Urteil des OLG Frankfurt vom 16.05.2000

OLG Frankfurt: vergabeverfahren, kläranlage, öffentliche ausschreibung, rechtliche qualifikation, unverzüglich, ausschluss, unternehmen, eugh, hauptsache, beteiligter

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Gericht:
OLG Frankfurt
Vergabesenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 Verg 1/99
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 107 GWB, § 114 Abs 2 S 2
GWB, § 116 Abs 1 GWB, § 123
GWB, § 128 Abs 3 GWB
(Vergabeverfahren: Selbständige Kostenanfechtung nach
Hauptsacheerledigung; fehlende Nachunternehmerliste als
Ausschlußgrund; Ausschluß von Generalübernehmern)
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des
Vergabeüberwachungsausschuss des Landes Hessen als Vergabekammer vom
10. 3. 1999 (Az.: VÜA 2/99) wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss im
Kostenpunkt abgeändert.
Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer einschließlich
der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der
Antragstellerin haben die Beigeladene und die Auftraggeberin als
Gesamtschuldner zu tragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen
Aufwendungen der Antragstellerin trägt die Beigeladene.
Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin im
Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer war notwendig.
Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse.
Gründe
I. Die Stadt B betreibt eine vollbiologische Kläranlage.
Die Auftraggeberin, eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Stadt B, schrieb im
offenen Verfahren die Erweiterung der Kläranlage B u. a. im Amtsblatt der EG vom
8. 10. 1998 aus. Das Regierungspräsidium Darmstadt hatte mit Bescheid vom
26.6.1998 die Erweiterung der Kläranlage B nach der Maßgabe des Entwurfs einer
Architektengemeinschaft genehmigt. Die Entwurfsplanung sah für die biologische
Stufe das sog. SBR -- Verfahren (Sequenzing -- Batch -- Reaktor) vor. Nach
Forderung der Aufsichtsbehörde waren bestimmte Überwachungswerte
(garantierte Abwasserwerte) einzuhalten. Wegen der Einzelwerte wird auf S. 2
unter I. des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
In der Bekanntmachung hieß es zu Art und Umfang der
Arbeiten:
"Die bestehende mechanisch/biologische Kläranlage ist
nach den gesetzlichen Forderungen für die Stickstoff- und Phosphatentfernung
auszubauen. Es ist vorgesehen, die biologische Stufe nach dem
Belebungsverfahren mit Aufstaubetrieb (SBR -- Verfahren) ganz neu zu errichten.
Die bestehende biologische Stufe wird dabei in das Verfahren einbezogen.
Zusätzlich werden weitere Anlagenteile bau.-, maschinen- und elektrotechnisch
umgebaut, saniert, ertüchtigt oder ganz neu errichtet."
Die einzelnen Leistungen wurden wie folgt
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Die einzelnen Leistungen wurden wie folgt
ausgeschrieben:
Los 1 -- Bauleistungen für die Gesamtmaßnahme
Das Los umfasst die gesamten Bauleistungen (Neubau,
Umbau, Sanierung) für die geplante Maßnahme, die Errichtung des
Regenüberlaufbeckens und einige maschinentechnische Leistungen im
Zusammenhang mit den Bauleistungen.
Los 2 -- Maschinelle und elektronische Ausrüstung
Das Los umfasst die gesamten maschinen- und
elektrotechnischen Leistungen für eine neue biologische Stufe (SBR -- Anlage)
einschließlich SBR -- Pumpwerk und den zur biologischen Stufe gehörenden
Nebenanlagen wie Vorspeicher, Nachspeicher und Ablaufmessschacht.
Los 3.1 -- Neuaufbau der elektrischen
Energieversorgung
Das Los umfasst die gesamte Energieversorgung für
den Neuaufbau der Kläranlage, einschließlich Notstromversorgung und eines E --
Stationsgebäudes.
Änderungsvorschläge und Nebenangebote waren nicht
ausgeschlossen. Nach Ziff. 5.3.3 des Angebotsanforderungsformulars galten für
sie zusätzlich die "Technische(n) Anforderungen an die Nebenangebote".
Zum Submissionstermin am 23. 11. 1998 hatten für die
Lose 1 und 2 jeweils 11 Bieter und für das Los 2 insgesamt 5 Bieter Angebote
abgegeben.
Die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren
(nachfolgend: Antragstellerin) hat mit Schreiben vom 20. 11. 1998 ein Angebot zu
Los 1 vorgelegt. In dem Anschreiben hierzu heißt es: "Für die
maschinentechnischen Teile gilt die VOL in der neuesten Fassung".
Die Beschwerdeführerin (Beigeladene im
Nachprüfungsverfahren; nachfolgend: Beigeladene) hat (nur) ein Nebenangebot
abgegeben. Gegenstand dieses Angebots war eine Festbettanlage zur
Vollreinigung mit Einlaufgruppe und Schlammbehandlung BIOPUR -- NK und
Filterdenitrifikation. Der Sondervorschlag sah -- bis auf das vorhandene
Rechengebäude -- einen kompletten Neubau des Klärwerkes B vor. Der
Bruttoangebotspreis belief sich auf 18.511.646,56 DM. Auf dem Formularblatt
"Angebotsschreiben" hatte die Beigeladene die vorgegebene Antwort "Ich/Wir
werde(n) die Leistung im eigenen Betrieb ausführen" angekreuzt.
Gegenstand des Geschäftsbetriebes der Beigeladenen
ist nach einer Satzungsänderung vom 4. 7. 1996 "die Entwicklung von Verfahren
für den Einsatz in der chemischen Technik und in allen wesentlichen Bereichen des
Umweltschutzes, insbesondere der Wasser- und Abwassertechnik sowie Planung,
Ausführung, Betrieb und Überwachung von Anlagen hierzu. Dies umfasst auch den
Vertrieb und durch Dritte die Herstellung von Teilen für diese Anlagen". Auf
Nachfrage der Auftraggeberin antwortete die Beigeladene mit Schreiben vom
8.12.1998: "Nachunternehmer im rechtlichen Sinn sind an diesem Bauvorhaben
nicht beteiligt.
Der Lieferant für die Bauarbeiten (Stahlbeton, Erdbau,
Rohrverlegung im Erdreich) ist die Fa. H, Niederlassung W". Im
Beschwerdeverfahren ist unstreitig, dass die Beigeladene nur Planungs- und
Managementaufgaben selbst ausführt.
Mit der Prüfung der Angebote hatte die Auftraggeberin
die Dr.-Ing. B D GmbH, A, als Projektsteuerer beauftragt. Nach der rechnerischen
und fachtechnischen Prüfung des Projektsteuerers war die Antragstellerin im
Nachprüfungsverfahren günstigster Bieter für Los 1 (Aktenordner
Vergabevorschlag Karton 0). Der Projektsteuerer empfahl, den Auftrag gem. deren
Sondervorschlag der Beigeladenen zu erteilen, weil sich dabei für den
Gesamtumfang der Klärwerkserweiterung und des Regenüberlaufbeckens ein
Gesamtinvestitionsvorteil von rund 3.420.000.-- DM ergäbe (Vergabevorschlag --
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Gesamtinvestitionsvorteil von rund 3.420.000.-- DM ergäbe (Vergabevorschlag --
S. 34 f).
Die bei der Angebotsprüfung im Vergabevorschlag
berücksichtigten, wegen der damit verbundenen Kostenersparnis besonders
hervorgehobenen garantierten Mindestüberwachungswerte, die die von der
Auftraggeberin geforderten Mindestüberwachungswerte unterschreiten
(Vergabevorschlag S. 26), waren im ursprünglichen Angebot der Beigeladenen
nicht genannt, sondern wurden erst mit Schreiben vom 8.12.1998 (auf
Austauschblättern) nachgereicht. Die im Angebot vom 21. 11. 1998 angegebenen
Werte entsprachen dagegen genau den in der Ausschreibung geforderten
Mindestwerten.
Die Auftraggeberin beabsichtigte, den Auftrag
entsprechend dem Vorschlag des Projektsteuerers an die Beigeladene zu
vergeben. Der Zuschlag war für den 15. 1. 1999 vorgesehen.
Mit Schriftsatz vom 12. 1. 1999 hat die Antragstellerin
beim Vergabeüberwachungsausschuss des Landes Hessen die Durchführung
eines Nachprüfungsverfahrens beantragt. Sie hat beanstandet, die beabsichtigte
Vergabe an die Beigeladene sei vergaberechtswidrig, weil diese in ihrem Betrieb
keine Bauleistungen ausführe, sondern nur als Planer tätig sei. Sie sei lediglich
Generalübernehmer und selbst nicht in der Lage, die Herstellung von Teilen der in
Rede stehenden Anlage vorzunehmen. Sie beabsichtige deshalb, sämtliche
ausgeschriebenen Leistungen an Nachunternehmer weiterzugeben. Da die
Antragstellerin mit ihrem Hauptangebot günstigste Bieterin sei, sei ihr der
Zuschlag zu erteilen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
es der Auftraggeberin zu untersagen, vor der
Entscheidung der Vergabekammer und dem Ablauf der Beschwerdefrist nach §
127 I GWB über den Zuschlag für die Leistungen zur Erweiterung der Kläranlage B
zu entscheiden;
festzustellen, dass die Vergabe des Auftrags über die
Leistungen zur Erweiterung der Kläranlage B an die ... (d. Beigeladene)
rechtswidrig ist;
die Auftraggeberin zu verpflichten, der Antragstellerin
auf deren Angebot vom 20. 11. 1998 betreffend Leistungen zur Erweiterung der
Kläranlage B den Auftrag zu erteilen.
Die Auftraggeberin und die Beigeladene haben
Zurückweisung der Anträge
beantragt.
Die Auftraggeberin hat sich darauf berufen, dass bei der von der Beigeladenen
vorgeschlagenen Verfahrenstechnik die geforderten Überwachungswerte um 20 %
-- 75 % unterschritten würden. Die Beigeladene habe ein Angebot unterbreitet,
das weit über die ausgeschriebenen drei Lose hinausgehe, das jedoch -- nach
Herstellung der Vergleichbarkeit auf der Basis des Hauptangebotes durch
Herunterrechnung auf die dem Hauptangebot entsprechenden Leistungsteile --
einen Gesamtinvestitionskostenvorteil von 1,55 Mio. DM gegenüber dem
Hauptangebot der Antragstellerin ergeben habe.
Die Beigeladene hat behauptet, eine Differenzierung nach Generalunternehmer,
Totalunternehmer und Generalübernehmer sei für das ausgeschriebene Verfahren
nicht bedeutsam, weil es bei der Ausschreibung allein um die Lösung technischer
Probleme gehe. Bei der von ihr entwickelten, auf einem völlig neuen Konzept für
die Abwasserbehandlung beruhenden Verfahrenstechnik stelle die Bauleistung
lediglich einen Bestandteil und keineswegs den Hauptbestandteil dar. Sie habe
sich für Los 1 beteiligt, weil bei schlüsselfertigen Angeboten für eine
Abwasserbehandlung die technologische Lösung im Vordergrund stehe und
Anlagenbauer immer wesentliche Teile der Anlage durch regional ansässige
Fachfirmen ausführen ließen.
Der Vergabeüberwachungsausschuss als Vergabekammer (nachfolgend:
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Der Vergabeüberwachungsausschuss als Vergabekammer (nachfolgend:
Vergabekammer) hat mit Beschluss v. 10. 3. 1999 der Auftraggeberin untersagt,
den Zuschlag auf den Sondervorschlag der Beigeladenen vom 21. 11. 1998 --
auch in der im Vergabevorschlag der Dr.-Ing. B D GmbH v. 11.1.1999 dargestellten
Fassung -- zu erteilen. Die Kosten des Verfahrens hat er zu 90 % der
Auftraggeberin und der Beigeladenen als Gesamtschuldner und zu 10% der
Antragstellerin auferlegt.
Zur Begründung hat er ausgeführt, die Antragstellerin sei durch Verstöße gegen §
24 Nr. 1 Abs. 1, § 25 Nr. 1 Abs. 2 i. V. m. § 8 Nr. 5 e) und § 25 Nr. 2, § 4 Nr. 2 und 3
VOB/A in ihren Rechten verletzt.
Die Beigeladene habe nach Submission ihr Angebot geändert, indem sie die
Überwachungswerte nachgebessert habe. Sie habe ihr Angebot nicht nur erläutert,
sondern mit Schreiben vom 8.12.1998 die Seiten 14 -- 16 des Angebots mit den
niedrigeren Abwasserwerten zum Austausch mit der ursprünglichen
Angebotsfassung übersandt.
Außerdem sei entgegen dem eigentlichen Angebot nunmehr angedeutet worden,
dass maßgebliche Teile der Leistung nicht im eigenen Betrieb, sondern durch die
Firma H erbracht werden sollten.
Die Wertung des ursprünglich zum Submissionstermin eingereichten
Sondervorschlags komme nicht in Betracht, weil die Beigeladene entgegen ihren
ursprünglichen Angaben nicht in der Lage sei, den gesamten Auftrag im eigenen
Betrieb zu erledigen (§ 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A, § 4 Abs. 8 VOB/B). Da sie in Bezug
auf ihre Leistungsfähigkeit zum Submissionstermin vorsätzlich falsche Angaben
gemacht und diese auf schriftliche Nachfrage nicht unmissverständlich korrigiert
habe, sei das Ermessen des Auftraggebers gem. §§ 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A, 4 Abs. 8
VOB/B auf Null reduziert. In welchem Umfang die Beigeladene überhaupt
Leistungen im eigenen Betrieb durchführe, könne daher offen bleiben. EU --
rechtliche Vorgaben stünden dieser Beurteilung nicht entgegen.
Die Antragstellerin sei weiter dadurch in ihren Rechten verletzt, dass die
Auftraggeberin einen Sondervorschlag zugelassen habe, der gegen den Grundsatz
der Teil- und Fachlosvergabe verstoße. Das Angebot der Beigeladenen enthalte
Leistungen, die im Leistungsverzeichnis nicht enthalten gewesen seien und die
erst später vergeben werden sollten. Diese Leistungen würden durch einen
Zuschlag der wettbewerblichen Vergabe entzogen. Sondervorschläge müssten
sich an der ausgeschriebenen Hauptleistung messen lassen. Angebote mit einem
geringeren oder höheren Leistungsumfang seien quantitativ nicht gleichwertig und
mit großer Vorsicht zu beurteilen, weil sie den Wettbewerb verzerrten und gegen
das Transparenzgebot (§ 97 Abs. 1 GWB) verstießen. Das anzuerkennende Ziel
der Auftraggeberin, die wirtschaftlich und technisch optimalste Lösung zu finden,
lasse sich bei so weitgehenden Abweichungen von der ausgeschriebenen Leistung
nur durch eine Funktionalausschreibung erreichen.
Gegen den ihr am 15. 3. 1999 zugestellten Beschluss hat die Beigeladene am 26.
3. 1999 sofortige Beschwerde eingelegt.
Mit Schreiben vom 22.3.1999 hat die Auftraggeberin mitgeteilt, dass die
Ausschreibung gem. § 26 VOB/A aufgehoben worden sei und eine funktionale
Ausschreibung vorbereitet werde.
Im Hinblick darauf hat die Beigeladene und Beschwerdeführerin zunächst
beantragt,
-- die Entscheidung des Vergabeüberwachungsausschusses des Landes Hessen
als Vergabekammer vom 10.3.1999 aufzuheben;
-- hilfsweise
festzustellen, dass die Beschwerdeführerin durch den angegriffenen Beschluss
des Vergabeüberwachungsausschusses des Landes Hessen als Vergabekammer
in ihren Rechten verletzt wird;
-- die Kosten des Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahrens der Vergabekammer,
hilfsweise der Staatskasse aufzuerlegen;
In der mündlichen Verhandlung hat sie ihre Anträge geändert und beantragt
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In der mündlichen Verhandlung hat sie ihre Anträge geändert und beantragt
nunmehr,
-- die Entscheidung des Vergabeüberwachungsausschusses als Vergabekammer
vom 10.3.1999 (Az: VÜA 2/99) wird im Tenor abgeändert und die Kosten des
Nachprüfungsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens werden der
Antragstellerin auferlegt.
Zur Begründung trägt sie vor, der Beschluss der Vergabekammer sei aus
formellen wie materiellen Gründen rechtswidrig.
Der Beschluss sei unter Verstoß gegen § 113 Abs. 1 GWB ergangen. Die Fünf --
Wochen -- Frist sei am 16. 2. 1999 abgelaufen gewesen. Eine Fristverlängerung sei
nicht erfolgt.
Der Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens sei unzulässig
gewesen. Denn die Antragstellerin habe den gerügten Verstoß nicht unverzüglich
i.S.v. § 107 Abs. 3 GWB gerügt.
Der Vergabeüberwachungsausschuß als Vergabekammer habe rechtswidrig
angenommen, dass das Hauptangebot der Antragstellerin im
Nachprüfungsverfahren nicht zu beanstanden sei; richtigerweise habe die Klausel,
wonach auf den maschinentechnischen Teil die VOL zur Anwendung kommen solle,
als zwingender Ausschlussgrund gewertet werden müssen. Denn die
Auftraggeberin habe das Vergabeverfahren auf der Grundlage der VOB betrieben.
Wenn die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren beabsichtigt habe, statt
dessen die VOL durchzusetzen, so habe sie versucht, sich hieraus
wettbewerbswidrig Vorteile zu verschaffen, was zum zwingenden Ausschluss ihres
Angebots hätte führen müssen. Der durch die öffentliche Ausschreibung eröffnete
Wettbewerb der Bieter könne nur gewährleistet werden, wenn Änderungen an den
Verdingungsunterlagen ausgeschlossen würden, weil andernfalls die
Vergleichbarkeit der Angebote leide.
Der Beschluss sei auch rechtsfehlerhaft, weil die Vergabekammer angenommen
habe, der Auftraggeberin sei bei der Entscheidung über einen Ausschluss des
Angebots der Beigeladenen kein Ermessensspielraum mehr eingeräumt gewesen,
weil diese entgegen ihren ursprünglichen Angaben nicht in der Lage gewesen sei,
die Leistung im eigenen Betrieb zu erbringen und zum Submissionstermin
vorsätzlich unzutreffende Angaben gemacht habe. Auch wenn es zutreffe, dass die
Beigeladene ihre Leistungen ausschließlich in Gestalt von Management- und
Planungsleistungen erbringe und Bauleistungen nicht selbst ausführe, habe sie auf
Nachfrage der Auftraggeberin Erläuterungen zukommen lassen und als
Nachunternehmerin für Bauleistungen die H AG benannt. Es sei deshalb keine
Irreführung der Auftraggeberin ersichtlich.
Die Vergabekammer verkenne, dass nach der Rechtsprechung des EuGH und der
EG -- Koordinierungsrichtlinie die Beteiligung von Generalübernehmern, die selbst
nur Managementleistungen erbringen und die ausgeschriebenen Bauleistungen
durch Dritte ausführen ließen, grundsätzlich zugelassen sei. Bei der Wertung eines
entsprechenden Angebots sei zwischen der Eignungsprüfung des
Generalübernehmers einerseits und derjenigen der Nachunternehmer
andererseits zu differenzieren. Eben dies habe das Projektsteuerungsbüro
beabsichtigt.
Der Beschluss sei weiter rechtswidrig, weil er von einer Verletzung des
Nachverhandlungsverbotes ausgehe. Die Beschwerdeführerin habe ihr Angebot
hinsichtlich der Überwachungswerte zu keiner Zeit nachgebessert. Die Angabe
weiterer -- niedrigerer -- Garantiewerte habe zu keiner Änderung des
ursprünglichen Angebotes geführt, sondern nur der Information des
Projektsteuerungsbüros -- auf dessen Nachfrage hin -- gedient.
Auch in der auf Nachfrage des Projektsteuerers hin abgegebenen Erklärung, alle
Leistungen würden im eigenen Betrieb ausgeführt, liege keine Verletzung des
Nachverhandlungsverbots, weil es bei Nebenangeboten und
Änderungsvorschlägen statthaft sei, über eine Änderung geringen Umfangs zu
verhandeln. Der von der Vergabekammer herangezogene Prüfungsmaßstab des §
24 Nr. 1 VOB/A sei deshalb unzutreffend.
Entgegen der im Beschluss vertretenen Auffassung habe die Beigeladene mit
ihrem Angebot nicht gegen den Grundsatz des Vorrangs der Teil- und
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ihrem Angebot nicht gegen den Grundsatz des Vorrangs der Teil- und
Fachlosvergabe verstoßen. Beide Grundsätze gingen davon aus, dass die Vergabe
zu Einsparungen führe. Durch das Angebot der Beschwerdeführerin sei der
Auftraggeberin jedoch eine im Vergleich zur ausgeschriebenen Leistung
wirtschaftlichere, technisch überlegene Leistung angeboten worden. Das
schlüsselfertige Konzept realisiere sämtliche Vorgaben der Erläuterungsberichte
der jeweiligen Lose in einem. Hierdurch werde der Gesamtpreis des Vorhabens
reduziert. Die technischen und wirtschaftlichen Vorteile stellten Gründe dar, die ein
Abweichen vom Vorrang der losweisen Vergabe gem. § 4 Nr. 3 und 4 VOB/A
rechtfertigten. Im Übrigen könne nur die Vergabestelle und nicht der Bieter gegen
diesen Grundsatz verstoßen.
Schließlich beanstandet die Beigeladene die Kostenentscheidung des
angegriffenen Beschlusses, weil sie meint, als Beigeladener im
Überprüfungsverfahren hätten ihr keine Kosten auferlegt werden dürfen.
Die Auftraggeberin tritt diesen Ausführungen als Beteiligte im
Beschwerdeverfahren im wesentlichen bei.
Die Antragstellerin habe spätestens Mitte Dezember 1998 gewußt, um wen es sich
bei der Beigeladenen handele. Spätestens ab dem 17. 12. 1998 habe sie rügen
können und müssen, dass es sich bei der Beigeladenen um einen
Generalübernehmer handele. Ihr Antrag vom 12. 1. 1999 auf Durchführung eines
Nachprüfungsverfahrens sei daher nicht mehr unverzüglich i.S.v. § 107 Abs. 3 GWB
gewesen.
Die Vergabekammer habe zu Unrecht angenommen, dass die Beigeladene ihre
Wettbewerbschancen in unzulässiger Weise gegenüber anderen Bietern verbessert
habe. Die von der Beigeladenen nachgereichten -- unter den geforderten
garantierten Überwachungswerten liegenden -- Garantiewerte seien für die
Vergabeabsicht nicht ausschlaggebend gewesen, weil der Investitionskostenvorteil
auch ohne die insoweit bewertete Erklärung noch deutlich über 1,3 Mio DM liege.
Der Vergabevorschlag habe auch ohne die Erklärung zugunsten der
Beschwerdeführerin erfolgen müssen. Die Zulässigkeit von Nebenangeboten
beschränke sich nicht auf solche, die dem ausgeschriebenen Auftragsumfang
entsprechen. Nebenangebote gingen häufig über das Leistungsvolumen hinaus
und müssten gerade deshalb sehr genau auf ihre Gleichwertigkeit mit dem
Hauptangebot geprüft werden.
Die Nachunternehmererklärung sei im Nachprüfungsverfahren falsch und zu
Unrecht zu Lasten der Beigeladenen ausgelegt worden. Die Erklärung sei eindeutig
dahin zu verstehen, dass die Firma H als Nachunternehmer eingeschaltet werden
sollte. Als allein dem öffentlichen Interesse verpflichtet habe sie, die
Auftraggeberin, Ermessensfreiheit und sei nicht gezwungen, jemanden, der eine
falsche Angabe gemacht habe, vom Verfahren auszuschließen, sondern müsse
nur das Interesse des öffentlichen Vermögens im Auge haben. Unzulässige
Nachverhandlungen habe es nicht gegeben, sondern allenfalls
Aufklärungsgespräche.
Zu Unrecht habe die Vergabekammer die Abweichung von den
Ausschreibungsunterlagen im Angebot der Antragstellerin als geringfügig
angesehen. Der Versuch, die Gewährleistungsvorschriften der VOL anstatt der
VOB zu vereinbaren, ziele auf einen kalkulatorisch mit 80.000 DM zu beziffernden
Vorteil ab. Es sei wenig glaubhaft, dass der Hinweis versehentlich aus einem
veralteten Textbaustein übernommen worden sei, zumal auch vor 1992
maschinentechnische Teilleistungen im Zusammenhang mit Bauleistungen keiner
gesonderten Gewährleistungsregelung unterworfen gewesen seien.
Die Kostenquotelung des angegriffenen Beschlusses sei falsch, weil die
Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren mit ihrem vorrangigen Interesse,
nämlich der Auftragsvergabe an sie, nicht durchgedrungen sei.
Die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen;
die Kosten des Nachprüfungsverfahrens und die zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin im
Nachprüfungsverfahren sowie die Gerichtskosten und die außergerichtlichen
Kosten der Antragstellerin der Beschwerdeführerin und der Auftraggeberin als
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Kosten der Antragstellerin der Beschwerdeführerin und der Auftraggeberin als
Gesamtschuldner aufzuerlegen;
die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren für
notwendig zu erklären.
Sie hält die sofortige Beschwerde für unzulässig, weil dem Antrag der
Beigeladenen nach Aufhebung der Ausschreibung nicht mehr entsprochen werden
könne. Auch der (ursprüngliche)Hilfsantrag sei unzulässig, weil mit ihm nur die
Kostenentscheidung isoliert angegriffen werde, was das Gesetz nicht vorsehe.
Der angegriffene Beschluss sei formell und materiell rechtmäßig gewesen.
Der Vergabeausschuss sei nicht an die Frist des § 113 Abs. 1 S. 1 GWB gebunden
gewesen.
Der Antrag auf Durchführung eines Vergabeverfahrens sei zulässig gewesen, insb.
habe die Antragstellerin ihre Rügepflicht unverzüglich gem. § 107 Abs. 3 GWB
erfüllt. Die Vergabekammer habe ihr, der Antragstellerin, Angebot auch sachlich
zutreffend beurteilt. Gem. ihrem Angebot v. 20. 11. 1998 und auf dem am 23. 11.
1998 unterschriebenen Vordruck "Angebot EVM(B) Ang" habe sie erklärt, dass der
Ausführung die VOB zugrunde liege. Der im Anschreiben vom 20. 11. 1998
enthaltene Hinweis auf die Geltung der VOL für den maschinentechnischen Teil
erkläre sich aus der Verwendung eines Textbausteines aus der Zeit (vor 1992), in
der die VOB für die Vergabe von maschinentechnischen Leistungen noch nicht
anwendbar gewesen sei.
Die Beigeladene habe sich dadurch, dass sie ein weit über den ausgeschriebenen
Leistungsumfang hinausgehendes Angebot abgegeben habe, Wettbewerbsvorteile
zu verschaffen versucht. Nebenangebote seien nur im Rahmen der
ausgeschriebenen Erweiterung der Kläranlage zulässig gewesen. Die von der
Beigeladenen angebotene Neuerrichtung falle nicht darunter. Auf den
Investitionskostenvorteil komme es nicht an.
Die Beigeladene habe darüber hinaus unzulässigerweise einen Festpreis und
dessen Überprüfung gem. § 6 (2) der VOPR 30/53 angeboten, womit die
Angebotsbedingungen ebenfalls verändert worden seien.
Schließlich habe sie die Auftraggeberin irregeführt, indem sie auf dem
Angebotsformular angegeben habe, dass sie die Leistungen im eigenen Betrieb
durchführen werde. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, eine Vergabe an
einen Generalunternehmer komme grds. nicht in Betracht. Der EuGH habe
keineswegs generell anders entschieden. Sie verweist insoweit auch auf einen
Erlass des Hess. Ministeriums für Finanzen v. 21. 11. 1994. Die Auffassung der
Beigeladenen, es sei eine getrennte Eignungsprüfung "für Generalübernehmer und
Nachunternehmer durchzuführen" 0, sei abwegig, weil es dem Auftraggeber nur
auf die Zuverlässigkeit des Bieters ankomme (§§ 8, 25 VOB/A).
Zu Recht habe die Vergabekammer auch Verstöße gegen den Grundsatz der Teil-
und Fachlosvergabe und das Nachverhandlungsverbot festgestellt. Sowohl die
nach dem Submissionstermin abgegebenen Erklärungen zur Verbesserung der
Garantiewerte wie diejenigen zum Einsatz eines Nachunternehmers seien von § 24
Nr. 3 VOB/A nicht gedeckte Erklärungen. Ob sich aus der Unterschreitung der
geforderten Mindestwerte ein Vorteil ergeben könne, sei vergaberechtlich
unerheblich, weil das Angebot wegen dieses Verstoßes schon nicht habe gewertet
werden dürfen.
II.
1.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
a)
Gegen Entscheidungen der Vergabekammer ist das Rechtsmittel der sofortigen
Beschwerde zulässig (§ 116 Abs. 1 GWB). Als im Nachprüfungsverfahren
beigeladener Partei steht der Beschwerdeführerin die sofortige Beschwerde gegen
den Beschluss vom 10. 3. 1999 zu (§§ 116 Abs. 1 S.2, 109 Abs. 1 GWB).
Der Vergabeüberwachungsausschuss ist gem. Art. 3 Nr. 3 des
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Der Vergabeüberwachungsausschuss ist gem. Art. 3 Nr. 3 des
Vergaberechtsänderungsgesetzes (VgRÄG) als Vergabekammer tätig geworden.
Nach dieser Bestimmung fungierten die Vergabeüberwachungsausschüsse bis zur
Errichtung und Besetzung der Vergabekammern, längstens bis zum 30. 6. 1998,
als Vergabekammern. In Hessen ist die Vergabekammer des Landes gem. § 106
Abs. 2 S. 1 GWB durch Verordnung über die Vergabekammern vom 18. 6. 1999
(GVBl. I, S. 318) errichtet worden.
b)
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den ihr am 15. 3. 1999 (Bl. 9)
zugestellten Beschluss ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden
(§ 117 Abs. 1 -- 3 GWB).
c)
Die Beigeladene ist durch die angegriffene Entscheidung auch beschwert (zum
Erfordernis der -- formellen -- Beschwer Bechtold, GWB, 2. Aufl. § 116 Rdnr. 2;
Boesen, VergR § 116 Rdnr. 35, 36; Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, VergR, § 119 Rdnr. 2;
Gröning ZIP 1998, 181, 182;).
aa)
Soweit die Vergabekammer in der Sache zum Nachteil der Beigeladenen
entschieden hat, fehlt es allerdings an einer Beschwer, deren Beseitigung im
Beschwerdeverfahren (noch) erstrebt werden könnte, nachdem das
Vergabeverfahren durch Aufhebung seine Erledigung gefunden hat. Die
Vergabenachprüfung ist ein System primären Rechtsschutzes, das ausschließlich
der Überprüfung des Verhaltens der Vergabestelle in noch laufenden
Vergabeverfahren dient. Sobald der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren
durch Aufhebung, Einstellung oder in sonstiger Weise erledigt ist (§ 114 Abs. 2 S. 2
GWB), findet ein Primärrechtsschutz nicht mehr statt, weil das Ziel des Verfahrens,
auf das Vergabeverfahren einzuwirken und dieses zu einem rechtmäßigen
Abschluss zu bringen, nicht mehr erreicht werden kann (Gröning, ZIP 99/52, 56;
Boesen aaO. § 114 Rdnr. 54, 66 ff).
Daraus folgt, dass die Beigeladene auch kein Rechtsschutzinteresse mehr hat,
soweit sie -- nunmehr -- die Abänderung der Entscheidung der Vergabekammer
"im Tenor" beantragt, weil die Entscheidung durch Erledigung des
Vergabeverfahrens gegenstandslos geworden ist.
Ob die Beigeladene nach Erledigung des Vergabeverfahrens im
Beschwerdeverfahren die Feststellung, in ihren Rechten verletzt zu sein,
beantragen könnte (§ 123 S. 2 u. 3 GWB), kann offen bleiben (vgl. zum
Feststellungsinteresse weiterer Beteiligter Bechtold aaO. 3 123 Rdnr. 5;
einschränkend Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz aaO. § 123 Rdnr. 7), nachdem sie den
ursprünglich hilfsweise gestellten Feststellungsantrag in der mündlichen
Verhandlung nicht aufrecht erhalten hat. Jedenfalls hätte dieser Antrag im
Ergebnis schon deshalb keinen Erfolg haben können, weil § 123 S.2 GWB nur die
Feststellung einer Verletzung von Rechten (des die Nachprüfung beantragenden
Unternehmens) durch den Auftraggeber und nicht -- wie beantragt -- durch die
Vergabekammer zulässt. Das Verfahren vor den Vergabekammern ist justizförmig
ausgestaltet. Die Vergabekammer tritt dem Antragsteller nicht wie eine Behörde
gegenüber. Dementsprechend sieht das zweitinstanzliche Nachprüfungsverfahren
nur eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung mit der Möglichkeit der
Bestätigung oder Abänderung, nicht aber die Feststellung von Rechtsverletzungen
der Beteiligten durch die Entscheidung der ersten Instanz vor. Gegenstand des
erst -- wie des zweitinstanzlichen Nachprüfungsverfahrens ist ausschließlich die
Prüfung, ob der Antragsteller in seinen Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist (§
114 Abs. 1 GWB.
bb)
Die Beigeladene ist jedoch noch insoweit beschwert, als ihr Kosten des Verfahrens
vor der Vergabekammer auferlegt worden sind. Zulässig ist die Beschwerde
deshalb, soweit sie sich gegen die Kostenentscheidung in dem angegriffenen
Beschluss der Vergabekammer wendet.
Entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Auffassung steht § 116 Abs. 1
GWB der "isolierten Anfechtung" einer Kostenentscheidung nach Erledigung des
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GWB der "isolierten Anfechtung" einer Kostenentscheidung nach Erledigung des
Verfahrens in der Hauptsache nicht entgegen, sondern ist die Kostenentscheidung
selbständig anfechtbar (§ 128 Abs. 1 S. 2 GWB iVm. § 22 Abs. 1 VwKostG).
Insbesondere ist auch insoweit das Beschwerdeverfahren in Vergabesachen
eröffnet. Es umfasst nach in Rechtsprechung und Schrifttum einhellig vertretener
Auffassung sog. isolierte Gebührenfestsetzungen (Boesen aaO. § 116 Rdnr. 12 f u.
§ 128 Rdnr. 61; Bechtold aaO. § 128 Rdnr. 4; Gröning ZIP 99, 181, 185; BayObLG,
Beschl. v. 29.9.1999 -- Verg 3/99) ebenso wie Beschlüsse, die -- etwa nach
Antragsrücknahme -- nur noch Nebenentscheidungen treffen (BayObLG, Beschl. v.
29.9.1999 Verg 5/99). Gleiches gilt nach Auffassung des Senats in den Fällen, in
denen sich das Nachprüfungsverfahren gem. §§ 114 Abs. 2 S. 2; 123 S. 4 GWB
während des Verfahrens vor der Vergabekammer oder bis zum Ablauf der
Rechtsmittelfrist erledigt hat. Tritt die Erledigung schon während des
Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer ein und wird kein Antrag gem. §
114 Abs. 2 S. 2 GWB gestellt, so hat die Vergabekammer nur noch über die Kosten
zu entscheiden (Boesen aaO. § 114 Rdnr. 81). Gleiches gilt für den Vergabesenat,
wenn die Erledigung während des Beschwerdeverfahrens eintritt (Bechtold aaO. §
123 Rdnr. 2). Gegen die Kostenentscheidung der ersten Instanz ist -- wie
vorstehend dargelegt -- die sofortige Beschwerde zulässig. Ebenso ist die sofortige
Beschwerde -- zum alleinigen Zweck der Abänderung der Kostenentscheidung im
erstinstanzlichen Verfahren -- zulässig, wenn die Erledigung nach Abschluss des
erstinstanzlichen Verfahrens -- also zwischen den Instanzen -- eingetreten ist, weil
sich ein unterlegener Beteiligter anders nicht gegen eine ihn belastende
Kostenentscheidung wenden könnte.
2.
Die Beschwerde ist unbegründet.
a)
Da sich die Hauptsache aufgrund der gesetzlichen Bestimmung des §§ 114 Abs. 2
S. 2 und 3, 123 S. 4 GWB -- auch ohne ausdrückliche Erklärung der Beteiligten --
erledigt hat (vgl. zum Fall einer Erledigung des Rechtsstreites aufgrund
gesetzlicher Bestimmung BVerwG 57, 311; 66, 55) ist über die Kosten des
Verfahrens -- mangels einer diesen Fall ausdrücklich regelnden
Kostenbestimmung -- entsprechend §§ 161 VwGO, 91 a ZPO unter
Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu
entscheiden (zur entspr. Anwendung dieser Bestimmungen bei Erledigung der
Hauptsache im kartellrechtlichen Beschwerdeverfahren vgl. schon Ipsen, BB 76,
954; im Vergabenachprüfungsverfahren Bechtold aaO. § 123 Rdnr. 2: so auch KG
IBR 2000/213)
§ 128 GWB enthält für den Fall der Rücknahme des Antrags auf Nachprüfung des
Vergabeverfahrens oder dessen anderweite Erledigung keine ausdrückliche
Regelung. Wird der Antrag auf Nachprüfung zurückgenommen, hat grds. derjenige
die Kosten zu tragen, der sie verursacht hat, in der Regel daher der Antragsteller.
Sofern im Falle der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens die Vergabekammer
aufgrund des Antrags eines Beteiligten gem. § 114 Abs. 2 S. 2 GWB feststellt, ob
eine Rechtsverletzung vorgelegen hat, verbleibt es bei der Bestimmung in § 128
Abs. 3 GWB (Boesen aaO. § 128 Rdnr. 30).
Wird ein Feststellungsantrag -- wie hier -- trotz Erledigung des Vergabeverfahrens
nicht gestellt und haben die Vergabekammer bzw. der Vergabesenat daher nur
noch über die Kosten zu entscheiden, so ist der voraussichtliche
Verfahrensausgang zu berücksichtigen. Aus dem auch in § 128 GWB enthaltenen
Grundsatz der Kostenpflichtigkeit bei Rechtsverlust folgt zugleich der in §§ 91 a
ZPO, 161 VwGO ausdrücklich normierte weitere allgemeine kostenrechtliche
Grundsatz, dass bei Erledigung des Verfahrens ohne Entscheidung in der
Hauptsache der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist (vgl. Ipsen
aaO.). In der Regel sind die Kosten danach demjenigen aufzuerlegen, der
voraussichtlich unterlegen wäre (vgl. KG, Bechtold jeweils aaO.).
b)
Für den (ursprünglichen) Antrag der Beigeladenen, die Kosten des Nachprüfungs-
und Beschwerdeverfahrens der Vergabekammer aufzuerlegen, fehlt es dagegen
an jeder gesetzlichen Grundlage.
aa)
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Gem. § 128 Abs. 1 GWB werden für Amtshandlungen der Vergabekammern Kosten
(Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben.
Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die Kosten zu tragen.
Die Vergabekammer ist -- anders als die Kartellbehörde im
Rechtsbeschwerdeverfahren (§ 67 Abs. 1 Nr. 2 GWB) -- nicht Beteiligte am
Verfahren (§ 109 GWB). Ihr können deshalb Kosten nicht auferlegt werden.
bb)
Aus Gründen der Billigkeit kann von der Erhebung von Gebühren ganz oder
teilweise abgesehen werden (§ 128 Abs. 3 S. 1 und 3 GWB). Auch eine
Niederschlagung von Gebühren -- die im Rahmen des § 128 Abs. 3 S. 4 GWB unter
den Voraussetzungen des § 8 GKG in Betracht kommen kann (Korbion,
Vergaberechtsänderungsgesetz, § 128 Rdnr. 12; Thüringer OLG, Beschl. V. 22. 12.
1999 -- 6 Verg 3/99) ist hier indes nicht veranlasst. Schwerwiegende
Verfahrensmängel der Vergabekammer sind im vorliegenden Verfahren weder
geltend gemacht worden, noch ersichtlich. Dass die Vergabekammer eine andere
Rechtsauffassung als die Beigeladene vertreten hat, begründet -- selbst wenn
diese unzutreffend wäre -- keinen zur Kostenniederschlagung führenden Mangel i.
S. v. § 8 GKG.
cc)
Der angegriffene Beschluss ist -- entgegen der Auffassung der Beigeladenen -- im
Kostentenor auch nicht schon deshalb fehlerhaft, weil die Beigeladene überhaupt
mit Kosten und Aufwendungsersatz zugunsten der sonstigen Beteiligten belastet
worden ist. § 128 Abs. 3 S.1 GWB bestimmt, dass ein Beteiligter, soweit er im
Vergabenachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen hat. Auch im
Schrifttum wird -- soweit ersichtlich -- einhellig die Auffassung vertreten, dass der
unterlegene Beigeladene, -- jedenfalls dann -- wenn er selbst Sachanträge gestellt
hat, an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen ist (Korbion aaO. § 128 Rdnr. 9;
Boesen aaO. § 128 Rdnr. 27; Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz aaO. § 128 Rdnr. 7). Soweit
die Beigeladene unter Hinweis auf Rechtsprechung des Kammergerichts in
Kartellsachen meint, ein Beigeladener dürfe nicht mit Kosten und Auslagen
anderer Beteiligter belastet werden, berücksichtigt sie nicht, dass das VergÄG für
die Kostenentscheidung im Verfahren vor den Vergabekammern in § 128 Abs. 3
GWB eine eigenständige, von § 78 GWB abweichende Regelung enthält. Während §
78 GWB für das Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren bestimmt, dass die
Kosten nach Billigkeitsgesichtspunkten zu verteilen sind, regelt § 128 Abs. 3 und 4
GWB die Kostentragungspflicht und die Kostenverteilung ausdrücklich nach dem in
den Verfahrensordnungen enthaltenen Prinzip, wonach die unterliegende Partei die
Kosten zu tragen und dem Gegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
notwendigen Auslagen zu erstatten hat (§§ 91 ff. ZPO; 154 ff. VwGO). Ob
unterlegener Beteiligter i.d.S. nur der Beigeladene -- entsprechend § 154 Abs. 3
VwGO -- ist, der Sachanträge gestellt hat, denen nicht entsprochen wurde,
(Boesen, Korbion jew. aaO) kann dahin stehen. Denn die Beigeladene hat im
Vergabenachprüfungsverfahren nicht nur einen Zurückweisungsantrag gestellt,
dem die Vergabekammer - wie noch auszuführen sein wird: zu Recht - nicht
gefolgt ist, sondern sie war - neben der Auftraggeberin - diejenige
Verfahrensbeteiligte, zu der das eigentliche Prozessrechtsverhältnis und der
maßgebliche Interessengegensatz bestand. Ihre konkreten Chancen auf
Auftragserteilung waren durch das Verfahren unmittelbar berührt und hingen von
dessen Ausgang ab. Nach der -- an § 154 VwGO orientierten -- Regelung in § 128
Abs. 3 und 4 GWB besteht hinsichtlich der zu treffenden Kostenentscheidung kein
Ermessen. Die Kosten müssen danach (auch) dem Beigeladenen als Beteiligtem
gem. § 109 GWB ganz oder teilweise auferlegt werden, soweit dieser unterliegt. Im
Hinblick auf die Stellung des Beigeladenen und das Ziel, möglichst alle Einwände
der in Frage kommenden Bieter innerhalb eines Nachprüfungsverfahrens zu
erledigen, ist es -- entsprechend der Regelung in verwaltungsgerichtlichen
Verfahren -- auch durchaus sachgerecht, Beigeladenen ggfs. einen Anspruch auf
Erstattung ihrer Kosten zuzubilligen oder sie bei einer sie beschwerenden
Entscheidung für die Gebühren und Kosten der anderen Beteiligten (teilweise)
aufkommen zu lassen.
c)
Unter Berücksichtigung des derzeitigen Sach- und Streitstandes und des
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Unter Berücksichtigung des derzeitigen Sach- und Streitstandes und des
voraussichtlichen Ergebnisses des Beschwerdeverfahrens in der Hauptsache muss
es bei der Kostenentscheidung in dem angegriffenen Beschluss verbleiben, soweit
die Vergabekammer zu Lasten der Beigeladenen entschieden hat. Die
Vergabekammer hat zutreffend festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren
Rechten verletzt wurde und der Auftraggeberin deshalb zu Recht untersagt hat,
der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Die sofortige Beschwerde wäre ohne
das erledigende Ereignis in der Hauptsache ohne Erfolg geblieben.
aa)
Der Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens war zulässig.
aaa)
Der Antrag war nicht wegen Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Rüge eines
Verstoßes im Vergabeverfahren unzulässig (§ 107 Abs. 3 GWB). Die Rügepflicht gilt
erst seit Inkrafttreten des § 107 Abs. 3 GWB zum 1.1.1999. (vgl. OLG Düsseldorf
Beschl. V. 13. 4. 1999 -- Verg 1/9; OLG Brandenburg NVwZ 1999, 1142, 1145; OLG
Stuttgart, Beschl. v. 24. 3. 2000 -- 2 Verg 2/99).) Solange in einem über dieses
Datum hinweg andauernden Vergabeverfahren der Zuschlag noch nicht erteilt war,
musste ein gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugtes Unternehmen zwar seiner
unverzüglichen Rügeobliegenheit (erst)von diesem Tag an nachkommen. Der
Senat folgt der erwähnten Rspr. auch darin, dass unverzüglich i.S.v. § 107 Abs. 3
GWB wie in § 121 Abs. 1 BGB "ohne schuldhaftes Verzögern" bedeutet und deshalb
im Regelfall von einer Obergrenze von 14 Tagen auszugehen ist. Die Rüge der
Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 12. 1. 1999 war deshalb -- zumindest
unter Berücksichtigung der Feiertage zum Jahresbeginn -- noch unverzüglich i.S.v.
§ 107 Abs. 3 GWB. Daraus folgt, dass das Vergabenachprüfungsverfahren
jedenfalls insoweit zulässig war, als die Antragstellerin mit diesem Schreiben
beanstandet hat, dass die Beigeladene die ausgeschriebenen Leistungen nicht
selbst ausführen könne.
Der Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens stand auch nicht entgegen, dass die
Antragstellerin der Vergabestelle zwischen der Rüge eines Verfahrensverstoßes
und der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens keine Gelegenheit gab, den
Verstoß abzustellen. Das Gesetz sieht eine Wartefrist nicht vor. Für sie besteht
auch kein genereller Anlass. Sinn und Zweck der Präklusionsregel ist es, die
Beteiligten am Vergabeverfahren zu zügiger Mitwirkung anzuhalten und zu
verhindern, dass ein Unternehmer darauf spekuliert, dass sich ein erkannter Fehler
zu seinen Gunsten auswirkt und -- wenn sich diese Erwartung nicht erfüllt -- später
die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einfordert (Korbion aaO. § 107 Rdnr. 5;
Amtl. Begr. BT -- Drs. 13/9340 S. 17). Soweit darüber hinaus -- auch zur
Vermeidung überflüssiger Verfahren -- dem Auftraggeber Gelegenheit gegeben
werden soll, den gerügten Verstoß abzustellen, lassen sich allgemeine Kriterien für
eine angemessene Überlegungsfrist kaum aufstellen, weil es dabei entscheidend
auf die besonderen Umstände des einzelnen Falles, insb. Gewicht und Komplexität
der erhobenen Beanstandungen und das erreichte Verfahrensstadium,
ankommen wird. Deshalb steht -- sofern der Antragsteller mit der Einleitung des
Nachprüfungsverfahrens zumutbar noch hätte abwarten können -- nicht die
Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens in Frage (vgl. auch Reidt/Strickler/Glahs,
Vergaberecht, § 107 Rdnr. 39), sondern könnten sich ggfs. kostenmäßige
Nachteile für den Antragsteller ergeben, sofern die Vergabestelle die
Beanstandung tatsächlich unverzüglich beseitigt und sich ein -- verfrüht --
eingeleitetes Nachprüfungsverfahren dadurch erledigt. Im vorliegenden Fall ist
aber weder ersichtlich, dass der Antragstellerin im Hinblick auf die für den 13. 1.
1999 beabsichtigte Auftragsvergabe ein Abwarten zumutbar gewesen wäre, noch
ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Auftraggeberin überhaupt bereit
gewesen wäre, die Beanstandungen zu beheben. Ihre Einlassung im Verfahren
belegt gerade umgekehrt, dass die Einräumung einer Überlegungsfrist fruchtlos
gewesen wäre, weil die Auftraggeberin einen Verstoß gegen Vergabevorschriften
stets verneint hat. Vor diesem Hintergrund kann dem Antragsteller unter keinem
rechtlichen Gesichtspunkt entgegengehalten werde, er habe der Vergabestelle
keine ausreichende Frist eingeräumt, um den Verfahrensverstoß abzustellen.
bbb)
Die Antragstellerin war antragsbefugt (§ 107 Abs. 2 GWB). Nachprüfungsbefugt ist
jedes Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung
subjektiver Rechte gem. § 97 Abs. 7 GWB geltend macht. Dabei ist darzulegen,
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subjektiver Rechte gem. § 97 Abs. 7 GWB geltend macht. Dabei ist darzulegen,
dass dem Bewerber durch die behauptete Rechtsverletzung ein Schaden
entstanden ist oder droht. Durch diese Bestimmung sollen solche Bieter vom
Nachprüfungsverfahren ausgeschlossen werden, die auch ohne den behaupteten
Verstoß keine Chancen hätten, den Auftrag zu erhalten (Boesen aaO. § 107 Rdnr.
52 ff). Zur Darlegung der Antragsbefugnis ist ein Sachvortrag erforderlich, aus
dem sich schlüssig und nachvollziehbar ergibt, dass durch die einzelnen gerügten
Verstöße gegen die Vergabevorschriften die Aussichten des Antragstellers auf den
Zuschlag beeinträchtigt worden sind oder dass die Zuschlagschancen zumindest
verschlechtert worden sein können (BayObLG WuW 1999, 1037, 1044; OLG
Düsseldorf, Beschl. v. 22. 11. 1999 -- Verg 2/99). Da die Antragstellerin
mindestfordernde Bieterin für Los 1 war, wäre ihr der Zuschlag mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu erteilen gewesen, wenn die Beigeladene nicht -- wie von der
Auftraggeberin beabsichtigt -- zum Zuge gekommen wäre. Jedenfalls aber hatte
sie -- was für die Zulässigkeit des Antrags genügt -- eine reelle Chance, den
Zuschlag zu erhalten, so dass ihr durch den behaupteten Verstoß ein Schaden
drohte.
ccc)
Der Verstoß war für den drohenden Schaden auch kausal. An der erforderlichen
Kausalität fehlt es, wenn das im Rahmen der Ausschreibung abgegebene Angebot
nicht einmal den Anforderungen der Verdingungsunterlagen entspricht und
deshalb auch bei einem ordnungsgemäßen Verfahren keine Berücksichtigung
gefunden hätte (Boesen aaO. Rdnr. 55). Dass die Antragstellerin in ihrem
Begleitschreiben vom 20. 11. 1998 erklärte, für den maschinentechnischen Teil
gelte die VOL, führt nicht zwingend zum Ausschluss des Angebots der
Antragstellerin gem. §§ 21 Nr.1 Abs. 2, 25 Nr.1 Abs. 1 b) VOL/A.
Angebote, die gegen § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A verstoßen, müssen von der Wertung
zwar ausgeschlossen werden, weil § 25 Nr. 1 Abs. 1 b) VOB/A zwingend ist (BGH
BauR 98, 1249). Der Hinweis auf die Geltung der VOL für den (untergeordneten)
maschinentechnischen Teil könnte grds. auch als eine Änderung der
Verdingungsunterlagen zu bewerten sein (Heiermann/Riedl/Rusam, VOB/A 8. Aufl.
§ 21 Rdnr. 11). Die Antragstellerin hat jedoch in einem weiteren
Angebotsschreiben vom 20. 11. 1998 erklärt, ihrem Angebot liege die VOB
neueste Fassung zugrunde (vgl. Angebotsunterlagen Fa. Lupp -- Karton 3). Ferner
hat sie am 23. 11. 1998 auf dem Angebotsformularblatt unter 2.4 durch ihre
Unterschrift die Geltung der VOB bestätigt.
Einschränkende Erklärungen in Begleitschreiben sind nicht stets von vornherein als
Änderung der Verdingungsunterlagen einzustufen (Heiermann/Riedl/Rusam aaO. §
25 Rdnr. 133). Sofern ein Angebot nicht aus formellen Gründen ausgeschlossen
wird, kann der Bieter in einer Verhandlung nach § 24 VOB/A zur Klarstellung
aufgefordert werden. Diese Vorgehensweise war hier zulässig, weil im Hinblick auf
die widersprüchlichen Angaben eine Unklarheit vorlag und eine Klärung von aus
dem Angebot selbst sich ergebenden Zweifelsfragen statthaft ist
(Heiermann/Riedl/Rusam, aaO. § 24 Rdnr. 6). Das gilt insb., wenn es sich um ein
eindeutiges Versehen bei einer Nebenfrage handelt (BGH BauR 90, 464), was hier
nahelag.
bb)
Die Vergabekammer hat ihre Entscheidung nicht unter Verstoß gegen § 113 Abs.1
S.1 GWB getroffen. Gem. Art. 3 Nr. 2 S. 2 VgRÄG fand § 123 (= § 113 GWB) auf die
Tätigkeit der Vergabeüberwachungsausschüsse bis zur Errichtung der
Vergabekammern keine Anwendung.
cc)
Die Vergabekammer hat zu Recht entschieden, dass die Antragstellerin in ihren
Rechten verletzt worden ist.
aaa)
Jedenfalls im Beschwerdeverfahren hat die Beigeladene eingeräumt, dass sie ihre
Leistungen (nur) in Form von Management- und Planungsleistungen erbringt. Sinn
und Zweck einer Bauleistungsvergabe ist es jedoch, dass die Bieter selbst
Bauleistungen erbringen. Generalübernehmer, die neben den ihnen obliegenden
Planungsaufgaben Aufsichtsaufgaben und das Management übernehmen, aber
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Planungsaufgaben Aufsichtsaufgaben und das Management übernehmen, aber
keine Bauleistungen durchführen (Ingenstau/Korbion, VOB/A 13. Aufl. Anh. A Rdnr.
129) sind vom Vergabeverfahren nach ganz herrschender Auffassung
auszuschließen (Heiermann/Riedl/Rusam aaO. Einf. zu § 8 Rdnr. 48;
Ingenstau/Korbion aaO. § 8 Rdnr. 18). Denn zum einen sind die VOB -- Vorschriften
auf Bauleistungen zugeschnitten, zum anderen dienen sie der Herstellung gleicher
Wettbewerbsbedingungen bei den Erbringern von Bauleistungen. Die VOB enthält
deshalb das grundsätzliche Gebot der Selbstausführung der Bauleistungen (§§ 8
Nr. 2 Abs. 1 und Abs. 3 VOB/A, 4 Nr. 8 VOB/B.). Die VOB schließt zwar den Einsatz
von Nachunternehmern nicht aus, wenn der Betrieb des Bieters auf die
entsprechende Leistung nicht eingerichtet ist bzw. der Auftraggeber dem Einsatz
der Nachunternehmer zustimmt (Heiermann/Riedl/Rusam aaO. Rdnr. 11).
Zwingend ist jedoch, dass der Generalunternehmer (Hauptunternehmer) noch
wesentliche Teile der Bauleistung (ca. 1/3) im eigenen Betrieb ausführt
(Heiermann/Riedl/Rusam aaO. Rdnr. 43). Da die Beigeladene überhaupt keine
Bauleistungen selbst ausführt, kommt es nicht darauf an, ob sie als
Generalunternehmer oder -übernehmer tätig werden wollte. Denn ein
Generalunternehmer, der keinen wesentlichen Teil der Bauleistung selbst erbringt,
ist dem -- nach der VOB/A -- ausgeschlossenen Generalübernehmer zuzurechnen
(Heiermann/Riedl/Rusam aaO und Rdnr. 49 ff; VÜA Bayern, ZVgR 98, 367 = IBR
1998, 182; vgl. auch Erlass d. Hess. Min. d. Fin. V. 22.3./21. 11. 1994 = Bl. 91 d.
A.).
Dieser Auffassung stehen nach der Beurteilung des Senats europarechtliche
Vorgaben nicht entgegen. Die Entscheidungen des EuGH Slg. 94, I -- 1289; 97, I --
7549 (Ballast Nedam Groep NV I u. II) befassen sich mit der Frage, ob die Stelle,
die für die Entscheidung über den Antrag auf Aufnahme in eine offizielle Liste
zugelassener Unternehmer zuständig ist, nach den Richtlinien 71/304/EWG und
71/305/EWG verpflichtet ist, bei der Prüfung des Antrags eines Konzerns die
Nachweise der Tochtergesellschaften bei der Eignungsprüfung der
Konzernobergesellschaft zu berücksichtigen. Diese Frage hat der Gerichtshof
bejaht für den Fall, dass sie tatsächlich über die Mittel der Tochtergesellschaften
verfügen kann. So darf eine Holdinggesellschaft, die selbst keine Arbeiten
ausführt, nicht allein deswegen vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden,
weil ihre Tochtergesellschaften, die die Arbeiten ausführen, eigene
Rechtspersönlichkeit besitzen (Slg. 87, 3347 CEI u.a.) Die Entscheidungen
betreffen mithin die Anforderungen an den Nachweis der technischen
Leistungsfähigkeit innerhalb konzerngebundener Unternehmen. Weder aus dem
Entscheidungszusammenhang noch unmittelbar aus der Bau --
Koordinierungsrichtlinie ergibt dagegen, dass ein Unternehmen, welches weder
selbst noch durch konzernverbundene Unternehmen Bauleistungen ausführt, bei
der Vergabe von Bauleistungen berücksichtigt werden muss. Zweck der
Koordinierungsrichtlinie ist es nicht, den Mitgliedstaaten vorzuschreiben, welcher
Standard der wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Leistungsfähigkeit
erforderlich ist, sondern zu bestimmen, mit welchen Nachweisen die u. a.
technische Leistungsfähigkeit dargetan werden kann (EuGH NVwZ 90, 353 Tz. 17 -
- Beentjes; Slg. 1987, 3347 CEI u.a.) Damit dient sie der Vermeidung von
Diskriminierungen bei der Vergabe von Bauaufträgen öffentlicher Auftraggeber. Zu
diesem Zweck schreibt sie nicht vor, dass bestimmte Bieter, insb. soweit sie
überhaupt keine Bauleistungen erbringen, zwingend zum Vergabeverfahren
zugelassen werden müssen, sondern, dass unter gleichen Voraussetzungen an die
Zulassung zum Wettbewerb keine unterschiedlichen Anforderungen gestellt
werden dürfen. Auch aus der Entscheidung EuGH NZBau 2000, 149 -- Holst Italia
SpA) ergeben sich keine weitergehenden Folgerungen zugunsten der
Beigeladenen. Sie betrifft im Anschluss an die Entscheidungen Ballast Nedam
Groep I u. II die Frage der Möglichkeit des Leistungsnachweises im Bereich der
Dienstleistungs -- Koordinierungsrichtlinie 92/50/EWG. Der EuGH hat insoweit zwar
klargestellt, dass sich ein Dienstleistungserbringer, der nicht selbst die
Mindestvoraussetzungen für eine Teilnahme am Vergabeverfahren erfüllt, auf die
Leistungsfähigkeit Dritter berufen kann, zu denen er unmittelbare oder mittelbare
Verbindungen, welcher Rechtsnatur sie auch sein mögen, hat. Daraus folgt in
Abgrenzung zu den früheren Entscheidungen, dass es nicht zwingend auf eine
konzernrechtliche Verbundenheit zu den Dritten ankommt. Hinsichtlich des Kreises
und der Qualifikation der zuzulassenden Teilnehmer enthält die Entscheidung aber
keine weitergehenden Erkenntnisse. Ihr ist lediglich zu entnehmen, dass es sich
bei dem am Vergabeverfahren teilnehmenden Unternehmen um einen
Dienstleistungserbringer handelte. Der Senat vermag den europarechtlichen
Vorgaben nach allem nicht zu entnehmen, dass bei Vergabeverfahren in
bestimmten Bereichen wie Bau -- oder Dienstleistungen auch solche
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bestimmten Bereichen wie Bau -- oder Dienstleistungen auch solche
Unternehmen zugelassen werden müssten, die sich nicht gewerbsmäßig mit
Leistungen der ausgeschriebenen Art befassen. Bei anderer Auslegung bestünde
eher die Gefahr einer Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen, der die
Koordinierungsrichtlinien gerade entgegenwirken wollen. Der Senat hält dieses
Auslegungsergebnis für zumindest so naheliegend, dass eine Vorlage an den
EuGH zumindest in dem vorliegenden, nur noch eine Kostenentscheidung
erfordernden und insoweit summarischen Verfahren nicht angezeigt ist:. Hinzu
kommt, dass der Ausschluss der Beigeladenen noch aus weiteren Gründen
zwingend war.
bbb)
In den den Bietern zugesandten Bewerbungsbedingungen heißt es unter Ziff. 7:
"Beabsichtigt der Bieter, Teile der Leistung von Nachunternehmern ausführen
zu lassen, muss er in seinem Angebot Art und Umfang der durch
Nachunternehmer auszuführenden Leistungen angeben ..."
Im Angebotsformular hat die Beigeladene unter Ziff. 6, wo sich drei mögliche
Antworten zum Nachunternehmereinsatz befinden, folgende Antwort angekreuzt:
"Wir werden die Leistung im eigenen Betrieb ausführen"
Die beiden Fragen nach dem Umfang derjenigen Arbeiten, die von
Nachunternehmern ausgeführt werden sollen, hat sie unbeantwortet gelassen.
Der Inhalt der Nachunternehmererklärung betrifft die Anforderung an die
Zuverlässigkeit der Bieter gem. § 25 Nr.2 Abs. 1 VOB/A und hat Einfluss auf die
Angebotskalkulation. Gem. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A sollen Angebote u.a. die
geforderten Erklärungen enthalten. Deshalb kann ein Angebot zwingend
auszuschließen sein, wenn bei Angebotseröffnung die ausdrücklich geforderte
Erklärung über den Einsatz von Nachunternehmern fehlt (VÜA Sachsen -- Anhalt
IBR 1999, 198). Dieser Auffassung folgt der Senat jedenfalls für die Fälle, bei denen
ein Nachunternehmereinsatz in erheblicher Größenordnung vorgesehen ist, weil
Verhandlungen und Erklärungen zum Nachunternehmereinsatz nach
Angebotseröffnung den vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen
und die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen mit sich bringen können (VÜA
Niedersachsen IBR 1998, 283). So kann die Vergabestelle die Zuschlagserteilung
vom Ausmaß des geplanten Nachunternehmereinsatzes abhängig machen und
sich derjenige Wettbewerber, der zunächst keine Erklärung abgibt, nach
Angebotseröffnung Vorteile verschaffen, während derjenige, der die
Nachunternehmererklärung im Angebot vollständig abgegeben hat, hieran
gebunden ist (VÜA Bad.-Württemb. IBR 1998, 511).
Hinzu kommt, dass die Beigeladene die Nachunternehmererklärung nicht nur
unbeantwortet gelassen hat, was im vorliegenden Fall wegen des geplanten
totalen Nachunternehmereinsatzes schon allein zwingend zum Ausschluss geführt
hätte, sondern dass sie wissentlich eine Frage in den Angebotsunterlagen falsch
beantwortete, indem sie angab, die Leistungen würden im eigenen Betrieb
durchgeführt. Damit hat die Beigeladene wissentlich eine falsche Angabe in Bezug
auf ihre Leistungsfähigkeit gemacht (§ 8 Nr. 5 VOB/A). Obwohl sie erkennen
musste, dass es der Auftraggeberin wesentlich auf den Umfang des Einsatzes von
Nachunternehmern ankam, und sich damit in erheblicher Weise als unzuverlässig
erwiesen. Ihrer auch noch im Beschwerdeverfahren vertretenen Auffassung, es
handele sich bei der einzuschaltenden Baufirma nicht um ein Nachunternehmen
im rechtlichen Sinn, vermag der Senat nicht zu folgen, weil es dem Auftraggeber
auf die Prüfung der tatsächlichen Zuverlässigkeit der eingesetzten
Drittunternehmen und deren Eignung ankam und nicht auf die rechtliche
Qualifikation der vertraglichen Beziehungen zum Bieter. Das muss auch der
Beigeladenen ohne weiteres klar gewesen sein, so dass ihre Erklärungen von der
Vergabekammer als bewusst unzutreffend angesehen wurden.
ccc)
Die Beigeladene ist weiter zu Recht auch deswegen ausgeschlossen worden, weil
sie gegen das Verbot der Nachverhandlung verstoßen hat. Während sie in dem
Angebot vom 21. 11. 1998 die in der Ausschreibung geforderten
Überwachungswerte garantierte, (S. 14 Garantieerklärung für Nebenangebote),
hat sie diese Werte auf Austauschblättern verbessert und mit Schreiben vom 8.
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hat sie diese Werte auf Austauschblättern verbessert und mit Schreiben vom 8.
12. 1998 -- erneut -- eingereicht (Ordner Vergabevorschlag -- Fächer 5) Diese
günstigeren Ablaufwerte werden im Vergabevorschlag (Fächer 1 S. 26)
ausdrücklich als besonderer, kostensparender Vorteil hervorgehoben.
Bei diesem Vorgang handelt es sich zweifelsfrei um eine nachträgliche Änderung
des Angebots. Darunter fallen auch Garantiebedingungen und sonstige
Zusicherungen (Ingenstau/Korbion aaO. § 24 Rdnr. 21). Durch die nachträgliche
Verbesserung des Angebotes ist der Wettbewerb der Bieter erheblich gestört
worden. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen handelte es sich nicht um
eine zulässige Aufklärung über technische Änderungen bei einem Nebenangebot,
weil die Garantiewerte für alle Angebote abzugeben waren und die mit dem
Angebot abgegebenen Werte nicht unklar und nicht klärungsbedürftig waren. Aus
den Unterlagen des Vergabeverfahrens ergibt sich auch nicht, dass die
beauftragte Ingenieurgesellschaft nach den Garantiewerten gefragt hatte. Die
Beigeladene hat die besseren Werte mit dem Schreiben vom 8. 12. 1998 vielmehr
-- neben anderen Angaben -- unverlangt -- nachgereicht.
ddd)
Die vorstehend unter bbb) -- ccc) erwähnten Verstöße konnten von der
Vergabekammer bei der Prüfung, ob die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt
ist, auch berücksichtigt werden. Zwar muss grundsätzlich jeder einzelne Verstoß
gegen Vergabevorschriften unverzüglich gerügt werden, soweit der Antragsteller
ihn bereits im Vergabeverfahren erkannt hat (§ 107 Abs. 3 GWB) und findet eine
Überprüfung im Nachprüfungsverfahren nur hinsichtlich derjenigen Verstöße statt,
für die die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Nachprüfungsverfahrens vorliegen.
Die Beigeladene und die Auftraggeberin haben jedoch nicht konkret dargelegt,
wann die Antragstellerin von den Verfahrensverstößen, die sie jedenfalls im
Nachprüfungsverfahren mit Schriftsatz vom 8.2.1999 beanstandet hat, erstmals
Kenntnis erlangte (zur Darlegungslast Korbion aaO. § 107 Rdnr. 5). Die
maßgeblichen Umstände sind auch nicht so offensichtlich, dass sie der
Vergabekammer von sich aus bekannt gewesen sein müssten. Auch dem Senat
fehlen konkrete Anhaltspunkte, weil eine Kenntniserlangung hinsichtlich der
weiteren Rügen erst durch Akteneinsicht erfolgt sein dürfte. In einem solchen Fall
bedarf es der konkreten Darlegung der fehlenden Unverzüglichkeit durch den
Antragsgegner.
Im Hinblick auf die unter aaa) -- ccc) behandelten, von der Vergabekammer zu
Recht festgestellten Verfahrensverstöße gegen Bestimmungen mit
bieterschützendem Charakter kann offenbleiben, ob die von der Vergabekammer
weiter angenommenen Verstöße den Ausschluss für sich allein ebenfalls
gerechtfertigt hätten und ob insoweit die Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen
Nachprüfungsantrag vorlagen.
d)
Die Vergabekammer hat mit der Untersagung des Zuschlags an die Beigeladene
auch eine geeignete und angemessene Entscheidung getroffen, um eine
Rechtsverletzung zu verhindern. Die Befugnisse der Kammer sind dabei grds. weit
gefasst. Es entspricht einhelliger Auffassung im Schrifttum, dass die
Vergabekammer die Beteiligung bestimmter Mitbieter am Vergabeverfahren
ebenso wie deren Ausschluss vom Vergabeverfahren anordnen kann (Korbion aaO.
§ 114 Rdnr. 3; Boesen aaO. § 114 Rdnr. 18). Verletzt die Berücksichtigung eines
bestimmten Bieters -- wie hier -- die Rechte eines der übrigen Bieter und kommt
eine Beseitigung der Rechtsverletzung auf andere Weise nicht in Betracht, so kann
die Anordnung des Ausschlusses sachlich gerechtfertigt sein.
III.
Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet.
1.
Soweit die Antragstellerin -- nach Ablauf der Beschwerdefrist -- im
Beschwerdeverfahren ihrerseits beantragt hat, die Kosten des
Nachprüfungsverfahrens und ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen und der Auftraggeberin insgesamt
aufzuerlegen, handelt es sich um eine gem. §§ 577 a ZPO, 120 Abs. 2, 73 Nr. 2
GWB zulässige (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 10. 1. 2000 -- WVerg 1/99)
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GWB zulässige (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 10. 1. 2000 -- WVerg 1/99)
Anschlussbeschwerde.
2.
Die Anschlussbeschwerde ist begründet.
Die Vergabekammer hat zu Unrecht mit der Begründung, die Quotelung
entspreche der Wertigkeit des Obsiegens und Unterliegens, der Antragstellerin die
Kosten und notwendigen Aufwendungen der Auftraggeberin und der Beigeladenen
zu 10 % auferlegt.
Zwar hat die Vergabekammer dem Antrag, die Auftraggeberin zu verpflichten, der
Antragstellerin den Auftrag auf deren Angebot vom 20. 11. 1998 zu erteilen, nicht
stattgegeben. Diese Entscheidung ist auch nicht zu beanstanden. Die
Vergabekammer hat -- wie dargelegt -- einen weiten Ermessensspielraum bei der
Anordnung geeigneter Maßnahmen i.S.v. § 114 Abs. 1 GWB, ohne dabei an die
Anträge gebunden zu sein. Die Entscheidung, wonach der Zuschlag einem
bestimmten Bieter zu erteilen ist, kommt allerdings grds. nicht in Betracht, weil die
Vergabekammer nicht befugt ist, sich an die Stelle des Auftraggebers zu setzen
(Bechtold aaO. § 114 Rdnr. 2; Boesen aaO. § 114 Rdnr. 23 mwN). Der Senat
vermag -- schon weil insoweit jeglicher Sachvortrag fehlt -- nicht festzustellen,
dass vorliegend der Ermessensspielraum der Vergabestelle soweit zugunsten der
Antragstellerin eingeschränkt war, dass die Vergabe an sie die einzig rechtmäßige
Entscheidung der Vergabestelle gewesen wären. Aber selbst hätte die
Vergabekammer nach Auffassung des Senats der Vergabestelle die
Auftragserteilung nicht zwangsläufig aufgeben müssen, solange andere geeignete
Maßnahmen zur Verhinderung von Rechtsverletzungen und einer Schädigung der
betroffenen Interessen in Betracht kamen.
Trotz der deshalb in der Sache nicht zu beanstandenden Abweichung von den im
Nachprüfungsverfahren gestellten Anträgen besteht kein Anlass für eine an § 92
Abs. 1 ZPO orientierte Kostenquotelung. Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens
ist allein die Prüfung, ob ein Bieter in seinen Rechten verletzt ist. Bestimmte
Anträge eines Bieters, der die Nachprüfung beantragt, stellen lediglich
Anregungen dar, an die die Vergabekammer und der Vergabesenat nicht
gebunden sind (§ 114 Abs. 1 S.2 GWB). Die Formulierung eines bestimmten
Antrags ist nicht einmal erforderlich. Es genügt die Einleitung eines
Nachprüfungsverfahrens, mit dem der Antragsteller Erfolg hat. Deshalb stellt es
auch kein Teilunterliegen dar, wenn die Vergabekammer eine Entscheidung trifft,
die von einem formulierten Antrag abweicht (Brandenburgisches OLG, Beschl. v.
3.8.1999, 6 Verg 1/99; Thüringer OLG, Beschl. v. 13. 10. 1999 -- 6 Verg 1/99; OLG
Saarbrücken, Beschl. v. 24. 11. 1999 -- 5 Verg 1/99). Dem folgt der Senat.
Da die Vergabekammer zutreffend eine Verletzung von Rechten der
Antragstellerin festgestellt hat und die Antragstellerin mit ihrem Begehren infolge
der angeordneten Maßnahmen praktisch vollen Erfolg hatte, bestand für eine
Kostenquotelung zu Lasten der Antragstellerin kein Raum. Die
Kostenentscheidung der Vergabekammer war deshalb insoweit abzuändern.
IV.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren der Beigeladenen aufzuerlegen, weil
sie im Beschwerdeverfahren insgesamt unterlegen ist. Dabei kann der Senat die in
der Rechtsprechung umstrittene Frage offenlassen, ob die Kostenentscheidung im
Beschwerdeverfahren nach §§ 91 ff. ZPO, § 78 GWB oder § 128 Abs. 3 und 4 GWB
analog zu treffen ist, denn die Normen, deren entsprechende Anwendung in
Betracht kommt, führen hier zu dem übereinstimmenden Ergebnis, dass die
Beigeladene als unterlegene Partei die vor dem Beschwerdegericht angefallenen
Kosten und die der Antragstellerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen
hat.
Da Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nicht eine Entscheidung der
Vergabekammer in der Hauptsache war, bestimmt sich der Wert des
Beschwerdeverfahrens nicht gem. § 12 a GKG, sondern nach § 3 ZPO (vgl.
BayObLG -- Beschl. V. 7. 10. 1999 -- Verg 3/99). Maßgeblich ist das Interesse der
Beteiligten, das durch die im Vergabenachprüfungsverfahren entstandenen
Gebühren und Aufwendungen bestimmt wird. Da hierzu nähere Angaben fehlen,
bleibt die endgültige Festsetzung vorbehalten.
132 Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren
durch die Antragstellerin war angesichts des Umfangs und der Schwierigkeit der
Angelegenheit ersichtlich notwendig. (§§ 128 Abs. 4 S. 3 GWB, 80 VwVfG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.