Urteil des OLG Frankfurt vom 13.11.2002

OLG Frankfurt: kassette, vollstreckung, einfamilienhaus, tresor, entwendung, rechtsgrundlage, einbruchdiebstahl, spurensicherung, zeitwert, versicherer

1
Gericht:
OLG Frankfurt 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 66/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
VVG
(Einfamilienhausversicherung: Leistungspflicht nach
Einbruchdiebstahl trotz Vorlage einer Stehlgutliste 8 Tage
nach dem Versicherungsfall)
Leitsatz
Die Versäumung der in § 5 Nr. 1 EFH 97 statuierten Frist zur Vorlage der Stehlgutliste
innerhalb von drei Tagen führt dann nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers, wenn
dem Versicherten nicht der Vorwurf der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen
Verzögerung gemacht werden kann.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.451,68 € nebst 7,5 % Zinsen seit
dem 31. Januar 2001 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen
abgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszugs haben der Kläger ¼, die Beklagte ¾ und
von den Kosten der Berufung der Kläger 22 %, die Beklagte 78 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Jede Partei kann die Vollstreckung der Gegenpartei durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die jeweils die Vollstreckung betreibende Partei vor Beginn ihrer
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zur Vollstreckung
gebrachten Betrages leistet.
Die Beschwer des Klägers beträgt 5.792,32 €, die der Beklagten 20.451,68 €.
Gründe
I.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, wegen deren
Einzelheiten auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird (§
540 ZPO n.F.), drangen am 29. Mai 2000 unbekannte Täter gegen 19.00 Uhr durch
die aufgehebelte Schiebetür in den Wintergarten und von dort durch das
eingeschlagene Wohnzimmerfenster in das Reihenhaus des Klägers ein, für das
mit Wirkung 1. April 1998 eine Verbundene Einfamilienhaus-Versicherung besteht,
der die Allgemeinen Bedingungen für die Verbundene Einfamilienhaus-
Versicherung (EFH 97) zugrunde liegen. Aufgrund des Ergebnisses der
Beweisaufnahme sah es das Landgericht als erwiesen an, dass die Täter nicht nur
den im Schlafzimmer befindlichen Tresor bis in den Garten schleiften, sondern
auch aus einem aufgehebelten Schrank im Schlafzimmer eine Stahlkassette
entwendeten, in der sich Schmuckstücke im Zeitwert von 26.219,00 € befanden.
Hinsichtlich der von der Beklagten geltend gemachten Leistungsfreiheit wegen
Obliegenheitsverletzung stellt das Landgericht fest, dass die Stehlgutliste zwar
2
3
Obliegenheitsverletzung stellt das Landgericht fest, dass die Stehlgutliste zwar
entgegen § 5 Nr. 1.3 und Nr. 1.5 EFH 97 nicht innerhalb von drei Tagen, sondern
erst nach 8 Tagen vorgelegen habe, doch habe der für die Beklagte zunächst
tätige Schadensregulierer K. zur Erstellung der Stehlgutliste aufgefordert, ohne auf
die Drei-Tages-Frist hingewiesen zu haben. Eine Entschädigungsgrenze auf
40.000,00 DM sei nicht vereinbart worden, da ausweislich des
Versicherungsscheins die Wertgrenze ausdrücklich auf 80.000,00 DM angehoben
worden sei.
Das Landgericht hat der mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2001 erhöhten Klage
nach Lage der Akten am 8. März 2002 in Höhe von 26.244,00 € nebst Zinsen
unter Abweisung im übrigen stattgegeben. Gegen das ihr am 2. April 2002
zugestellte Urteil richtet sich die am 22. April 2002 eingelegte und mit dem am
Montag, dem 3. Juni 2002 eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung der
Beklagten, mit der sie am Bestreiten der Schmuckentwendung festhält und
Rechtsfehler dahin rügt, dass es insoweit am äußeren Bild des Diebstahls
mangele. Weder die ermittelnden Polizeibeamten noch der mit der
Spurensicherung befasste KTA T. hätten Aufbruchspuren an dem besagten
Schrank entdeckt, auch sei nicht plausibel, weshalb der wertvolle Schmuck in der
verhältnismäßig leicht zu erbeutenden Kassette und nicht in dem im gleichen
Raum befindlichen und wesentlich sichereren Tresor aufbewahrt worden sei. Zur
Obliegenheitsverletzung habe das Landgericht verkannt, dass der Versicherer
bezüglich der Frist zur Vorlage der Stehlgutliste keine Belehrungspflicht habe und
zur Höhe habe das Landgericht die vereinbarte Entschädigungsgrenze gemäß § 41
Nr. 2.3 EFH 97 nicht beachtet und schließlich übersehen, dass der Klageerhöhung
§ 12 Abs. 3 VVG entgegenstehe und es für eine Aufwandspauschale keine
Rechtsgrundlage gebe, so dass unter teilweiser Abänderung des angefochtenen
Urteils die Klage vollends abzuweisen sei. Der Kläger verteidigt die angefochten
Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens
und trägt erläuternd vor, der Schmuck sei anlässlich der Feier des Hochzeitstages
getragen und in die Kassette gelegt worden, um ihn am 1. Juni 2000 zurück ins
Bankschließfach zu bringen. Die Ermittlungsakte der StA Hanau - Az.: 211 UJs 605-
0/00 - war zu Informationszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete Berufung der
Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg, denn die Feststellung im
angefochtenen Urteil, dass unbekannte Täter die Stahlkassette samt Schmuck im
Werte von 26.219,00 € aus dem Schrank im Schlafzimmer entwendet habe, ist frei
von Rechtsfehlern (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO n.F.), konkrete Anhaltspunkte, die
Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Feststellung begründen
könnten, sind nicht gegeben (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F.). Entgegen der
Auffassung der Beklagten hat das Landgericht das an die Feststellung des
äußeren Bildes zu stellende Beweismaß nicht verkannt. Zum einen bestreitet die
Beklagte nicht, dass unbekannte Täter unter Hinterlassung entsprechender
Einbruchsspuren an der Schiebetür zum Wintergarten und am Wohnzimmerfenster
in das Einfamilienhaus eingedrungen sind, zum anderen hat die als Zeugin
vernommene Ehefrau des Klägers glaubhaft bestätigt, dass sich beim Verlassen
der Wohnung die Stahlkassette mit den von ihr hineingelegten Schmuckstücken in
dem im Schlafzimmer stehenden und verschlossenen Schrank befand und nach
ihrer Rückkehr aus dem nun offen stehenden Schrank verschwunden war. Der
Versuch der Beklagten, dieses somit bewiesene äußere Bild eines
Einbruchdiebstahls im Sinne des § 29 Nr. 1 Ziff. 1.1 EFH 97 mit dem Hinweis zu
erschüttern, an den Schranktüren seien keine Aufbruchspuren festgestellt worden,
geht fehl, denn sowohl der Schadensregulierer der Beklagten K. als auch die
Ehefrau des Klägers haben bei ihrer Vernehmung bestätigt, dass an dem Schrank
eine Leiste lose (Bl. 84 d.A.) und teilweise abgebrochen war (Bl. 85 d.A.), was auf
ein gewaltsames Öffnen des Schrankes hindeutet. Dass hierbei zwangsläufig
weitere Beschädigungen hätten auftreten müssen, ist weder ersichtlich noch
dargetan. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann gegen die Glaubhaftigkeit der
Aussage der Zeugin R. nicht angeführt werden, dass der Kläger dem Zeugen Ro.
gegenüber anlässlich des von diesem geschilderten Telefonats gegen 21.30 Uhr
die Entwendung der Kassette nicht erwähnt hat, denn es steht - worauf schon das
Landgericht zu Recht hingewiesen hat - nicht fest, dass zu diesem Zeitpunkt die
Entwendung der Kassette bereits entdeckt worden war. Auch der Umstand, dass
die Zeugin R. bei ihrer Vernehmung nicht dargelegt hat, warum sie ihren Schmuck
in die Kassette und nicht in den Tresor gelegt hat, vermag ihre Aussage nicht in
Zweifel zu ziehen, denn es ist nicht ersichtlich, dass sie danach gefragt worden
4
Zweifel zu ziehen, denn es ist nicht ersichtlich, dass sie danach gefragt worden
wäre. Die Beklagte ist auch nicht wegen vorsätzlich oder grob fahrlässig
verzögerter Einreichung der Stehlgutliste durch den Kläger leistungsfrei. Zwar sieht
§ 5 Nr. 1 EFH 97 die Vorlage der Stehlgutliste innerhalb von drei Tagen vor, um
zum einen der Polizei eine gezielte und erfolgversprechende
Fahndungsmöglichkeit nach den entwendeten Gegenständen zu eröffnen und zum
anderen den eingetretenen Schaden frühzeitig festzulegen, um die Hemmschwelle
für vorgetäuschte oder nachträglich aufgebauschte Schäden zu erhöhen (vgl. OLG
Köln in r + s 200, 339), doch kann von einer vorsätzlichen Überschreitung dieser
Frist nicht ausgegangen werden, weil auch der Hinweis auf die Geltung der EFH 97
nichts darüber besagt, ob der Kläger diese auf 13 Seiten klein gedruckten
Bedingungen auch im einzelnen gelesen hat oder sie ihm sonst bekannt geworden
waren (vgl. OLG Hamm in OLG-Report 1994, 198). Der Kläger ließ auch nicht die
gebotene Sorgfalt in einer das gewöhnliche Maß einfacher Fahrlässigkeit erheblich
übersteigenden Weise außer Acht, als er bei der am 31. Mai 2000 (einem
Mittwoch) an ihn gerichteten Aufforderung des Regulierungsbeauftragten K. alsbald
eine Stehlgutliste zu fertigen, davon ausging, in Ansehung des bevorstehenden
Feiertages (1. Juni) und des am 3. und 4. Juni bevorstehenden Wochenendes sich
damit Zeit bis zum Wochenanfang lassen zu können, zumal der Zeuge K. ihn nicht
auf die mit drei Tagen sehr kurz bemessenen Frist des § 5 EFH 97 aufmerksam
gemacht hatte. Da der entwendete Schmuck außerhalb eines verschlossenen
mehrwandigen Stahlschrankes mit einem Mindestgewicht von 200 kg bzw.
außerhalb eines eingemauerten Stahlwandschrankes mit einer mehrwandigen Tür
aufbewahrt wurde, sondern in einer verschlossenen Stahlkassette ohne
zusätzliche Sicherheitsmerkmale, greift die in Abs. 2 Nr. 2.3 des im
Versicherungsschein ausdrücklich in Bezug genommenen § 41 EFH 97 vereinbarte
Entschädigungsgrenze für Schmucksachen, Perlen und Edelsteine gemäß § 41
Abs. 1 Ziff. 1.3 EFH 97 auf 40.000,00 DM, so dass wie erkannt mit den
Nebenfolgen aus §§ 92 Abs. 1, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO zu entscheiden war, für die
vom Landgericht zugesprochene Aufwandspauschale fehlt es in der
Schadenversicherung an einer entsprechenden Rechtsgrundlage.
Die Festsetzung der Beschwer erfolgte im Hinblick auf § 26 Nr. 8 EGZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.