Urteil des OLG Frankfurt vom 01.07.2010

OLG Frankfurt: sicherungsverwahrung, egmr, vorrang des gesetzes, gerichtshof für menschenrechte, europäische menschenrechtskonvention, unterbringung, rückwirkungsverbot, verfassungsrecht, entlassung

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Gericht:
OLG Frankfurt 3.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 Ws 539/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 6 StGB, § 66 StGB, §
67d Abs 1 S 1 StGB vom
10.03.1987, § 67d Abs 3 StGB,
Art 1 MRK
Sicherungsverwahrung: Fortdauer der Unterbringung eines
Straftäters über die Höchstfrist hinaus
Tenor
Die Beschwerde wird verworfen.
Der Untergebrachte ist in dieser Sache sofort auf freien Fuß zu setzen, wobei die
Anordnung der Entlassung der Vollstreckungsbehörde obliegt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Untergebrachten insoweit
entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Am 14.02.1996 verurteilte das Landgericht Limburg den Untergebrachten und
Beschwerdegegner wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen sowie
wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und wegen unerlaubten Entfernens vom
Unfallort in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten. Weiterhin wurde die
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB angeordnet.
Die geahndeten Taten wurden im Sommer 1995 begangen. Die Anordnung der
Sicherungsverwahrung ist darauf zurückzuführen, dass der Verurteilte bereits zwölf
Vorstrafen aufwies, wobei es sich hierbei in 3 Fällen um Verurteilungen unter
anderem wegen sexuellen Kindesmissbrauches handelte und in einem Fall um
eine Verurteilung vom 12.03.1974 wegen Mordes an einem 9-jährigen Jungen.
Der Verurteilte befindet sich nach vollständiger Verbüßung der genannten
Freiheitsstrafe seit dem 28.07.1999 im Vollzug der Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung. Die Gesetzesänderung, die die Sicherungsverwahrung
über 10 Jahre hinaus zuließ, erfolgte am 30.01.1998. Die nach Tatzeitrecht gemäß
§ 67 d Abs. 1 S. 1 StGB a. F. gültige Zehnjahresfrist für die Unterbringung war am
28.07.2009 erreicht. Mit Beschluss vom 29.09.2009 lehnte die
Strafvollstreckungskammer die Erledigung der Sicherungsverwahrung nach § 67 d
Abs. 3 StGB n.F. ab. Rechtsmittel wurden gegen diesen Beschluss nicht eingelegt.
Gestützt auf das im Wege der Individualbeschwerde des Untergebrachten A
ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vom
17.12.2009, welches eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 MRK sowie eine Verletzung
von Art. 7 Abs. 1 S. 2 MRK durch die Freiheitsentziehung des Untergebrachten
über den Ablauf der Zehnjahresfrist hinaus bejaht hatte, da nach alter Rechtslage
die Sicherungsverwahrung auf 10 Jahre beschränkt gewesen sei, beantragte der
Untergebrachte mit Schriftsatz vom 12.05.2010 seine sofortige Entlassung aus
der Sicherungsverwahrung.
Mit Beschluss vom 27.05.2010 erklärte die Strafvollstreckungskammer die weitere
Vollstreckung der Sicherungsverwahrung für unzulässig.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige
Beschwerde der Staatsanwaltschaft Marburg.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat die Kammer die weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung
gem. § 458 I StPO für unzulässig erklärt.
Der Senat hat im oben genannten Verfahren gegen A, in dessen Sache die
Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 ergangen ist, mit Beschluss vom
24.06.2010 folgendes ausgeführt:
„Gem. § 2 Abs. 6 StGB i. V. m. Art. 7 Abs. 1 S. 2 MRK ist für die gegen den
Untergebrachten angeordnete Sicherungsverwahrung nicht § 67 d Abs. 3 S. 1
StGB n. F., sondern die zur Tatzeit geltende Regelung des § 67 d Abs. 1 S. 1 StGB
a. F. anzuwenden.
Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom 17.12.2009 die Sicherungsverwahrung –
ungeachtet ihrer Bezeichnung im deutschen Recht als Maßregel der Sicherung und
Besserung - als Strafe i. S. v. Art. 7 Abs. 1 MRK qualifiziert. Im Wegfall der
Höchstfrist sieht er eine konventionswidrige Rückwirkung, da der zur Tatzeit
geltende § 67 d Abs. 1 StGB eine Höchstfrist von 10 Jahren für die erstmalig
angeordnete Sicherungsverwahrung vorsah (EGMR, NStZ 2010, 263 ff).
Strafvollstreckungskammer und Senat sind zur Berücksichtigung dieses Urteils
des EGMR, das einen von ihnen bereits entschiedenen Fall betrifft, verpflichtet,
wenn sie in verfahrensrechtlich zulässiger Weise erneut über den Gegenstand zu
befinden haben (vgl. BVerfG, NJW 2004, 3407 ff.) Dies ist hier auf Grund des
gestellten Antrags nach § 458 Abs. 1 StPO der Fall. Bei der erneuten Befassung
besteht die Pflicht, der konventionsgemäßen Auslegung der anzuwendenden
innerstaatlichen Vorschriften den Vorrang zu gewähren, wenn diese nicht eindeutig
dem – ranggleichen – Gesetzesrecht des Bundes oder Verfassungsrecht -
namentlich den Grundrechten Dritter - widerspricht (BVerfG, NJW 2004, 3407,
3411).
§ 2 Abs. 6 StGB ermöglicht eine derartige Berücksichtigung des Urteils des EGMR.
Nach § 2 Abs. 6 StGB ist zwar über Maßregeln der Sicherung und Besserung
grundsätzlich nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung
gilt, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Art. 7 Abs. 1 MRK in der
nunmehrigen Auslegung durch den EGMR ist aber eine andere gesetzliche
Bestimmung i. S. von § 2 Abs. 6 StGB (vgl. BGH, Beschl. v. 12.05.2010 – 4 StR
577/09, Rn 14 ff. – Juris; Grabenwarter, Rechtsgutachten zu den Rechtsfolgen des
Urteils des EGMR vom 17.12.2009 [Nr. 19359/04] v. 15.01.2010 [unv.], S. 45). Die
Konvention gilt innerstaatlich als Bundesrecht. Entscheidungen des EGMR haben
zwar keine Gesetzeswirkung, Inhalt und aktueller Entwicklungsstand seiner
Rechtsprechung bestimmen aber den Gehalt der (einfach-gesetzlichen)
Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 MRK (BGH, a. a. O. Rn 16; Grabenwarter, S. 27). Das
Bundesverfassungsgericht formuliert demzufolge auch ausdrücklich, dass die
„MRK – – im Range des Bundesgesetzes gilt“
und deshalb „in den Vorrang des Gesetzes einbezogen“ ist und insoweit von der
rechtsprechenden Gewalt beachtet werden“ muss (NJW 2004, 3407 [3410]).
Da der EGMR aber im vorliegenden Fall ausgesprochen hat, dass § 67 d Abs. 3 S. 1
StGB nicht rückwirkend angewandt werden darf, weil die Sicherungsverwahrung
gegen den Untergebrachten faktisch wie eine Strafe vollzogen wird, ist § 2 Abs. 6
StGB dahin auszulegen, dass statt dessen die zur Tatzeit geltende Vorschrift des §
67 d Abs. 1 S. 1 a. F. StGB gilt, der gemäß die erste Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung auf 10 Jahre begrenzt ist.
Methodische Bedenken stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Insbesondere ist
der Senat an ihr – entgegen der Ansicht der Oberlandesgerichte Celle (Beschl. v.
25.05.2010 – 2 Ws 169 - 170/10), Stuttgart (Beschl. v. 01.06.2010 – 1 Ws 57/10)
und Koblenz (Beschl. v. 07.06.2010 – 1 Ws 108/10) durch Art. 1 a EGStGB i. d. F.
des Gesetzes vom 26.01.1998 nicht gehindert. Zwar ist in Abs. 3 dieser Vorschrift
ausdrücklich festgelegt, dass § 67 d i. d. F. dieses Gesetzes
Anwendungfinden soll. Der Gesetzgeber hat damit diese Vorschrift bewusst
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Anwendungfinden soll. Der Gesetzgeber hat damit diese Vorschrift bewusst
uneingeschränkt mit Rückwirkung in Kraft gesetzt (BT 13/9062 S. 12). Der
Gesetzgeber hat sich von der Vorstellung leiten lassen, dass die Neuregelung
nicht die Anordnung der Sicherungsverwahrung, sondern lediglich deren Dauer
betreffe, weshalb von Verfassungs wegen an den Rückwirkungsschutz geringere
Anforderungen zu stellen seien.
Dies bedeutet indes nicht, dass der Gesetzgeber auch ausschließen wollte, dass
eine den Anforderungen der MRK in der Ausprägung durch die Rechtsprechung des
EMRG entsprechende Auslegung der Vorbehalts in § 2 Abs. 6 StGB durch die
Gerichte praktiziert wird (vgl. Grabenwarter, S. 45).
Zudem wurde Art. 1 a EGStGB mit der darin enthaltenen Differenzierung durch
das Gesetz vom 23.07.2004 ersatzlos gestrichen. Die Vorschriften erschienen
dem Gesetzgeber im Lichte der Entscheidungen des BVerfG vom 05.02.2004 (also
in vorliegender Sache) und vom 10.02.2004 (zu den landesrechtlich geregelten
Straftäterunterbringungsgesetzen) verzichtbar. Zwar hat der Gesetzgeber damit
an seinem Willen zur Rückwirkung des § 67 d Abs. 3 S. 1 StGB n. F. festgehalten,
aber gleichzeitig deutlich gemacht, dass er diesen einer anders lautenden
verfassungsgerichtlichen Entscheidung angepasst hätte. Es erscheint vor diesem
Hintergrund ausgeschlossen, dass er sich demgegenüber einer Klärung durch den
EGMR verschließen und damit dauerhaft konventionswidrig verhalten wollte.
Der vorgenommene Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB steht auch die
Bindungswirkung des Urteils des BVerfG vom 05.02.2004 in vorliegender Sache
nicht entgegen. Bei der Frage, ob entsprechend dem Gesetzesvorbehalt in § 2
Abs. 6 StGB für eine Maßregel der Besserung und Sicherung in Abweichung vom
Grundsatz der Geltung des Rechts des Entscheidungszeitpunktes das günstigere
Tatzeitrecht gilt, handelt es sich um eine Frage des einfachen Rechts. Der
Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts, dass nach deutschem
Verfassungsrecht die Sicherungsverwahrung nicht dem Rückwirkungsverbot
unterfällt, wird dadurch nicht in Frage gestellt. Einfaches Recht hat zwar die
Vorgaben des Grundgesetzes zu wahren, es kann aber im über die dort
festgelegten Mindestanforderungen hinausgehen (vgl. BGH, Beschl. v. 12.05.2010
a. a. O. Rn 18).
Die vorgenommen Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB ist schließlich auch mit der
Rechtsprechung des BVerfG vereinbar. Das BVerfG hat zwar in seiner
Entscheidung in vorliegender Sache ausdrücklich festgehalten, dass der Staat die
Aufgabe hat, die Grundrechte potentieller Opfer vor der Verletzung durch
potentielle Straftäter zu schützen und dass sich seine Schutzpflicht umso
intensiver ausgestaltet, je mehr sich die Gefährlichkeit der potentiellen Täter
konkretisiert und individualisiert und je stärker die Gefährdung elementare
Lebensbereiche betrifft (Beschl. v. 05.05.2004 – 2 BVR 2029/01 –Juris Rn 185).
Dieser Schutzpflicht kommt auch Verfassungsrang zu.
Hieraus ist aber entgegen der Auffassung der Oberlandesgerichte Celle (Beschl. v.
25.05.2010 – 2 Ws 169 - 170/10), Stuttgart ( Beschl. v. 01.06.2010 – 1 Ws 57/10)
und Koblenz (Beschl. v. 07.06.2010 – 1 Ws 108/10) nicht der Schluss zu ziehen,
diese Schutzpflicht müsse in eine „Abwägung“ mit dem gegenläufigen
Freiheitsgrundrecht des Untergebrachten und dem grundrechtsgleichen
Rückwirkungsverbot mit einbezogen werden und erst Recht nicht, dass dieser
Schutzpflicht der Vorrang zukommen müsse.
Das vom BVerfG in Sachen X aufgeworfene Problem, dass ein Grundrechtsträger
am Verfahren vor dem EGMR nicht beteiligt ist (NJW 2004, 3407 [3410]) und
deshalb als Verfahrenssubjekt nicht in Erscheinung treten und seine Rechte
geltend machen konnte, stellt sich hier nicht. Denn Träger der staatlichen
Schutzpflicht ist die Bundesrepublik und diese war Verfahrensgegner im Verfahren
vor dem EGMR.
Die Rückwirkung des § 67 d Abs. 3 S. 1 n. F. StGB war zur Erfüllung der staatlichen
Schutzpflicht verfassungsrechtlich nicht geboten, d.h. die darin erfolgte Aufhebung
der Zehnjahreshöchstfrist zum Schutz der potentiellen Opfer nicht unabdingbar.
Ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der früheren gesetzlichen
Regelung des § 67 Abs. 1 S. 1 StGB a. F., welche die erste Sicherungsverwahrung
auf 10 Jahre begrenzte, bestehen in der Tat nicht. Bei ihrer Fortgeltung mit der
flankierenden Maßnahme der Führungsaufsicht wird der gesetzgeberische
Beurteilungsspielraum vielmehr ebenfalls eingehalten.
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Im Übrigen kommt eine Abwägung verschiedener Grundrechte hier nicht in
Betracht. Denn das Rückwirkungsverbot aus Art. 7 MRK ist – ebenso wie das
absolute Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG (BVerfG a. a. O. Rn 137) einer
Abwägung gerade zugänglich (vgl. auch Kadelbach in: EMRK/GG
Konkordanzkommentar Kap 15 Rn 46 zu Art. 15 Abs. 2 MRK).“
Diese Erwägungen gelten auch im hier zur Entscheidung anstehenden Fall.
Allerdings wirkt die Entscheidung des EGMR im vorliegenden Verfahren nicht
unmittelbar. Aus Art. 1 EMRK ist aber eine Verpflichtung des verurteilten
Mitgliedstaats abzuleiten, festgestellte Konventionsverletzungen auch in
Parallelfällen zu beenden (vgl. OLG Koblenz, Beschl. vom 07.06.2010, Az. 1 Ws
108/10). Auch insoweit haben Gerichte als Träger der rechtsprechenden Gewalt die
Europäische Menschenrechtskonvention - in der Ausgestaltung, die sie durch die
Entscheidungen des EGMR gefunden hat - im Rahmen der Auslegung
innerdeutschen Rechts zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. vom 12.05.2010, Az.
4 StR 577/09; OLG Hamm, Beschl. vom 12.05.2010, Az. III – 4 Ws 114/10).
Ausgehend hiervon greifen die obigen Erwägungen des Senats aus seinem
Beschluss 24.06.2010 zur Auslegung von § 2 Abs. 6 StGB auch hier Platz. Es liegt
ein Parallelfall zum vom EGMR entschiedenen Fall A vor. Auch beim
Beschwerdegegner galt zum Zeitpunkt der Begehung der Straftaten und zum
Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts Limburg vom 14.02.1996 § 67 d Abs.
1 S. 1 StGB a. F., d.h. auch hier war die Sicherungsverwahrung auf 10 Jahre
begrenzt. Diese alte Fassung von § 67 d Abs. 1 S. 1 StGB ist damit aber nach
obigen Erwägungen auch auf hiesigen Fall anzuwenden.
Hieran vermögen auch die Erwägungen des OLG Nürnberg aus seinen
Beschlüssen vom 24.06.2010 (1 Ws 315/10, 2 Ws 78/10) zur Gesetzeskraft der
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nichts zu ändern. Zwar mögen
die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur Einordnung der
Sicherungsverwahrung als Maßregel und nicht als Strafe gemäß § 31 Abs. 2
BVerfGG in Gesetzeskraft erwachsen, allerdings handelt es sich hierbei um
einfaches Gesetzesrecht und nicht etwa um Verfassungsrecht. Insoweit schließt
die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Annahme einer für den
Verurteilten günstigeren Wertung auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts
gerade nicht aus.
Soweit das OLG Koblenz (vgl. Beschluss vom 22.06.2010, Az. 1 Ws 240/10), die
Ansicht vertritt, die Rechtsauffassung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs
aus seinem Beschluss vom 12.05.2010 werde vom 2. Strafsenat des
Bundesgerichtshofs nicht geteilt, so ist darauf zu verweisen, dass sich die
Entscheidung des 2. Strafsenats vom 12.05.2010 (Az. 2 StR 171/10) mit der
Problematik der Rückwirkung von § 66 b StGB n.F. auf Sachverhalte, die vor seiner
Einführung durch Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung
vom 23. Juli 2004 liegen, nicht ausdrücklich auseinandersetzt und auch keinen
Bezug auf die oben genannte Entscheidung des EGMR nimmt.
Nach alledem ist die unter Anwendung von § 67 Abs. 1 S. 1 StGB a. F. geregelte
Höchstfrist der Sicherungsverwahrung am 28.07.2009 abgelaufen. Die Maßregel
ist damit aber voll verbüßt und darf nicht weiter vollstreckt werden (vgl. Meyer-
Goßner, StPO, 52. Auflage, Rn 10 zu § 458). Daher war sie für unzulässig zu
erklären. Der Untergebrachte ist zu entlassen. Einer Erledigungserklärung bedarf
es vor dem Hintergrund des Ablaufs der Höchstfrist nicht.
Mit der Entlassung tritt Führungsaufsicht ein. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob
insoweit § 67 d Abs. 4 StGB in der Fassung bis 30.4.1986 oder § 67 d Abs.3 S. 2
StGB n. F. oder § 67 d Abs. 4 StGB n. F. anzuwenden sind, denn nach all diesen
Regeln tritt kraft Gesetzes Führungsaufsicht ein. Die Führungsaufsicht hat die
Kammer bereits mit gesondertem Beschluss von 11.05.2010 ausgestaltet.
Rechtsmittel wurden hiergegen von keiner Seite eingelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 I StPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.
die obersten Bundesgerichte erfolgt.