Urteil des OLG Frankfurt vom 06.11.2008
OLG Frankfurt: treu und glauben, irrtum, gold, ausübung der option, allgemeine geschäftsbedingungen, anleger, inhaber, kurs, fehlerhaftigkeit, unzumutbarkeit
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Gericht:
OLG Frankfurt 16.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 U 183/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 242 BGB, § 308 Nr 4 BGB, §
793 BGB
Barausgleichszahlung: (Un-)Zumutbarkeit der
Vertragsdurchführung bei fehlerhafter Multiplikatorangabe
im Zusammenhang mit Call-Optionsscheinen auf Gold; (Un-
)Wirksamkeit eines Änderungsvorbehalts in den
Emissionsbedingungen
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 19. Juni 2007, Az. 2-19 O 271/06, wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags
leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen
Anspruch auf Zahlung eines Barausgleichsbetrags in Höhe von 67.251,83 €
geltend nach Ablauf von Call-Optionsscheinen auf Gold, die von der Beklagten
emittiert worden waren.
Die Zedenten, ein Herr A sowie die B (B GbR), erwarben am 10. und 11. November
2005 teils außerbörslich, teils über die Börse O1 insgesamt 2.263 von der
Beklagten am 4. Oktober 2005 aufgelegte knock-out-call-Optionsscheine auf Gold
(WKN …) zum Preis von insgesamt 3.521,06 €. Zu diesem Zeitpunkt war in dem
Nachtrag Nr. … vom 3. Oktober 2005 des unvollständigen Verkaufsprospekts vom
26. Januar 2005 neben einem Basispreis von 450 USD ein Multiplikator von 1
angegeben (vgl. Bl. 176 d.A.). Noch am 11. November 2005 veranlasste die
Beklagte auf der Basis von Ziff. 5.4 der Emissionsbedingungen einen Austausch
der Optionsbedingungen sowie einen Nachtrag zum Verkaufsprospekt, wonach der
Multiplikator auf 0,1 geändert wurde. Bei Auslaufen der Optionsscheine zahlte die
Beklagte den Zedenten auf der Basis des Multiplikators von 0,1 einen
Barausgleichsbetrag in Höhe von 7.472,43 €.
Ziff. 5.4 der Emissionsbedingungen lautet wie folgt: „Die Ermittlerin kann, soweit
nach dem jeweils anwendbaren Recht zulässig, die Bedingungen ohne
Zustimmung einzelner oder aller Gläubiger ändern, soweit ihr dies angemessen
und erforderlich erscheint, um dem wirtschaftlichen Zweck der Bedingungen
gerecht zu werden, falls die Änderung die Interessen der Gläubiger nicht wesentlich
nachteilig beeinflusst oder formaler, geringfügiger oder technischer Art ist oder
dazu dienen soll, einen offensichtlichen Irrtum zu berichtigen oder eine
mangelhafte Bestimmung dieser Bedingungen zu heilen, zu korrigieren oder zu
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mangelhafte Bestimmung dieser Bedingungen zu heilen, zu korrigieren oder zu
ergänzen. Die Gläubiger werden von solchen Änderungen gemäß Nr. 4 der
Allgemeinen Emissionsbedingungen unterrichtet; das Ausbleiben der
Unterrichtung oder ihres Zugangs berührt die Wirksamkeit der Änderung jedoch
nicht.“
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hätte der Berechnung des
Barausgleichsbetrags entsprechend den ursprünglichen Bedingungen einen
Multiplikator von 1 zugrunde legen und deshalb einen Betrag von 74.724,26 €
auszahlen müssen; die Differenz zu dem tatsächlich gezahlten Barausgleich
macht sie mit der Klage geltend. Demgegenüber hat die Beklagte angeführt, dass
es sich bei dem ursprünglich angegebenen Multiplikator von 1 um einen
offensichtlichen Irrtum im Sinne von Ziff. 5.4 der Emissionsbedingungen gehandelt
habe, den sie entsprechend habe korrigieren dürfen. Das Begehren der Klägerin
sei zudem rechtsmissbräuchlich.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils
(Bl. 598 bis 599 d. A.) verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber nicht
begründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch aus dem durch die Globalurkunde
verbrieften Recht (§ 793 BGB). Die Beklagte sei nämlich nach Ziff. 5.4 der
Allgemeinen Emissionsbedingungen berechtigt gewesen, den mit 1,0
veröffentlichten Multiplikator auf 0,1 abzuändern, weil dadurch ein offensichtlicher
Irrtum berichtigt worden sei. Ziff. 5.4 der Allgemeinen Emissionsbedingungen, bei
denen es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele, sei - gemessen an
§ 308 Nr. 4 BGB - wirksam, da eine Änderung nur dann vorgenommen werden
könne, wenn sie „offensichtlich“ sei. Der Anleger sei ausreichend geschützt, weil er
die Frage der Offensichtlichkeit uneingeschränkt rechtlich überprüfen lassen
könne. Ein offensichtlicher Irrtum bei Angabe des Multiplikators von 1 habe
vorgelegen. Offensichtlich sei ein Irrtum, der von einem durchschnittlichen Anleger
der betreffenden Emission ohne weiteres erkannt werden könne. Es könne
erwartet werden, dass ein Anleger die Angaben im Prospekt lese und sie zu
weiteren Informationen, die für Optionen bedeutsam seien, in Bezug setze. Ein
Anleger wisse, dass der innere Wert einer Call-Option der Differenz zwischen dem
aktuellen Kurs des Bezugsobjekts und dem Basiswert multipliziert mit dem
Bezugsverhältnis entspräche und der Zeitwert sich aus der Differenz zwischen
Optionsscheinkurs und innerem Wert ergäbe. Im vorliegenden Fall sei ohne
weiteres feststellbar gewesen, dass die Optionsscheine bei Annahme eines
Multiplikators von 1 um annähernd das Zehnfache unter dem inneren Wert
gehandelt worden wären. Damit hätte für jeden Anleger offensichtlich erkennbar
sein müssen, dass das angegebene Bezugsverhältnis fehlerhaft sei, zumal das
Bezugsverhältnis typischerweise unter 1 läge. Die Klägerin lege nicht einmal dar,
dass Optionsscheine auf Gold mit einem Bezugsverhältnis von 1 überhaupt auf
dem Markt existierten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen
Urteils (Bl. 599 - 602 d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 25. Juni 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am
24. Juli 2007 bei Gericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung
eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.
September 2007 mit einem an diesem Tag eingegangenen anwaltlichen
Schriftsatz begründet hat.
Die Klägerin, die ihre Klage in vollem Umfang weiter verfolgt, vertritt unter
Bezugnahme auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten von SV2 der Universität
O3 zu den Charakteristika des Handels in verbrieften Derivaten die Auffassung,
dass die Beklagte zu einer nachträglichen, einseitigen und entschädigungslosen
Änderung der entstandenen Verpflichtung zum Barausgleich auf der Basis eines
Multiplikators von 1 nicht berechtigt gewesen sei.
Das Landgericht nehme bereits zu Unrecht eine Fehlerhaftigkeit der
Multiplikatorangabe von 1 an. Schon denknotwendig könnten inhaltliche Angaben
der Emissionsbedingungen, welche verbrieft wurden, nicht „richtig“ oder „falsch“
sein, sofern sich der Fehler nicht aus den Bedingungen selbst ergäbe. Die
Emissionsbedingungen enthielten vorliegend aber keine gegenteiligen Hinweise
darauf, dass eine Multiplikatorangabe von 1 fehlerhaft oder nicht gewollt sein
könne. Ein „Fehler“ könne daher allenfalls bei der anschließenden Preisbildung
erfolgt sein, also bei der wertenden Einschätzung der Eigenschaften des
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erfolgt sein, also bei der wertenden Einschätzung der Eigenschaften des
Wertpapiers.
Ungeachtet dessen könne selbst aus einer Preisquotierung weder auf einen Fehler
gerade im Bezugsverhältnis noch auf ein angeblich korrektes Bezugsverhältnis von
exakt 0,1 geschlossen werden. Entgegen der Annahme des Landgerichts ließe sich
aus den Größen Basispreis, Multiplikator und aktueller Preis für den Gegenstand
der Option der Wert eines derivaten Anlageprodukts nicht genau ableiten; es sei
im Gegenteil für derivate Anlageprodukte typisch, dass diese einen mitunter
erheblich von einem „fairen Wert“ abweichenden Preis hätten.
Darüber hinaus sei ein etwaiger Fehler auch nicht offensichtlich. Das Landgericht
habe nicht berücksichtigt, dass der riesige Markt für derivate Anlageprodukte
durch große Intransparenz, extreme Unübersichtlichkeit und eine große
Innovationskraft gekennzeichnet sei. Dabei gäbe es nicht nur Optionsscheine mit
einem Bezugsverhältnis von 0,1. Der Wert eines Optionsscheins - der
typischerweise nicht „fair“ sei - könne nicht bzw. nur eingeschränkt aufgrund
komplexer Berechnungsmodelle festgestellt werden, wobei signifikante
Fehlbewertungen bei derivaten Anlageprodukten geradezu typisch seien. Im
Übrigen sei vorliegend als Beurteilungsmaßstab für eine „Offenkundigkeit“ auf
einen unkundigen, unerfahrenen Kleinanleger abzustellen.
Darüber hinaus sei die Klausel in Ziff. 5.4 der Anleihebedingungen nach §§ 307
Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 122 BGB, § 11 Schuldverschreibunggesetz sowie
nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des am 19. Juni 2007 verkündeten Urteils des Landgerichts
Frankfurt am Main, Az. 2-19 O 271/06, die Beklagte zu verurteilen, an sie
67.251,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 29. November 2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt unter Bezugnahme auf ein Privatgutachten von Prof. SV1 (C, O2) zur
Identifikation von Fehlern im Bezugsverhältnis für einen Knock-out-Optionsschein
auf Gold das angefochtene Urteil. Sie ist der Auffassung, zur Korrektur des
fehlerhaften Bezugsverhältnisses von 0,1 auf der Grundlage der Änderungsklausel
berechtigt gewesen zu sein. Entgegen der Auffassung der Klägerin läge ein Irrtum
im Bezugsverhältnis und keine Fehlbewertung des Optionsscheins vor. Die
fehlerhafte Angabe beruhe auf einem Eingabefehler bei der Beklagten im internen
Prozess zur Auflage des Wertpapiers; die objektiv erklärte Willenerklärung sei von
dem subjektiven Willen abgewichen.
Das Landgericht habe zutreffend erkannt, dass die Fehlerhaftigkeit des
Bezugsverhältnisses - das bei Gold-Optionen marktgängig bei 0,1 läge - anhand
des Optionsscheinpreises offensichtlich gewesen sei. Der Preis bzw. Wert eines
Knock-out-Optionsscheins lasse sich einfach und relativ genau über den inneren
Wert schätzen. Entspräche wie vorliegend der Optionsscheinpreis einem Zehntel
der Differenz zwischen Bezugsobjekt und Basispreis, könne das Bezugsverhältnis
in keinem Fall 1 zu 1 betragen, da andernfalls die Banken als Emittenten
Optionsscheine zu einem Zehntel ihres Wertes verschenken würden. Soweit
unterschiedliche Bewertungsmodelle zu Bewertungsunterschieden hinsichtlich des
Wertes führen könnten, würde diese Abweichung niemals 90 % des inneren Wertes
des Optionsscheins betragen; auch Fehlbewertungen führten nicht zu exakten,
zweistelligen Prozentsätzen. Der Fehler in den Produktbedingungen sei auch
offensichtlich gewesen. Beurteilungsmaßstab sei der spekulative, erfahrene und
selbständig handelnde Anleger, da Hebelprodukte hochspekulative Produkte mit
einer hohen Umschlaggeschwindigkeit und einem hohen Verlustrisiko seien. Ziff.
5.4 der Emissionsbedingungen sei auch wirksam.Schließlich ergäbe sich ein
Bezugsverhältnis von 0,1 nach Treu und Glauben. Das Begehren der Klägerin sei
unbillig, da sie ihr Verlangen einer rund 2000 %igen Rendite auf einen marginalen
Eingabefehler bei der Auflage des Wertpapiers stütze, der Fehler offensichtlich
erkennbar gewesen sei und die Zedenten ihn auch erkannt hätten. Diese hätten
nämlich - wie weitere Gruppen hochspezialisierter Anleger, die mit Hilfe von
Computersystemen fehlerhafte Produktbedingungen aufdeckten - versucht, den
vermeintlich zehnfachen Marktwert der Optionsscheine unmittelbar nach der
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vermeintlich zehnfachen Marktwert der Optionsscheine unmittelbar nach der
Korrektur unter Androhung von „publicity“ über die Beklagte zu realisieren.
Außerdem hätten die Zedenten bereits mit einem Gewinn von 110 % ein gutes
Geschäft gemacht und dürften auch gegenüber den anderen Anlegern nicht
besser gestellt werden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen.
B. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
I. Die Klage ist zulässig. Soweit die Beklagte in erster Instanz eine fehlende
Prozessführungsbefugnis der Klägerin gerügt hat, ist sie den entgegenstehenden
Ausführungen des Landgerichts in der Berufung nicht mehr entgegengetreten. Die
Entscheidung des Landgerichts ist insoweit auch nicht zu beanstanden.
II. Die Berufung hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Die Beklagte war zwar entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht nach Ziff.
5.4 ihrer Emissionsbedingungen berechtigt, den Multiplikator nachträglich zu
Lasten der Zedenten zu korrigieren; die Beklagte kann einem Anspruch der
Klägerin aus §§ 793 Abs. 1 S. 1, 398 BGB jedoch den Einwand der
rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des Anspruchs nach § 242 BGB
entgegen halten.
1. Die Zedenten haben am 10. und 11. November 2005 von der Beklagten
aufgelegte Call-Optionsscheine auf Gold erworben, die nach den Angaben der dem
Sammeloptionsschein beigefügten Optionsbedingungen ein Bezugsverhältnis bzw.
einen Multiplikator von 1 aufwiesen. Damit ist ein Anspruch der Zedenten auf
Barausgleich auf der Basis dieses Multiplikators entstanden. Davon ist
offensichtlich auch das Landgericht ausgegangen. Soweit die Beklagte in erster
Instanz die Auffassung vertreten hat, die Parteien hätten sich bei Abschluss der
Kaufverträge über die Optionsscheine bereits im Wege der Auslegung der für den
Vertragsinhalt maßgeblichen Produktbedingungen auf die Bestimmung des
Barausgleichsbetrags auf der Grundlage eines Multiplikators von 0,1 geeinigt, hat
sie diese Argumentation in der Berufung nicht mehr aufgegriffen. Ihr wäre auch -
unabhängig von der Frage, ob überhaupt unmittelbar zwischen den Zedenten und
der Beklagten Kaufverträge geschlossen wurden - nicht zu folgen. Die Beklagte hat
die Optionsscheine mit einem Multiplikator von 1,0 angeboten, und genau diese
Optionsscheine mit diesem Inhalt wollten die Zedenten erwerben. Dass sie
eventuell einen möglichen Irrtum der Beklagten hätten erkennen können oder gar
erkannt haben, ändert nichts daran, dass sie zunächst die Optionsscheine auf der
Basis eines Multiplikators von 1 erworben haben.
2. Die Beklagte war aber entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht nach
Ziff. 5.4 ihrer Emissionsbedingungen berechtigt, diesen Multiplikator nachträglich
zu Lasten der Zedenten zu korrigieren.
a) Allerdings vermag der Senat nicht der Auffassung der Klägerin zu folgen, die
inhaltlichen Angaben in den Produktbedingungen könnten „denknotwendig“ nicht
„richtig“ oder „falsch“ sein, sofern sich nicht gegenteilige Hinweise aus den
Emissionsbedingungen selbst ergäben.
aa) Die Beklagte hat ausführlich unter Beweisantritt vorgetragen, wie es zu dem
Fehler gekommen sein soll (vgl. Bl. 60 ff. d. A.). Danach soll am Vortag der
Emission, dem 3. Oktober 2005, der Händler der streitgegenständlichen
Optionsscheine die Emissionsdaten in das db Ticket System eingegeben haben,
das die Grundlage für die Erstellung des Prospekts darstellt; dabei soll irrtümlich
die Eintragung des Bezugsverhältnisses von 0,1 unterblieben sein. Unterstellt,
dieser - von der Klägerin zulässig mit Nichtwissen bestrittene - Vortrag träfe zu,
läge grundsätzlich ein Irrtum bzw. ein Fehler der Beklagten vor.
bb) Der Klägerin ist darin zuzustimmen, dass ein möglicher Fehler hinsichtlich des
Bezugsverhältnisses nicht aus den Prospektangaben und Anlagebedingungen als
solchen ersichtlich ist. Dies schließt aber entgegen der Auffassung der Klägerin
nicht das Vorhandensein eines Fehlers, sondern allenfalls die Möglichkeit aus, ihn
zu korrigieren. Ein Irrtum ist das unbewusste Auseinanderfallen von Wille und
Erklärung. Zwar beschreiben die Produktbedingungen die Eigenschaften des
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Erklärung. Zwar beschreiben die Produktbedingungen die Eigenschaften des
Rechts, das mit der Urkunde verbrieft wird. Auch wenn Eigenschaften nicht per se
„falsch“ oder „unrichtig“ sein können, so kann doch bei ihrer Angabe bzw.
Beschreibung in den Bedingungen ein Auseinanderfallen von Wille und Erklärung
und damit ein Irrtum vorliegen, der zu einer fehlerhaften Angabe führt. Zudem
kann das Vorliegen eines Irrtums nicht daran festgemacht werden, ob er aus den
Produktbedingungen selbst nach außen erkennbar ist. Er ist entweder erkennbar
oder nicht - selbst wenn er nicht erkennbar ist, verliert er nicht die Qualität eines
Irrtums. Entgegen den Ausführungen der Klägerin wäre die - nach Darstellung der
Beklagten - fehlerhafte Bezugsangabe auch nicht erst durch die am Tag auf die
Prospekterstellung erstmals erfolgte Preisbildung „falsch“ geworden; vielmehr
wäre der Irrtum von Anfang an vorhanden gewesen und lediglich durch die
anschließende Bepreisung möglicherweise erkennbar geworden.
b) Bei dem von der Beklagten angeführten Fehler handelt es sich jedoch nicht um
einen „offensichtlichen Irrtum“ im Sinne von Ziff. 5.4 der Emissionsbedingungen.
Bei der Ausfüllung des Begriffs der „Offensichtlichkeit“ ist der Grundsatz der
Funktionsfähigkeit des Wertpapierhandels und der Fungibilität der
Schuldverschreibungen zu berücksichtigen. Es ist in der Rechtsprechung und
Literatur unstreitig, dass alle Wertpapiere derselben Wertpapierkennnummer
identische Rechte verbriefen müssen, damit sie austauschbar und damit - für
einen funktionierenden Kapitalmarkt unverzichtbar - umlauffähig sind (vgl. BGHZ
163, 311; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. A., Rn. 9.100;
Schimansky/Bunte/Lwowski/Kümpel/Bruski, Bankrechts-Handbuch II, 3. A., § 104
Rn. 38). Deshalb dürfen Erwerber/Inhaber von Optionsscheinen über den Inhalt der
erworbenen Rechte nicht im Unklaren sein. Dementsprechend muss die Auslegung
von Schuldverschreibungen - und damit auch die Auslegung von
Anlagebedingungen, die den Inhalt von Schuldverschreibungen konkretisieren - für
alle Stücke einheitlich und ohne Rücksicht auf Besonderheiten in der Person des
einzelnen Inhabers erfolgen (BGH, a.a.O.). Daraus folgt zwar nicht, dass nur in der
Urkunde bzw. den Anlagebedingungen selbst enthaltene Umstände bei der
Bestimmung des Inhalts des Leistungsversprechens herangezogen werden
dürften; die Auslegung hat jedoch auch bei Berücksichtigung außerhalb der
Urkunde liegender Umstände nach objektiven Kriterien ohne Rücksicht auf die
besonderen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen (Staudinger/Marburger,
Neubearb. 2002, § 793 BGB Rn. 8). Voraussetzung muss sein, dass diese
Umstände jedem Inhaber bekannt sind oder erkennbar sein können (vgl.
Palandt/Heinrichs/Ellenberger, 67. A., § 133 Rn. 12 für die Auslegung von
Erklärungen an die Allgemeinheit).
Vor diesem Hintergrund scheidet vorliegend die Annahme eines offensichtlichen
Fehlers aus. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Fehler in der
Multiplikatorangabe allenfalls dadurch festgestellt werden konnte, dass der innere
Wert der Call-Option als Differenz aus dem aktuellen Kurs des Bezugsobjekts und
dem Basispreis ermittelt und dem für den Optionsschein gezahlten Preis
gegenübergestellt wurde (vgl. auch S. 11 ff. des von der Beklagten zur Akte
gereichten Privatgutachtens des Sachverständigen SV1). Das bedeutet aber, dass
der Inhaber eines streitgegenständlichen Optionsscheins zur Bestimmung des
Inhalts seines verbrieften Rechts sowohl den im Erwerbszeitpunkt des
Ersterwerbers aktuellen Kurs der Feinunze Gold als auch den Preis des
Optionsscheins kennen musste, um auf die Fehlerhaftigkeit der
Multiplikatorangabe und auf ein anderes Bezugsverhältnis schließen zu können.
Damit musste er jedoch auf außerhalb der Produktbedingungen liegende
Umstände zurückgreifen, die gerade nicht jedem Inhaber der Optionsscheine
gleichermaßen zur Kenntnis zur Verfügung standen. Ihre Berücksichtigung im
Rahmen der Offenkundigkeit würde damit dem Bedürfnis des Kapitalmarkts nach
einem einheitlichen, standardisierten Inhalt der Wertpapiere widersprechen.
Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil bereits das Bezugsverhältnis von 1
ungewöhnlich gewesen sein mag. Selbst wenn man der Auffassung der Beklagten
folgt, wonach der Multiplikator von 1 von dem „marktgängigen“ Bezugsverhältnis
bei Optionsscheinen auf Gold abweicht, führt dies nicht zu der Annahme eines
offenkundigen Irrtums. Denn es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass ein
Optionsschein auf Gold mit einem Bezugsverhältnis von 1 auf den Markt gebracht
wird. Auch wenn diese Bezugsgröße bereits ein „Indiz“ für einen Irrtum darstellen
könnte, könnte die „Bestätigung“ der Fehlerhaftigkeit selbst nach Angaben der
Beklagten erst durch die vorbenannte Vergleichsrechnung erfolgen, die aber nicht
jedem Inhaber gleichermaßen möglich war.
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c) Die Beklagte kann der Klägerin aber einen Verstoß gegen Treu und Glauben
nach § 242 BGB durch missbräuchliche Geltendmachung eines Anspruchs aus §§
793 Abs. 1 S. 1, 398 BGB entgegen halten.
aa) Zwar ist die Beklagte nicht berechtigt, nach Ziff. 5.4 ihrer
Emissionsbedingungen mit Wirkung gegenüber sämtlichen Gläubigern das
Bezugsverhältnis zu korrigieren. Dem steht jedoch nicht entgegen, dass die
Ausübung der Rechte aus den Optionsscheinen unter Berücksichtigung der
besonderen Umstände und Kenntnisse in der Person des einzelnen Gläubigers
rechtsmissbräuchlich sein kann. Einen entsprechenden Einwand
rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Zedenten kann die Beklagte nach § 404
BGB auch der Klägerin als Zessionarin entgegen setzen. Die Klägerin beruft sich in
diesem Zusammenhang zu Unrecht auf den Grundsatz der Fungibilität und
Umlauffähigkeit der Wertpapiere. Denn die Klägerin macht den
Barausgleichsanspruch nicht als ehemalige Inhaberin der Optionsscheine geltend;
vielmehr handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Anspruch um eine nach
seiner Entstehung von den Zedenten an die Klägerin abgetretene Forderung, der
wie grundsätzlich jeder Forderung der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen
gehalten werden kann.
bb) Zur Frage, wann die Ausnutzung eines Fehlers des Vertragspartners zu einer
unzulässigen Rechtsausübung führt, hat der Bundesgerichtshof in seiner
Entscheidung vom 7. Juli 1998 (für den Bereich des Kalkulationsirrtums, BGHZ 139,
177) Stellung genommen. Danach kann es eine unzulässige Rechtsausübung
darstellen, wenn ein Empfänger ein Vertragsangebot annimmt und auf der
Durchführung des Vertrags besteht, obwohl er wusste oder sich treuwidrig der
Kenntnis entzog, dass das Angebot auf einem Kalkulationsirrtum des Erklärenden
beruht. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Kenntnis des Erklärungsempfängers ist der
Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Allein die positive Kenntnis oder treuwidrige
Unkenntnis von einem Kalkulationsirrtum des Erklärenden genügt jedoch für die
Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung nicht. Ob ein Verhalten des
Erklärungsempfängers treuwidrig ist, lässt sich nur anhand der Umstände des
Einzelfalls beurteilen, wobei dem Ausmaß des Irrtums wesentliche Bedeutung
zukommt und weiterhin die Vertragsdurchführung für den Erklärenden schlechthin
unzumutbar sein muss.
Diese Entscheidung ist zwar in einem anderen rechtlichen Zusammenhang -
nämlich vor dem Hintergrund eines Ausschreibungsverfahrens - ergangen; nach
Auffassung des Senats können die in ihr enthaltenen Wertungen aber zur Prüfung
einer unzulässigen Rechtsausübung grundsätzlich herangezogen werden.
(1) Die Klägerin bestreitet, dass die Zedenten von einem Irrtum oder Fehler der
Beklagten gewusst hätten. Die Beklagte hat allerdings Umstände dargelegt, die
den Schluss nahe legen, dass den Zedenten ein Irrtum bzw. ein Fehler der
Beklagten positiv bekannt war. So ist der Zedent A Mitgesellschafter der weiteren
Zedentin B GbR. Wie sich dem von der Beklagten als Anlage K 5 vorgelegten
Internetauszug der B GbR (Bl. 200 f. d. A.) vom 15. November 2006 ergibt, hat sich
die B GbR, die sich seit November 2005 unter dem Dach der seit 1997
bestehenden B GbR befindet, auf derivative Hebelprodukte spezialisiert. Auch
wenn sie - wie die Klägerin behauptet - erst kurz vor Erwerb der
streitgegenständlichen Optionsscheine gegründet wurde, kann nicht davon
ausgegangen werden, dass die Gründung erfolgt ist, ohne dass das erforderliche
Wissen für die Anlage in derivativen Hebelprodukten vorgehalten worden wäre.
Vielmehr liegt die Annahme nahe, dass der Zedent A und der für die B GbR
Handelnde Zeuge Z1 über entsprechendes Fachwissen verfügten. Dies zeigt sich
auch darin, dass die Herren A und Z1 das Marktgeschehen zeitnah über die
Internetinformationsseiten der Börse O1 beobachteten und mit zwei Ausdrucken
die Korrektur des Bezugsverhältnisses am 11. Januar 2005 zwischen 17.23 Uhr und
17.39 Uhr festhielten, was zudem darauf hindeutet, dass sie eine entsprechende
Änderung erwartet hatten. Darüber hinaus forderten die Zedenten, die die
Optionsscheine am 10. und 11. November 2005 zu einem Preis von 1,52 € bis 1,61
€ gekauft hatten, die Beklagte am 15. und 16. November 2005 auf, die
Optionsscheine zu einem Preis von 18,- € (am 15. November 2005) bzw. 19,70 €
(am 16. November 2005) zurückzunehmen. Wie die Beklagte durch Vorlage des
Privatgutachtens von SV1 unbestritten vorgetragen haben, notierte Gold am 15.
November 2005 bei einem Preis von etwa 468,5 USD und am 16. November 2005
bei etwa 479,3 USD. Dies zeigt, dass die Zedenten in der Lage waren, sowohl
einen realistischen Preis der Optionsscheine bei einem Bezugsverhältnis von 1
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einen realistischen Preis der Optionsscheine bei einem Bezugsverhältnis von 1
anzusetzen als auch den Anstieg des Goldpreises bei der Bildung ihres Angebots
zum Rückerwerb zu berücksichtigen.
Hinzu kommt, dass sich die Klägerin zwar bedeckt hält, warum sich die Zedenten
gerade für die streitgegenständlichen Optionsscheine entschieden haben und auf
eine Gesamtschau der „außerordentlich vielen, mitunter in den
Emissionsbedingungen festgelegten und die Einschätzung der Werthaltigkeit der
erworbenen Scheine bestimmenden Einzelfaktoren“ (S. 6 Schriftsatz vom 2.
Februar 2007, Bl. 257 d.A.) verweist. Dafür, ob sich eine Anlage lohnt, gibt aber -
unabhängig davon, ob sich der genaue Wert einer Anlage nur anhand komplexer
Rechenmethoden ermitteln lässt) zumindest ein Vergleich zwischen dem inneren
Wert der Optionsscheine und ihrem aktuellen Kurs einen ersten Anhaltspunkt. Der
innere Wert folgt aus der Differenz zwischen dem aktuellen Kurs des
Bezugsobjekts und dem Basispreis und entspricht somit unter Berücksichtigung
des Bezugsverhältnisses dem Gewinn, der sich bei sofortiger Ausübung der Option
ergäbe. Dass die Zedenten mit einem solchen „inneren Wert“ bzw. Preis einer
Option umzugehen wussten, zeigen ihre Rücknahmeangebote gegenüber der
Beklagten. Wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, war aber für die
Zedenten ohne weiteres feststellbar, dass bei einem Basispreis von 450 USD und
einem Goldkurs von etwa 466 USD der innere Wert bei etwa 16 USD lag, während
der Preis für die Optionsscheine nur bei 1,52 € bis 1,62 € lag und damit die
Optionsscheine um annähernd das Zehnfache unter dem inneren Wert gehandelt
wurden. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe anzunehmen, dass den Zedenten
bewusst war, dass der Beklagten ein Fehler unterlaufen war, der bei Einlösung des
Optionsscheins zu einer exorbitanten Gewinnsteigerung führen würde. Dass der
Wert der Optionsscheine bei einem angenommenen Bezugsverhältnis von 1 etwa
das 10-fache des gezahlten Preises beträgt, haben die Zedenten im Übrigen
durch ihr Rücknahmeangebot zu erkennen gegeben. Schließlich spricht auch der
Umstand, dass die Zedenten unter Androhung von Publicity versuchten, den
zehnfachen Marktwert der Optionsscheine gegenüber der Beklagten zu realisieren,
dafür, dass sie einen Fehler der Beklagten erkannt hatten und bewusst ausnutzen
wollten. Denn dies zeigt, dass den Zedenten klar war, dass sie einen
entsprechenden Preis nicht über einen Verkauf an der Börse würden realisieren
können.
(2) Letztlich kann aber offen bleiben, ob die Zedenten positive Kenntnis von einem
Irrtum bzw. Fehler der Beklagten hatten, so dass auf eine Vernehmung der als
Zeugen benannten Zedenten verzichtet werden kann. Für den Kalkulationsirrtum
hat der Bundesgerichtshof nämlich eine unzulässige Rechtsausübung auch dann
als möglich angesehen, wenn sich der Tatbestand des Irrtums mit seinen
unzumutbaren Folgen für den Bieter aus einem Angebot des Bieters oder aus
einem Vergleich zu weiteren Angeboten oder aus den dem Auftraggebern
bekannten sonstigen Umständen geradezu aufdrängt.
Der Senat ist der Auffassung, dass sich für die fachkundigen Zedenten ein Irrtum
bzw. Fehler der Beklagten geradezu aufdrängen musste. Die Klägerin kann sich
insoweit nicht auf eine angebliche Intransparenz der Marktverhältnisse berufen.
Die Zedenten haben sich in den Markt für knock-out-call-Optionsscheine auf Gold
begeben, der nach Auffassung des Senats in seinen Strukturen übersichtlich ist.
Die Klägerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass es auch in dem kleinen
Marktausschnitt der Gold-Optionsscheine neben weiteren Unterschieden in den
Bedingungen und Laufzeiten als grundlegende Varianten etwa Ausgestaltungen
einer Währungssicherung, einer „Stop-Loss-Gestaltung“, einer regelmäßigen
Anpassung des Basispreises und der knock-out-Schwelle oder Kombinationen
hieraus gibt; dessen ungeachtet handelt es sich vorliegend um eine Anlage aus
dem Standardbereich mit einem festen Basispreis, einem festen Barrier-Betrag,
einem üblichen Multiplikator und einem festgelegten Ausübungstag. Durch einen
Vergleich zwischen innerem Wert und Preis des Optionsscheins und unter
Berücksichtigung eines - wie ein bloßer Blick auf den Standard OS-Vergleich bei
dem auch von der Klägerin bemühten Onvista-Portal zeigt - ungewöhnlichen
Bezugsverhältnis musste sich den Zedenten förmlich aufdrängen, dass der
Beklagten ein Fehler unterlaufen sein musste. Selbst wenn es typischerweise
keinen fairen Wert bei verbrieften Derivaten geben mag und die Anlage im Hinblick
auf die Position der Beklagten als Market Maker mit dem Recht der Auflösung von
Absicherungspositionen besondere Risiken aufwies, lag es für die Zedenten
geradezu auf der Hand, dass die Beklagte nicht ihre Produkte zu einem Zehntel
des momentanen Werts verkaufen wollte. Dieser Erkenntnis haben sich die
fachkundigen Zedenten treuwidrig verschlossen.
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(3) Schließlich ist die Vertragsdurchführung für die Beklagte auch schlechthin
unzumutbar, was sich den Zedenten ebenfalls aufdrängen musste. Zwar ist der
Klägerin darin zuzustimmen, dass nicht angenommen werden könne, die Beklagte
gerate durch eine Vertragsdurchführung in erhebliche wirtschaftliche
Schwierigkeiten. Das schließt aber auch nach der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs (a.a.O.) eine auf anderen Gründen beruhende Unzumutbarkeit
der Vertragsdurchführung nicht aus, wie aus der Formulierung gefolgert werden
kann, wonach „die Vertragsdurchführung für den Erklärenden schlechthin
unzumutbar ist, etwa weil er dadurch in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten
geriete“ (a.a.O., Rn. 24 zitiert nach juris). Vielmehr lässt sich die Frage der
Unzumutbarkeit nur anhand aller Umstände des Einzelfalls beurteilen (BGH,
a.aO.). Vorliegend ist dabei zu berücksichtigen, dass der Fehler der Beklagten
insofern von einigem Gewicht und damit relevant ist, da die Beklagte die
Optionsscheine bei verständiger Würdigung nicht wie ursprünglich erfolgt auf dem
Markt angeboten hätte. Hinzu kommt, dass an den Fehler der Beklagten
weitreichende Folgen geknüpft werden, und somit gegen das Übermaßverbot
verstoßen wird. Der Fehler führt nämlich dazu, dass sich für die Klägerin statt eines
Gewinns von etwa 110 % eine Rendite von mehr als 2000 % ergab, was auch in
dem spekulativen Umfeld, in dem die Anlage angesiedelt ist, als vollkommen
unverhältnismäßig erscheint, zumal sie nicht auf einer marktgemäßen
Spekulation, sondern auf der Ausnutzung eines Fehlers beruht. Dieses für die
Beklagte unzumutbare Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung und
damit die Unzumutbarkeit der Vertragsdurchführung musste sich auch bereits im
Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Zedenten aufdrängen. Zwar bestand für die
Zedenten auch die Gefahr des Totalverlusts für den Fall des Erreichens der knock-
out-Schwelle. Es war jedoch gleichermaßen unschwer erkennbar, dass sich
angesichts der der Anlage innewohnende Hebelwirkung jeder Gewinn in
überproportionalem Umfang potenzieren und zu einer exorbitanten Gewinnspanne
führen würde, die in keinem Verhältnis zu dem Einsatz stehen würde. Vor diesem
Hintergrund erachtet der Senat es als unzumutbar, die Beklagte an der
Vertragsdurchführung festzuhalten.
III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10,
711, 709 S. 2 ZPO. Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat, § 543 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 ZPO. Gerichtliche
Entscheidungen dazu, wann ein offensichtlicher Irrtum im Sinne von Ziff. 5.4 der -
von vielen Emittenten verwendeten - Emissionsbedingungen angenommen werden
kann, sind ebenso wenig ersichtlich wie zu der Frage, unter welchen
Voraussetzungen der Emittent einer Inhaberschuldverschreibung dem Erwerber
ein rechtsmissbräuchliches Verhalten entgegenhalten kann. Darüber hinaus ist der
Rechtsstreit von allgemeinem Interesse, da mit der Klage weiterer Erwerber der
streitgegenständlichen Optionsscheine zu rechnen ist.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.