Urteil des OLG Frankfurt vom 29.07.2010
OLG Frankfurt: treu und glauben, verjährung, firma, beweisverfahren, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, zivilprozessrecht, quelle, prozesspartei
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Gericht:
OLG Frankfurt 15.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
15 W 18/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 91 Abs 1 S 1 ZPO
Orientierungssatz
Zum Umfang der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im selbstständigen
Beweisverfahren notwendigen Kosten
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts
Marburg vom 8.1.2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an
das Landgericht Marburg zurückverwiesen.
Das Landgericht Marburg wird angewiesen, den Antrag des Klägers auf
Festsetzung der Kosten, die durch die Arbeiten der Fa. A gemäß deren Rechnung
vom 24.11.2008 entstanden sind, nicht mit der Begründung zurückzuweisen, der
Kläger sei gehalten, sich gegenüber der Fa. A auf Verjährung zu berufen.
Gründe
I.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 8.9.2009 die Nachfestsetzung von u.a. Kosten
in Höhe von 6652,10 € beantragt. Diese Kosten sind durch vom Kläger beauftragte
Arbeiten der Firma A in den Jahren 2002 und 2003 entstanden, die im Rahmen des
vor dem vorliegenden Rechtsstreit durchgeführten selbstständige Beweisverfahren
Landgericht Marburg – 1 OH 8/02 - von dem gerichtlich beauftragten
Sachverständigen zumindest in Teilen zur Begutachtung für erforderlich gehalten
wurden. Die Fa. A hat ihre Vergütung dem Kläger gegenüber mit Rechnung vom
24.11.2008 geltend gemacht.
Das Landgericht hat den Kostenfestsetzungsantrag des Klägers mit der
Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe sich - dem Grundsatz, die Kosten
des Verfahrens möglichst gering zu halten, folgend - gegenüber der Firma A auf
Verjährung berufen müssen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der sofortigen
Beschwerde.
II.
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gem. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ff. ZPO
statthaft sowie fristgerecht beim Landgericht eingelegt worden und auch sonst
zulässig. In der Sache führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
und zur Zurückverweisung an das Ausgangsgericht zur erneuten Entscheidung
über den Festsetzungsantrag des Klägers.
Gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des
Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu
erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Beauftragung der Arbeiten der Firma A
und die dadurch veranlasste Kosten waren, soweit sie von dem Sachverständigen
des selbständigen Beweisverfahrens für die Durchführung seines Gutachtens als
des selbständigen Beweisverfahrens für die Durchführung seines Gutachtens als
notwendig angesehen wurden, fraglos zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
durch den Kläger zunächst einmal notwendig. Denn in diesem Umfang war eine
Begutachtung offenbar nicht möglich. Allerdings besteht im Rahmen des zwischen
den Parteien bestehenden Prozessrechtsverhältnis die Pflicht einer jeden
Prozesspartei, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom
Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung
ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt. Diese Pflicht ist Ausfluss des
Grundsatzes von Treu und Glauben und beherrscht das gesamte Kostenrecht
(BGH MDR 2007, 1160). Es kann dahinstehen, ob die Pflicht zur
Kostengeringhaltung sich nicht ohnehin allein auf die Phase der Veranlassung und
Durchführung von Maßnahmen der Rechtsverfolgung und deren Kosten bezieht,
und nicht auch auf die Möglichkeit der Erhebung rechtshemmender Einwendungen.
Auch kann dahinstehen, ob im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens eine
materielle Rechtsfrage wie die der Verjährung überhaupt zu berücksichtigen ist.
Denn jedenfalls ist der Kläger unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu
und Glauben und unter dem Gesichtspunkt der Kostengeringhaltungspflicht nicht
gehalten, sich zur Schonung seines ihm ersatzpflichtigen Prozessgegners, des
Beklagten, gegenüber dem Vergütungsanspruch der Firma A auf Verjährung zu
berufen. Der Kläger hat im Beschwerdeschriftsatz vom 12.1.2007 billigenswerte
Gründe aufgeführt, von der Erhebung der Verjährungseinrede abzusehen, indem
er auf die aus seiner Sicht mit einer Einrede der Verjährung gegenüber
Handwerkern verbundene Ehrenrührigkeit und auf deren Unverträglichkeit mit
seinem Ansehen als selbständiger Augenarzt hingewiesen hat. Eine Pflicht, gerade
zu Gunsten eines Prozessgegners gleichwohl die Verjährungseinrede erheben zu
müssen, ist bei dieser Sachlage fernliegend, wird bei vergleichbarer Fallgestaltung
im übrigen auch sonst von der obergerichtlichen Rechtsprechung abgelehnt (vgl.
OLG Koblenz, Beschluss vom 28.7.2008 – 14 W 374/08, MDR 2008, 1179; OLG
Karlsruhe, Beschluss vom 12.3.1996 – W 1/96 RhSch, MDR 1996, 750).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.