Urteil des OLG Frankfurt vom 14.01.2009

OLG Frankfurt: negative feststellungsklage, einlage, berechtigung, bezugsrecht, kündigung, vergleich, stillen, quelle, rückzahlung, bezugsdauer

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Gericht:
OLG Frankfurt 4.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 W 36/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 48 GKG, § 68 GKG, § 3 ZPO,
§ 9 S 2 ZPO
Streitwertfestsetzung: negative Feststellungsklage, die
sich gegen die Berechtigung künftiger Leistungen auf
Grund einer atypischen stillen Gesellschaftsbeteiligung
richtet
Leitsatz
§ 9 S. 2 ZPO findet auch bei bestimmter Bezugsdauer eines Rechts auf wiederkehrende
Leistungen nach seinem Zweck keine Anwendung auf eine negative Feststellungsklage,
die sich gegen die Berechtigung der künftigen Leistungen richtet.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts
Frankfurt vom 29.2.2008 in der Fassung des (Teil-) Abhilfebeschlusses vom
28.4.2008 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Kläger hat mit der Klage in dem inzwischen durch Vergleich beendeten
Rechtsstreit gegenüber der Beklagten die Feststellung begehrt, dass seine
atypische stille Gesellschaftsbeteiligung an der Beklagten durch außerordentliche
Kündigung beendet sei und die Beklagte keine weiteren Forderungen daraus
geltend machen könne (Antrag zu 1.), sowie die Rückzahlung bereits geleisteter
Einlagen in Höhe von 10.146,49 Euro verlangt (Antrag zu 2.). Der Kläger war
aufgrund eines mit zwei „Zeichnungsscheinen“ erklärten Beitritts zu der Beklagten
als atypischer stiller Gesellschafter zur Leistung einer Einlage nebst Agio von
jeweils 17.808,- € (zusammen 35.616,- Euro) verpflichtet. Die Einlage war in der
Weise zu erbringen, dass der Kläger monatliche Raten in Höhe von jeweils 53,-
Euro an die Beklagte zu zahlen hatte. Den mit dem Antrag zu 2. zurückverlangten
Betrag hatte er bis zur Kündigung in dieser Weise an die Beklagte geleistet. Das
Landgericht hat den Streitwert durch Beschluss vom 29.2.2009 auf 25.612,49
Euro, davon für den Klageantrag zu 1. auf 15.466,- Euro, festgesetzt. Hiergegen
haben beide Parteien Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat aufgrund der im
Übrigen inzwischen zurückgenommenen Beschwerde der Beklagten im
Abhilfeverfahren durch Beschluss vom 28.4.2008 den Gebührenstreitwert für den
Klageantrag zu 1. in Höhe der noch ausstehenden Ratenzahlungen auf die Einlage
(25.469,51 Euro) festgesetzt und der Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen.
Mit seiner Beschwerde erstrebt der Kläger die Herabsetzung des Wertes für den
Antrag zu 1. auf den 42-fachen Betrag der monatlich zu zahlenden Einlagen
(4.452,- €). Er vertritt die Auffassung, die Bemessung des Wertes des
Feststellungsantrages richte sich nach § 9 S. 1 ZPO, weil insoweit wiederkehrende
Leistungen Gegenstand der Klage seien und beruft sich dazu auf eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 4.4.2005 – II ZR 192/04).
II. Die nach § 68 GKG zulässige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat zu Recht den Wert für den Klageantrag zu 1. nach § 3 ZPO
in Höhe der ratenweise noch ausstehenden Einlagen bemessen und § 9 S. 1 ZPO
nicht angewendet. Der Klageantrag zu 1. betrifft zwar ein Recht der Beklagten auf
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nicht angewendet. Der Klageantrag zu 1. betrifft zwar ein Recht der Beklagten auf
wiederkehrende Leistungen im Sinne von § 9 ZPO, weil das Interesse des Klägers
an der Feststellung seines Ausscheidens aus der Gesellschaft darin besteht,
künftig keine monatlichen Beiträge mehr leisten zu müssen. Beide Sätze des § 9
ZPO kommen jedoch deshalb nicht zur Anwendung, weil die Gesamthöhe der
wiederkehrenden Leistungen nicht ungewiss ist und die (negative)
Feststellungsklage der Klägers auf endgültige Beseitigung der gesamten künftigen
Leistungsverpflichtungen gerichtet ist.
a) Die Wertvorschrift des § 9 S. 1 ZPO setzt voraus, dass der Gesamtbetrag der
wiederkehrenden Leistungen ungewiss ist. Dies ergibt sich im Unkehrschluss aus §
9 S. 2 ZPO, der bei „bestimmter Dauer des Bezugsrechts“ anordnet, dass der
geringere Betrag der künftigen Bezüge maßgebend sein soll. Zweck des § 9 S. 1
ZPO ist es, eine normative Obergrenze für den Fall der Geltendmachung eines
Stammrechts von ungewisser Dauer und infolge dessen ungewisser
Gesamtforderungshöhe zu schaffen. Daran fehlt es hier jedoch, weil die Dauer und
der Gesamtbetrag der von dem Kläger nach dem Gesellschaftsvertrag an die
Beklagte zu leistenden Teilzahlungen feststeht.
b) Es ist jedoch auch nicht nach § 9 S. 2 ZPO der dreieinhalbfache Wert der
jährlichen Leistungen zugrunde zu legen. Zwar übersteigen die von dem Kläger
künftig zu erbringenden Leistungen den dreieinhalbfachen Wert der jährlichen
Leistungen. Die Wertvorschrift des § 9 S. 2 ZPO kann nach ihrem Sinn und Zweck
jedoch keine Anwendung auf eine negative Feststellungsklage finden, mit der die
Nichtberechtigung der künftigen Leistungen geltend gemacht wird. § 9 S. 2 ZPO
begrenzt den Streitwert trotz feststehender Gesamtleistung allein deshalb auf den
dreieinhalbfachen Betrag, weil es sich um „künftige“, also noch nicht fällige
Bezüge handelt. Mit der Begrenzung des Wertes auf den dreieinhalbfachen
Jahresbetrag soll den Unsicherheiten, die jeder künftigen Entwicklung innewohnen,
Rechnung getragen werden. So kann beispielsweise aus während des Prozesses
noch nicht entstandenen und auch nicht absehbaren Gründen das Stammrecht
bereits vor Ablauf der Bezugszeit angefochten oder wirksam außerordentlich
gekündigt werden. Die Vorschrift ist deshalb auf Leistungs- und
Feststellungsklagen des Gläubigers zugeschnitten, mit denen das Stammrecht auf
die wiederkehrenden Leistungen geltend gemacht werden. Es soll deshalb nicht
der volle Wert angesetzt werden, weil auch bei einer erfolgreichen Klage nicht
sicher ist, ob das Rechtsverhältnis bis zu seinem Ende tatsächlich fortgeführt wird.
Demgegenüber ergreift bei einer negativen Feststellungsklage des Schuldners, mit
der das Nichtbestehen des Stammrechtes geltend gemacht wird, der erstrebte
Urteilsausspruch das gesamte Bezugsrecht und kann in seiner wirtschaftlichen
Bedeutung für die Beteiligten durch künftige Entwicklungen nicht mehr beeinflusst
werden. Mit der Feststellung, dass das Stammrecht wirksam beendet sei und der
Kläger nichts schulde, verliert der Gläubiger im prozessualen Sinne die sich aus
der Summe der wiederkehrenden Leistungen ergebende und bereits feststehende
Gesamtforderung endgültig. Einer normativen Begrenzung bedarf in diesem Fall
deshalb nicht. Die die normative Begrenzung des § 9 ZPO rechtfertigende
Unsicherheit aus der typischen Zukunftsgerichtetheit von
Dauerrechtsverhältnissen (vgl. MünchKomm-ZPO/Wöstmann, 3. Aufl., § 9 Rz. 1) ist
hier nicht gegeben.
c) Es ist darum gerechtfertigt als Gegenstandswert einer solchen Klage, anders als
bei einer negativen Feststellungsklage, die sich auf ein Bezugsrecht von
unbestimmter Dauer bezieht (BGHZ 2, 276), nach § 3 ZPO die Gesamthöhe der
künftig ausstehenden Leistungen zugrunde zu legen. Ob § 9 ZPO möglicherweise
schon deshalb nicht anzuwenden ist, weil es sich bei den Einlagen um einen in
seiner Gesamthöhe feststehenden Betrag handelt, der in Raten zu tilgen ist (vgl.
OLG Frankfurt OLGR 2003, 52 = AGS 2003, 171; OLG München DB 2005, 1567),
kann darum dahin gestellt bleiben. Dem vom Kläger vorgelegten,
unveröffentlichten und hinsichtlich der Anwendung von § 9 ZPO nicht näher
begründeten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 4.4.2005 (II ZR 192/04)
vermag der Senat aus den vorstehenden Gründen nicht zu folgen.
2. Unter Hinzurechnung des Wertes des Klageantrages zu 2. hat das Landgericht
damit in seinem Abhilfebeschluss des Gebührenstreitwert zu Recht nach § 48 Abs.
1 S. 1 GKG in Verbindung mit § 3 GKG auf 35.616,- Euro festgesetzt. Der
Klageantrag zu 3. war nicht hinzuzurechnen, da die mit ihm geltend gemachten
vorgerichtlichen Anwaltskosten lediglich eine Nebenforderung im Sinne von § 43
GKG betrafen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung im
Beschluss des Landgerichts vom 28.4.2008 verwiesen.
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III. Über die Zulassung des Rechtsmittels einer weiteren Beschwerde wegen
grundsätzlicher Bedeutung der entschiedenen Rechtsfrage ist nicht zu
entscheiden, weil gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte im
Streitwertfestsetzungsverfahren eine weitere Beschwerde nicht statthaft ist (§ 68
Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG). Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst,
denn das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei und Kosten werden nicht erstattet
(§ 68 Abs. 3 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.