Urteil des OLG Frankfurt vom 15.10.2010

OLG Frankfurt: thüringen, rücknahme, anschlussberufungskläger, bedingung, gefahr, verfahrenskosten, werk, form, teich, beweisverfahren

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Gericht:
OLG Frankfurt 13.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 U 109/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 97 Abs 1 ZPO, § 522 Abs 2
ZPO, § 524 Abs 4 ZPO
Leitsatz
Die Kosten einer zulässig eingelegten Anschlussberufung sind grundsätzlich dem
Berufungskläger aufzuerlegen, wenn die Berufung durch einstimmigen Beschluss des
Berufungsgerichts nach § 522 Absatz 2 ZPO zurückgewiesen wird und die
Anschlussberufung dadurch ihre Wirkung verliert.
Tenor
Die Berufung des Beklagten zu 1. gegen das am 18.03.2008 verkündete Urteil des
Vorsitzenden der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt wird
zurückgewiesen.
Die Anschlussberufung der Klägerin ist wirkungslos.
Der Beklagte zu 1. hat die Kosten des zweiten Rechtszuges zu tragen.
Hinsichtlich der Kostenentscheidung wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 28.468,12 €
festgesetzt.
Gründe
Zur Begründung wird zunächst auf den Inhalt des Senatsbeschlusses vom
18.08.2010 (Bl. 254 ff. d.A.) verwiesen.
Im Hinblick auf die schriftsätzliche Stellungnahme des Beklagten zu 1. vom
04.10.2010 ist Folgendes hinzuzusetzen:
Die erneut vorgebrachte Argumentation des Beklagten zu 1., das
Vertragsverhältnis zwischen ihm und der Klägerin habe einen anderen Inhalt
gehabt als dasjenige zwischen der Klägerin und den Bauherren, verfängt nicht.
Selbst wenn zu Gunsten des Beklagten zu 1. tatsächlich davon auszugehen sein
sollte, dass er im Verhältnis zur Klägerin nur die „Erbringung von Rohbauarbeiten
für den Teich“ (vgl. Schriftsatz vom 06.12.2006, Bl. 18 d.A.) geschuldet hätte, wäre
das Werk mangelhaft gewesen. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des
Sachverständigen Dr. SV1 in dem selbständigen Beweisverfahren 24 H 9/04, der
u.a. Nester und Unregelmäßigkeiten in dem – von dem Beklagten zu 1.
gegossenen – Beton festgestellt hat (vgl. Seite 5 des Gutachtens vom 08.09.2004,
Bl. 52 der Beiakte des Amtsgerichts Dieburg). Eine derartige Beschaffenheit des
Teichbeckens war in keinem Falle vertragsgerecht.
Der Senat vermag sich den Ausführungen des Beklagten zu 1. auch insoweit nicht
anzuschließen, als sie Art und Umfang der erforderlichen
Mängelbeseitigungsmaßnahmen betreffen. Der Beklagte zu 1. macht
diesbezüglich geltend, ein mangelfreies Werk ließe sich bereits dadurch herstellen,
dass man die aufgetretenen Risse – soweit sie nicht ohnehin aufgrund des
verwendeten Materials unvermeidbar seien – verpresse, die herausragenden
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verwendeten Materials unvermeidbar seien – verpresse, die herausragenden
Bewehrungsstäbe mit einem Schutzanstrich versehe und einen Isolieranstrich
aufbringe. Eine solche Form der Mangelbeseitigung kommt jedoch schon
deswegen nicht in Betracht, weil ein bloßer nicht ausreichend wäre.
Hierauf hat der Senat in seinem Beschluss vom 18.08.2010 bereits hingewiesen.
Technisch befriedigend wäre einzig eine des Beckens mit einer
ausreichend dicken Bitumenschicht.
Auch diese Vorgehensweise scheidet letztlich jedoch aus, weil sie das
Erscheinungsbild nachhaltig verändern würde. Geschuldet war eine glatte
Oberfläche in Sichtbetonoptik, was die Vernehmung der Zeugin Z1 zweifelsfrei
ergeben hat (vgl. Sitzungsniederschrift vom 14.05.2007, Bl. 77 d.A.) und was dem
Beklagten zu 1. aufgrund des Abstimmungsprozesses mit den Bauherren nach
Überzeugung des Senats auch bekannt war.
Durch die Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege verliert die
Anschlussberufung der Klägerin ihre Wirkung (§ 524 Abs. 4 ZPO).
Der Beklagte zu 1. hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die gesamten Kosten des zweiten
Rechtszuges zu tragen. Eine Kostenquotelung unter Berücksichtigung der mit
Berufung und Anschlussberufung wechselseitig verfolgten Interessen kommt nicht
in Betracht.
Die prozessuale Situation des Anschlussberufungsführers stellt sich im Falle einer
Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht
wesentlich anders dar als im Falle der Rücknahme des Rechtsmittels nach
vorausgegangenem Hinweis des Berufungsgerichts gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2
ZPO. Für letzteren Fall hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass der
Berufungskläger in der Regel auch die Kosten der zulässig erhobenen
Anschlussberufung zu tragen hat (vgl. BGH in MDR 2005, 704, sowie in MDR 2006,
586).
Entsprechendes muss gelten, wenn die Anschlussberufung aufgrund der
Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss wirkungslos wird. Zwar
steht die Berufungsrücknahme ausschließlich im Belieben des Berufungsklägers,
während die Zurückweisung der Berufung auf einer Sachentscheidung des
Gerichts beruht und der Einflusssphäre des Rechtsmittelführers entzogen scheint.
Dennoch hat der Berufungsführer auch dort nachhaltigen Einfluss auf den
Verfahrensausgang. Dies zeigt sich namentlich dann, wenn er einer zu
erwartenden Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegentritt,
beispielsweise indem er zu einem vorangegangenem Hinweisbeschluss des
Berufungsgerichts überhaupt nicht oder jedenfalls nicht in prozessual erheblicher
Weise Stellung nimmt (vgl. OLG Frankfurt, 19. ZS, in OLGR 2006, 1095).
Angesichts der vergleichbaren Interessenlage ist eine unterschiedliche
kostenrechtliche Behandlung der Anschlussberufung je nachdem, ob die Berufung
zurückgenommen oder durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen wird, auch
nicht deshalb geboten, weil die Kostenfolge für die Berufungsrücknahme in § 516
Abs. 3 ZPO eine eigenständige Regelung erfahren hat (so KG, 6. ZS, Beschl. v.
11.05.2010, Az. 6 U 170/09 – zitiert nach Juris). Die genannte Vorschrift bezieht
sich lediglich auf „die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten“. Sie bestimmt
nicht, ob hierunter auch die Kosten der Anschlussberufung fallen.
Dementsprechend lässt sich aus dem Fehlen einer kostenrechtlichen
Spezialregelung für den Fall der Berufungszurückweisung nicht folgern, dass dort
eine abweichende Handhabung geboten wäre.
Nach Auffassung des Senats wäre es auch schlechterdings unverständlich, einen
Berufungsführer, der sein Rechtsmittel nach entsprechendem gerichtlichen
Hinweis zurücknimmt, mit den gesamten Kosten des zweitinstanzlichen
Verfahrens – einschließlich der durch die Anschlussberufung verursachten Kosten –
zu belasten, hingegen einen Berufungsführer, dessen Rechtsmittel durch
einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen wird, im Wege der
Quotelung der Verfahrenskosten zu begünstigen (vgl. OLG Bremen in MDR 2008,
1306; OLG Hamm in AnwBl 2008, 796; OLG Köln, 11. ZS, in OLGR 2004, 397; OLG
Hamburg in MDR 2003, 1251). Hierdurch würde die in der entsprechenden
kostenrechtlichen Privilegierung (Nr. 1222 KV GVG) zum Ausdruck kommende
Absicht des Gesetzgebers unterlaufen, die Rücknahme aussichtsloser Berufungen
zu fördern (in diesem Sinne auch OLG Thüringen in OLG-NL 2005, 42, sowie OLG
Celle, 16. ZS, in MDR 2004, 592).
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Hinzu kommt, dass die Anschlussberufung kein eigenes Rechtsmittel, sondern nur
ein Angriff im Rahmen des von dem Berufungskläger eingelegten Rechtsmittels ist
(vgl. BGH in MDR 2006, 586; OLG Dresden, 6. ZS, in OLG-NL 2006, 93; OLG
Thüringen in OLG-NL 2005, 42); ohne die Berufung der Gegenpartei hätte sich der
Anschlussberufungskläger mit dem erstinstanzlichen Urteil zufrieden gegeben (vgl.
KG, 23. ZS, Beschl. v. 21.09.2009, Az. 23 U 8/09 – zitiert nach Juris). Damit sind
aber letztlich auch die Kosten der Anschlussberufung durch den Berufungskläger
veranlasst.
Soweit die Gegenmeinung, derzufolge eine Kostenquotelung vorzunehmen ist (so
u.a. KG, 6. ZS, Beschl. v. 11.05.2010, Az. 6 U 170/09 – zitiert nach Juris; OLG
Düsseldorf, 24. ZS, in MDR 2010, 769; OLG Köln, 4. Senat für Familiensachen, in
FamRZ 2010, 224; OLG Stuttgart in MDR 2009, 585; OLG Schleswig in MDR 2009,
532; KG, 12. ZS, in MDR 2008, 1062; OLG Celle, 4. ZS, in MDR 2005, 1017; OLG
Frankfurt, 23. ZS, in OLGR 2004, 288; OLG Dresden, 6. ZS, in MDR 2004, 1386;
OLG München in OLGR 2004, 456; OLG Celle, 2. ZS, in NJW 2003, 2755; OLG
Brandenburg in MDR 2003, 1261), auf einen Beschluss des Großen Senats für
Zivilsachen des Bundesgerichtshofs (BGHZ 80, 146-153) verweist, überzeugt dies
nicht. Die entsprechende Entscheidung stammt aus dem Jahr 1981 und betrifft die
unselbständige Anschlussrevision bei Nichtannahme der Revision nach altem
Verfahrensrecht. Sie ist nicht auf den Fall der Berufungszurückweisung nach § 522
Abs. 2 ZPO übertragbar. Das ergibt sich bereits aus den strukturellen
Unterschieden zwischen der als Annahmeverfahren ausgestalteten Revision
früheren Rechts und dem Berufungsverfahren (vgl. BGHZ 80, 146, 150 ff.; OLG
Frankfurt, 19. ZS, in OLGR 2006, 1095; OLG Thüringen in OLG-NL 2005, 42; OLG
Celle, 16. ZS, in MDR 2004, 592; OLG Hamburg in MDR 2003, 1251; eine
Vergleichbarkeit annehmend demgegenüber OLG Düsseldorf, 24. ZS, in MDR
2003, 1260). Im Berufungsverfahren erfolgt, gleich ob die Entscheidung durch
Urteil oder im Beschlusswege nach § 522 Abs. 2 ZPO ergeht, stets eine
Zulässigkeits- bzw. Begründetheitsprüfung des Hauptrechtmittels. Demgegenüber
musste der zur Anschlussrevision Berechtigte in dem vom Bundesgerichtshof
entschiedenen Fall von vornherein mit einer Nichtannahme der Revision, also dem
Ausbleiben einer Sachentscheidung über das Hauptrechtsmittel, rechnen (KG, 23.
ZS, Beschl. v. 21.09.2009, Az. 23 U 8/09 – zitiert nach Juris; KG, 14. ZS, in KGR
2009, 673).
Eine generelle Kostenquotelung erscheint auch nicht deshalb angezeigt, weil der
(Haupt-)Berufungsführer andernfalls Gefahr liefe, im Wege der – von ihm nicht zu
beeinflussenden – Erhebung einer Anschlussberufung ungerechtfertigt mit
weiteren Verfahrenskosten belastet zu werden. Dieser Gefahr kann bereits
dadurch begegnet werden, dass für diejenigen Fälle, in denen die Einlegung der
Anschlussberufung rechtsmissbräuchlich erscheint, eine Kostenteilung vorbehalten
bleibt (vgl. OLG Zweibrücken in FamRZ 2010, 399).
Ansonsten hat es bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass das den (Haupt-
)Berufungskläger treffende Risiko der vollen Kostenlast keine ungerechtfertigte
Einengung seines Entschlusses zur Rechtsmitteleinlegung darstellt (vgl. OLG
Frankfurt, 19. ZS, in OLGR 2006, 1095).
Für eine anteilige Kostentragungspflicht des Anschlussberufungsklägers kann
ferner nicht ins Feld geführt werden, dass dieser das Risiko der Wirkungslosigkeit
seines Anschlussrechtsmittels dadurch vermeiden könne, dass er abwarte, ob das
Berufungsgericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimme und
hierdurch die Gefahr einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO beseitigt werde
(vgl. OLG Stuttgart in MDR 2009, 585; OLG Köln, 4. Senat für Familiensachen, in
FamRZ 2010, 224). Die Einlegung der Anschlussberufung ist gemäß § 524 Abs. 2
Satz 2 ZPO grundsätzlich nur bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten
gesetzten Erwiderungsfrist zulässig. Bis zu diesem Zeitpunkt ist keineswegs immer
abzusehen, welchen prozessualen Weg das Berufungsgericht beschreiten wird.
Schließlich spricht für eine Kostenaufteilung auch nicht die Erwägung, dass der
Anschlussberufungskläger einer anteiligen Kostentragungspflicht bei
Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO entgehen könne, indem er
sein Anschlussrechtmittel unter der innerprozessualen Bedingung einlege, dass
die Berufung des Gegners nicht durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen
werde (vgl. OLG Düsseldorf in MDR 2010, 769). Unabhängig von der Frage der
Zulässigkeit einer derartigen Anschlussberufung (zur bedingten unselbständigen
Anschlussberufung grundlegend BGH in NJW 1984, 1240) ist festzustellen, dass der
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Anschlussberufung grundlegend BGH in NJW 1984, 1240) ist festzustellen, dass der
Bundesgerichtshof in den von ihm entschiedenen Fällen zur Kostentragungspflicht
nach Rücknahme des (Haupt-)Rechtsmittels (vgl. MDR 2005, 704 und MDR 2006,
586) jedenfalls nicht darauf abgestellt hat, dass die Anschlussberufung unter der
innerprozessualen Bedingung der unterbleibenden Berufungsrücknahme hätte
erhoben werden können. Damit kann aber auch vorliegend nicht davon
ausgegangen werden, dass der Anschlussberufungskläger im Falle der
unterbliebenen Bedingung des Anschlussrechtsmittels weniger schutzwürdig sei
als der Berufungskläger.
Angesichts des Fehlens einer höchstrichterlichen Entscheidung zur Frage der
Kosten der Anschlussberufung bei Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege,
der insoweit divergierenden Rechtsprechung der Obergerichte und der
rechtspraktischen Relevanz der Problemstellung war die Rechtsbeschwerde
zuzulassen (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens bemisst sich nach dem Wert der
Beschwer des Berufungsklägers sowie der Anschlussberufungsklägerin. Die sich
ergebenden Beträge von 12.437,11 € (Berufungsführer) bzw. 16.031,01 €
(Anschlussberufungsführerin) waren nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GKG
zusammenzurechnen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.