Urteil des OLG Frankfurt vom 14.09.2010

OLG Frankfurt: täuschung, miete, betrug, strafbarkeit, abrede, darlehensvertrag, beschuldigter, verdacht, verfügungsfreiheit, motivirrtum

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Gericht:
OLG Frankfurt 3.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 Ws 830/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 263 StGB
Leitsatz
Die Täuschung über die Verwendung von Darlehensmitteln vor Abschluss eines
entsprechenden Vertrages vermag eine Strafbarkeit nach § 263 StGB nicht zu
begründen.
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über den Beschwerdebescheid der
Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 20. Juli 2010 wird als unzulässig
verworfen.
Gründe
Der Antragsteller wirft der Beschuldigten Betrugshandlungen zu seinen Lasten vor.
Die Beschuldigte habe sich von ihm Darlehensbeträge zahlen lassen, wobei sie
zum Teil unrichtige Verwendungszwecke angegeben habe. So habe sie am 14.08.
und 15.08.2007 insgesamt 750,- € von ihm beansprucht, wobei sie vorgegeben
habe, sie müsse ihre Miete für August 2007 zahlen. In Wirklichkeit habe sie das
Geld aber anderweitig verwendet. Am 27.08.2007 habe der Anzeigeerstatter an
die Beschuldigte 5.100,- € gezahlt, wobei 1.500,- € für die Kautionsgestellung einer
neuen Wohnung hätten verwendet werden sollen und 3.600,- € zur Begleichung
von Schulden bei der .... Am 06.09.2007 seien 1.200,- €, am 10.09.2007 1.400,- €
und am 21.09.2007 400,- € gezahlt worden. Am 24.09.2007 seien dann 950,- €
wegen angeblicher „...-Schulden“ an die Beschuldigte ausgezahlt worden. Von
Anfang an seien die Beträge als Darlehen gezahlt worden, wobei man sich später
um eine schriftliche Fixierung der Darlehensabrede bemüht habe. Letztlich habe
die Beschuldigte nach Einschalten des Bevollmächtigten des Antragstellers
schriftlich anerkannt einen Betrag von 16.000,- € dem Antragsteller zu schulden
und sich verpflichtet diese Schuld in monatlichen Raten je 150,- € zurückzuzahlen.
Vereinbarungsgemäß sei über die 16.000,- € ein Vollstreckungsbescheid erwirkt
worden. Die Beschuldigte habe in der Folge aber lediglich 950,- € zurückgezahlt.
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seien fruchtlos verlaufen und die Beschuldigte
habe inzwischen die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Man habe insoweit in
Erfahrung gebracht, dass die Beschuldigte Verbindlichkeiten in Höhe zwischen
20.000,- und 30.000,- € habe. Wenn der Antragsteller dies gewusst hätte, hätte er
die Zahlungen nicht erbracht. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt a.M. hat mit
Bescheid vom 10.05.2010 das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO
eingestellt, da dem Anzeigeerstatter kein Schaden entstanden sei. Die
Beschwerde des Anzeigeerstatters gegen diese Einstellung hat die
Generalstaatsanwaltschaft mit Bescheid vom 20.07.2010 verworfen, da sich ein
Betrug nicht hinreichend nachweisen lasse. Hiergegen richtet sich der Antrag auf
gerichtliche Entscheidung des Anzeigeerstatters.
Der Antrag ist bereits unzulässig. Der Antragsteller stellt einen Sachverhalt dar,
der in materieller Hinsicht nicht den Verdacht einer Straftat rechtfertigt. Der vom
Antragsteller vorgetragenen Sachverhalt begründet keine Strafbarkeit nach § 263
StGB und unterfällt auch keiner anderen Strafbestimmung.
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Soweit der Antragsteller vorträgt, die Darlehen seien nicht gewährt worden, wenn
er gewusst hätte, dass die Beschuldigte Schulden in Höhe von mehr als 20.000,- €
habe, fehlt es bereits an einer Täuschung durch die Antragstellerin. Der
Darlehensnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Darlehensgeber von sich
aus über seine finanziellen Verhältnisse aufzuklären. Von einer betrugsrelevanten
Täuschung kann insoweit nur dann gesprochen werden, wenn der
Darlehensnehmer von vorneherein nicht vorhatte, das Darlehen
zurückzugewähren oder aber hierzu von vorneherein nicht in der Lage war. Beides
kann hier nicht angenommen werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschuldigte
von vorneherein nicht vorgehabt hat, das Darlehen zurückzuzahlen, bestehen
nicht. Zwar hat die Beschuldigte gegenüber der Polizei vorgetragen, ursprünglich
sei eine Rückzahlung nicht vereinbart gewesen, sie hat aber gleichzeitig erklärt, sie
habe nach der „Trennung vom Beschuldigten“ die Gelder auf jeden Fall
zurückzahlen wollen. Letztlich hat die Beschuldigte aber nach Schilderung des
Anzeigeerstatters und ihrer eigenen Einlassung ihre Zahlungspflicht zu keinem
Zeitpunkt in Abrede gestellt, was vor dem Hintergrund rein mündlicher Absprache
zwingend gegen die anfängliche Absicht spricht, die Rückzahlungsansprüche
bestreiten zu wollen.
Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschuldigte von
vorneherein nicht in der Lage gewesen wäre, die Beträge zurückzuzahlen. Hierbei
ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Darlehen nach Schilderung des
Anzeigeerstatters zunächst zins- und tilgungsfrei ausgezahlt wurde. Die
Beschuldigte musste also nicht befürchten, kurzfristig mit der
Rückzahlungsverpflichtung konfrontiert zu werden. Im Übrigen kann eine
irrtumrelevante Täuschung des Anzeigeerstatters insoweit schon deshalb nicht
angenommen werden, da der Anzeigeerstatter nach seinem Vorbringen genau
wusste, dass die Beschuldigte nicht einmal in der Lage war, ihre Miete zu
bezahlen.
Die vom Antragsteller vorgetragene Täuschung über den Zweck der erbetenen
Darlehen begründet keinen Betrug. Zunächst ist allerdings zu berücksichtigen,
dass der Antragsteller lediglich in Bezug auf die Miete und die sog. „...-Schulden“
nachvollziehbar eine Täuschung schildert. In Bezug auf die Zahlung von 5.100,- €
wird nicht hinreichend in Abrede gestellt, dass die Beträge zweckentsprechend
verwandt wurden und in Bezug auf die Zahlungen vom 06.09, 10.09 und
21.09.2007 wird eine Zweckvereinbarung nicht schlüssig behauptet.
Letztlich kann dies aber dahinstehen, da es an einem relevanten Schaden fehlt.
Der Anzeigeerstatter wusste von vorneherein, dass er mit Abschluss des
Darlehensvertrages und Auszahlung der Darlehensvaluta (lediglich) einen
Zahlungsanspruch gegen die Beschuldigte gemäß § 688 Abs. 1 S. 2 BGB erhielt.
Soweit sich dieser Rückzahlungsanspruch nicht realisieren ließ, wurde oben bereits
darauf hingewiesen, dass dies nicht auf einer Täuschung der Beschuldigten beruht.
Nach der Rechtsprechung ist allerdings in den Fällen des sogenannten Spenden-,
Bettel- oder Schenkungsbetrug anerkannt, dass die Annahme einer täuschungs-
und irrtumsbedingten Täuschung nicht schon deshalb entfällt, weil sich der
Getäuschte der nachteiligen Wirkung seiner Verfügung auf das Vermögen bewusst
ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.1994, Az. 4 StR 331/94, zit. nach Juris, m.w.N.). Für
diese Fälle ist es aber kennzeichnend, dass nach den Vorstellungen des Gebenden
durch Erreichen eines nicht vermögensrechtlichen Zweckes, die
Vermögenseinbuße ausgeglichen werden soll. Wenn in solchen Fällen der Zweck
verfehlt wird, so wird auch das Vermögensopfer wirtschaftlich zu einer auf der
Täuschung beruhenden unvernünftigen Ausgabe (BGH, NJW 1992, 2167). Diesen
Fällen ist es damit aber eigen, dass die Annahme eines Betrugs darauf beruht,
dass die Vermögensverschiebung in ihrem sozialen Sinn entwertet wird (vgl.
Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 263 Rn. 101), wobei dieser
soziale Sinn gerade über einen rein vermögensrechtlichen Zweck hinausgehen
muss. Bei wirtschaftlichen Austauschverträgen kommt einschränkend ein
irrtumsbedingter Schaden sogar nur in Betracht, wenn der Abschluss des
Geschäfts entscheidend durch den sozialen Zweck bestimmt war, dieser jedoch
verfehlt worden ist (BGH, Beschluss vom 11.09.2003, Az. 5 StR 524/02, zit. nach
Juris; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 263 Rn. 138). Hieran fehlt es hier aber. Die
angestrebte Begleichung von Schulden ist kein sozialer Zweck. Zudem wurden die
Darlehen offensichtlich nicht in erster Linie gewährt, um die Gläubiger, die dem
Antragsteller unbekannt waren, zu befriedigen. Vielmehr ist das Motiv für die
Bereitstellung der Geldbeträge in der emotionalen Nähe zwischen Antragsteller
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Bereitstellung der Geldbeträge in der emotionalen Nähe zwischen Antragsteller
und Beschuldigter zu sehen. Diese persönliche Beziehung begründet aber keinen
sozialen Zweck der Leistung.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass beim Darlehensvertrag der
Darlehensnehmer in der Verwendung der Darlehensvaluta grundsätzlich frei ist,
solange nicht etwas anderes vereinbart wurde. Eine solche abweichende
Vereinbarung wird hier aber nicht behauptet, vielmehr wird lediglich dargelegt, die
Darlehen seien wegen der geschilderten Schulden gewährt worden. Eine
Vereinbarung dahingehend, dass die Beschuldigte verpflichtet gewesen wäre, die
Gelder auch entsprechend zu verwenden, wurde nicht behauptet. Eine solche
Vereinbarung würde aus Sicht der Vertragsparteien aber auch keinen Sinn
machen, da sie den Darlehensnehmer in seiner Verfügungsfreiheit einschränken
würde und dem Darlehensgeber keinen Vorteil bringen würde, da er unabhängig
von der Verwendung der Mittel nur seinen ungesicherten Rückzahlungsanspruch
inne hat.
Im Ergebnis mag die Beschuldigte durch Täuschung den Antragsteller zur Hingabe
der Darlehen motiviert haben, ein solcher Motivirrtum begründet aber nach obigen
Ausführungen die Betrugsstrafbarkeit nicht. Andere Straftatbestände werden
durch das Verhalten der Beschuldigten ebenfalls nicht verwirklicht. Der Antrag war
damit aber als unbegründet zu verwerfen.
Da der Antrag als unzulässig verworfen worden ist, sind der Antragstellerin keine
Kosten aufzuerlegen (§§ 177, 174 StPO); ihre notwendigen Auslagen hat sie
ohnehin zu tragen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.