Urteil des OLG Frankfurt vom 18.11.2004
OLG Frankfurt: aufschiebende bedingung, neues vorbringen, rückzahlung, abtretung, fälligkeit, darlehen, nachlässigkeit, urkunde, inhaber, vollstreckung
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Gericht:
OLG Frankfurt 26.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
26 U 28/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 607 BGB, § 781 BGB, § 531
Abs 1 ZPO, § 531 Abs 2 ZPO
(Berufungsverfahren: Berücksichtigung neuen unstreitigen
Vorbringens)
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 10.05.2004 verkündete Urteil des
Landgerichts Frankfurt am Main - Az.: 2-26 O 156/03 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 114.683,68 € nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz aus 107.272,78 € seit dem 01.01.2004 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Rückzahlung von
Darlehen in Anspruch.
Hinsichtlich der in erster Instanz getroffenen Feststellungen wird auf den
Tatbestand des am 10.05.2004 verkündeten landgerichtlichen Urteils (Bl. 226 ff d.
A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da ein Rückzahlungsanspruch
ungeachtet der Frage der Wirksamkeit der Abtretung derzeit jedenfalls nicht fällig
sei. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass die
Fa. A AG und die Beklagte die Rückzahlung des Darlehens von einem
Prozesserfolg der Beklagten in dem Rechtsstreit gegen die V 1-Versicherung (LG
Köln - 28 O 567/01) abhängig gemacht hätten. Diese aufschiebende Bedingung sei
bislang aber noch nicht eingetreten. Die Zeugen Z 1 und Z 2 hätten letztlich eine
entsprechende mündliche Vereinbarung der damaligen Vertragsparteien bestätigt.
Der von ihnen dargelegte wirtschaftliche Hintergrund mache eine solche
Absprache plausibel. Die Prolongationsvereinbarung vom 15.08.2002 stehe einer
solchen Bewertung nicht entgegen, da damit keine Änderung der grundsätzlichen
Übereinkunft zur Rückzahlbarkeit gewollt gewesen sei. Auch die Absicherung der
Darlehen durch eine Bürgschaft des Geschäftsführers der Beklagten rechtfertige
keine andere Bewertung, dass dieses Sicherungsmittel nach Angaben der Zeugen
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keine andere Bewertung, dass dieses Sicherungsmittel nach Angaben der Zeugen
nur aus grundsätzlichen juristischen Erwägungen heraus vereinbart worden sei. Bei
dieser Sach- und Rechtslage habe es der Vernehmung der von dem Kläger
benannten Zeugin Z 3 nicht mehr bedurft, da diese nur für die Kenntnis der
Beklagten von der Abtretung im Zeitpunkt der Prolongationsvereinbarung und des
Nichtbestehens eines Abtretungsverbotes benannt worden sei.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er ist der
Auffassung, das Landgericht habe die erhobenen Beweise nur unzureichend
gewürdigt; es habe bei der Bewertung der Zeugenaussagen insbesondere aus
Acht gelassen, dass die schriftlichen Darlehensverträge zwischen der Fa. A AG und
der Beklagten keinerlei Hinweis auf eine aufschiebende Bedingung für die
Rückzahlbarkeit enthielten, die das Landgericht den Aussagen der Zeugen Z 1 und
Z 2 entnommen habe. Dort sei nämlich unabhängig von weiteren
Voraussetzungen die Fälligkeit der Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten auf
den 31.03.2002 festgelegt worden. Die Abhängigkeit der Darlehen von dem
Rechtsstreit vor dem Landgericht Köln sei erstmals in der
Prolongationsvereinbarung vom 15.08.2002 erwähnt; aber auch dort sei als
spätester Fälligkeitstermin der 31.12.2003 genannt worden. Angesichts dieser
eindeutigen schriftlichen Vereinbarungen habe das Landgericht seine Bewertung
nicht auf die Aussagen der Zeugen Z 1 und Z 2 stützen dürfen, zumal deren
Aussagen zur Fälligkeit auch nicht in dem Maße ergiebig seien, um eine von den
schriftlichen Vereinbarungen abweichende Regelung der
Darlehensvertragsparteien annehmen zu können. Selbst wenn es vor Abschluss
der Darlehensverträge eine mündliche Übereinkunft des von der Beklagten
behaupteten Inhalts gegeben hätte, so sei diese spätestens durch die
Vereinbarung vom 15.08.2002 hinfällig geworden, denn dort habe man einen
festen Rückzahlungstermin vereinbart. Eine weitere schriftliche Verlängerung des
Rückzahlungstermins sei nicht erfolgt; aus welchen Gründen dies nicht geschehen
sei, sei unerheblich. Gegenüber dem Kläger könne sich die Beklagte indes nicht
auf diese Prolongation berufen, da § 407 Abs. 1 BGB insoweit nicht greife. Der
Beklagten sei die Abtretung bekannt gewesen, was er, der Kläger, bereits in erster
Instanz unter Beweisantritt vorgetragen habe, so dass die Vereinbarung nur für
den nicht abgetretenen Teil der Forderung wirke. Im Übrigen sei aber auch nach
dieser Vereinbarung der Rückzahlungsanspruch zwischenzeitlich fällig geworden.
Ungeachtet dessen habe die Beklagte die Forderung des Klägers mit Schreiben
vom 28.11.2002 (Bl. 262 d.A.) aber auch ausdrücklich anerkannt und sich in
diesem Schreiben nur auf die Prolongation berufen. Mithin sei es ihr nunmehr
verwehrt, darüber hinaus gehende Einwände gegen den Rückzahlungsanspruch zu
erheben.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 10.05.2004 verkündeten Urteils des
Landgerichts Frankfurt am Main - Az.: 2-26 O 156/03 - die Beklagte zu verurteilen,
an den Kläger 114.683,68 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus
107.272,78 € seit dem 01.04.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Kläger habe keine konkreten
Anhaltspunkte dargetan, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der
landgerichtlichen Tatsachenfeststellungen begründen könnten. Er habe die
zutreffende Würdigung in dem erstinstanzlichen Urteil lediglich durch seine eigene
ersetzt, ohne entsprechende Fehler aufzuzeigen. Die in erster Instanz
vernommenen Zeugen Z 1 und Z 2 hätten die Behauptungen der Beklagten
eindeutig bestätigt; soweit der Kläger diese Aussagen für unergiebig halte, habe er
sie nur unvollständig und aus dem Zusammenhang gerissen dargestellt. Danach
stehe fest, dass eine Rückzahlung nur bei einem für die Beklagten erfolgreichen
Prozessausgang erfolgen sollte. Allein eine solche Regelung sei mit dem bereits
mehrfach dargelegten wirtschaftlichen Hintergrund der Darlehenshingabe zu
vereinbaren, worauf das Landgericht zu Recht abgestellt habe. Die Vereinbarung
vom 15.08.2002 rechtfertige keine andere Bewertung, denn auch dort sei die
Fälligkeit von der Rechtskraft der Entscheidung in dem Verfahren gegen den V 1-
Konzern abhängig gemacht worden. Eine erneute Prolongation sei nur deshalb
nicht erfolgt, weil die Fa. A AG in Insolvenz geraten sei und der Insolvenzverwalter
eine entsprechende Absprache versäumt habe. Im Übrigen habe der Zeuge Z 2
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eine entsprechende Absprache versäumt habe. Im Übrigen habe der Zeuge Z 2
bestätigt, dass ein festes Datum für die Rückzahlung nur zu eigenen Absicherung
von ihm eingefügt worden sei; an der ursprünglichen Absprache habe sich nichts
ändern sollen. Soweit der Kläger seinen Anspruch nunmehr auch auf das
Schreiben der Beklagten vom 28.11.2002, handele es sich um neues Vorbringen,
welches in der Berufung nicht mehr zu berücksichtigen sei. Im Übrigen stelle es
auch kein Anerkenntnis im Sinne des § 781 BGB, da die Beklagte ausdrücklich auf
die Prolongationsvereinbarung vom 15.08.2002 hingewiesen habe. Sie habe mit
diesem Schreiben auf die Mitteilung des Klägers vom 19.11.2002 (Bl. 109 d.A.)
reagiert. Nach Erhalt dieses Schreibens habe sich der Geschäftsführer der
Beklagten an den Zeugen Z 1 gewandt, der erklärt habe, dass der Kläger über die
Absprache zur Fälligkeit informiert sei; wenn man ihm die Existenz des Darlehens
bestätige, würde er Ruhe geben. Schließlich zeige das Schreiben vom 19.11.2002
auch, dass der Kläger bis zum diesem Zeitpunkt davon ausgegangen sei, die
Beklagte habe noch keine Kenntnis von der Abtretung.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die
Schriftsätze des Klägers vom 26.05.2004 (Bl. 246 ff d.A.) und 21.10.2004 (Bl. 293
ff d.A.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagten vom 13.10.2004 (Bl. 282 ff d.A.)
Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und darüber hinaus
gemäß § 520 Abs. 2 ZPO rechtzeitig begründete Berufung ist zulässig und in der
Sache überwiegend begründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten und in der
Höhe unstreitigen Betrages gemäß §§ 607, 609 BGB a.F., 398, 781 BGB zu. Die
nach § 529 ZPO der Berufungsentscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen
gebieten insoweit eine von der landgerichtlichen Entscheidung abweichende
Bewertung der Sach- und Rechtslage.
Der Kläger ist durch Vereinbarung vom 08.01.2002 mit der Fa. A AG Inhaber der
Darlehensforderung gegen die Beklagte in der nunmehr geltend gemachten Höhe
geworden (§ 398 BGB). Bedenken an der Wirksamkeit dieser Abtretung bestehen
nicht, insbesondere war die Abtretung nicht durch Vereinbarung zwischen der Fa. A
AG und der Beklagten bei Begründung der Darlehensverhältnisse ausgeschlossen
(§ 399 2. Alt. BGB). Eine ausdrückliche Absprache wurde insoweit nicht getroffen.
Ob man aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Rechtsgeschäftes von
einer stillschweigenden Vereinbarung eines Abtretungsverbotes ausgehen kann,
erscheint fraglich, bedarf aber letztlich keiner abschließenden Bewertung, da die
Abtretung im vorliegenden Fall gemäß § 354 a HGB gleichwohl wirksam wäre. Die
Darlehensparteien waren im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kaufleute (§ 161
HGB, 3 Abs. 1 AktG) und der Abschluss der Darlehensverträge war für beide ein
Handelsgeschäft, wofür bereits die Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB spricht.
Dass es sich bei der Abtretung um ein anfechtbares Rechtsgeschäft im Sinne der
§§ 129 ff InsO handelt, ist nicht hinreichend dargetan. Es ist auch nicht ersichtlich,
dass eine solche Anfechtung stattgefunden hat, so dass jedenfalls für das
vorliegende Verfahren davon auszugehen ist, dass der Kläger Inhaber der
Forderungen ist.
Der Rückzahlungsanspruch ist auch fällig, da zumindest der zuletzt vereinbarte
Fälligkeitszeitpunkt zum 31.12.2003 zwischenzeitlich verstrichen ist (§ 609 BGB
a.F.). Soweit die Beklagte einwendet, das Darlehen habe nur für den Fall eines
erfolgreichen Ausgangs bzw. rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens gegen
die V 1-Versicherung vor dem Landgericht Köln zurückgezahlt werden sollen, kann
sie damit im vorliegenden Rechtsstreit nicht gehört werden. Ihr Schreiben vom
28.11.2002 stellt sich als deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar, mit der Folge,
dass ihr alle Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Art abgeschnitten sind,
die ihr bei der Abgabe der Erklärung bekannt waren bzw. mit denen sie zumindest
rechnete (vgl. zu dieser Wirkung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses:
Palandt-Sprau, BGB, 63. Aufl., § 781 Rz. 3). Dass es sich bei dem o.g. Schreiben
um ein solches Anerkenntnis handelt, kann nicht bezweifelt werden. Ein
deklaratorisches Anerkenntnis soll eine bereits bestehende Schuld lediglich
bestätigen und keine neue begründen. Es setzt voraus, dass zwischen den
Parteien Streit oder subjektive Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder
rechtserhebliche Umstände besteht und die Parteien durch das Anerkenntnis
dieses zwischen ihnen bestehende Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen
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dieses zwischen ihnen bestehende Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen
Beziehungen dem Streit oder der Ungewissheit entziehen wollen. So liegt der Fall
auch hier. Der Kläger hat der Beklagten mit Schreiben vom 19.11.2002 die
teilweise Abtretung des Darlehensrückzahlungsanspruches angezeigt und sie
aufgefordert mitzuteilen, inwieweit sie die Forderung anerkennt und Zahlung zu
leisten bereit ist. Wenn die Beklagte darauf hin mitteilt, dass sie die Forderung
anerkenne und sich lediglich auf die Prolongationsvereinbarung vom 15.02.2002
beruft, so konnte das ein objektiver Empfänger in der Lage des Klägers nur
dahingehend verstehen, dass die Forderung außer Streit gestellt sein und lediglich
der Einwand der Fälligkeit in dem in der Vereinbarung vom 15.08.2002 definierten
Sinne erhoben sein soll. Was die Beklagte dazu bewogen hat, diese Erklärung in
dieser Form abzugeben, ist für den allein aus dem Empfängerhorizont zu
bestimmenden Erklärungsinhalt unerheblich. Im Übrigen ist auch nach dem
Vorbringen der Beklagten, sie habe die Erklärung nach Rücksprache mit dem
Zeugen Z 1 abgegeben, ein solcher Erklärungsinhalt anzunehmen. Denn auch der
Zeuge Z 1 hatte der Beklagten empfohlen, die Existenz des Darlehens zu
bestätigen.
Mit dem Hinweis auf die Vereinbarung vom 15.08.2002 hat sich die Beklagte aber
gerade nicht den Einwand vorbehalten, dass die Rückzahlung des Darlehens allein
von einem Erfolg in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Köln bzw. dessen
rechtskräftigem Abschluss abhängig sein sollte. Aus dieser Vereinbarung geht
zunächst nur hervor, dass die gewährten Darlehen mit Rechtskraft der
Entscheidung des Landgerichts Köln zur Rückzahlung fällig sein sollten. Von einem
erfolgreichen Ausgang ist keine Rede. Darüber hinaus haben die
Darlehensparteien unabhängig von der Dauer des Verfahrens einen fixen
Rückzahlungszeitpunkt auf den 31.12.2003 vereinbart. Damit war für den Kläger
keineswegs erkennbar, dass sich die Beklagte außer des Zeitpunktes der Fälligkeit
noch weitere Einwände vorbehalten wollte, die die Existenz des
Rückzahlungsanspruches als solchen betrafen. Die von ihr ursprünglich
behauptete aufschiebende Bedingung für den Rückzahlungsanspruch, nämlich ein
Obsiegen in dem anderen Verfahren, lässt sich jedenfalls der Vereinbarung vom
15.08.2002 gerade nicht entnehmen. Das Gegenteil ist der Fall. Soweit die
Beklagte in der mündlichen Verhandlung und in dem nicht nachgelassenen
Schriftsatz vom 08.11.2004 ihr Vorbringen dahingehend korrigiert hat, dass die
Rückzahlung unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreites unbedingt nach dessen
Abschluss erfolgten sollte, steht dies in klarem Widerspruch zu ihrem
erstinstanzlichen Vorbringen. Die Behauptung, eine Rückzahlung solle nur bei
einem der Beklagten günstigen Prozessausgang erfolgen, war Gegenstand des
Beweisbeschlusses des Landgerichts vom 06.01.2004; der insoweit vernommene
Zeuge Z 1 hat diese Behauptung sogar bestätigt. Dass die Vertragspartner selbst
nicht von einer aufschiebenden Bedingung gesprochen haben, ist unerheblich für
die allein dem Gericht obliegende rechtliche Würdigung eines tatsächlichen
Verhaltens. Indes kommt es aus den oben dargelegten Gründen auf diesen
Gesichtspunkt in keiner Weise an.
Angesichts des eindeutigen Wortlautes der Vereinbarung vom 15.08.2002 mit dem
festen Fälligkeitstermin am 31.12.2003 kann es auch dahingestellt bleiben, was die
ursprünglichen Vertragspartner möglicherweise daneben mündlich vereinbart
hatten bzw. vor welchem Hintergrund es zu der Einigung vom 15.08.2002
gekommen ist. Da die Beklagte in ihrem Schreiben vom 28.11.2002 lediglich auf
die Prolongationsvereinbarung Bezug genommen hat, muss sich der Kläger
lediglich die daraus ersichtlichen Einwände entgegenhalten lassen. Dass der feste
Rückzahlungstermin entgegen des ausdrücklichen Wortlautes der Urkunde
angeblich nicht gewollt war, konnte der Kläger jedenfalls aus der Urkunde nicht
erkennen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger anderweitig Kenntnis von
dieser behaupteten weitergehenden Absprache erlangt hat. Entsprechendes lässt
sich insbesondere nicht der Aussage des Zeugen Z 1 entnehmen. Der hat im
Rahmen seiner erstinstanzlichen Aussage lediglich bekundet, den Kläger darauf
hingewiesen zu haben, dass die abgetretene Forderung nur im Falle eines Erfolges
vor dem Landgericht Köln „werthaltig“ sei. Mit diesem Begriff ist aber in der Regel
allein ein Urteil über den wirtschaftlichen Wert einer Sache oder einer Forderung
verbunden, d.h. die Prognose, ob eine Forderung in bestimmter Höhe auch
tatsächlich realisiert werden kann. Für einen objektiven Erklärungsempfänger
ergibt sich aus einer solchen Mitteilung aber nicht, dass das Entstehen der
Forderung noch von einem künftigen ungewissen Ereignis abhängig ist bzw. diese
Forderung unabhängig von schriftlichen Vereinbarungen erst zu einem späteren
Zeitpunkt fällig sein sollte.
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Das diesbezügliche Vorbringen ist auch bei der Entscheidungsfindung in zweiter
Instanz zu berücksichtigen; der Kläger ist mit diesem Vorbringen insbesondere
nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Zwar handelt es insoweit wohl um
neuen Vortrag, da der Kläger das Schreiben der Beklagten vom 28.11.2002 in
erster Instanz nicht vorgelegt hat. Der Kläger hat auch nicht dargetan, dass sein
diesbezügliches Unterlassen nicht auf Nachlässigkeit beruht. Lediglich in dem nicht
nachgelassenen Schriftsatz vom 12.11.2004 hat er versucht darzulegen, warum
sein diesbezügliches Versäumnis nicht auf Nachlässigkeit beruht. Die von ihm
zitierte Entscheidung des OLG Koblenz (NJW-RR 2003, 1457) ist dem vorliegenden
Sachverhalt jedoch nicht vergleichbar. Hier hat das Landgericht durch seinen
Beweisbeschluss vom 06.01.2004 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es das
Verteidigungsvorbringen der Beklagten für erheblich hielt und somit ein Erfolg des
Klägers vom Ergebnis der Beweisaufnahme abhängig war. In dieser Situation wäre
es geboten gewesen, Angriffsmittel vorzutragen, die geeignet waren, der Klage
auch ohne Beweisaufnahme zum Erfolg zu verhelfen. Gleichwohl war das
ergänzende Vorbringen des Klägers in zweiter Instanz zu berücksichtigen, da nach
Auffassung des Senates § 531 Abs. 2 ZPO in Anbetracht des mit dieser Vorschrift
verbundenen Schutzzweckes aufgrund einer teleologischen Reduktion dann nicht
anwendbar ist, wenn der neue Sachvortrag unstreitig bleibt.
Die Frage der eingeschränkten Reichweite des § 531 Abs. 2 ZPO ist in
Rechtsprechung und Literatur umstritten. Während zum Teil die Ansicht vertreten
wird, unstreitiger neuer Tatsachenvortrag sei stets zuzulassen (vgl.
Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 531 Rz. 8; Crückeberg, MDR 2003, 10,
11; MüKo-ZPO, Aktualisierungsband, § 531 Rz. 33; OLG Nürnberg MDR 2003,
1133), lehnen andere Oberlandesgerichte eine Berücksichtigung solcher
Behauptungen ab, wenn nicht die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO
vorliegen (OLG Oldenburg, NJW 2002, 3556; OLG Celle, OLGR 2003, 303, 307).
Nach einer vermittelnden Auffassung soll unstreitiges neues Vorbringen jedenfalls
dann zuzulassen sein, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts andernfalls
evident unrichtig wäre (OLG Hamm, NJW 2003, 2325). Der Bundesgerichtshof hat
sich zu dieser Frage, soweit ersichtlich, noch nicht abschließend geäußert. Er hat
allerdings in dem Beschluss vom 22.01.2004 (NJW 2004, 1458 ff) darauf
hingewiesen, dass es jedenfalls im Revisionsverfahren nicht zu überprüfen sei, ob
das Berufungsgericht bei der Zulassung neuen Tatsachenvortrags die
Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO beachtet hat. Mit dieser Begründung hat
es einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde
zurückgewiesen.
Die aufgezeigte Problematik ist Folge der Umgestaltung des Berufungsverfahrens
durch das zum 01.01.2002 in Kraft getretene Zivilprozessreformgesetz. Dem
zuvor geltenden Recht war sie in dieser Form nicht bekannt, weil die Mehrzahl der
damals maßgebenden Präklusionsvorschriften, insbesondere §§ 528 Abs. 1, 2; 527
ZPO a.F., eine Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreites zur Voraussetzung
machten, die bei unstreitigem Vorbringen nicht eintreten konnte (vgl. z.B.
Musielak, ZPO, 2. Aufl., § 296 Rz. 5). Das reformierte Verfahrensrecht schließt
hingegen durch § 531 Abs. 2 ZPO neuen Tatsachenvortrag weitgehend aus, ohne
für diese Präklusion eine Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreites
vorauszusetzen. Allerdings galt mit § 528 Abs. 3 ZPO a.F. auch im früheren
Berufungsrecht eine Präklusionsbestimmung, die auf das Erfordernis einer
Verzögerung verzichtete und für die gleichwohl anerkannt war, dass in der
Berufungsinstanz unstreitig gewordener Tatsachenvortrag Berücksichtigung finden
musste (vgl. nur BGHZ 76, 133, 141). Diese Überlegungen lassen sich auch für
eine sachgerechte Anwendung des § 531 Abs. 2 ZPO heranziehen. Zwar ist jetzt
die Verfahrensbeschleunigung nicht mehr unmittelbares Ziel der
Präklusionsregeln, es soll aber unverändert eine ökonomische
Verfahrensgestaltung erreicht und der zu diesem Zweck neu definierten
Berufungsfunktion Rechnung getragen werden. Das Berufungsgericht soll das
erstinstanzliche Urteil primär mit dem Ziel der Fehlerkontrolle und
Fehlerbeseitigung überprüfen; das Berufungsverfahren ist damit keine vollwertige
Tatsacheninstanz (vgl. BGH, NJW 2003, 2531 f). Die damit verbundene Stärkung
der ersten Instanz bedeutet aber nicht, dass eine Berücksichtigung neuen
Vorbringens deshalb zu einer Verfälschung des Prozessstoffes führt, weil die in der
Eingangsinstanz geschaffene Tatsachengrundlage auch für alle Rechtsmittelzüge
festgeschrieben werden sollte. In der Berufung findet eben nicht nur eine
Rechtskontrolle unter Ausschluss neuen Tatsachenvortrages statt. Wenn aber bei
neuem Vortrag in der Berufungsinstanz eine Beweisaufnahme nicht notwendig ist,
kommt es zu keinem über die bloße Rechtsanwendung hinausgehenden Aufwand
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kommt es zu keinem über die bloße Rechtsanwendung hinausgehenden Aufwand
des Berufungsgerichts. Damit wird das durch die Zivilprozessreform zum Ausdruck
gebrachte Interesse einer möglichst schonenden Inanspruchnahme der Ressource
Recht und der damit verbundenen Zielsetzung, den Tatsachenvortrag
grundsätzlich in der ersten Instanz zu konzentrieren, nicht tangiert. Trotz aller
wünschenswerter Verfahrensökonomie darf das vorrangige Ziel eines
Zivilprozesses, nämlich die Schaffung materieller Gerechtigkeit, nicht in den
Hintergrund treten. Dieser Gesichtspunkt gebietet es vielmehr, neues,
entscheidungserhebliches und zugleich unstreitiges Vorbringen nicht mit der
Begründung zurückzuweisen, dass dies bereits erstinstanzlich hätte geltend
gemacht werden können.
Das Vorbringen des Klägers betreffend das Schreiben der Beklagten vom
28.11.2002 ist unstreitig, denn die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dieses
Schreiben verfasst und an den Kläger übersandt zu haben. Allein der „Streit“ um
die rechtliche Bewertung rechtfertigt keine Zurückweisung des Vorbringens.
Schon vor diesem rechtlichen Hintergrund ist mithin der Rückzahlungsanspruch
des Klägers begründet, so dass es auf die Frage, ob die Parteien der
Darlehensverträge entgegen dem Wortlaut der schriftlichen Vereinbarungen eine
Rückzahlung unter einer aufschiebenden Bedingung vereinbaren wollten bzw. sich
darüber einig waren, dass Rückzahlung in jedem Fall erst nach rechtskräftigem
Abschluss des anderweitigen Verfahrens erfolgen sollte, nicht ankommt. Bei dieser
Sachlage bestand auch kein Grund, erneut in die mündliche Verhandlung
einzutreten, da es für die Entscheidung des Rechtsstreites einer Würdigung der
erstinstanzlich erhobenen Beweise bzw. einer Wiederholung der Beweisaufnahme
nicht bedurfte.
Der Berufung des Klägers war allerdings nicht in vollem Umfang Erfolg beschieden;
Zinsen kann der Kläger nämlich erst ab dem 01.01.2004 verlangen, da der
Rückzahlungsanspruch erst ab diesem Tag fällig geworden ist. Der Kläger muss
sich die Vereinbarung vom 15.08.2002 gemäß § 407 Abs. 1 BGB entgegenhalten
lassen. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut erfasst diese Vorschrift auch
Vereinbarungen des bisherigen Gläubigers mit dem Schuldner, die sich auf den
abgetretenen Teil der Forderung beziehen. Etwas anderes gilt nur, wenn der
Schuldner im Zeitpunkt der Vereinbarung Kenntnis von der Abtretung hatte, was
vom Zessionar darzulegen und zu beweisen ist. Vorliegend hat der Kläger eine
entsprechende Kenntnis der Beklagten vor dem 19.11.2002 schon nicht
ausreichend dargelegt. Seine bloße Behauptung, die Beklagte habe Kenntnis
erlangt, geht ersichtlich ins Blaue hinein. Es fehlt insoweit jeglicher tatsächlicher
Anknüpfungspunkt, so dass die Vernehmung der diesbezüglich benannten Zeugen
auf eine reine Ausforschung hinausliefe. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers
ist in der mündlichen Verhandlung vom 04.11.2004 auf diesen Gesichtspunkt
hingewiesen worden; er hat weder dort Ergänzendes vorgetragen noch insoweit
um Gelegenheit zu einer weitergehenden Stellungnahme gebeten.
Nach alldem war das landgerichtliche Urteil wie aus dem Tenor ersichtlich mit der
auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO beruhenden Kostenentscheidung abzuändern; der
Beklagten waren danach die gesamten Kosten des Rechtsstreites aufzuerlegen,
da die Zuvielforderung des Klägers bezüglich der Zinsen geringfügig war und keine
besonderen Kosten ausgelöst hat.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,
711, ZPO.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder
grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts
erfordert (§§ 543 Abs.1 Ziffer 1, Abs. 2 Ziffer 1, 2 ZPO n.F.; 26 Ziffer 7 EGZPO);
dies gilt auch im Hinblick auf die Reichweite des § 531 Abs. 2 ZPO, da der
Bundesgerichtshof insoweit bereits entschieden hat, dass die Zulassung neuen
Vorbringens über die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO hinaus im
Revisionsverfahren nicht zu überprüfen ist (vgl. BGH, NJW 2004, 1458 ff).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.