Urteil des OLG Frankfurt vom 06.10.2004
OLG Frankfurt: darlehen, hinweispflicht, eigentumswohnung, wiedereröffnung, widerruf, rückzahlung, quelle, absicht, wiederholung, konkretisierung
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Gericht:
OLG Frankfurt 9.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 U 81/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 139 Abs 4 S 1 ZPO
(Richterliche Hinweispflicht: Aktenkundigkeit eines
richterlichen Hinweises)
Tenor
In dem Rechtsstreit
...
weist der Senat darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch einstimmigen
Beschluss zurückzuweisen.
Ein entsprechender Hinweis ist bereits unter dem 13.2.2004 ergangen. Eine
endgültige Entscheidung ist danach zunächst nicht ergangen, weil der Senat die
Sache unter dem Licht der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu
darlehensfinanzierten Kapitalanlagen erneut beraten hat. Er hält danach an seiner
Absicht einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO fest, weist ergänzend aber
noch auf die nachfolgenden Umstände hin.
Gründe
Der Kläger begehrt Rückzahlung von Raten, die er auf ein bei der
Rechtsvorgängerin der Beklagten aufgenommenes Darlehen gezahlt hat. Das
Darlehen diente zur Finanzierung des Erwerbs einer Eigentumswohnung, war durch
eine Grundschuld abgesichert und kam nach Verhandlungen in seiner
Privatwohnung zustande. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die
hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers aus § 3 HTWG a. F.
verneint. Dem Kläger stand ein Recht zum Widerruf nicht zu, weil er nicht
hinreichend schlüssig vorgetragen hat, dass der Vertrag in einer Haustürsituation
nach § 1 Abs. 1 HTWG zustande gekommen ist. Insoweit nimmt der Senat
zunächst Bezug auf die angefochtene Entscheidung. Diese stellt umfassend und
zutreffend dar, dass der Vortrag des Klägers zur Haustürsituation widersprüchlich
und unvollständig erfolgt. Diese Einschätzung teilt der Senat. Sie wird mit der
Berufung auch nicht ernsthaft angegriffen. Mit der Berufung stellt der Kläger
vielmehr darauf ab, dass er mit Schriftsatz vom 31.7.2003 eine schlüssige
Sachverhaltsschilderung gegeben habe. Diese kann für die Entscheidung nicht
berücksichtigt werden. Sie ist nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster
Instanz eingegangen und deswegen nach § 296a ZPO ausgeschlossen. Auch dies
hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt.
Soweit sich das Landgericht inhaltlich mit den in diesem Schriftsatz aufgestellten
Behauptungen auseinander setzt, erfolgt dies im Rahmen der Prüfung, ob das
Vorbringen eine Wiedereröffnung der Verhandlung gebietet (§§ 269a Satz 2, 156
ZPO). Dies hat das Landgericht im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens
verneint. Von der durch den Kläger nunmehr unterstellten „Zulassung“ des
Vorbringens kann keine Rede sein, eine solche wäre prozessrechtlich gar nicht
möglich.
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Weder der Inhalt des Schriftsatzes vom 31.7.2003 noch dessen Wiederholung bzw.
Konkretisierung in der Berufungsbegründung können als neuer Vortrag in der
Berufungsinstanz zugelassen werden. Nach § 531 Abs. 2 ZPO ist neuer Vortrag
nur zuzulassen, wenn eine der dort genannten Ausnahmen vorliegt. Dies ist indes
nicht der Fall. Entgegen der Ansicht des Klägers fehlt es auch an den
Voraussetzungen der Nr. 2 dieser Vorschrift. Ein Verfahrensmangel erster Instanz
liegt nicht darin, dass das Landgericht den Kläger auf die mangelnde
Substantiierung seines Vortrags nicht hingewiesen hätte. Dass ein solcher Hinweis
erfolgt ist, ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil, in dem klargestellt ist, dass
der unzureichende Vortrag zu den Voraussetzungen des § 1 HTWG in der
mündlichen Verhandlung ausdrücklich erörtert worden ist.
Damit ist dem Erfordernis einer Aktenkundigkeit des Hinweises nach § 139 Abs. 4
Satz 1 Halbsatz 2 ZPO Genüge getan. Einigkeit besteht in Rechtsprechung und
Lehre darüber, dass aktenkundig auch solche Umstände sind, die sich aus dem
Tatbestand des Urteils ergeben (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl. § 139 Rn. 13).
Entgegen der Ansicht des Klägers ist „Tatbestand“ dabei nicht auf den mit dieser
Überschrift versehenen Teil des Urteils beschränkt. Tatbestand in diesem Sinne
sind vielmehr alle tatsächlichen Feststellungen des Gerichts, auch wenn sich diese
in den Entscheidungsgründen finden (BGHZ 119, 301; BGHZ 139, 39; BGH NJW
2000, 3007; Zöller/Vollkommer, a.a.O. § 320 Rn. 4 f., § 314 Rn. 1). Die Behauptung
des Klägers, ein entsprechender Hinweis sei in der mündlichen Verhandlung nicht
erfolgt, ist nicht in der nach § 139 Abs. 4 Satz 3 ZPO erforderlichen Form
(Zöller/Stöber, a.a.O., § 165 Rn. 5) substantiiert.
Fehlt es damit bereits am schlüssigen Vortrag einer Haustürsituation, kommt es
auf die weiteren Fragen (Zurechnung der Haustürsituation für die Beklagte,
Umfang der Rückabwicklung) nicht mehr an. Dies betrifft auch die Fragen, die
Gegenstand der Vorlage des LG Bochum an den EuGH sind.
Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen. Sie wird
darauf hingewiesen, dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren in Höhe
von 3.024,- € (Nr. 1221 KV a. F.: 1 Gerichtsgebühr; Nr. 1226 KV a. F.: 3
Gerichtsgebühren) erspart werden können.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.