
Dem Kläger kann nicht gefolgt werden, soweit er geltend macht, die angefochtene
Entscheidung laufe der Intension des EU-Gesetzgebers zuwider, der alle
Mitgliedsstaaten verpflichtet habe, Verbraucherschutzverbände mit wirksamen
Mitteln auszustatten, und die Einschränkung des Landgerichts unterlaufe Sinn und
Zweck der Vorschrift, dem Verbraucher die effektive Möglichkeit zu geben, sich zu
informieren.
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Die vom Kläger gewünschte Rechtsfolge ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz
der richtlinienkonformen Auslegung der vorgenannten Rechtsgrundlagen, zu der
die Gerichte der Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft verpflichtet sind,
Art. 249 Abs. 3 i. V. m. Art. 10 EGV, Art. 20 Abs. 3 GG.§ 675 a BGB wurde in
Umsetzung der Überweisungsrichtlinie, Art. 3-5 der EG-Richtlinie 97/5/EG vom
27.01.1997 in das BGB eingefügt.
Die Überweisungsrichtlinie sieht ausschließlich Kunden als anspruchsberechtigt für
die dort genannten Informationen an.
Nach Art. 3 der Richtlinie 97/5/EG stellen die Institute „ihren tatsächlichen und
möglichen Kunden die Informationen über die Konditionen für
grenzüberschreitende Informationen schriftlich…“ zur Verfügung“. Dabei meint
Kunde gemäß Art. 2 j der Richtlinie 97/5/EG je nach Zusammenhang den
Auftrageber oder den Begünstigten.
Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass die Rechte aus der Richtlinie nur
Personen zustehen sollen, die entweder bereits einen Vertrag mit dem
Kreditinstitut abgeschlossen haben, oder die sich zumindest in der Phase der
Vertragsanbahnung befinden, nicht aber Personen, die einen geschäftlichen
Kontakt nicht anstreben, sondern nur zur Verfolgung anderer Interessen, wie auch
hier des Vereinsinteresses als Verbraucherschutzverband, den Inhalt des Preis-
und Leistungsverzeichnisses zur Kenntnis nehmen wollen.
Auch bei Beachtung des Grundsatzes der richtlinienkonformen Auslegung des
nationalen Rechts ist der Kläger, der allein zu dem Zweck, Verbraucherschutz zu
betreiben, den Inhalt des Preis- und Leistungsverzeichnisses der Beklagten zur
Kenntnis nehmen will, nicht zu den Anspruchsberechtigten gemäß § 675 a Abs. 1
S. 1 BGB zu zählen.
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, bei einem derartigen
Verständnis des § 675 a Abs. 1 S. 1 BGB komme es zu
Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich des möglichen Kunden, der einen
Informationsanspruch habe.
Anspruchsberechtigter gemäß § 675 a Abs. 1 S. 1 BGB ist entsprechend den
aufgezeigten Grundsätzen der mögliche/potentielle Kunde, der einen
geschäftlichen Kontakt möglicherweise anstrebt, während aus dem Kreis der
Anspruchsberechtigten derjenige ausscheidet, der von vorneherein kein
vertragliches Verhältnis anstrebt, wie dies ersichtlich beim Kläger der Fall ist.
Der Senat schließt sich der Bewertung des Landgerichts weiterhin auch in vollem
Umfang an, soweit eine analoge Anwendung der Vorschrift zur Ausweitung des
Kreises der Berechtigten unter Erstreckung auf Verbraucherschutzverbände
abgelehnt wird.
Eine Erweiterung des aufgezeigten Kreises der Anspruchsberechtigten im Wege
einer analogen Anwendung des § 675 a Abs. 1 BGB auf
Verbraucherschutzverbände scheitert an den für eine Analogie erforderlichen
Voraussetzungen der vergleichbaren Interessenlage und einer planwidrigen
Regelungslücke.
Im Gegenteil unterscheidet sich die Interessenlage des Klägers als
bankenrechtlicher Verbraucherschutzverband an der beanspruchten Übersendung
des Preis- und Leistungsverzeichnis ganz wesentlich von der Interessenlage eines
Kunden bzw. potentiellen Kunden.
Der Kunde soll durch die Einsichtnahme in das Preis- und Leistungsverzeichnis in
die Lage versetzt werden, die vom Kreditinstitut angebotenen Konditionen mit
denen anderer Kreditinstitute zu vergleichen. Demgegenüber will der Kläger durch
die Einsichtnahme nicht ein Informationsdefizit, das möglicherweise auf Seiten
eines Kunden besteht, ausgleichen, sondern seine satzungsmäßige Aufgabe als
Verbraucherschutzverband verfolgen und das Preis- und Leistungsverzeichnis der
Beklagten darauf kontrollieren, ob bestimmte Klauseln der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen Anlass zur Beanstandung im Sinne einer Abmahnung und
gegebenenfalls Klageerhebung nach dem Unterlassungsklagengesetz geben.
Das kumulativ hinzutretende Erfordernis einer planwidrigen Regelungslücke ist
ebenfalls nicht gegeben. Eine solche liegt grundsätzlich nur vor, wenn das Gesetz
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ebenfalls nicht gegeben. Eine solche liegt grundsätzlich nur vor, wenn das Gesetz
für eine bestimmte Fallgestaltung, die innerhalb des geregelten Bereichs liegt,
keine Regelung enthält (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Auflage, Einl. Rdnr. 48 und
55). Dabei liegt eine derartige Regelungslücke nicht bereits dann vor, wenn es für
eine bestimmte Fallgestaltung keine gesetzliche Regelung gibt, sondern nur bei
einer planwidrigen Unvollständigkeit (vgl. BGHZ 65, S. 300; NJW 1981, 1726; 88,
2109). Der dem Gesetz zugrunde liegende Regelungsplan muss dabei im Wege
historischer und teleologischer Auslegung ermittelt werden.
Die Rechte von Verbraucherschutzverbänden sind im Unterlassungsklagengesetz
und dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie einschlägigen
EG-Richtlinien geregelt, während sich das Bürgerliche Gesetzbuch mit den Rechten
von Verbraucherschutzverbänden nicht befasst.
Eine planwidrige Regelungslücke liegt insoweit nicht vor, sondern eine im Einklang
mit der Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuchs stehende bewusste Lücke. Das
Bürgerliche Gesetzbuch erlegt einem Beteiligten Informationspflichten erst im
Stadium der Aufnahme von Vertragsverhandlungen, § 311 Abs. 2 BGB, auf und
nicht bereits im Stadium vor der Aufnahme von Vertragsverhandlungen. Es würde
sich um ein neuartiges Rechtsinstitut handeln, wenn eine solche
Informationsverpflichtung einem Beteiligten bereits ohne Aufnahme von
Vertragsverhandlungen auferlegt würde. Ohne ausdrückliche Regelung des
Gesetzgebers – lediglich im Wege einer Analogie – ist es nicht möglich, ein
derartiges neues Rechtsinstitut in das Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches
aufzunehmen.
Auch über eine Gesamtanalogie zu den §§ 2, 3, 13, 13 UKlaG, § 675 a BGB, Art. 7
der Richtlinie 93/13/EWG (Richtlinie des Rates vom 05. April 1993 über
missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen), Art. 1, 2, 4, 7 Richtlinie
98/27/EG kann nicht die vom Kläger gewünschte Rechtsfolge hergeleitet werden.
Auch insoweit fehlt es nämlich an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen
Regelungslücke.
Nach § 13 UKlaG haben Verbraucherschutzverbände lediglich einen eng
umgrenzten Auskunftsanspruch über Namen und zustellungsfähige Anschrift von
Unternehmen gegenüber Post-, Telekommunikations-, Tele- oder Mediendienste.
Hierdurch soll den Verbraucherschutzverbänden die Durchsetzung ihres
Klagerechts nach den §§ 1, 2 UKlaG ermöglicht werden, denn eine Klage gegen
verbraucherschützenden Gesetzen zuwiderhandelnde Unternehmen soll nicht
daran scheitern, dass ihnen die Klage nicht zugestellt werden kann.
In der Gesetzesgeschichte und –begründung dieses erst nachträglich auf
Anregung des Bundesrats eingeführten Auskunftsanspruchs kommt deutlich zum
Ausdruck, dass dieser Anspruch nur zur Behebung des sogenannten
Ermittlungsproblems bei Postfachadressen sowie – medienübergreifend – auch bei
Telefonnummern und Internetadressen eingeräumt wird (vgl. Bundestags-
Drucksache 14/6857 v. 31.08.2001, S. 39 f., 70 f.). Dieser Anspruch besteht
allerdings nur dann, wenn die in § 13 UKlaG genannten Angaben nicht anderweitig
beschafft werden können, § 13 Abs. 1 Ziffer 2 UKlaG. Dies zeigt deutlich den Willen
des Gesetzgebers, Verbraucherschutzverbänden nur ein restriktiv zu
verstehendes Auskunftsrecht einzuräumen.
Deshalb kann ein darüber hinausgehendes Informationsrecht zugunsten von
Verbraucherschutzverbänden dieser restriktiv gefassten Norm auch nicht im Wege
der Analogie entnommen werden. Die Einräumung eines solchen Anspruchs kann
nicht durch Rechtsfortbildung seitens der Rechtsprechung erfolgen, sondern wäre
Sache des Gesetzgebers.
Auch unter Berücksichtigung der Richtlinie 93/13/ EWG vom 05.04.1993 über
missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen und der Richtlinie 98/27/EG vom
19.05.1998 über Unterlassungsklagen steht dem Kläger der geltend gemachte
Auskunftsanspruch nicht zu.
Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG bestimmt zwar, dass die Mitgliedstaaten
dafür zu sorgen haben, dass im Interesse der Verbraucher angemessene und
wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln
durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern
schließt, ein Ende gesetzt wird.
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Nach Abs. 2 der genannten Vorschrift müssen diese in Abs. 1 genannten Mittel
auch Rechtsvorschriften einschließen, wonach Personen oder Organisationen, die
nach dem innerstaatlichen Recht ein berechtigtes Interesse am Schutz der
Verbraucher haben, im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften die
Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden anrufen können, damit diese
darüber entscheiden, ob Vertragsklauseln, die im Hinblick auf eine allgemeine
Verwendung abgefasst worden sind, missbräuchlich sind, und angemessene und
wirksame Mittel anwenden, um der Verwendung solcher Klauseln ein Ende zu
setzen.
Diesen Vorgaben ist der deutsche Gesetzgeber aber u. a. mit dem
Unterlassungsklagengesetz nachgekommen. Einen weitergehenden
Auskunftsanspruch als den vom deutschen Gesetzgeber eingeräumten, sieht
weder die Richtlinie 93/13/ EWG, noch die Richtlinie 98/97/EG vor.
Im Gegenteil enthält die Richtlinie 93/13/EWG im vorletzten Absatz ihrer
Erwägungsgründe ausdrücklich ein Verbot einer „Vorabkontrolle“, das auch nicht
durch die zeitlich später erlassene Richtlinie 98/27/EG aufgehoben wurde, die in
ihren Erwägungsgründen ausdrücklich auf beanstandete Verstöße abstellt.
Danach müssen zwar Verbraucherschutzverbände Verfahren einleiten können, die
– so der Wortlaut – insbesondere missbräuchliche Klauseln zum Gegenstand
haben. Diese Möglichkeit, die das Unterlassungsklagegesetz gewährt, bedeutet
jedoch keine Vorabkontrolle von verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Das europäische Verbraucherschutzrecht will die Verbraucherschutzverbände
ausdrücklich nur mit der Bekämpfung eines „beanstandeten“ Verstoßes befassen
(vgl. 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 98/27 EG), ihnen jedoch gerade nicht
eigene Ermittlungs- und Auskunftsbefugnisse gegenüber jedem Kreditinstitut oder
Geschäftsbesorger, ganz unabhängig von einem konkreten Verstoß gegen eine
verbraucherschützende Vorschrift, einräumen.
Da die Belastung eines Kreditinstituts oder Geschäftsbesorgers mit der
Verpflichtung zur Auskunftserteilung auch außerhalb der Anbahnung eines
Geschäfts einen unmittelbaren Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 GG,
jedenfalls aber in die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG darstellen
würde, hätte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft, die der
deutsche Gesetzgeber in den § 2, 13, 13 a UKlaG, § 675 a BGB gerade nicht
getroffen hat. Es ist deshalb von einer bewussten und nicht von einer planwidrigen
Regelungslücke des Gesetzgebers auszugehen. Die Voraussetzungen für eine
Analogie liegen nicht vor.
Wie das Landgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass auch die Grundsätze
des Verbraucherschutzes das vom Kläger beanspruchte umfassende
Auskunftsrecht nicht erfordern. Er wird in der Ausübung ihrer satzungsmäßigen
Aufgaben nicht dadurch beschränkt, dass ihm das in Anspruch genommene
umfassende Auskunftsrecht nicht zusteht. Die benötigten Informationen zur
Vorbereitung einer Klage nach den §§ 1, 2 UKlaG können ihm Kunden liefern, wenn
sie sich durch Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wie hier dem Preis-
und Leistungsverzeichnis benachteiligt fühlen und deshalb an den Kläger wenden.
Der Senat schließt sich der Argumentation des Landgerichts an.
Es besteht keine Veranlassung, der Anregung des Klägers zu folgen, nach Art. 234
Abs. 2 EGV eine Vorabentscheidung des EuGH zu der Frage einzuholen, ob Art. 7
der Richtlinie 93/13/EWG vorsieht, dass Verbraucherschutzverbänden als
wirksames Mittel zur Bekämpfung missbräuchlicher Klauseln ein
Auskunftsanspruch gegenüber Klauselverwendern zusteht.
Wie festgestellt hat der deutsche Gesetzgeber die Überweisungsrichtlinie nicht
unvollständig oder fehlerhaft umgesetzt. Den vom Kläger behaupteten explizit
ausgedrückten EU-Gesetzgeberwillen, wonach Verbraucherschutzverbänden vorab
ein allgemeines Informations- und Auskunftsrecht zuzugestehen wäre, lässt sich
den untersuchten Richtlinien nicht entnehmen, wie im Einzelnen aufgezeigt.
Der Kläger als unterlegene Partei hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels
zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Die Revision war zuzulassen, § 543 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO.
Es ist eine klärungsbedürftige grundsätzliche Frage, ob auch
Verbraucherschutzverbände, die von vorneherein keinen geschäftlichen Kontakt
mit einem Kreditinstitut anstreben, nach § 675 e Abs. 1 Satz 2 BGB
anspruchsberechtigt sind.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.