Urteil des OLG Frankfurt vom 15.12.2000

OLG Frankfurt: ablauf der frist, fristlose kündigung, zusammenarbeit, projekt, angemessene frist, wichtiger grund, werkvertrag, erstellung, gespräch, realisierung

1
2
3
4
Gericht:
OLG Frankfurt 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 U 240/98
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 242 BGB, § 643 BGB
(Langfristiger Werkvertrag: Kündigung aus wichtigem
Grund wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht des
Bestellers)
Tenor
Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Grund- und Teilurteil der 1. Kammer
für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt vom 06.10.1998 wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte zu 1) hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 50.000,00 DM, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische und unbefristete
Bürgschaften eines als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen deutschen
Kreditinstitut erbracht werden.
Die Beklagte zu 1) ist mit 1.280.873,80 DM beschwert.
Tatbestand
Die Parteien schlossen am 11./14.02.1992 eine "Vereinbarung über die
Zusammenarbeit bei der Realisierung des ...". Bestandteil dieser Vereinbarung war
ein "Werkvertrag zur Realisierung des ...", in welchem auf ein von der Klägerin
erstelltes Grob-Sollkonzept vom 27.11.1991 verwiesen wurde; dieses Grob-
Sollkonzept hatte die Beklagte zu 1) im Zuge der dem Vertragsschluß
vorangegangenen Verhandlungen von der Klägerin erhalten.
In der "Vereinbarung" hielten die Parteien fest, daß die Beklagte die Leistungen
aus dem "Werkvertrag" im Zeitraum von März 1992 bis Juni 1993 erbringen sollte.
In den AGB der Klägerin -- welche ausdrücklich zum Vertragsinhalt erhoben wurden
-- heißt es unter anderem "der Kunde stellt sicher, daß alle für die Durchführung
des Einzelvertrages erforderlichen Mitwirkungsleistungen rechtzeitig ... erbracht
werden". Wegen der Einzelheiten der zitierten Schriftstücke einschließlich späterer
ergänzender Vereinbarungen wird auf die Anlagen K 1 bis K 7 zur Klageschrift
Bezug genommen.
Die Klägerin betraute mehrere Mitarbeiter unter anderem damit, der
Beklagtenseite die zur Erstellung des Pflichtenheftes notwendigen Informationen
an die Hand zu geben. In diesem Zusammenhang führten Mitarbeiter der
Beklagten zunächst Interviews, erstellten später zunehmend schriftliche
Fragenkataloge.
Zwischen den Beteiligten wurde nach und nach offenbar, daß sich die
Fertigstellung des Projekts verzögern würde; in verschiedenen Schreiben und
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
Fertigstellung des Projekts verzögern würde; in verschiedenen Schreiben und
persönlichen Gesprächen wurden die Gründe der Verzögerung diskutiert. Auf
Anlagen K 9 bis 19, 24 bis 26 zur Klageschrift, B 8, 9 zur Klageerwiderung wird
Bezug genommen.
Am 13.07.1993 kamen die Beteiligten zu einer "Krisensitzung" zusammen.
Nachdem die Klägerin die Ergebnisse dieser "Krisensitzung" durch ihren Anwalt
hatte zusammenfassen und das "Ergebnisprotokoll" der Beklagten zu 1) hatte
zukommen lassen, wies die Beklagte zu 1) dieses "Ergebnisprotokoll" als inhaltlich
unrichtig zurück und warf der Klägerin vor, sie habe die zur konstruktiven
Bearbeitung des Auftrages notwendigen Informationen nicht gegeben; sie stellte
gleichzeitig die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung des Projektvertrages in den
Raum. Bereits mit Schreiben vom 15.07.1993 hatte die Beklagte ihrerseits die
Ergebnisse der "Krisensitzung" zusammengefaßt, und dieser Zusammenfassung
hatte der Anwalt der Klägerin mit Schreiben vom 19.07.1993 widersprochen. Die
Beklagte zu 1) monierte mit Schreiben vom 05. und 11.08.1993 erneut
Verzögerungen in der mitwirkenden Bearbeitung von Seiten der Klägerin und
setzte unter Kündigungsandrohung Frist zur Beantwortung offener Fragen. Die
Klägerin holte ein Sachverständigengutachten über die Qualität der bisherigen
Leistungen der Beklagtenseite ein und teilte deren -- der Beklagtenseite
ungünstiges -- Ergebnis mit. Mit Schreiben vom 26.08.1993 drohte die Beklagte zu
1) der Klägerin an, "den Vertrag fristlos zu kündigen, sofern in Kürze keine
vernünftige Einigung zustande kommt". Die Klägerin antwortete unter dem
27.08.1993 mit dem Vorschlag, das Projekt einverständlich zu beenden. Mit
Schreiben vom 31.08.1993 erklärte die Beklagtenseite die fristlose Kündigung.
Zum Inhalt der zitierten Schriftstücke wird auf die Anlagen K 25, 26, 29 bis 33 zur
Klageschrift, B 13, 14 zu Klageerwiderung und BB 1 zur Berufungserwiderung vom
29.03.1995 verwiesen.
Die Klägerin begehrt Schadensersatz.
Sie hat -- nach Erlaß eines Grund- und Teilurteils am 30.08.1994 und Aufhebung
und Zurückverweisung durch Urteil des Senats vom 28.06.1996 -- vorgetragen, die
Beklagtenseite habe die Interviews, die zur Ermittlung der betrieblichen
Gegebenheiten und der Anforderungen an das System notwendig waren, nicht
fachgerecht geführt; die schriftlich gestellten Fragen hätten die Auftraggeberin
zum Teil überfordert. Der sachliche Grund für das Scheitern des Projekts habe in
einer insgesamt unzureichenden Projektplanung- und Bearbeitung auf
Beklagtenseite gelegen; im Juli/August 1993 sei der Abbruch des Projekts von
Beklagtenseite geradezu planmäßig provoziert worden.
Die Kündigung sei -- deshalb -- mit der Folge unwirksam gewesen, daß die
Beklagten Schadensersatz zu leisten hätten.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 50.000,00 DM
zuzüglich 6,5 % Jahreszins hieraus dem 07.04.1993 zu bezahlen,
2. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie weitere 1.230.873,80 DM zuzüglich
6,5 % Jahreszins aus 75.000,00 DM seit dem 24.02.1992, aus 20.000,00 DM seit
dem 30.03.1993, 250.000,00 DM seit dem 29.12.1992, aus 125.000,00 DM seit
dem 09.03.1993 und im übrigen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
3. festzustellen, daß der Beklagten zu 1) aus und in Zusammenhang des
diesem Rechtsstreit zugrundeliegenden Lebenssachverhalt keine Ansprüche
gegen sie zustehen,
4. festzustellen, daß der Beklagten zu 2) aus und in Zusammenhang des
diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Lebenssachverhalt keine Ansprüche
gegen sie zustehen.
Die Beklagte zu 1) hat beantragt,
die Klage abzuweisen und im Wege der Widerklage die Klägerin zu verurteilen,
an sie 511.000,00 DM nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte zu 2) hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
Die Beklagte zu 1) hat vorgetragen, die Klägerin habe ihr -- der Beklagten zu 1) --
die notwendigen Informationen nicht geliefert, sei in der ihr obliegenden Mitwirkung
laufend hinter den von den Parteien getroffenen Vereinbarungen zurückgeblieben.
Schon das vor Vertragsschluß formulierte "Grob-Sollkonzept" habe im EDV-Bereich
geltenden Anforderungen an ein "Grob-Soll" nicht entsprochen, habe lediglich den
"Ist-Zustand" festgehalten, und schon dieses Versäumnis habe eine
mehrmonatige Verzögerung der Arbeiten nach sich gezogen. Insgesamt habe die
ungenügende Mitarbeit der Klägerin das Projekt verzögert und -- für die Beklagte
zu 1) -- verteuert. Die Klägerin sei zuletzt nicht mehr bereit gewesen, das Projekt
fortzusetzen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen
Sachverständigengutachtens; auf die gutachtlichen Ausführungen des Prof. Dr.
Dipl.-Ing. ... vom 28.11.1997 und 17.04.1998 wird verwiesen.
Mit dem angefochtenen Grund- und Teilurteil hat die Kammer die unter Ziffern 1
und 2 gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Anträge dem Grunde nach für
gerechtfertigt erklärt.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten zu 1).
Sie trägt vor, sie habe das Vertragsverhältnis zu Recht gekündigt, da die Klägerin
die gebotene Mitwirkung beharrlich vernachlässigt habe. Ausgehend von
umfangreichen Fragenkatalogen, wie sie der Klägerin mit Telefax vom 05.11.1992
unterbreitet wurden, sei über die Krisensitzung vom 13.07.1993 hinaus und bis
zuletzt eine große Zahl von Fragen aus verschiedenen -- neun --
Themenbereichen offen geblieben. Die Klägerin habe vor der Kündigung definitiv
erklärt, eine Fortsetzung des Projekts komme für sie nicht mehr in Betracht.
Die Beklagte beantragt,
das Grund- und Teilurteil des Landgerichts Darmstadt vom 06.10.1998 --
Geschäftsnummer 12 0 801/93 -- abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, nachdem man im "Krisengespräch" vom 13.07.1993 über eine
Fortführung des Projekts einig gewesen sei, sei die Beklagte zu 1) gehalten
gewesen, das Projekt mit dem Ziel einer Klärung der offenen Fragen weiter zu
bearbeiten; sie habe die Klägerin aber mit Telefaxschreiben "überflutet" und
Fragen vorgelegt, welche die Mitarbeiter der Klägerin zum Teil nicht hätten
beantworten können.
Wegen des beiderseitigen Parteivortrages im übrigen und einzelnen wird auf die
vor dem Senat gewechselten Schriftsätze sowie die in ihnen in Bezug
genommenen Schriftstücke verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet. Die Kammer hat -- Klageanträge zu Ziffern 1 und 2
-- die Beklagte zu 1) zutreffend dem Grunde nach für verpflichtet gesehen, der
Klägerin Schadensersatz wegen der wirtschaftlichen Folgen der Kündigung des
Vertragsverhältnisses zu leisten.
1.
Rechtliche Grundlage des Schadensersatzanspruchs ist der Gesichtspunkt
positiver Forderungsverletzung; die ernsthafte und endgültige
Erfüllungsverweigerung stellt ebenso wie das unberechtigte Sich-Los-Sagen vom
Vertrage eine Verletzung der Leistungstreuepflicht -- der Pflicht, die Verwirklichung
des Vertragszweckes und den Leistungserfolg nicht zu gefährden -- dar; die
Verletzung der Leistungstreuepflicht eröffnet den Ersatzanspruch aus positiver
Forderungsverletzung (BGHZ 49, 59; 65, 374; Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl.
2000, § 267 Rz 114, 124). Mit der Kündigungserklärung vom 31.08.1993 sagte die
33
34
35
36
37
38
2000, § 267 Rz 114, 124). Mit der Kündigungserklärung vom 31.08.1993 sagte die
Beklagte sich in diesem Sinne ernsthaft und endgültig von dem zwischen den
Parteien geschlossenen Vertrage los.
Daß diese Kündigungserklärung ernsthaft und endgültig war, daß sie das "letzte
Wort" der Beklagten zu 1) darstellte, wird von ihr nicht in Zweifel gerückt; das hat
der Senat auch in seinem Urteil vom 28.06.1996 -- Bl. 3 Abs. 3 -- im einzelnen
dargelegt.
Die Kündigung war auch vertragspflichtwidrig; denn die Beklagte zu 1) war zur
Kündigung nicht berechtigt:
2.
§ 643 BGB trug die Kündigung nicht. Nach dieser Vorschrift gilt der Werkvertrag als
aufgehoben, wenn die Unternehmerin -- hier: die Beklagte zu 1) -- der Bestellerin -
- hier: der Klägerin -- fruchtlos Frist zur "Nachholung" einer der Bestellerin
obliegenden Mitwirkungs(handlung) gesetzt hat. Fordert § 643 Satz 1 BGB in
diesem Zusammenhang, die Unternehmerin müsse "eine angemessene Frist mit
der Erklärung ... bestimmen, daß "sie den Vertrag kündige, wenn die Handlung
nicht bis zum Ablaufe der Frist vorgenommen werde", dann bedeutet dies, daß die
Kündigungsandrohung in einer Eindeutigkeit ausgesprochen sein muß, die bei der
Bestellerin keinen Zweifel daran läßt, daß die Unternehmerin das
Vertragsverhältnis nur fortsetzen wird, wenn die Bestellerin fristgerecht handelt.
Daraus folgt in der Umkehrung, daß die bloße Erklärung, sich eine Kündigung
vorbehalten zu wollen -- mit anderen Worten: erst nach Fristablauf prüfen zu
wollen, ob nunmehr gekündigt werde -- den Anforderungen des § 643 BGB nicht
gerecht wird (Staudinger-Peters, BGB, 13. Aufl. 2000, § 643 Rz 20; Palandt-Sprau,
BGB, 59. Aufl. 2000, § 643 Rz 2).
Nur eine im letztgenannten Sinne un-eindeutige Erklärung hatte die Beklagte zu 1)
aber vor der Kündigung abgegeben: Sowohl in ihrem Schreiben vom 05.08. als
auch in ihrem Schreiben vom 11.08.1993 hatte sie als Folge der Fristversäumung
inhaltlich gleichartig festgehalten, "nach Ablauf der Frist behalten wir uns vor ...
den Vertrag fristlos zu kündigen" bzw. "sollten wir bis zum Ablauf der Frist die
erforderlichen Antworten nicht erhalten, sehen wir uns gezwungen, weitere
Verzugsrechte geltend zu machen". Daß sie ganz entsprechend dem Wortlaut
dieser Passagen keinen "Automatismus" im Sinne einer zwangsläufigen
Aufeinanderfolge fruchtlosen Fristablaufs und Vertragsbeendigung sah,
dokumentierte die Beklagte zu 1) selbst dadurch, daß sie nach Fristablauf einen
Gesprächstermin mit der Klägerin vereinbarte, in welchem das weitere Vorgehen
besprochen werden sollte.
Auch später gab die Beklagte zu 1) keine Erklärung i. S. d. § 643 Satz 1 BGB mehr
ab: In dem Schreiben vom 26.08.1993, in welchem sie den Gesprächstermin
absagte, heißt es nur noch allgemein "möchten wir Ihnen ankündigen, daß wir uns
gezwungen sehen, den Vertrag fristlos zu kündigen, sofern in Kürze keine
vernünftige Einigung zustande kommt".
3.
Die Kündigung vom 31.08.1993 war auch nicht als Kündigung aus wichtigem Grund
wirksam. Eine solche Kündigung wurde zwar nicht unter dem Gerichtspunkt einer
Gesetzeskonkurrenz in dem Sinne vorab ausgeschlossen, daß § 643 BGB als
werkvertragliche Sonderregelung jegliche anderweitige Kündigungsmöglichkeit in
Zusammenhang mit einer objektiv ungenügenden Mitwirkung der Bestellerin in der
Herbeiführung des vereinbarten Leistungserfolges ausschlösse. Erschöpft sich die
auf das versprochene Werk bezogene Pflichtenbeziehung der Beteiligten nicht
darin, daß der Unternehmer das Werk schlicht einseitig herzustellen (und der
Besteller es lediglich abzunehmen) habe, kann es vielmehr nur im längerfristigen
Wechselspiel gegenseitiger Information und Unterstützung erstellt werden, dann
nähert sich das werkvertragliche Verhältnis einem Dauerschuldverhältnis so weit
an, daß allgemeine Grundsätze, die die Abwicklung von Dauerschuldverhältnissen
prägen, auf das werkvertragliche Verhältnis anzuwenden sind. Zu diesen
allgemeinen Grundsätzen gehört es, daß eine Kündigung aus wichtigem Grund
stets eröffnet bleiben muß (BGHZ 29, 172; NJW 1989, 1483; Palandt-Heinrichs, §
241 Rz 18 bis 20). Darüber, daß die Unternehmerin auf dieser rechtlichen
Grundlage das längerfristig angelegte werkvertragliche Verhältnis kündigen kann,
besteht in Rechtsprechung und Literatur im Grundsatz auch Einigkeit; umstritten
ist allerdings, inwieweit die Unternehmerin auch bei einer "allgemeinen" Kündigung
39
40
41
42
ist allerdings, inwieweit die Unternehmerin auch bei einer "allgemeinen" Kündigung
aus wichtigem Grunde dann die besonderen Voraussetzungen des § 643 BGB
beachten muß, wenn der Unternehmerin die Fortsetzung des werkvertraglichen
Verhältnisses gerade deshalb unzumutbar geworden ist, weil die Bestellerin nicht
im gebotenen Maße das Ihre getan hat, um den Leistungserfolg zu fördern, wenn
sie also ungenügend "mitgewirkt" hat (vgl. hierzu BGH WB 1963, 160; Staudinger-
Peters, § 643, Rz 20 f.). Das aber kann hier dahinstehen:
Zwar war das auf die Programmentwicklung nach den betrieblichen Anforderungen
der Klägerin ausgerichtete werkvertragliche Verhältnis im umschriebenen Sinne
auf Dauer angelegt -- die Parteien waren bereits ursprünglich von einer mehr als
einjährigen Bearbeitungszeit ausgegangen --, und es erforderte eine ständige
Mitwirkung der Bestellerin; ein wichtiger Grund, der der Beklagten zu 1) die fristlose
Kündigung eröffnet hätte, hatte sich aber nicht ergeben. Nach Prüfung der
Umstände des Falles und Abwägung der Interessen beider Parteien sieht der
Senat nicht, daß der Beklagten zu 1) die Fortsetzung des werkvertraglichen
Verhältnisses zur Klägerin nicht hättet zugemutet werden können.
Die Umstände, aufgrund deren sich die Beklagte zu 1) zur Kündigung entschloß,
entsprangen -- soweit die Beklagte 1) es offenbart hat -- im wesentlichen zwei
sachlich miteinander verbundenen Komplexen: Dies war zum einen ein Klima
wechselseitiger Vorwürfe, an der Verzögerung der Arbeiten "schuld zu sein",
letztendlich gipfelnd in wechselseitigen Anregungen oder Androhungen, die
Zusammenarbeit zu beenden. Dies war zum anderen -- konkret aus der Sicht der
Beklagten zu 1) -- die sachliche Grundlage dieser Vorwürfe, die Problematik
zureichender oder eben unzureichender Mitwirkung der Klägerin. In beiderlei
Hinsicht aber läßt sich eine Zerrüttung des Verhältnisses der Parteien, welche eine
am Vertragszweck orientierte, förderliche Zusammenarbeit ausgeschlossen hätte,
nicht feststellen.
a)
Die wechselseitigen Vorwürfe und Drohungen, wie sie in den Wochen vor Abgabe
der Kündigungserklärung in zunehmender Schärfe ausgesprochen worden waren
(so vor allem: Schreiben vom 19.07., 22.07. (beiderseits), 05.08., 11.08., 26.08.,
27.08.1993 (Anlagen K 26 BB 1, B 13, 14, K 29 bis 32), machten es der Beklagten
zu 1) nicht unzumutbar, die Zusammenarbeit fortzusetzen. Wechselseitige
Vorwürfe und Drohungen hatten nämlich die Geschäftsbeziehung der Parteien
langfristig geprägt, gehörten damit zu dem, was man seit je her hingenommen
hatte und folgerichtig weiterhin hinnehmen mußte: Bereits in den Schreiben der
Subunternehmerin der Beklagten zu 1) vom 27.10. und 03.11.1992 (Anlagen K 12
und K 13) war von einer erheblichen Verzögerung des Projekts und speziell davon
die Rede, daß die Klägerin aus der Sicht der Beklagtenseite nicht genug tue, um
das Projekt voranzutreiben. Die Klägerin hatte in ihrer Aktennotiz zum Gespräch
vom 08.02.1993 (Anlage K 16) den Vorwurf einer unrealistischen Einschätzung
durch die Projektleitung festgehalten, ebenso, daß man über
Schadensersatzforderungen gesprochen habe. Sie hatte mit Schreiben vom
17.03.1993 (K 18) beide Aspekte vertieft und in sehr bestimmtem Ton unter
anderem festgehalten "eine Verzögerung ... können wir nicht hinnehmen". Die
Beklagte zu 1) ihrerseits hatte mit Schreiben vom 30.04.1993 zum Ausdruck
gebracht, sie stehe "auf dem Standpunkt, daß die im Rahmen der
Projektdurchführung entstandenen zeitlichen Verschiebungen" von der Klägerin "zu
vertreten sind, sowie, daß eventuell dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten"
von der Klägerin "zu tragen sind" (Anlage K 20). Ungeachtet dessen, daß die
eingangs zitierten Schreiben aus den Monaten Juli und August 1993 in ihrem Ton
schärfer wurden, veränderten sie das durch die zitierten Schreiben und
Gesprächsnotizen aus der vorangegangenen Zeit vorgezeichnete Klima nicht
grundlegend; wechselseitige Vorwürfe und Drohungen waren gleichsam Alltag.
Soweit die Beklagte zu 1) in diesem Zusammenhang hervorhebt, die Klägerin
habe "definitiv erklärt", das Projekt beenden zu wollen, kann der Senat solches --
und damit gleichsam eine natürliche Konsequenz in der Kündigung von Seiten der
Beklagten zu 1) -- den vorgelegten Schriftstücken nicht entnehmen: Die Klägerin
hatte noch am 26.08.1993 wiederholend die Bereitschaft erklärt, ein Gespräch
über den Fortgang des Projekts zu führen (Anlage K 30); ihr Schreiben vom
27.08.1993, in welchem sie unter anderem vorschlug, das Projekt einvernehmlich
zu beenden, stellte eine ausdrückliche Antwort auf die Absage des Gesprächs und
die Kündigungsandrohung von Seiten der Beklagten zu 1) dar (Anlage K 32/Anlage
K 31); eine abschließende, "definitive" Erklärung in dem Sinne, daß die Klägerin das
43
44
45
K 31); eine abschließende, "definitive" Erklärung in dem Sinne, daß die Klägerin das
Projekt keineswegs fortsetzen werde, ist ihrem Schreiben allerdings nicht zu
entnehmen -- hätte man sich abschließend erklären wollen, so hätte gerade im
Blick auf die ausdrückliche Kündigungsandrohung der Beklagtenseite nichts näher
gelegen, als seinerseits ausdrücklich zu kündigen.
b)
Der Beklagten zu 1) war die Fortsetzung des werkvertraglichen Verhältnisses zur
Klägerin auch nicht deshalb unzumutbar geworden, weil die Klägerin ihrer
Obliegenheit, an der Herbeiführung des werkvertraglichen Erfolges mitzuwirken,
unzureichend nachgekommen wäre. Hier ist zentral die Entwicklung nach dem
"Krisengespräch" vom 13.07.1993 in den Blick zu nehmen; auch wenn der Senat
der Einschätzung des gerichtlich bestellten Sachverständigen über den Charakter
jedes "Krisengespräches" als "Absolution" nicht ohne weiteres folgen will, haben
doch beide Seiten in ihren -- inhaltlich im übrigen weit auseinander gehenden --
Protokollzusammenfassungen zum Ausdruck gebracht, daß die bisherigen
Ereignisse einer fruchtbaren zukünftigen Zusammenarbeit und einem
erfolgreichen Abschluß des Projekts nicht hindernd entgegenstanden: In dem vom
Anwalt der Klägerin gefertigten Protokoll vom 16.07.1993 sind die inhaltlichen
Aspekte der weiteren Zusammenarbeit -- dies teils unter exakten Zeitangaben --
aufgeführt, und es ist zusammenfassend festgehalten, daß die Parteien "einen
engeren und unmittelbareren Kontakt für die Projektfortführung "vereinbarten";
alles dies ist nur auf der Grundlage verständlich, daß die Klägerin von einem
erfolgreichen Projektabschluß ausging. Wenn auch unter inhaltlich abweichenden
Vorzeichen weist die Ergebniszusammenfassung im Schreiben der Beklagten zu 1)
vom 15.07.1993 in dieselbe Richtung; auch hier wird unter teils präziser
Formulierung von Zwischenzielen eine Planung zum Fortgang der Arbeiten
festgehalten und ausdrücklich angefügt "wir hoffen, mit den getroffenen
Vereinbarungen den Grundstein für eine weiterhin erfolgreiche Zusammenarbeit
gelegt zu haben". Formulierten die Parteien dergestalt im Ergebnis
übereinstimmend die Absicht, ungeachtet der bisherigen Versäumnisse ihre
Zusammenarbeit fortzusetzen, dann konnten frühere Versäumnisse in der
späteren Beurteilung der Zumutbarkeitsaspekte für sich betrachtet die Kündigung
nicht mehr tragen. Sachlich konnten sie von daher Bedeutung allein darin
erhalten, spätere "Kündigungsgründe" -- spätere "Mitwirkungsmängel" -- im
Gesamtzusammenhang besser auf ihr Gewicht beurteilen zu können.
Der Senat kann nicht feststellen, daß die Klägerin Mitwirkungshandlungen, von
deren Erfüllung die Beklagte zu 1) in ihrer weiteren Tätigkeit abhängig war, nicht
oder nicht in dem Maße erbracht hätte, wie es ihr oblag. Zwar waren
"Fragenkataloge", wie sie die Beklagtenseite vorgelegt hatte, teilweise
unbeantwortet geblieben, und beide Seiten stimmten -- unter teils abweichenden
Vorzeichen (Anlagen K 24 und K 25) -- darin überein, daß die offenen Fragen noch
würden geklärt werden müssen. Gleichviel aber, ob die Klägerin -- so die Beklagte
in ihrer Ergebniszusammenfassung vom 15.07.1993 -- eine kurzfristige
eigenständige schriftliche Beantwortung versprochen hatte oder man -- so die
Klägerin (Anlage K 24) -- sich dahin geeinigt hatte, letztendlich offen bleibende
Fragen im persönlichen Gespräch -- im Interview -- zu klären, durfte die Beklagte
zu 1) sich doch in keinem Falle darauf versteifen, entweder schriftliche Antworten
zu erhalten oder den Klärungsversuch als endgültig gescheitert zu betrachten.
Denn es war Aufgabe der Beklagten zu 1) als Auftragnehmerin, die Auftraggeberin
-- die Klägerin -- in der Beantwortung solcher Fragen anzuleiten, die diese -- durch
ihre Mitarbeiter -- offensichtlich nicht zureichend beantworten konnte; selbst wenn
man darüber einig war, daß die Klägerin schriftlich antworten sollte, konnte das auf
dieser Grundlage nur heißen, sie solle zunächst schriftlich antworten; offene
Fragen waren zwingend im Wege des von fachlicher Seite bestimmend geführten
Interviews zu klären.
So folgt es nicht nur aus dem, was die Parteien am 13.07.1993 -- auch hier: die
Richtigkeit des im Schreiben vom 15.07.1993 zusammengefaßten Standpunktes
der Beklagten zu 1) vorausgesetzt -- vereinbart haben; ganz unabhängig davon
nämlich, daß im Wortlaut insbesondere der Ziffer 1) nur auf Schriftform abgestellt
wurde, hielten die Parteien doch als Resümee fest, daß sie "mit den getroffenen
Vereinbarungen den Grundstein für eine weiterhin erfolgreiche Zusammenarbeit"
legen wollten. Markierte genau dies -- und alles andere würde den weitreichenden
Vereinbarungen vom 13.07.1993, gleichviel, wie sie gefaßt wurden, auch jeden
vernünftigen Sinn nehmen -- den wirklichen Willen der Parteien, wollten die
Parteien also ihre zukünftige Zusammenarbeit sinnvoll und vor allem zielgerichtet
46
47
48
49
50
Parteien also ihre zukünftige Zusammenarbeit sinnvoll und vor allem zielgerichtet
ausgestalten, dann konnten Vereinbarungen zur Form der Beantwortung gestellter
Fragen keinen abschließenden Gehalt in dem Sinne bekommen, daß die
Nichteinhaltung der vereinbarten Form das Projekt sollte scheitern lassen, die
Antwort gleichsam als unwirksam sollte gelten lassen.
Daß die Beklagte zu 1) im Zweifel gehalten war, solchen Fragen, die im
schriftlichen Wege unzureichend oder überhaupt nicht beantwortet worden waren,
im Wege des Interviews nachzugehen, ergab sich im übrigen auch schlicht aus der
sachlichen Notwendigkeit, aus den zwingenden Voraussetzungen einer sinnvoll-
vertragsgerechten Bearbeitung: Der Senat folgt dem Sachverständigen ... ohne
Einschränkung in dessen Einschätzung, daß die rein schriftliche Abwicklung der
"Frage- und Antwortproblematik" in der Erstellung des Feinkonzepts unzweckmäßig
ist; der Senat folgt dem Sachverständigen auch darin, daß der Klägerin im
Verhältnis zur Beklagten zu 1) der Status des Laien zuzubilligen ist, der in der
Mitwirkung an der Aufbereitung der zur Erstellung eines EDV-Programmes
notwendigen Informationen von der Auftragnehmerin -- der Softwarefirma --
gleichsam "an der Hand zu nehmen" ist. Die bloße Tatsache, daß die Klägerin --
wie die Mehrzahl nicht nur der größeren Unternehmen im Lande -- über EDV-
technisch geschulte oder zumindest erfahrene Mitarbeiter verfügt, konnte die
grundsätzliche Verteilung der Aufgaben und Rollen zwischen
Softwareunternehmerin und Bestellerin nicht in Frage stellen; ganz
dementsprechend ist der Klägerin zwar in den dem Vertrag vom 11./14.02.1992
beigegebenen allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgegeben, die "erforderlichen
Mitwirkungsleistungen" zu erbringen, ihr die "notwendigen Informationen und
Unterlagen" zu verschaffen (Ziffer 3 der AGB); die Softwareentwicklung, so auch
die "Entwicklung eines Anwendungspaketes" und vor allem die Erstellung des "zur
Realisierung notwendigen Pflichtenhefts" einschließlich der "Projektleitung zur
Erfüllung des Vertrages" hat aber die Beklagte zu 1) als "echte"
Werkunternehmerin unternommen -- wären die Leute der Klägerin sachkundig
genug gewesen, hätte es im übrigen der Beauftragung eines
Softwareunternehmens nicht bedurft.
Die Richtigkeit dieser Rang- und Rollenverteilung wird für den Senat nicht durch das
in Frage gestellt, was der Sachverständige ... in dem für die Beklagte zu 1)
erstellten Gutachten vom 30.04.1996 ausgeführt hat. Hat er dort -- Seiten 22-24 --
festgehalten, aus seiner Sicht sei die Interviewtechnik vor allem bei einfachen,
ohne nähere Abstimmung im Hause der Bestellerin zu beantwortenden Fragen
sinnvoll, komplexere Fragen könnten aber sachgerechter schriftlich beantwortet
werden, dann mag das auf erste Sicht so sein. Gerade dann aber, wenn sich die
Bestellerin -- naheliegend: infolge eines Mangels an eigener Fachkunde -- außer
Stande sieht, die betrieblichen Gegebenheiten und Anforderungen aus EDV-
technischer Sicht sinnvoll aufzubereiten, kehrt sich das Verhältnis -- wie der Senat
meint: geradezu offensichtlich -- um; in diesem Fall wird es Sache des
Fachmannes, den Laien im persönlichen Gespräch gleichsam an die Hand zu
nehmen und ihm zu helfen, sein Wissen über die betrieblichen Gegebenheiten und
Erfordernisse in EDV-technisch brauchbarer Weise weiter zu geben.
Dazu aber, die offenen Fragen auf der Grundlage des am 13.07.1993 gemeinsam
formulierten Zieles, das Projekt zum Erfolg zu führen, letztendlich im Wege des
Interviews zu klären, war die Beklagte zu 1) nicht mehr bereit; sie bestand vielmehr
in ihren Schreiben vom 05. und 11.08.1993 auf Klärung in schriftlicher Form.
Rechtliche Konsequenz war und ist, daß die objektiv unzureichende Beantwortung
der gestellten Fragen es der Beklagten zu 1) nicht unzumutbar machte, das
Vertragsverhältnis fortzusetzen, weil es ihr umgekehrt selbst zuzumuten war, sich
im Wege weiterer Interviews um eine den EDV-technischen Erfordernissen
genügende Klärung der offenen Fragen zu bemühen, und weil hierbei die zentrale
Verantwortung bei der Beklagten zu 1) lag.
Ganz dasselbe ergibt sich unter einem zweiten Gesichtspunkt: Wie der
Sachverständige ... -- an dessen Beurteilungskraft der Senat nicht zweifelt --
hervorgehoben hat, war allein schon der zuletzt besonders umstrittene Katalog
von 120 Fragen aus -- nur -- einem Teilgebiet derart komplex, daß die Klägerin das
ihr Zumutbare getan hat, wenn sie es möglich machte, 90 dieser 120 Fragen
innerhalb weniger Wochen zu beantworten. Wenn der Sachverständige die Klägerin
als überfordert angesehen hat, mehr als diese 90 Fragen in der ihr eingeräumten
Zeit zu beantworten, dann hat der Senat dem nichts hinzuzufügen. Die von der
Beklagten zu 1) hervorgehobene Tatsache, daß weit mehr Fragen zu weit mehr
51
Beklagten zu 1) hervorgehobene Tatsache, daß weit mehr Fragen zu weit mehr
Komplexen offenstanden, läßt die Über-Belastung der Klägerin mit der "Auflage",
das bislang Ungeklärte aus eigener Kraft heraus kurzfristig zu beantworten, nur
noch deutlicher erscheinen.
4.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Ziffer 10, 711, 546 Abs. 2
ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.