Urteil des OLG Frankfurt vom 13.03.2007

OLG Frankfurt: mutwilligkeit, leistungsfähigkeit, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, quelle, akte, dokumentation, begriff

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Gericht:
OLG Frankfurt 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 WF 111/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 114 ZPO, § 645 ZPO, § 648
ZPO
Anspruch auf Prozeßkostenhilfe für Verteidigung gegen
Unterhaltsanspruch im vereinfachten
Unterhaltsfestsetzungsverfahren
Leitsatz
Grundsätzlich kann auch für den Antragsgegner im vereinfachten
Unterhaltsfestsetzungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines
Rechtsanwalts bewilligt werden kann.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts
Kassel vom 16. Februar 2007 abgeändert.
Dem Antragsgegner wird zur Rechtsverteidigung im vereinfachten Unter-
haltsfestsetzungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt
RA1, O1, bewilligt.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind
nicht zu erstatten.
Gründe
Der Antragsgegner ist der Vater des Antragstellers und diesem zum Barunterhalt
verpflichtet. Nachdem er auf mehrfache Anfrage des als Beistand tätigen
Kreisjugendamtes O1 keine Angaben über seine Einkommens- und
Vermögensverhältnisse gemacht hatte, hat der Antragsteller am 15.12.2006 die
Festsetzung des Unterhalts im vereinfachten Festsetzungsverfahren in Höhe von
100 % der Regelbeträge ab 01.11.2005 beantragt.
Diesem Antrag ist der Antragsgegner – vertreten durch seinen
Verfahrensbevollmächtigten – mit dem Hinweis auf mangelnde Leistungsfähigkeit
entgegengetreten. Er hat das hierfür vorgesehene Formular ausgefüllt zur Akte
gesandt. Er hat im Übrigen zur Rechtsverteidigung die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe beantragt.
Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 16.02.2007
zurückgewiesen. Auf dessen Gründe wird zur weiteren Sachdarstellung Bezug
genommen.
Gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe richtet sich die als Erinnerung
bezeichnete sofortige Beschwerde des Antragsgegners, der das Amtsgericht nicht
abgeholfen hat.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässig, sie ist auch in der
Sache gerechtfertigt.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nicht nur für den jeweiligen Antragsteller,
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Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nicht nur für den jeweiligen Antragsteller,
sondern grundsätzlich auch für den Antragsgegner im vereinfachten
Unterhaltsfestsetzungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines
Rechtsanwalts bewilligt werden kann. Ein solches Verfahren ist von der
Prozesskostenhilfegewährung nicht generell ausgeschlossen. Es wird auch zu
Recht die Ansicht vertreten, dass es einem Antragsgegner ohne Hilfe eines
Rechtsanwalts oft nicht gelingen kann, die für den Laien nicht verständlichen
Formulare auszufüllen (Zöller-Philippi, 26. Aufl., § 646 Rdn. 4 m. w. N.). Die
Möglichkeit, sich an die Rechtsantragsstelle zu wenden, ersetzt nicht in jedem Fall
die anwaltliche Beratung.
Die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung im vorliegenden Verfahren ist nicht von
der Hand zu weisen, denn die Leistungsfähigkeit des Beklagten zur Zahlung des
beantragten Unterhalts ist in der Tat fraglich. Hierauf hat bereits das Amtsgericht
in dem angefochtenen Beschluss hingewiesen, so dass auch diese Voraussetzung
des § 114 ZPO erfüllt ist.
Letztlich kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auch nicht daran scheitern,
dass der Antragsgegner Aufforderungen zur Darlegung seiner Einkommens- und
Vermögensverhältnisse ignoriert haben soll. Dieser Gesichtspunkt ist gemäß § 114
ZPO unter dem Begriff der Mutwilligkeit zu bewerten. Insoweit hat das Amtsgericht
zutreffend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom
05.10.2006 2 WF 367/06) die Ansicht vertreten, dass derjenige keine
Prozesskostenhilfe verdient, der durch sein eigenes passives Verhalten das
Verfahren veranlasst hat, um sich anschließend gegen seine Inanspruchnahme zu
wehren. Vorliegend kann jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass der
Antragsgegner nach seinem Vortrag wiederholt versucht haben will, die zuständige
Sachbearbeiterin des Kreisjugendamtes zu erreichen, um seine Auskünfte zu
erteilen, was ihm aber niemals gelungen sei. Im Übrigen hat er möglicherweise
darauf vertraut, dass Erkenntnisse aus dem Parallelverfahren 542 F 2700/06 – AG
Kassel auch zu dem hiesigen Vorgang gelangen würden. Abwegig ist das nicht,
denn in beiden Verfahren geht es um den Kindesunterhalt für den Antragsteller. In
beiden Verfahren ist der Landkreis O1 auf der Klägerseite beteiligt, auch wenn
verschiedene Abteilungen tätig geworden sind. Es bestehen jedenfalls keine
hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass von Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung
auszugehen wäre.
Nach alledem kann dem Antragsgegner die Gewährung von Prozesskostenhilfe
unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten nicht versagt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus Nr. 1811 des KV zu § 3 Abs. 2 GKG, § 127 Abs. 4
ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.