Urteil des OLG Frankfurt vom 12.01.2000

OLG Frankfurt: ablauf der frist, ärztliche behandlung, radiologische untersuchung, einwirkung, zyste, invaliditätsgrad, gesundheitsschaden, gutachter, unfallversicherung, leistungsfähigkeit

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Gericht:
OLG Frankfurt 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 63/99
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 3 AUB 1988, § 1 Abs 4
AUB 1988
(Leistungsfreiheit der Unfallversicherung:
Gesundheitsschaden bei einer gewollten Kraftanstrengung)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer
des Landgerichts Wiesbaden vom 24.11.1998 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von
17.000,– DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in dieser Höhe leistet.
Der Kläger ist mit 229.000,– DM beschwert.
Tatbestand
Der Kläger hat die Beklagte auf Erbringung von Leistungen aus einer zwischen den
Parteien bestehenden Unfallversicherung verfolgt. Die Parteien schlossen am
9.6.1994 einen Unfallversicherungsvertrag ab, wonach die Beklagte bei Eintritt
eines Unfalls, der sich vor Vollendung des 65. Lebensjahres des versicherten
Klägers ohne Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen ereignete, und zu einer
dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit
von mindestens 90% führt, eine Invaliditätsleistung von 250.000,-- DM zu
erbringen hat. Wegen der Einzelheiten des Versicherungsscheines wird auf Bl. 28 -
30 d.A. verwiesen.
Der am 12.12.1995 54 Jahre alte Kläger behauptet, an diesem Tage einen
Arbeitsunfall erlitten zu haben, der zu seiner vollständigen Invalidität geführt habe.
Er habe an diesem Tage im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit eine
denkmalgeschützte, mit wertvollen Intarsien beschichtete Tür aus dem
Oberhardter Schloss im Grunewald in der Werkstatt seines Arbeitgebers
bearbeitet. Die ca. 1 bis 1 ½ Zentner schwere, 3 Meter lange, 1 Meter breite und 5
Zentimeter dicke Tür, die sich im Laufe der Jahre verzogen gehabt hatte, habe zur
Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit mit einer Nut längsseits 3 Meter lang
und 18 Zentimeter stark und der Einleimung eines entsprechenden
Hartholzbrettes mit Kunstharz und Überspannung bearbeitet werden sollen. Das
Ausfräsen der Nut habe mittels einer Kettenfräse vorgenommen werden sollen. Da
seine Armkraft zum Weitertransport des Türblattes an der Kettenfräse nicht
ausgereicht habe, habe er den rechten Fuß zu Hilfe genommen und unterstützt
mit der Armkraft das Türblatt weitergehebelt, um die Tür im Gleichgewicht zu
halten. Der Kläger hat behauptet, hierbei plötzlich einen Ruck im rechten Knie
verspürt und das Gefühl gehabt zu haben, als wenn etwas oberhalb des rechten
Knies gerissen sei. Trotz heftiger Schmerzen habe er auch noch am 13.12.1995
weitergearbeitet und wegen der anhaltenden Schmerzen und weil in der Nacht
zum 14.12.1995 das Knie angeschwollen sei, sich schließlich an diesem Tage in
ärztliche Behandlung begeben. Weiterhin hat der Kläger behauptet, seine
Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangt zu haben. Seitdem sei er ununterbrochen
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Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangt zu haben. Seitdem sei er ununterbrochen
arbeitsunfähig krank, so dass ihm ab dem 11.2.1997 eine
Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt worden sei. Aufgrund der Beeinträchtigungen im
rechten Knie habe sich eine Bewegungsunfähigkeit eingestellt, so dass er sich nur
noch mit Unterarmgehstützen fortbewegen könne und auch negative
Auswirkungen auf den Hüft- und Lendenwirbelbereich zu beobachten seien.
Hieraus ergebe sich die Invalidität des Klägers, so dass die Beklagte zur Zahlung
der Versicherungsleistungen verpflichtet sei. Der Kläger hat die Auffassung
vertreten, dass seine Invalidität mit 90% zu beziffern sei, weil zum einen aufgrund
des Unfalls sein rechtes Bein bis über die Mitte des Oberschenkels
funktionsunfähig geworden sei und zum anderen durch die Schmerzen im
Kniegelenk auch die Funktion der Hüfte in Mitleidenschaft gezogen worden sei.
Aufgrund der eingetretenen 90%igen Invalidität beanspruche er 229.000,-- DM.
Sollte die Invalidität des Klägers mit 70% anzunehmen sein, betrage die ihm
zustehende Invaliditätsleistung aufgrund der in dem Versicherungsvertrag
vereinbarten Normaldeckung von 125.000,-- DM damit mindestens 92.500,-- DM.
Dementsprechend hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 229.000,-- DM nebst 4% Zinsen hieraus seit dem
1.6.1996 zu verurteilen,
hilfsweise,
die Beklagte zur Zahlung von 92.500,-- DM nebst 4% Zinsen hieraus seit dem
1.6.1996 zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat das Vorliegen eines bedingungsgemäß versicherten Unfallereignisses in
Abrede gestellt. Es habe sich nicht um ein plötzlich von außen auftretendes
Ereignis gehandelt, das zu den behaupteten Gesundheitsstörungen geführt habe,
sondern es liege lediglich eine Gesundheitsbeeinträchtigung aufgrund einer
längerfristigen dauernden Beeinträchtigung vor. Dies ergebe sich schon daraus,
dass der Kläger nicht unmittelbar nachdem von ihm behaupteten Ereignis einen
Arzt aufgesucht habe. Weiterhin hat sich die Beklagte darauf berufen, dass der
Kläger gegenüber dem erstbehandelnden Arzt nicht auf ein plötzlich von außen
eintretendes Ereignis hingewiesen habe, vielmehr der behandelnde Arzt Treue
erfahren habe, dass der Kläger schon zuvor bei mehrfachem Einsatz der Fuß-
Beinkraft rechtzeitig den Weitertransport schwerer Türen unterstützt habe und von
einem plötzlichen fürchterlichen Schmerz im rechten Knie bei der Bearbeitung am
12.12.1995 nicht die Rede gewesen sei. Gegen ein Unfallereignis spreche es auch,
dass nach den eigenen Angaben des Klägers Schmerzen und Schwellungen erst
am Abend des angeblichen Unfalltages aufgetreten seien. Auch bei der
sozialmedizinischen Begutachtung des medizinischen Dienstes der Krankenkassen
wegen anhaltender Arbeitsunfähigkeit sei kein Unfallereignis als Auslöser der
Beschwerden angeführt worden. Die Beklagte hat weiterhin die Auffassung
vertreten, dass die Voraussetzungen für die Zahlung einer Versicherungsleistung
auch deshalb nicht vorlägen, weil die Invalidität nicht ein Jahr nach dem
behaupteten Unfallereignis eingetreten sei und eine ärztliche Feststellung hierüber
nicht nach Ablauf von weiteren drei Monaten vorgelegen habe. Die
Beeinträchtigung des Klägers, die dieser anführe, seien danach nicht auf das von
ihm angeführte Ereignis zurückzuführen. Sie beruhten vielmehr auf im
wesentlichen degenerativen Veränderungen, so dass auch deshalb eine
Leistungspflicht ausgeschlossen sei.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 24.11.1998, wegen dessen Einzelheiten auf
Blatt 111 bis 118 d. A. verwiesen wird, die Klage abgewiesen.
Gegen dieses, dem Kläger am 15.1.1999 zugestellte Urteil richtet sich seine am
15.2.1999 eingelegte Berufung, die er nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.4.1999 am 8.4.1999 begründet hat. Mit der
Berufung verfolgt der Kläger die Abänderung der angefochtenen Entscheidung und
die Verurteilung der Beklagten entsprechend der erstinstanzlich gestellten
Anträgen. Der Kläger ist der Auffassung, dass ein Unfallereignis Auslöser der von
ihm erlittenen, zu seiner Invalidität führenden Schädigung gewesen sei. Die
Schädigung sei durch eine überproportionale, zeitlich begrenzte Kraftaufwendung
verursacht worden. Die erhöhte Kraftanstrengung sei darin zu sehen, dass er die
verursacht worden. Die erhöhte Kraftanstrengung sei darin zu sehen, dass er die
wegen ihrer Maße unhandliche Tür, die darüber hinaus ein Gewicht von 1 bis 1,5
Zentnern aufgewiesen habe, mit den Armen nicht habe hochheben können, weil
es keinen Halt für die Hände auf dem Türblatt gegeben habe. Das Anheben und
der Weitertransport sei vielmehr nur mittels des Einsatzes des rechten Fußes bzw.
mittels der dem Fuß durch die Beinmuskulatur vermittelten Kraft möglich
gewesen. Mit der Armkraft habe er das Türblatt nur im Gleichgewicht halten
können. Das Türblatt habe er erstmalig am 12.12.1995 bearbeitet. Ansonsten
habe seine Tätigkeit darin bestanden, Scheuerleisten sowie
Heizungsrohrabdeckungen zu verlegen und zu befestigen, stets in kniender und
gebückter Haltung, ferner Berliner Doppelfenster und Türen, aber auch
Garagentore zu reparieren, wobei die zu bearbeitenden Werkstücke jeweils auf
dem Fußboden gelegen hätten. Oft habe er schweres Material und schweres
Werkzeug mehrere hundert Meter tragen müssen, weil er mit dem PKW an die
Baustelle nicht näher habe heranfahren können. Im Schloss Grunewald habe die
Tätigkeit des Klägers vor der Bearbeitung der denkmalgeschützten Tür darin
bestanden, auf hohen Leitern und Rollrüstungen über Kopf Restaurierungsarbeiten
durchzuführen. Im Sommer 1995 sei der Kläger mit dem Innenausbau einer Yacht
beschäftigt gewesen, wobei er zumeist im Knien, Bücken, Liegen, Hocken und
auch in sehr verdrehter Körperhaltung habe arbeiten müssen. Der
Zusammenhang der Gesundheitsbeschädigung des Klägers mit dem
Unfallereignis werde dadurch deutlich, dass drei Wochen nach dem Ereignis vom
12.12.1995 sein rechtes Knie blau geworden sei, was auf einen tiefen Bluterguss
und einen Muskelfaserriss oberhalb des rechten Kniegelenkes hindeute. Der Kläger
habe auch nicht die erlittenen Beschwerden größer dargestellt, als sie tatsächlich
gewesen seien. Soweit die Reha-Klinik dies angenommen habe, habe dies auf der
Unkenntnis der tatsächlichen Schädigung des Klägers beruht, die erst nach
Beendigung der Reha-Kur durch eine radiologische Untersuchung vom 26.2.1997
und die MRT-Untersuchung vom 28.2.1997 objektiviert worden sei. Gegen das
Vorliegen eines Unfallereignisses spreche auch nicht das in dem noch anhängigen
Sozialrechtsstreit des Klägers gegen die Berufsgenossenschaft eingeholte
Gutachten des Gutachters ..., wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 179 - 204 d.A.
verwiesen wird. Soweit der Gutachter ausgeführt habe, dass eine Überbelastung
des Knies des Klägers durch den Bewegungsvorgang vom 12.12.1995 deshalb
auszuschließen sei, weil bei einer derartigen kombinierten körperlichen
Beanspruchung nur eine Stelle, nämlich der Quadrizeps-Sehnenansatz
entscheidend betroffen worden sei, habe er den Arbeitsvorgang verkannt. Der
Gutachter sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger mittels Armkraft
und nur stützend durch den rechten Fuß das Türblatt angehoben habe. Vielmehr
habe die wesentliche Belastung auf dem rechten Fuß und rechten Bein gelegen,
während der Kläger mit seinem Arm lediglich die Tür im Gleichgewicht gehalten
habe. Damit sei auch der Gutachter zu dem fehlerhaften Schluss gelangt, dass
der "gewerbliche Faktor" eine alleinige Bedeutung für die Schädigung gehabt habe.
Die Auffassung des Gutachters, eine Überbelastung durch den Bewegungsvorgang
vom 12.12.1995 sei deshalb auszuschließen, weil bei einer derartigen
kombinierten körperlichen Beanspruchung, nur der Ansatz der Quadrizepssehne
am oberen Rand der Patella betroffen werde, sei unrichtig. Bei gleichmäßiger
Beanspruchung liege es vielmehr nahe, dass auch alle anderen Gewebsteile der
Bewegungskette beansprucht würden. Der daraus gezogene Schluss, dass die
Funktionsstörungen auf erheblich vorangeschrittenem Verschleiß, degenerations-
und altersbedingten Veränderungen beruhten, die sich offensichtlich im Laufe des
Zeitraumes von 1995 bis 1998 stark verschlimmert hätten, sei nicht zwingend.
Abzustellen sei vielmehr darauf, ob der zwischen den Parteien streitige
Gesundheitsschaden im konkreten Einzelfall mit seinen individuellen
Gegebenheiten durch den Arbeitsunfall tatsächlich bewirkt worden sei, dieser also
eine notwendige und hinreichende Bedingung für den Eintritt des Schadens
gebildet habe. Die radiologisch nachweislich geringfügigen degenerativen
Knorpelveränderungen des Kniegelenks des Klägers könnten als wesentliche
Ursache des von ihm erlittenen Gesundheitsschadens nicht in Betracht kommen.
Ihr geringes Ausmaß spreche dagegen, dass der Schaden nur zufällig "bei
Gelegenheit" der Tätigkeit des Klägers eingetreten sei. Weiterhin sei von dem
Vorliegen einer ärztlichen Feststellung der binnen eines Jahres nach dem
Unfallereignis eingetretenen Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem
Unfallereignis auszugehen. Wie sich dem Reha-Entlassungsbericht vom 20.2.1997,
wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 162 - 170 d.A. verwiesen wird, entnehmen lasse,
sei innerhalb des fraglichen Zeitraumes die auf den Unfall zurückzuführende
Invalidität des Klägers festgestellt worden. Die Feststellung sei, bezogen auf den
Zeitpunkt der Entlassung des Klägers aus der Behandlung, am 10.2.1997, damit
14 Monate nach dem Unfallereignis erfolgt. Da der objektive Aufnahmebefund vom
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14 Monate nach dem Unfallereignis erfolgt. Da der objektive Aufnahmebefund vom
13.1.1997, damit 13 Monate nach dem Unfallereignis vom 12.12.1995 erfolgt sei,
könne auf die gesundheitliche Verfassung des Klägers zum 12.12.1996, damit ein
Jahr nach dem Unfallereignis vom 12.12.1995, ein sicherer Schluss gezogen
werden. Der Leidenszustand des Klägers habe nämlich am 13.1.1997 bereits ein
Ausmaß an Verfestigung erreicht, das durch therapeutische Maßnahmen nicht
mehr beeinflussbar gewesen sei. Ein derartiger Leidenszustand entstehe nicht
binnen eines Monats, könne sich nicht in der Zeit vom 13.12.1996 bis zum
13.1.1997 entwickelt haben. Das ergebe sich auch aus der Stellungnahme des
Orthopäden ..., wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 173 - 176 d.A. verwiesen wird.
Der Kläger hat weiterhin die Ansicht vertreten, dass angesichts der
Funktionseinbuße seines rechten Beines über der Mitte des Oberschenkels ein
fester Invaliditätsgrad von 70% anzusetzen sei, zusätzlich aufgrund der
Funktionsunfähigkeit seiner Hüfte rechts mit einer Verkürzung der Muskulatur ein
Betrag von mindestens 20% zu berücksichtigen sei, so dass sich bei einer Addition
beider Beeinträchtigungen ein Gesamtinvaliditätsgrad von 90% ergebe. Werde von
nur einer teilweisen Funktionsbeeinträchtigung des Beines über der Mitte des
Oberschenkels ausgegangen und ein Invaliditätsgrad von lediglich 55%
angenommen, sei zusätzlich wegen der Verkürzung der Muskulatur und den
Auswirkungen auf den gesamten Haltungsapparat ein Invaliditätsgrad von
insgesamt 70% anzusetzen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den
Kläger 229.000,-- DM nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 1.6.1996 zu zahlen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 92.500,-- DM zuzüglich 4% Zinsen
hieraus seit dem 1.6.1996 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil der Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens. Sie meint, dass aufgrund der widersprüchlichen
Schilderung des Klägers hinsichtlich des angeblichen Unfallereignisses bereits
erhebliche Zweifel daran bestünden, dass ein Unfallereignis im Sinne des § 1 Abs.
3 und 4 AUB 88 vorliege. Jedenfalls seien die formellen Anspruchsvoraussetzungen
des § 7 Abs. 1 Nr. 1 AUB 88 nicht erfüllt, weil eine ärztliche Feststellung der
geltend gemachten unfallbedingten Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach
dem angeblichen Unfallereignis nicht erfolgt sei. Der von dem Kläger zitierte
Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik vom 20.2.1997 treffen keine
Feststellungen hierzu, da keine der objektiven Befunde als Folge des angeblichen
Unfallereignisses bezeichnet werde. Vielmehr werde ausdrücklich der Verdacht
einer bewussten Übertreibung von Schmerzsymptomen durch den Kläger
ausgesprochen und eine Behandlung durch eine neurologisch-psychiatrische
Vorstellung des Klägers und einer Aufhebung des von ihm angegebenen
Bewegungsdefizits durch einen Extensionsversuch in Narkose vorgeschlagen. Auch
der gerichtlich bestellte Sachverständige ... habe in dem sozialrechtlichen
Verfahren durch eine eingehende Untersuchung des Klägers festgestellt, dass
dessen behauptetes Krankheitsbild gedanklich in keinem Zusammenhang mit
dem Ergebnis der unmittelbar nach dem angeblichen Unfallereignis
vorgenommenen ärztlichen Untersuchung zu bringen sei und auch nicht durch den
geschilderten Bewegungsablauf hätte herbeigeführt werden können. Der
Invaliditätsgrad finde keine Entsprechung in der ausschließlich maßgeblichen
sogenannten Gliedertaxe und sei nur durch die Mehrleistung aufgrund der
Zusatzvereinbarung begründbar. Der Kläger habe darüber hinaus im Rahmen der
Untersuchung nach dem behaupteten Unfallereignis die Frage des behandelnden
Arztes nach einem plötzlich auftretenden Ereignis während der Verrichtung der
Arbeit, auf das nach seinen Angaben der Schmerz zurückzuführen sei, verneint.
Den am Abend aufgetretenen Schmerz habe der Kläger allgemein auf einen im
Laufe des Tages mehrfach ausgeübten Bewegungsablauf zurückgeführt, da er ein
schweres Türblatt auf den rechten Fuß gestützt und in einer für die Bearbeitung an
einer Kettenfräse vorgesehenen Haltung aufgestellt habe. Die Beklagte ist der
Auffassung, dass der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger mit dieser
Schilderung keinen Unfall im Sinne der AUB 88 dargetan habe. Beide
Schilderungen ließen keinen Schluss auf ein Unfallereignis im Sinne eines plötzlich
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Schilderungen ließen keinen Schluss auf ein Unfallereignis im Sinne eines plötzlich
von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses oder auf eine
Überbeanspruchung von Muskeln infolge eines kurzzeitig erhöhten
Kraftanstrengung zu. Der Arbeitsvorgang sei deshalb nicht als Einwirkung im Sinne
des § 1 Abs. 3 AUB 88 anzusehen, weil nach der Darstellung des Klägers
hinsichtlich des Bewegungsablaufs eine Eigendynamik des Türblatts bzw. eine
Fehlbewegung des Klägers ausdrücklich ausgeschlossen worden sei. Das
Überlastungssyndrom könnte ebenso Folge einer langjährigen beruflichen Tätigkeit
sein, die allgemein mit einer hohen körperlichen Belastung verbunden gewesen
sei, was der Kläger selbst vorgetragen habe. Weiterhin bestehe kein adäquater
kausaler Zusammenhang zwischen der konkreten Unfallfolge und der angeblichen
Invalidität des Klägers. Da der erstbehandelnde Arzt, der Chirurg ..., als Ursache
der leichten Schwellung und der schmerzhaften Einschränkung der
Bewegungsfähigkeit im Kniegelenk lediglich ein Überlastungssyndrom der rechten
Oberschenkelmuskulatur festgestellt habe, sei ein Ursachenzusammenhang
zwischen dem angeblichen Unfallgeschehen und deren
Gesundheitsbeeinträchtigung nicht gegeben.
Gegen die Vermutung des Klägers, dass eine unfallbedingte Beeinträchtigung
vorliege, spreche auch der Befundbericht des Orthopäden ... vom 16.10.1998,
wonach während einer Untersuchung des rechten Kniegelenkes drei Monate nach
dem angeblichen Unfallereignis kein medizinisch nachweisbares Bewegungsdefizit
im rechten Kniegelenk vorhanden gewesen sei. Das Überlastungssyndrom in der
rechten Oberschenkelmuskulatur habe eine dauerhafte Leistungsbeeinträchtigung
weder ausgelöst noch verursacht. Alle Funktionsstörungen im Kniegelenk könnten
nicht mit dem Reizzustand an der Ansatzstelle der Quadrizepssehne der rechten
Patella, also einer Reizstörung außerhalb des Kniegelenks, in Verbindung gebracht
werden. Für die Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen ... spreche es,
dass ein chronischer Reizzustand im Kniegelenk nicht im ursächlichen
Zusammenhang mit einem Reizzustand außerhalb des Kniegelenkes stehen
könne. Soweit im Bereich des rechten Kniegelenkes im Februar 1997 eine
Bakercyste festgestellt worden sei, was zwischen den Parteien unstreitig ist, sei
dies für den Nachweis einer Leistungsminderung des Klägers unerheblich, da diese
Feststellung erst nach Ablauf der Frist des § 7 AUB 88 getroffen worden sei.
Der Anspruch des Klägers sei auch deshalb ausgeschlossen, weil der Eintritt einer
etwaigen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit innerhalb eines Jahres nach dem
Unfallereignis nicht dargelegt und eine hierauf zurückzuführende Invalidität nicht
innerhalb von 15 Monaten ärztlich festgestellt worden sei. Der Bericht der
Rehabilitationsklinik Bad Schmiedeberg beruhe auf einer Untersuchung, die erst 13
Monate nach dem Unfallereignis erfolgt sei. Er enthalte auch keine Feststellung
hinsichtlich des Zeitpunkts des Auftretens der Funktionsstörungen. Eine zeitliche
Einordnung des Eintritts der Invalidität sei auch nicht infolge der seitens des
Orthopäden ... durchgeführten Untersuchung entbehrlich. Dessen Befundbericht
sei vielmehr zu entnehmen, dass sich die durch das angebliche Unfallereignis
hervorgerufenen schmerzlichen Bewegungseinschränkungen bereits im März 1996
normalisiert hatten. Der Entlassungsbericht genüge auch deshalb nicht den
Anforderungen des § 7 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 2 AUB, da eine Leistungsstörung als
Unfallfolge nicht angeführt werde. Er enthalte auch nicht die Feststellung einer
dauerhaften Leistungsstörung, da er eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit des
Klägers infolge einer neurologisch-psychiatrischen Vorstellung und einer
gleichzeitigen Extension des rechten Kniegelenks in Narkose für möglich halte. Das
fachorthopädische Zusammenhangsgutachten des Orthopäden ... wahre nicht die
Feststellungsfrist, da diese ärztlichen Feststellungen im wesentlichen auf dem im
März 1997 erhobenen Befund einer Baker-Zyste beruhten. Weiterhin tritt die
Beklagte nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 29.7.1999 der Berechnung der
Höhe der geforderten Leistungen durch den Kläger entgegen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im übrigen wird zur
Ergänzung des Tatbestandes auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete
Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch auf
Zahlung einer Invaliditätsentschädigung aufgrund des zwischen den Parteien
abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrages schon deshalb nicht zu, weil von
dem Vorliegen eines versicherten Unfallereignisses weder gemäß § 1 Abs. 3 noch
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dem Vorliegen eines versicherten Unfallereignisses weder gemäß § 1 Abs. 3 noch
gemäß § 1 Abs. 4 der Vertragsinhalt gewordenen AUB 88 ausgegangen werden
kann. Ein versichertes Unfallereignis gemäß § 1 Abs. 3 AUB 88 hätte
vorausgesetzt, dass der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen
Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erlitten hat.
Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers kann hiervon nicht ausgegangen
werden. Die Darstellung des Klägers, wonach er die Tür auf kurze Balken an einer
Kettenfräse gestellt habe, damit die furnierte Gegenseite der Tür geschützt
gewesen sei, er den rechten Fuß zu Hilfe genommen habe, um einen
Weitertransport des Türblattes an der Kettenfräse zu ermöglichen und hierbei
schließlich einen Ruck im rechten Knie verspürt habe und zugleich das Gefühl, dass
"oberhalb des rechten Knies etwas gerissen" sei, stellt nicht die ausreichende
Darlegung einer solchen, von außen auf seinen Körper wirkenden Beeinträchtigung
dar. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, dass das "Abstützen" des Türblattes in
der Weise auf den Körper des Klägers einwirkte, dass er durch eigene Bewegung
eine Kollision seines Körpers mit der Außenwelt verursacht hat (vgl. OLG Frankfurt,
VersR 1961, 745; OLG Nürnberg VersR 1962, 773). Da der Kläger die von ihm
geschilderte Bewegung plan- und willensgemäß ausgeführt hat und dabei nach
seiner Darstellung ungewollt eine Körperschädigung erlitten hat, ist er nicht als
Opfer einer Einwirkung von außen anzusehen. Lag eine Eigenbewegung infolge von
Kraftanstrengungen vor, die eine Gesundheitsschädigung zur Folge hatte, die auf
Anstrengung oder Überanstrengung beruhte, lag gerade keine Einwirkung von
außen, sondern ein nicht versicherter innerer Vorgang vor (vgl.-OLG Düsseldorf
VersR 1954, 555; OLG München VersR 1957, 144). So sind gewollte
Kraftanstrengungen, die zu inneren Schäden geführt haben, wie etwa das Heben
einer Mörtelwanne (BGHVersR 1989, 73), ein Wirbelbruch beim Anziehen einer
bereits festgestellten Bremse (OLG Hamm VersR 1988, 242), das Stemmen
gegen eine kippende Wand (OLG Frankfurt VersR 1991, 213), das Anheben des
Baumstammes (LG Karlsruhe VersR 1988, 242), ein Wirbelbruch beim Heben (LG
Frankfurt am Main (Recht und Schaden 1991, 286) und das Halten einer langen
Leiter mit Verletzungsfolge (AG Stuttgart VersR 1984, 841) nicht als eine für die
Erfüllung des Unfallbegriffs taugliche Einwirkung von außen angesehen worden. Da
der Kläger auch nicht dargetan hat, dass die von ihm gehaltene Tür eine
Eigendynamik entwickelt hatte, er eine erhöhte Kraftanstrengung deshalb
aufzubringen hatte, um ein Abrutschen der Tür zu vermeiden, konnte auch unter
diesem Gesichtspunkt eine für den Unfallbegriff im Sinne des § 1 Abs. 3 AUB 88
erforderliche äußere Einwirkung nicht angenommen werden (vgl. auch OLG Köln
Recht und Schaden 1997, 349; OLG Schleswig VersR 1970, 1048; vgl. auch BGH
VersR 1989, 73; OLG Hamm Recht und Schaden 1996, 330). Vielmehr stellte sich
die Schädigung nach der eigenen Darstellung des Klägers als Folge einer
geplanten Kraftanstrengung dar, ohne dass der Kläger etwa gezwungen war,
aufgrund eines drohenden Abrutschens der von ihm gehaltenen Tür eine größere
Kraftanstrengung zu entfalten.
Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers kann auch nicht von dem Vorliegen
eines Unfallereignisses gemäß § 1 Abs. 4 AUB 88 ausgegangen werden. Dem
Vorbringen des Klägers kann nicht entnommen werden, dass es zu der von ihm
behaupteten Gesundheitsbeschädigung dadurch gekommen ist, dass er eine
erhöhte Kraftanstrengung bei seinem behaupteten Arbeitseinsatz vornehmen
musste, dass an Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Gelenk verrenkt wurde oder
Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen wurden. Diese
Begriffsbestimmung fängt die Fallgruppen auf, in denen eine Eigendynamik des
gehobenen oder gehaltenen Gegenstandes nicht gegeben war, es damit an einem
Unfallereignis im Sinne des § 1 Abs. 3 AUB 88 fehlte (vgl. auch OLG München
VersR 1991, 802; OLG Oldenburg VersR 1995, 694; LG Berlin ZFS 1991, 317; LG
Düsseldorf ZFS 1985, 285; LG Köln VersR 1988, 462). Auch wenn zu Gunsten des
Klägers unterstellt wird, dass sowohl wegen der Unhandlichkeit der von ihm zu
bearbeitenden Tür wie auch wegen des Gewichtes und den Schwierigkeiten, die Tür
im Gleichgewicht zu halten, eine erhöhte Kraftanstrengung im Sinne des § 1 Abs. 4
AUB vorlag, weil der subjektiv an der individuellen körperlichen Konstitution und
dem Kräfteverhältnis gemessenen Arbeitseinsatz des Klägers diese Einordnung
rechtfertigte, kann gleichwohl nicht von der Erfüllung dieses Unfallbegriffes
ausgegangen werden.
Voraussetzung für den diesem erweiterten Unfallbegriff erfüllenden Tatbestand
einer erhöhten Kraftanstrengung war es nämlich zusätzlich, dass entweder ein
Gelenk verrenkt wurde oder Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder
zerrissen worden sind. Dass eine Verrenkung des Gelenkes vorlag, hat der Kläger
nicht vortragen lassen. Soweit zunächst von ihm angeführt worden ist, dass ein
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nicht vortragen lassen. Soweit zunächst von ihm angeführt worden ist, dass ein
Überlastungssyndrom der rechten Oberschenkelmuskulatur und eine
Insertionstendinose vorliege, genügt dies nicht, hierin eine Verrenkung eines
Gelenkes zu sehen. Soweit der Kläger hat vortragen lassen, drei Wochen nach
dem Ereignis vom 12.12.1995 sei ein blauer Reizerguss im Kniegelenk aufgetreten,
der den sicheren Rückschluss auf einen Muskelfaserriss erlaube, ist das Auftreten
eines solchen Reizergusses von der Beklagten mit der Begründung in Abrede
gestellt worden, ein solcher sei nicht durch radiologische und sonographische
Untersuchungen und auch nicht während der insgesamt acht
Nachuntersuchungen festgestellt worden. Da auch der Orthopäde ... in seiner
Untersuchung vom 21.3.1996 einen Erguss im Kniegelenk nicht feststellen konnte,
kann auch nicht mit dieser Begründung die Annahme eines Risses der Muskeln im
Kniebereich angenommen werden. Soweit sich der Kläger schließlich darauf
bezogen hat, als weitere, von ihm angeführte nachteilige Folge der erhöhten
Kraftanstrengung sei eine Baker-Zyste aufgetreten, war dem deshalb nicht
nachzugehen, weil diese nach der eigenen Darstellung des Klägers erst mehr als
12 Monate nach der Kraftanstrengung sich ausgebildet hatte. Überdies spricht
gegen die Unfallursächlichkeit dieser Zyste das von dem Kläger angeführte
fachorthopädische Zusammenhangsgutachten des Arztes ..., wonach die Zyste
zwar Ausdruck einer chronischen Entzündung gewesen ist, diese aber wiederum
Folge einer strukturellen Schädigung der Sehne des zugehörigen Muskels und
einer Arthrose des rechten Kniegelenks war.
Da es danach schon an einem versicherten Unfallereignis fehlt, kann der Senat es
offen lassen, ob die weitere Voraussetzung des Versicherungsanspruchs, die
Einhaltung der Frist für die ärztliche Feststellung der Invalidität gewahrt ist.
Insbesondere bedurfte es danach keines Eingehens auf die Frage, ob die Beklagte
sich deshalb nicht auf einen etwaigen Fristablauf hinsichtlich der jetzigen
Feststellung berufen konnte, weil sie schon innerhalb der Frist den Anspruch
endgültig abgelehnt hatte, der Versicherungsnehmer damit nicht mehr gehalten
war, diese formale Voraussetzung seines Versicherungsanspruchs zu wahren (vgl.
auch OLG Köln Recht und Schaden 1992, 105; OLG Köln VersR 1995, 907; OLG
Schleswig Recht und Schaden 1992, 394; Prölss/Martin/Knappmann
"Versicherungsvertragsgesetz", 26. Aufl. § 7 AUB 88 Rn. 14). Aus dem gleichen
Grunde kann es offen bleiben, ob eine Einschränkung der Leistung gemäß § 8 AUB
88 vorzunehmen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Bemessung der Beschwer
orientiert sich am Ausmaß des Unterliegens des Klägers im Rechtsstreit.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.