Urteil des OLG Frankfurt vom 24.11.2010

OLG Frankfurt: schenkung von todes wegen, abtretung, dingliche einigung, schweizer recht, gespräch, zgb, anzeige, besitzanweisung, unterzeichnung, vollzug

1
2
3
4
5
Gericht:
OLG Frankfurt 4.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 U 92/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 518 Abs 2 BGB, § 929 S 1
BGB, § 931 BGB, § 985 BGB, §
17a WPapG
Internationales Sachenrecht: Übereignung von in einem
Depot verwahrten Wertpapieren durch Abtretung des
Besitzherausgabeanspruchs gegen die Depotbank nach
schweizerischem Zivilrecht - "Besitzanweisung" -
Leitsatz
Zur Übereignung von Wertpapieren in einem Wertpapierdepot durch Abtretung des
Herausgabeanspruchs gegen die depotführende Bank nach schweizerischem Zivilrech
("Besitzanweisung")
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 23.3.2010 verkündete Urteil des
Landgerichts Frankfurt, 8. Zivilkammer, wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung aus dem
Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des auf
Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte
zuvor Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.
Gründe
I.
Der Kläger ist Nachlasspfleger für den Nachlass der am ….2008 verstorbenen X
(im Folgenden: Erblasserin) und verlangt von der Beklagten die Vornahme einer
Anweisung an die Schweizer Bank 1, bestimmte sich heute in einem Depot der
Beklagten befindende Wertpapiere auf das Nachlasstreuhandkonto zu übertragen.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird zunächst auf den
Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen, der jedoch hinsichtlich der
Vorgänge zur Übertragung des Depots wie folgt zu ergänzen ist:
Der Kläger verlangt die Übertragung des Depots in derselben Zusammensetzung,
wie sie sich aus einem „Vermögensausweis“ (Depotübersicht) über das Depot der
Erblasserin vom 18.7.2008 (Bl. 24 ff. d.A.) ergibt.
Zwischen den Parteien ist in erster Instanz unbestritten geblieben, dass an einem
nicht näher bezeichneten Tag im Juli 2008 das Depot der Erblasserin aufgelöst, ein
Depot auf den Namen der Beklagten ebenfalls bei der BANK1 angelegt und die
Vermögenswerte aus dem Depot der Erblasserin auf letzteres übertragen worden
sind.
Zu den Vorgängen, die zur Unterzeichnung des Anweisungszettels (Bl. 14 d.A.)
durch die Erblasserin und dessen Aushändigung an die BANK1 in Stadt1 geführt
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
durch die Erblasserin und dessen Aushändigung an die BANK1 in Stadt1 geführt
haben, hat die Beklagte im Einzelnen behauptet:
Sie und die Zeugen Eheleute Z1/Z1a hätten Anfang April mit der Erblasserin in der
Klinik in Stadt2 eine Unterredung gehabt, bei der die Erblasserin gesagt habe,
dass sie der Beklagten ein Depot bei der BANK1 als Dank für die langjährige
Unterstützung und spätere Pflege übertragen wolle. Gleichzeitig habe sie einen
Zettel mit der Notiz „17 jährige treue Hilfe unentgeldlich“ (Anlage B 1) übergeben.
Den Zeugen Z1 habe sie gebeten bei der BANK1 AG in Stadt1 telefonisch
nachzufragen, „wie eine Übertragung des Depots auf die Beklagte formuliert sein
müsste“. Der Zeuge Z1 habe darauf bei der BANK1 angerufen und mit der
Sachbearbeiterin A gesprochen. Dabei sei davon die Rede gewesen, dass die
Beklagte ohnehin für „das Konto“ der Erblasserin seit vielen Jahren bevollmächtigt
sei. Die Zeugin A habe es für angebracht gehalten, die Angelegenheit persönlich
zu besprechen.
Darauf hin seien die Eheleute Z1/Z1a am 18.4.2008 nach Stadt1 in die Schweiz
gefahren. Dort sei diesen von der Zeugin A gesagt worden, es genüge, dass die
Beklagte „seit vielen Jahren schon verfügungsberechtigt sei“, wenn die Erblasserin
schriftlich anzeige, dass sie ihr Depotkonto auflösen und auf die Beklagte
übertragen möchte.
Einige Tage später, am 20.4.2004, hätten die Beklagte und die Eheleute Z1/Z1a
wieder die Erblasserin besucht. Hier habe die Erblasserin erklärt, dass sie ihr das
Depot in der Schweiz übertrage. Die Beklagte habe sich dafür bedankt. Danach
hätten die Eheleute Z1/Z1a über ihr Gespräch in der Schweiz berichtet und über
die Vorgehensweise zum Zwecke der Übertragung.
Anschließend habe der Zeuge Z1 das Schreiben vom 23.4.2008 auf seinem PC
erstellt und der Erblasserin am Mittwoch, den 23.4.2008, in der Klinik vorgelegt.
Diese habe es im Beisein der Zeugen Z1/Z1a unterschrieben.
Der Kläger hat demgegenüber behauptet, dass das Depot der Beklagten von
Anfang an wegen eigener Nachprüfungen der BANK1 „blockiert“ gewesen sei bzw.
von der BANK1 eine „Depotsperre“ verhängt worden sei. Die Beklagte hat
demgegenüber behauptet, das Depot sei von der BANK1 erst später nach
erfolgter Übertragung gesperrt worden, nachdem sich der Kläger gemeldet und die
Zugehörigkeit des Vermögens zum Nachlass behauptet hatte.
Das Landgericht hat ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil, welches nach
Beweisaufnahme über die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin am 23.4.2008
(Beweisbeschluss vom 8.10.2009) ergangen war, nach rechtzeitigem Einspruch
des Klägers aufrecht erhalten.
Es hat dies damit begründet, dass dem Kläger weder ein Anspruch aus § 985 BGB
noch ein Anspruch aus § 812 BGB auf Übertragung des Depots zustehe. Denn die
Erblasserin habe noch zu Lebzeiten durch Abtretung des Herausgabeanspruchs
gegen die das Depot führende Bank die Wertpapiere wirksam nach §§ 929, 931,
870 BGB an die Beklagte übereignet. Der Erklärung der Erblasserin vom 23.4.2008
sei als Einigung und Abtretung in diesem Sinne zu verstehen.
Der Formmangel eines dieser Übertragung zugrunde liegenden
Schenkungsvertrages sei nach § 518 Abs. 2 BGB geheilt, da die Schenkung vor
dem Tode der Erblasserin vollzogen worden sei. Dies sei schon dann der Fall, wenn
der Erblasser alles von seiner Seite zum Erwerb des geschenkten Gegenstandes
Erforderliche getan habe. Hier habe dazu „die bedingte Übertragung des
Eigentums“ durch die Abtretung genügt.
Hinsichtlich der Frage der Geschäftsfähigkeit sei das Gericht aufgrund der
Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Erblasserin bei der
Einigung und Abtretung am 23.4.2008 das Bewusstsein von der inhaltlichen
Tragweite der Entscheidung gehabt habe. Sie sei deshalb nicht geschäftsunfähig
gewesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches
Begehren weiterverfolgt. Er wendet sich mit seiner Berufung nicht gegen die
Feststellung des Landgerichts, wonach die Erblasserin nicht geschäftsunfähig
gewesen sei, sondern macht geltend, die formunwirksame Schenkung des
Wertpapierdepots an die Beklagte durch Übereignung sei bis heute nicht im Sinne
des § 518 Abs. 2 BGB vollzogen worden und die Beklagte deshalb zur Herausgabe
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
des § 518 Abs. 2 BGB vollzogen worden und die Beklagte deshalb zur Herausgabe
verpflichtet.
Entgegen dem Verständnis des Landgerichts könne die Erklärung der Erblasserin
vom 23.4.2008 nicht als eine Einigung mit Abtretung des Herausgabeanspruchs
gegen die Bank ausgelegt werden. Die Beklagte sei bei Abgabe der Erklärung
nämlich nicht zugegen gewesen. Das Schreiben sei von den Eheleuten Z1/Z1a an
die BANK1 geschickt worden und die Beklagte habe das Schreiben auch später nie
erhalten. Das Landgericht habe die Schilderung der Beklagten bei ihrer Anhörung
übergangen, wonach beim Gespräche am 20.4.2008 nur besprochen worden sei,
dass die Erblasserin die Beklagte „absichern“ wolle und sie ihr ein Konto in der
Schweiz überschreiben wolle. Danach habe zur Übertragung also noch ein weiteres
Gespräch stattfinden sollen. Die nachfolgenden Maßnahmen der BANK1 in Stadt1
hätten folglich allein auf der Weisung der Erblasserin vom 23.4.2008 beruht.
Die Beklagte habe die Depotwerte von der BANK1 aber bis heute nicht erhalten.
Erst einen Monat nach dem Tod der Erblasserin nämlich seien die Depotwerte auf
ein auf die Beklagte lautendes Depot übertragen und zugleich ein Sperrvermerk
eingerichtet worden (Beweis: Zeuge Z2).
Über die Depotwerte könne die Beklagte bis heute nicht verfügen. Als Beleg legt
der Kläger einen Kontoauszug über das Depot der Erblasserin für die Zeit vom 1.1.
bis 24.7.2008 (Bl. 241 – 245 d.A.) vor.
Er vertritt die Auffassung, dass die bloße Vornahme der Leistungshandlung durch
die Erblasserin noch nicht für eine Heilung im Sinne des § 518 Abs. 2 BGB
ausreiche. Vielmehr müsse der Leistungserfolg eintreten, nämlich eine gewisse,
gesicherte Erwerbsposition.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Für den Schenkungsvollzug sei nach zutreffender Auffassung ausreichend, dass
die Schenkerin alles getan habe, was von ihrer Seite zum Erwerb des geschenkten
Gegenstandes erforderlich sei.
Sie teilt nicht die Würdigung des Beklagten, dass es nach den beiden Gesprächen
mit der Erblasserin am 18./19.4. und am 20.4.2008, bei denen ihr das
Schenkungsversprechen gemacht worden war, ein nochmaliges gemeinsames
Gespräch habe stattfinden sollen. Sie habe gewusst, dass sich die Eheleute
Z1/Z1a um die „Formalitäten“ kümmern sollten. Bei einem Gespräch im Mai 2008
mit der Erblasserin habe sie dann auch erfahren, dass die Eheleute Z1/Z1a die
Formalitäten erfüllt hätten.
Der Sperrvermerk sei von der BANK1 erst später, nachdem der Klägervertreter
sich wegen des Nachlasses bei dieser gemeldet habe, verfügt worden und zwar
am 19.12.2008. Bis dahin habe sie Zugang zu dem Depot gehabt. Sie verweist auf
ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach sie am 18.7.2008 einen Betrag von rund
9.000,- Euro bei der BANK1 in Stadt1 vom eigenen Depot abgehoben habe und
legt als Beleg eine Kopie der Auszahlungsquittung sowie die
Depoteingangsbestätigungen vom 21.7.2009 und die Vermögensübersicht der
BANK1 vom Oktober 2008 vor (Bl. 263 – 269).
Der Kläger repliziert hierauf, dass der Vortrag der Beklagten, der Sperrvermerk sei
erst am 19.12.2008 gesetzt worden, nicht glaubhaft sei, weil die Beklagte keine
schriftlichen Informationen über ein solches Vorgehen der BANK1 ihr gegenüber
vorlegen könne.
Der am 18.7.2008 abgehobene Geldbetrag könne darüber hinaus nicht vom
Vermögen der Erblasserin stammen, weil nach den vorgelegten Kontounterlagen
erst mit Valuta vom 23.7.2008 ein Geldbetrag von rund 3.400,- € vom Depot der
Erblasserin auf das der Beklagten übertragen worden sei.
Mit Schriftsatz vom 28.10.2010 legt die Beklagte nunmehr in Ergänzung ihres
Vorbringens zwei schriftliche Bestätigungen der BANK1 SA in Stadt1 vor: Im
Schreiben der BANK1 vom 8.10.2010 wird mitgeteilt, dass das Konto der
Erblasserin am 24.7.2008 „inaktiviert“ worden sei, am 18.7.2008 anlässlich eines
Besuchs der Beklagten ihre Bankverbindung eröffnet worden sei und sie am
gleichen Tag 9.000,- € und 1.000,- CHF bezogen habe. Ferner habe die Sperrung
„Ihrer Verbindung“ im Dezember 2008 stattgefunden. Im zweiten Schreiben vom
21.10.2010 wird bestätigt, dass die Auszahlung von 9.000,- €/1-.000,- CHF „im
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
21.10.2010 wird bestätigt, dass die Auszahlung von 9.000,- €/1-.000,- CHF „im
Hinblick auf den Konto/Depotübertrag von Frau X“ erfolgt sei.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des
Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger
gegen die Beklagte weder aus § 985 BGB noch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB
ein Anspruch auf Übertragung der sich auf deren Depot bei der BANK1 in Stadt1
befindlichen Wertpapiere zusteht, denn die Beklagte hat wirksam Eigentum an den
Wertpapieren erlangt. Ein Anspruch auf Herausgabe aus § 985 BGB ist folglich
nicht begründet, weil die Wertpapiere nicht in den Nachlass gefallen sind.
Ein Anspruch auf Übereignung auch § 812 Abs. 1 S. 1, 1. BGB scheitert am
Bestehen eines Rechtsgrundes, denn mit dem Eigentumserwerb ist die den
Rechtsgrund für die Übertragung bildende, zunächst formunwirksame Schenkung
nach § 518 Abs. 2 BGB geheilt worden.
1. Die Beklagte ist Eigentümerin der ihr zugewendeten Wertpapiere geworden.
a) Allerdings beurteilt sich entgegen der Annahme des Landgerichts der Vollzug
des Eigentumserwerbs nicht nach deutschem, sondern nach schweizerischem
Recht. Nach Art. 43 Abs. 1 EGBGB unterliegen Rechte – auch an beweglichen -
Sachen dem Recht des Staates, in dem sie sich befinden. Hier ist davon
auszugehen, dass sich die im Depot „verwahrten“ Wertpapiere entweder im
unmittelbaren Besitz der BANK1 oder in schweizerischer Sammelverwahrung
befinden (vgl. Gößmann u.a., Bankrecht und Bankpraxis, Stand: 2006, Rz. 8/157
und 7/151). Ferner ist nach den Bezeichnungen der Wertpapiere davon
auszugehen, dass es sich um echte Wertpapiere handelt, bei denen das Recht aus
dem Papier (Forderung) dem Eigentum am Papier folgt. Bei solchen Papieren gilt
das Recht des Lageortes nach Art. 43 EGBGB (vgl. Palandt/Thorn, BGB, 69. Aufl., §
43 EGBGB Rz. 1). Darüber hinaus ergibt sich die Maßgeblichkeit Schweizer Rechts
auch aus § 17a DepotG, weil davon auszugehen ist, dass die Papiere, wenn sie
sammelverwahrt werden, in einem schweizerischen Register verzeichnet sind.
b) Die Übereignung von Wertpapieren richtet sich in der Schweiz, da ein spezielles
Depotgesetz nicht besteht, nach allgemeiner Rechtsauffassung nach den Regeln
für die Übertragung von Eigentum an beweglichen Sachen (Gößmann, a.a.O., Rz.
8/157).
Zur Übertragung von Fahrniseigentum bedarf es neben einem gültigen
Grundgeschäft (dazu unter bb) nach Art. 714 Abs. 1 des schweizerischen
Zivilgesetzbuches (im Folgenden: ZGB) des Übergangs des Besitzes auf den
Erwerber (Rey, Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum. Grundriss
des schweizerischen Sachenrecht Bd. I, 1991, Rz. 1688 - 1790; Wittibschlager,
Einführung in das schweizerische Recht, Rz. 294).
aa) Für den hier einschlägigen Fall, dass sich die Sache im (unmittelbaren) Besitz
eines Dritten, nämlich der BANK1 bzw. der schweizerischen Sammelverwahrstelle,
befindet, ermöglicht Art. 924 ZGB eine Übertragung des Besitzes „ohne
Übergabe“ an den Erwerber: ZGB Art. 924
Ohne Übergabe kann der Besitz einer Sache erworben werden, wenn ein Dritter
oder der Veräußerer selbst aufgrund eines besonderen Rechtsverhältnisses im
Besitz der Sache verbleibt .
Gegenüber dem Dritten ist dieser Besitzübergang erst dann wirksam, wenn ihm
der Veräußerer davon Anzeige gemacht hat.
Zur Besitzübertragung bedarf es hier einer Einigung zwischen Veräußerer und
Erwerber, dass das besondere Rechtsverhältnis und damit der Besitz auf den
Erwerber übergeht („Besitzanweisungsvertrag“, vgl. Rey. a.a.O., Rz. 1730). Die
Anzeige der Besitzanweisung hat demgegenüber keine konstitutive Bedeutung
(Rey a.a.O.). Diese Form der Übereignung hat ihren Anwendungsbereich vor allem
für in einem Sammeldepot verwahrte Aktien und andere Wertpapiere, weil sie
erfolgen kann, ohne eine körperliche Übergabe vornehmen zu müssen (Rey
a.a.O.).
38
39
40
41
42
43
44
Das Landgericht hat aufgrund der Beweisaufnahme zu Recht angenommen, dass
die Erblasserin und die Beklagte sich im April, und zwar am 23.4.2008, sowohl über
den Übergang des Eigentums als auch über die Abtretung des
Herausgabeanspruchs gegen die BANK1 im Sinne des deutschen Rechts nach den
§§ 929, 931 BGB geeinigt haben. Die Einigung über den Besitzübergang im Sinne
des Art. 924 ZGB ist darin enthalten. Die ohnehin nicht konstitutive Anzeige nach §
924 Abs. 2 ZGB ist nach dem Vortrag des Klägers noch Ende April der BANK1 in
Stadt1 zugegangen.
Die Einigung über den Besitzübergang im Bezug auf die Wertpapiere ergibt sich
aus dem Geschehen, welches die Zeugen Z1 und Z1a bekundet haben. Das
Landgericht hat entgegen der Meinung des Kläger den vorgetragenen Sachverhalt
zutreffend erfasst (dazu (1) ). Auch die tatsächlichen Feststellungen zum
bestrittenen Geschehen unterliegen – bis auf einen unerheblichen Irrtum
hinsichtlich des Datums – keinen Zweifeln im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
(dazu (2)):
(1) Der von der Beklagten vorgetragene Ablauf der Geschehnisse im April 2008
war dahin zu verstehen, dass die Erblasserin bei dem zweiten Treffen am
20.4.2008 nicht nur eine Schenkung des Wertpapierdepots angeboten hat und
diese von der Beklagten angenommen worden ist, sondern zugleich auch den
(Besitz-)Herausgabeanspruch gegen die BANK1 abgetreten hat. In den
Äußerungen am 20.4.2008 kommt hinreichend zum Ausdruck, dass der Inhalt des
Wertpapierdepots nunmehr der Beklagten zustehen soll. Für dieses Verständnis
spricht insbesondere, dass der Zeuge Z1 sich bereits zuvor im Auftrag der
Erblasserin über die Modalitäten der Übertragung bei der BANK1 in Stadt1
erkundigt hatte und diese Kenntnisse bei dem Gespräch bekannt waren.
Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge Z1 erst noch im Auftrag der
Erblasserin den Brief an die BANK1 in Stadt1 vom 23.4.2008 entworfen, zur
Unterschrift vorgelegt und möglicherweise auch an die BANK1 verschickt hat.
Denn dies war allein eine Anweisung an die BANK1, die für die Regelung des
Innenverhältnisses zu ihr nach Art. 924 Abs. 2 ZGB erforderlich war. In der
Entscheidung BGH WM 1974, 450, die auch vom Landgericht zitiert wird, hat der
Erblasser der zu Beschenkenden einen Brief mit ähnlichem Inhalt an die Bank
(„verwahrte Wertpapiere… umbuchen“) übergeben und der Bundesgerichtshof hat
die Auslegung des Berufungsgerichts gebilligt, dass schon die wortlose Übergabe
dieses Briefs als ein Angebot zur Übereignung und Abtretung des
Herausgabeanspruchs anzusehen sei. Im vorliegenden Fall aber ist der Brief zwar
nicht der zu Beschenkenden (zur Weiterleitung) übergeben worden, dafür hat die
Erblasserin aber ausdrücklich erklärt, dass sie ihr das Depot in der Schweiz
übertrage. Dies ist erst recht als ein Angebot auch zur Übereignung und Abtretung
des Herausgabeanspruchs auszulegen.
(2) Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die ernsthafte Zweifel an der
Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellung der vom Kläger bestrittenen
Behauptungen der Beklagten begründen.
Der Kläger meint zu Unrecht, dass sich nach dem Geschehensablauf, wie ihn die
Beklagte persönlich bei ihrer Anhörung sowie auch die Zeugen geschildert haben,
zwar möglicherweise eine dingliche Einigung nicht aber eine Abtretung des
Herausgabeanspruchs bezüglich der Wertpapiere gegen die BANK1 an die
Beklagte ergebe, weil die Beklagte bei der Unterzeichnung des Schreibens an die
BANK1 am 23.4.2008 nicht anwesend war und dieses nie gesehen habe. Der
Kläger übersieht dabei, dass es bereits zuvor am 20.4.2008 ein (zweites) Gespräch
gab, bei dem die Zeugen Z1, die Beklagte und die Erblasserin anwesend waren
und bei dem die Erblasserin geäußert hat, dass sie ein Konto in der Schweiz habe
und ihr dieses überschreiben wolle. Die Beklagte sei bereits als Berechtigte
bezüglich dieses Kontos in der Schweiz angegeben.
Der Zeuge Z1, den das Landgericht als glaubwürdig angesehen hat, hat bestätigt,
dass nach seiner Rückkunft aus Stadt1 es nochmals zu einem Treffen mit der
Erblasserin gekommen sei, bei dem auch die Beklagte und seine Frau anwesend
waren. Dabei habe die Erblasserin bestätigt, dass „es“ – die Übertragung des
Kontos auf die Beklagte – das sei, was sie wolle. Nachdem die Erblasserin dies
bestätigt habe, habe der Zeuge das Schreiben vom 23.4.2008 zu Hause
aufgesetzt und zur Erblasserin zur Unterschrift gebracht. Die Zeugin Z1a hat sich
zusätzlich erinnern können, dass das gemeinsame Gespräch nach der Fahrt nach
45
46
47
48
49
50
zusätzlich erinnern können, dass das gemeinsame Gespräch nach der Fahrt nach
Stadt1 an einem Sonntag stattfand. Die bestätigt die zeitliche Einordnung, die die
Beklagte vorgetragen hat, denn bei dem 20.3.2008 handelte es sich um einen
Sonntag.
Der Kläger meint, der von der Beklagten bei ihrer persönlichen Anhörung
geschilderte Sachverhalt stehe damit in Widerspruch. Die Beklagte hat hier zwar
von einem Treffen um den 20.4.2008 herum berichtet. Bei diesem habe die
Erblasserin gesagt, dass sie sie „absichern“ wolle, und dass „die Z1/Z1a“ gebeten
wurden, sich darum zu kümmern und „wir würden dann noch einmal gemeinsam
darüber sprechen“. Der Kläger übersieht aber, dass die Beklagte dann von einem
weiteren Besuch mit den Z1/Z1a bei der Erblasserin berichtet, bei dem die
Erblasserin erklärt hat, dass sie der Beklagten das „Konto in der Schweiz in
Stadt1“ überschreiben wolle. Sie habe sich bedankt, obwohl sie nicht den Betrag
und die genauen Umstände gekannt habe. Ihre persönlichen Angaben stimmen
darum sowohl mit dem Vortrag ihres Prozessbevollmächtigten als auch denen der
Zeugen Z1 überein.
Das einzige Missverständnis im landgerichtlichen Urteil liegt mithin darin, dass als
Tag der Einigung und der Abtretung der 23.4.2008 angenommen und dies bei der
Prüfung der Geschäftsfähigkeit als maßgeblicher Termin zugrunde legt wird,
anstatt auf den 20.4.2008 abzustellen. Dies mindert aber nicht die Richtigkeit der
Feststellung als solcher, weil es auf den Termin materiellrechtlich nicht ankommt
und die Erwägungen zur nicht feststellbaren Geschäftsunfähigkeit auch für diesen
Tag tragen.
bb) Nach den Feststellungen des Landgericht ist auch ein im Sinne des
schweizerischen Rechts „objektiv gültiges Grundgeschäft“ gegeben. Dieses liegt in
der von der Erblasserin gegenüber der Beklagten angebotenen und von dieser
auch angenommenen Schenkung. Dem steht nicht entgegen, dass die Schenkung
nach deutschem Recht bis zu einem Vollzug schwebend unwirksam war. Denn das
Schweizer Recht trennt nicht zwischen schuldrechtlicher
Übereignungsverpflichtung und dinglicher Einigung (Abstraktions- oder
Trennungsprinzip), sondern folgt dem Kausalitätsprinzip (Rey, a.a.O., Rz. 1705 ff.).
Im Rahmen der Frage der Heilung nach § 518 Abs. 2 BGB des maßgeblichen
deutschen Schuldrechts ist es für den sachenrechtlichen Vollzug nach
schweizerischem Recht deshalb ausreichend, dass mit der Schenkung eine
„Willenseinigung über den Übergang des Eigentums“ (Rey, a.a.O., Rz. 1707)
verbunden war. Andernfalls nämlich wäre bei einer Schenkung von Gegenständen,
die sich in einem Land befinden, dessen Rechtsordnung dem Kausalitätsprinzip
folgt, eine Heilung der Formunwirksamkeit nach § 518 Abs. 2 BGB niemals
möglich. Für eine Heilung genügt es darum, wenn die weiteren Voraussetzungen
für das Bewirken der Leistung nach der ausländischen Rechtsordnung gegeben
sind.
2. Da die Beklagte mithin durch bloße „Besitzanweisung“ im Ende April 2008
(Zugang der Anzeige bei der BANK1) Eigentümerin der im Depot der Erblasserin
verwahrten Wertpapiere geworden ist, ist die mit der Zuwendung verbundene
formunwirksame Schenkung nach § 518 Abs. 2 BGB „bewirkt“ und damit geheilt
worden. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die BANK1 Stadt1 mit der
Übertragung der Wertpapiere auf ein Depot der Beklagten im Juli 2008 sofort eine
Kontosperre über jenes Konto verhängt hat oder nicht. Denn ein Bewirken der
versprochenen Leistung wäre auch nach der vom Kläger und von einem Teil in der
Literatur vertretenen Auffassung, wonach nicht allein die Leistungshandlung
seitens des Schenkers ausgeführt, sondern auch der Leistungserfolg eingetreten
sein muss (MünchKomm-BGB/J. Koch, 5. Aufl., § 518 Rz. 11; Erman/Herrmann,
BGB, 12. Aufl., § 518 Rz. 5. Anders BGH WM 1960, 1032, 1034; BGH WM 1970, 941,
BGH NJW-RR 1989, 1282), gegeben. Aus demselben Grund wäre auch ein etwaiger
Formmangel wegen einer Schenkung von Todes wegen nach § 2301 Abs. 2 BGB
geheilt worden.
Denn für eine Heilung nach dieser Bestimmung genügt es, wenn der Erblasser zu
Lebzeiten alles getan hat, was von seiner Seite zur Vermögensverschiebung
erforderlich ist (etwa Palandt/Edenhofer, BGB, 69.. Aufl., § 2301 Rz. 10).
Dies war hier jedenfalls mit der Unterzeichnung der Anweisung vom 23.4.2008 der
Fall.
III.
51
52
53
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Eine Zulassung der Revision war nicht geboten, weil weder die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat noch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die
Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543
Abs. 2 ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.
10, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.