Urteil des OLG Frankfurt vom 18.10.2005
OLG Frankfurt: dolmetscher, vereidigung, revisionsgrund, inhaber, beweiskraft, ausnahmefall, brandstiftung, quelle, zivilprozessrecht, dokumentation
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Gericht:
OLG Frankfurt 1.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 Ss 140/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 189 Abs 1 GVG, § 274 StPO,
§ 337 StPO
(Relativer Revisionsgrund: Prüfung und Bejahung des
Beruhens eines Strafurteils auf der fehlenden Vereidigung
eines Dolmetschers)
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main
zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat die Angeklagte vom Vorwurf der schweren
Brandstiftung freigesprochen.
Auf ihre hiergegen gerichtete Berufung verurteilte das Landgericht Frankfurt am
Main die Angeklagte wegen schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von 3
Jahren.
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und in
gleicher Weise begründete Revision der Angeklagten.
Sie führt mit der Rüge der Verletzung des § 189 GVG zur Aufhebung des Urteils.
Zu Recht macht die Revision geltend, das Gericht habe den nicht allgemein
vereidigten Dolmetscher X für die Sprache Twi herangezogen, ohne dass dieser
gemäß § 189 Abs. 1 GVG vereidigt worden sei. Dass der Dolmetscher nicht
vereidigt worden ist, wird durch das Protokoll über die Hauptverhandlung
unwiderlegbar bewiesen. Deshalb haben die dienstlichen Äußerungen von
Gerichtspersonen außer Betracht zu bleiben (BGH StV 96, 53).
Dass der Dolmetscher allgemein vereidigt war, kann hingegen nicht durch das
Protokoll bewiesen werden. Die Beweiskraft des Protokolls bezieht sich nur auf die
Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten.
Nicht erfasst von der formellen Beweiskraft des § 274 StPO sind Vorgänge
außerhalb der Hauptverhandlung (Pfeifer, StPO, § 274, Rdnr. 2). Die allgemeine
Vereidigung des Dolmetschers, auf die sich dieser ausweislich des
Hauptverhandlungsprotokolls berufen hat, ist ein Vorgang außerhalb der
Hauptverhandlung. Er wird daher von der Beweiskraft des § 274 StPO nicht
umfasst. Die Frage der Vereidigung ist daher dem Freibeweisverfahren zugänglich
(vgl. Dahs/Dahs, die Revision im Strafprozess, Rdnr. 492).
Die fehlende Vereidigung ist durch das vorgelegte Schreiben des
Dolmetscherbüros Y vom 1.3.2005 bewiesen. Mit diesem Schreiben teilt der
Inhaber des Dolmetscherbüros mit, dass der Dolmetscher X für die Sprache Twi
nicht allgemein vereidigt sei. Anhaltspunkte dafür, dass die Erklärung unrichtig sein
könnte, sind nicht erkennbar. Es ist davon auszugehen, dass der Inhaber eines
Dolmetscherbüros üblicherweise darüber unterrichtet ist, ob die für ihn tätigen
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Dolmetscherbüros üblicherweise darüber unterrichtet ist, ob die für ihn tätigen
Dolmetscher vereidigt sind. Gründe dafür, dass der Inhaber des Dolmetscherbüros
unwahre Angaben gemacht haben könnte, sind nicht ersichtlich.
Obwohl es sich nach dem Gesetz um einen relativen Revisionsgrund handelt, wird
davon ausgegangen, dass das Urteil in der Regel auf eine Verletzung des § 189
Abs. 1 GVG beruht; nur in Ausnahmefällen wird ein Beruhen ausgeschlossen (BGH
NStZ 98, 204). Ein derartiger Ausnahmefall ist dann gegeben, wenn die Richtigkeit
der Übersetzung leicht kontrollierbar war und anderweitig bestätigt wurde (OLG
Köln, NStZ RR 02, 247, 248). Hier wurde aber von Twi ins Deutsche übersetzt, als
einer Sprache, die kaum einem Verfahrensbeteiligten geläufig sein dürfte, so dass
die Richtigkeit der Übersetzung nicht kontrollierbar war. Ein weiterer Ausnahmefall
wird dann angenommen, wenn sich der Dolmetscher auf einen nicht
ordnungsgemäß geleisteten Eid beruft, welchen jedoch er und das Gericht als
ordnungsgemäß ansehen (BGH NStZ 84, 328). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Vielmehr hat der Dolmetscher vorliegend keinen Eid geleistet. Dementsprechend
konnte er nicht annehmen, dass er ordnungsgemäß vereidigt sei.
Da die Angeklagte in der Hauptverhandlung eine Einlassung abgab, ihr die
Aussagen der Zeugen durch den Dolmetscher übersetzt wurden, und sie nach
dem Vortrag der Revision der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig ist,
wofür auch die Ladung des Dolmetschers durch das Gericht spricht, kann nicht
ausgeschlossen werden, dass der genannte Dolmetscher, hätte er den nach § 189
Abs. 1 GVG vorgeschriebenen Eid geleistet, gewissenhafter als geschehen
übertragen hätte. Allein die durch das Hauptverhandlungsprotokoll bewiesene
Versicherung des Dolmetschers, dass er treu und gewissenhaft übertragen werde,
reicht nicht aus (BGH NStZ 98, 28).
Die angefochtene Entscheidung war mithin aufzuheben und die Sache zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurückzuverweisen
(§§ 349 Abs.4, 353, 354 Abs. 2 StPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.