Urteil des OLG Frankfurt vom 10.01.2003
OLG Frankfurt: vergleich, reisekosten, anwaltskosten, gebühr, zivilprozessrecht, verwaltungsrecht, immaterialgüterrecht, quelle, quote, dokumentation
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Gericht:
OLG Frankfurt 25.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
25 W 90/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 133 BGB, § 157 BGB, § 91
Abs 2 S 2 ZPO, § 114 ZPO, §§
114ff ZPO
(Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren: Anfall einer
anwaltlichen Erörterungsgebühr; Auslegung einer
Kostenteilungsvereinbarung im Vergleich)
Leitsatz
Zur Frage, wann dem Anwalt des Gegners der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden
Partei eine Erörterungsgebühr nach § 31 I Nr. 4 BRAGO zu erstatten ist.
1. Eine anwaltliche Erörterungsgebühr kann auch im
Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren entstehen, wenn eine inhaltliche Erörterung der
Sach- und Rechtslage erfolgt.
2. Grundsätzlich sind zwar nach § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO dem Gegner des (um
Prozesskostenhilfe ersuchenden) Antragstellers entstandene Anwaltskosten nicht zu
erstatten. Dieser Grundsatz gilt allerdings dann nicht, wenn die Parteien eine
anderslautende Kostenvereinbarung getroffen haben und so
Kostenerstattungsansprüche schaffen. So liegt der Fall hier, da die Parteien sich in
einem Vergleich darauf verständigt haben, dass die Kosten des Rechtsstreites
quotenmäßig differenziert auf den Kläger und den Beklagten verteilt werden. Diese
Vereinbarung ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Parteien entsprechend
§§ 133, 157 BGB dahin auszudeuten, dass die Parteien alle die Kosten, die sie selbst
ihren Anwälten schulden, in die Kostenausgleichsrechnung einstellen dürfen.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Kostenfestsetzungsbeschluß der
Rechtspflegerin beim Landgericht Kassel vom 5.September 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung (auch über die Kosten des
Beschwerdeverfahrens) unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Senates
an die Rechtspflegerin bei dem Landgericht Kassel zurückverwiesen.
Gründe
Die Erinnerung der Kläger ist als sofortige Beschwerde statthaft (§§ 104 Abs. 3
Satz 1, 567 Abs. 1 ZPO), fristgerecht eingelegt und auch im übrigen zulässig (§§
567 Abs. 3, 569 ZPO).
Die sofortige Beschwerde ist auch in der Sache selbst begründet.
Zu Recht wenden sich die Kläger gegen die Nichtberücksichtigung der
Erörterungsgebühr, welche die Anwälte der Kläger in Höhe von 1.644,50 DM
zuzüglich Mehrwertsteuer im Rahmen der Kostenausgleichung geltend gemacht
haben. Allerdings fand die –äußerst umfangreiche- Erörterung der Sach- und
Rechtslage, die im Termin vom 23.6.2000 den im Termin am 1.9.2000
protokollierten Vergleich vorausging, durchgehend im Prozeßkostenhilfe-
Prüfungsverfahren statt, wie im Protokoll des Termins vom 23.6.2000 immer
wieder hervorgehoben worden ist (Bl. 261, 264, 265, 266 d.A.). Auch wurde der
nach dem 23.6.2000 außergerichtlich verabredete Vergleich der Parteien im
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nach dem 23.6.2000 außergerichtlich verabredete Vergleich der Parteien im
Termin vom 1.9.2000, wo der Beklagten rückwirkend ab 8.6.2000
Prozeßkostenhilfe gewährt wurde (Bl.285 d.A.), ohne weitere Erörterung
protokolliert.
Gleichwohl steht den Anwälten der Kläger für ihre Beteiligung an der Erörterung der
Sache jedenfalls gegenüber den Klägern selbst keine Erörterungsgebühr nach § 31
Abs. 1 Nr.4 BRAGO zu; fand nämlich eine inhaltliche Erörterung der Sach- und
Rechtslage statt, so entsteht diese Gebühr auch im Rahmen eines Verfahrens zur
Prüfung des Prozeßkostenhilfeantrages des Gegners (vgl. Hartmann,
Kostengesetze, 26.Aufl., Rdn.248 zu § 31 BRAGO). Diese Gebühr ist vorliegend
auch im Rahmen der Kostenausgleichung gemäß der Quote der
Kostengrundentscheidung seitens des Gegners der Partei zu erstatten und daher
im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens zu berücksichtigen.
Grundsätzlich sind allerdings nach § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO dem Gegner des
Antragstellers auf Prozeßkostenhilfe entstandene Anwaltskosten nicht zu
erstatten. Dieser Grundsatz gilt allerdings dann nicht, wenn die Parteien eine
anders lautende Kostenvereinbarung getroffen haben und so
Kostenerstattungsansprüche schaffen (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 23.Aufl., Rdn. 29
zu § 118 ZPO). So liegt der Fall hier. Die Parteien haben sich im Vergleich vom
1.September 2000 darauf verständigt, daß die Kosten des Rechtsstreites in beiden
Instanzen und des Vergleichs Quotenmäßig differenziert auf die Kläger und die
Beklagte verteilt werden. Diese Vereinbarung ist hinsichtlich der außergerichtlichen
Kosten der Parteien entsprechende §§ 133, 157 BGB dahin auszudeuten, daß die
Parteien alle die Kosten, die sie selbst ihren Anwälten schulden, in die
Kostenausgleichs-Rechnung einstellen dürfen, mithin durchgehend wegen keiner
Position der ihnen persönlich zur Last fallenden Prozeßkosten von der
Kostenausgleichung ausgeschlossen sind. Also ist die Erörterungsgebühr
vorliegend im Rahmen der Kostenausgleichung zu berücksichtigen.
Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, daß die hierzu entscheidende Frage
der Erstattbarkeit der Erörterungsgebühr des Anwaltes des Gegners der am
Prozeßkostenhilfe nachsuchenden Partei nicht mit der umstrittenen Frage zu
verwechseln ist, ob der Anwalt der um PKH bittenden Partei nach Gewährung der
Prozeßkostenhilfe die 5/10-Erörterungsgebühr nach §§ 31 Abs. 1 Nr. , 51 Abs. 1
BRAGO geltend machen kann, wenn die zu einem Vergleich führende Erörterung
der Sache ausschließlich im Prozeßkostenhilfeverfahren und vor der Bewilligung
der Prozeßkostenhilfe stattgefunden hat.
Die weiter von den Klägern geltend gemachten Reisekosten für ihre
Prozeßvertreter im zweiten Rechtszuge (641 DM zuzüglich Mehrwertsteuer ist =
743,56 DM) sind zwar als solche von der Rechtspflegering im Rahmen der
Kostenausgleichung zu Recht nicht berücksichtigt worden. Sie sind nämlich weder
nach dem Vergleich noch nach §§ 91 ff ZPO als Anwaltsreisekosten zu erstatten.
Sie gehören nicht zu den notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung im Sinne von §
19 ZPO. § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO bestimmt ausdrücklich, daß der obsiegenden
Partei Mehrkosten nicht zu erstatten sind, die dadurch entstehen, daß der bei dem
Prozeßgericht zugelassene Rechtsanwalt seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht
an dem Ort hat, an dem sich das Prozeßgericht oder eine auswärtige Abteilung
dieses Gerichtes befindet. Hätten die Kläger sogleich einen Anwalt am Ort des
Berufungsgerichts in A beauftragt, wären Fahrt und Abwesenheitskosten ihrer
Anwälte zu dem Termin am 23.6.und 1.9.2000 nicht entstanden. Die als
Reisekosten der Anwälte geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten sind aber
im Umfange der Kosten einer (fiktiven) Informationsreise jedes Klägers zu A1
Anwälten erstattbar. Wie sich schon aus dem außerordentlichen Umfang der auch
im zweiten Rechtszuge noch erforderlichen weiteren Sachaufklärung sowie der
notwendigen richterlichen Hinweise zur Klärung der Rechtslage ergibt – das
Protokoll über die entsprechende Anhörung der Parteien und der Anwälte durch
den Einzelrichter des Senats am 23.6.2000 sowie über seine Hinweise an die
Parteien umfaßt nicht weniger als 14 Seiten- handelte es sich bei dem Rechtsstreit
um einen tatsächlich und rechtlich schwierigen Fall. Daher wäre jedenfalls einer
Reise jedes Klägers – also von B-C bzw. D-E nach A- zur Information ihrer
zweitinstanzlichen Anwälte im Sinne einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
notwendig gewesen (wenn die Kläger, wie geboten, A1 Anwälte beauftragt hätten).
In diesem von der Rechtspflegering im einzelnen noch zu ermittelnden –Umfange
bestehen daher weitere Erstattungsansprüche der Kläger.
Da die fiktiven Reisekosten der Kläger bisher von ihnen weder im einzelnen
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Da die fiktiven Reisekosten der Kläger bisher von ihnen weder im einzelnen
beziffert noch von der Rechtspflegerin ermittelt worden sind, verweist der Senat
die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung durch die Rechtspflegerin an
diese Zurück. Dabei wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu
entscheiden sein.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.