Urteil des OLG Frankfurt vom 16.09.2008

OLG Frankfurt: wiedereinsetzung in den vorigen stand, elektronische signatur, die post, empfangsbestätigung, notiz, rücksendung, datum, auskunft, verfügung, form

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Gericht:
OLG Frankfurt 10.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 U 42/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 130a ZPO
Orientierungssatz
Elektronische Signatur als zwingendes Erfordernis bestimmender Schriftsätze
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Limburg vom
9.1.2008 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für den zweiten Rechtszug wird auf 4.845,79 € festgesetzt.
Gründe
Die Berufung gegen das dem Kläger am 17.1.2008 zugestellte Urteil ist
unzulässig, weil sie nicht rechtzeitig begründet worden ist.
Die Frist zur Begründung der Berufung, die gem. § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO am
17.3.2008 abgelaufen wäre, ist auf rechtzeitigen Antrag des Klägers durch
Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 18.3.2008 bis zum 17.4.2008 verlängert
worden (§ 520 Abs. 1 S. 2 ZPO). Die an diesem Tag in elektronischer Form
eingegangene Berufungsbegründungsschrift vom 17.4.2008 (Bl. 267 ff. d.A.) war
entgegen §§ 520 Abs. 5, 130 a Abs. 1 S. 2 ZPO nicht mit einer ausreichenden
qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen. Trotz
des Wortlauts der Vorschrift des § 130 a Abs. 1 S. 2 ZPO („soll“) ist die qualifizierte
elektronische Signatur ebenso wie die Unterschrift nach § 130 Nr. 6 ZPO
zwingendes Erfordernis bestimmender Schriftsätze (LAG Köln, Beschluss vom
19.11.2003, 4 Ta 318/03, Rnr. 29, zitiert nach Juris, mit Hinweis auf die
Entstehungsgeschichte der Vorschrift; vgl. Musielak/Stadler, ZPO, 5. Aufl., § 130 a,
Rnr. 3).
Ausweislich des Prüfprotokolls (Bl. 263 d.A.) war das Zertifikat für den
Signaturschlüssel der Prozessbevollmächtigten des Klägers zum Zeitpunkt der
Prüfung zurückgewiesen. Das Zertifikat wird aufgrund der Regelung des § 5 Abs. 2
Signaturverordnung (SigV) durch den Zertifizierungsdiensteanbieter (hier:
Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer) erst nach Rücksendung der
Empfangsbestätigung über den Erhalt der Signaturkarte nachprüfbar gehalten und
damit freigeschaltet. Darauf ist die Prozessbevollmächtigte des Klägers im
Schreiben der Zertifizierungsstelle vom 31.3.2008 (Bl. 301 d.A.) hingewiesen
worden. Ausweislich des Eingangsstempels des Trustcenters der
Bundesnotarkammer (Bl. 356 d.A.) ist die auf den 1.4.2008 datierte
Empfangsbestätigung erst am 25.4.2008 eingegangen, so dass eine Freischaltung
des Zertifikats vor diesem Zeitpunkt nicht erfolgt ist. Zwar hat der Kläger eine mit
dem Namen „C“ unterzeichnete Notiz vorgelegt, die das Datum 30.5.08 trägt und
die von einer Mitarbeiterin seiner Prozessbevollmächtigten stammen sein soll (Bl.
348 d.A.). Dieser Notiz zufolge soll ein Telefonat mit der Zertifizierungsstelle
ergeben haben, dass die Empfangsbestätigung am 7.4. eingegangen sei. Der
Notiz ist jedoch weder zu entnehmen, welcher Mitarbeiter der
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Notiz ist jedoch weder zu entnehmen, welcher Mitarbeiter der
Bundesnotarkammer diese Auskunft erteilt hat noch auf welcher Grundlage eine
derartige Auskunft erteilt worden ist. Hingegen spricht eine tatsächliche
Vermutung dafür, dass der Eingangsstempel der Zertifizierungsstelle auch
tatsächlich den Tag des Eingangs ausweist. Diese Vermutung wird durch die Notiz
angesichts deren geringen Aussagekraft nicht erschüttert. Der Kläger hat zu der
ihm übersandten, mit dem Eingangsstempel vom 25.4.2008 versehenen
Empfangsbestätigung keine Stellung mehr genommen.
Dem Kläger ist auch auf seinen Antrag vom 2.6.2008 (Bl. 292 d.A.) hin keine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO zu gewähren. Der Antrag
ist nicht innerhalb der 2-wöchigen Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO gestellt
worden und damit unzulässig. Denn obwohl der mit dem elektronischen
Gerichtsfach betraute Justizinspektor A das Büro der Prozessbevollmächtigten des
Klägers am 18.4.2008 telefonisch über den Mangel unterrichtet hat, erfolgte der
Wiedereinsetzungsantrag erst mit Schriftsatz vom 2.6.2008. Der Kläger hat in
diesem Schriftsatz zwar zu dem Vermerk des Mitarbeiters A vom 21.4.2008 (Bl.
273 d.A.) Stellung genommen und eine Unterrichtung am 17.4.2008 bestritten;
insbesondere sei nicht mit B telefoniert worden, eine derartige Mitarbeiterin
existiere in der Kanzlei nicht. Der Senat hat daraufhin durch die Berichterstatterin
am 6.6.2008 den Mitarbeiter A befragt, der angegeben hat, am 18.4.2008 eine
Büromitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten des Klägers informiert zu haben;
die Datumsangabe im Vermerk „17.4.2008“ und die Bezeichnung
„Rechtsanwaltsbüro B“ beruhten auf einem Versehen. Der von der
Berichterstatterin gefertigte Vermerk über diese Erklärung (Bl. 330 d.A. unter 2 b)
ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers zugeleitet worden (s. Bl. 330 R. d.A.),
ohne dass diese dazu nochmals Stellung genommen hätte. Da die
Zulässigkeitsvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen sind, ist der Senat an
bestimmte Beweismittel nicht gebunden, sondern kann im Freibeweisverfahren
entscheiden. Es besteht kein Grund zur Annahme, der Justizinspektor A könnte die
Unwahrheit gesagt haben. Daher ist davon auszugehen, dass die
Prozessbevollmächtigte des Klägers am 18.4.2008 von der fehlenden Wirksamkeit
der elektronischen Signatur Kenntnis hatte. Damit ist der am 2.6.2008 gestellte
Wiedereinsetzungsantrag verspätet.
Darüber hinaus wäre er aber auch nicht begründet.
Der Kläger stützt seinen Antrag darauf, dass in dem Übersendungsschreiben der
Bundesnotarkammer als Datum der Registrierung der 31.3.2008 vermerkt sei und
dass die Voraussetzungen für die Übermittlung mit qualifizierter Signatur
vorgelegen hätten. Etwaige Fehler in der internen Überprüfung könnten ihm nicht
zugerechnet werden. Mit weiterem Schriftsatz vom 2.6.2008 (Bl. 331 d.A.) führt er
außerdem an, dass das Informationsblatt der Bundesnotarkammer (Bl. 332 d.A.)
den Hinweis enthalte, die Signaturkarte neuer Technik sei ab sofort gültig.
Dieses Vorbringen reicht nicht aus, ein Verschulden seiner
Prozessbevollmächtigten, das ihm gem. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist,
auszuräumen. Denn wie bereits erwähnt, bedurfte es vor Freischaltung des
Zertifikats der Rücksendung der Empfangsbestätigung durch die
Prozessbevollmächtigte des Klägers. Der Kläger hat nichts dazu vorgetragen,
wann die Empfangsbestätigung abgesandt wurde. Daher ist nicht ersichtlich, dass
mit ihrem Eingang vor dem 17.4.2008 hätte gerechnet werden können und eine
etwaige Verzögerung durch die Post daher nicht vom Kläger zu vertreten wäre.
Auch das Informationsblatt der Bundesnotarkammer entlastet den Kläger nicht.
Ersichtlich bezieht sich der erwähnte Hinweis auf die Ablösung der bisher
ausgegebenen Signaturkarten durch Karten mit neuer Technik und deren sofortige
Verwendbarkeit, sagt aber nichts darüber aus, welche Voraussetzungen zu erfüllen
sind, damit das Zertifikat nachprüfbar gehalten und damit freigeschaltet wird.
Diese ergeben sich vorliegend aus § 5 Abs. 2 SigV. Die Unkenntnis dieser
Vorschrift hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers zu vertreten, zumal sie
durch das Schreiben der BNotK vom 31.3.2008 darauf hingewiesen wurde, dass
eine Freischaltung erst nach Rücksendung der Empfangsbestätigung erfolgen
würde.
Damit ist die Berufung nach § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO mit der Kostenfolge des § 97
Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.