Urteil des OLG Frankfurt vom 08.01.2001

OLG Frankfurt: ausbildung, führung der vormundschaft, vergütung, lehrer, fachhochschule, krankenpfleger, weiterbildung, mittellosigkeit, geschäftsführung, psychologie

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 205/2000, 20
W 205/00
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 S 2 Nr 1 BVormVG, §
1 Abs 1 S 2 Nr 2 BVormVG
(Berufsbetreuervergütung aus der Staatskasse:
Stundensatzerhöhung infolge besonderer Fachkenntnisse
des Betreuers)
Leitsatz
Die Ausbildung eines Berufsbetreuers zum Krankenpfleger und zum Lehrer für
Pflegeberufe ist nach § 1 Abs. 1 BVormVG einer abgeschlossenen Hochschulausbildung
nicht vergleichbar.
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 142,39 DM.
Gründe
Mit Beschluss vom 04. November 1999 setzte das Amtsgericht die Vergütung des
Betreuers für die Zeit vom 08. Oktober 1999 bis 31. Oktober 1999 auf der
Grundlage eines Stundensatzes von 60,-- DM zuzüglich Auslagen und
Mehrwertsteuer auf 626,45 DM fest, die wegen Mittellosigkeit der Betreuten aus
der Staatskasse zu erstatten sind. Auf die hiergegen gerichtete sofortige
Beschwerde der Beteiligten zu 2) änderte das Landgericht die
Vergütungsfestsetzung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 45,-- DM
zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer auf 484,06 DM ab und wies den
weitergehenden Festsetzungsantrag zurück.
Die hiergegen gerichtete sofortige weitere Beschwerde des Betreuers ist kraft
Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG
statthaft. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 56 g Abs. 5, 22 Abs. 1, 29
Abs. 1 und 2 FGG). Das somit zulässige Rechtsmittel, mit dem der Betreuer die
Vergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 60,-- DM zuzüglich
Mehrwertsteuer erstrebt, ist in der Sache jedoch nicht begründet, da die
Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§§
27 FGG, 550 ZPO).
Die bei Mittellosigkeit des Betreuten aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung
des Berufsbetreuers bemisst sich gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 und
Abs. 2, 1836 a BGB nach § 1 BVormVG.
Nach § 1 Abs. 1 BVormVG ist für jede Stunde der für die Führung der Betreuung
aufgewandten und erforderlichen Zeit ein der Qualifikation des Betreuers
entsprechender vom Gesetzgeber in einer typisierten dreistufigen Skala
verbindlich festgelegter Betrag zuzüglich Mehrwertsteuer vorgesehen. Der
Mindestsatz beträgt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG 35,-- DM. Verfügt der
Vormund über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Vormundschaft
nutzbar sind, so erhöht sich die Vergütung auf 45-- DM, wenn diese Kenntnisse
durch eine abgeschlossene Lehre erworben sind, und auf 60,-- DM, wenn diese
Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule erworben
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Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule erworben
sind. Um ein zu grobes Raster zu vermeiden (vgl. hierzu Barth-Wagenitz BtPrax
1996, 118/120) hat der Gesetzgeber jeweils abgeschlossene Ausbildungen, die
diesen beiden Qualifikationen vergleichbar sind, gleichgestellt, § 1 Abs. 1 Satz 2
Nr. 1 und 2 BVormVG.
Besondere, für die Führung einer Betreuung nutzbare Fachkenntnisse sind solche,
die bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet über ein Grundwissen deutlich
hinausgehen und geeignet sind, die Geschäftsführung des Betreuers zu erleichtern
(vgl. BT-Drucks. 13/1758 S. 14; Palandt/Diederichsen, BGB, 60. Aufl., § 1836 Rn.
14; BayObLG BtPrax 2000, 81). Angesichts der gesetzlichen Betonung der
rechtlichen Betreuung (§ 1901 Abs. 1 BGB) kommt rechtlichen Kenntnissen hierbei
eine besonders grundlegende Bedeutung zu. Betreuungsrelevant sind im
allgemeinen ferner Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit,
Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft, wobei die Ausbildung in ihrem
Kernbereich auf die Vermittlung derartiger Kenntnisse ausgerichtet sein sollte (vgl.
BayObLG a.a.O. und BtPrax, 124/125).
Durch eine einer abgeschlossenen Hochschulausbildung vergleichbare
abgeschlossene Ausbildung erworben sind Fachkenntnisse, wenn sie im Rahmen
der Ausbildung vermittelt wurden und diese Ausbildung in ihrer Wertigkeit einer
Hochschulausbildung entspricht sowie einen formalen Abschluss. aufweist (vgl.
BayObLG BtPrax 2000, 32 = JurBüro 2000, 93 = BayObLGZ 1999 Nr. 60;
Barth/Wagenitz, a.a.O.). Einer Hochschulausbildung gleichwertig ist eine
Ausbildung, wenn sie staatlich reglementiert oder zumindest staatlich anerkannt
ist und der durch sie vermittelte Wissensstand nach Art und Umfang dem eines
Hochschulstudiums entspricht (vgl. BayObLG a.a.O. und EzFamR 2000, 104; OLG
Braunschweig BtPrax 2000,130).
Ob ein Berufsbetreuer die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG
erfüllt, obliegt der Beurteilung des Tatrichters und kann vom
Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden (§ 27 Abs. 1 Satz
1 FGG), die nur vorliegen, wenn der Tatrichter einen unbestimmten Rechtsbegriff
verkannt, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen
Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen,
gegen Denkgesetze verstoßen oder allgemein bekannte Erfahrungssätze nicht
beachtet hat (vgl. BayObLG BtPrax 2000, 81/82 und 124/125). Derartige
Rechtsfehler lässt die Entscheidung des Landgerichts hier nicht erkennen.
Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Betreuer
durch die von ihm absolvierte Ausbildung zum Krankenpfleger und die
Weiterbildung zum Lehrer für Pflegeberufe Fachkenntnisse erworben hat, die für
die Führung von Betreuungen allgemein nutzbar sind.
Rechtsfehlerfrei ist des weiteren die mit der Rechtsbeschwerde angegriffene
Würdigung des Landgerichts, wonach der mit einem Leistungsnachweis
abgeschlossene Lehrgang bei dem Berufsfortbildungswerk des DGB, welcher zu
der staatlichen Erlaubnis zur Führung der Weiterbildungsbezeichnung "Lehrer für
Pflegeberufe" führte, im Zusammenhang mit der vorausgegangenen Ausbildung
zum Krankenpfleger zwar einer abgeschlossenen Lehre im Sinne des § 1 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 BVormVG, nicht jedoch einer abgeschlossenen Hochschulausbildung
im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG als vergleichbar anerkannt werden
kann. Insbesondere hat das Landgericht insoweit die von dem Betreuer
behauptete Gleichwertigkeit seiner Weiterbildung mit der Ausbildung an einer
Fachhochschule rechtsfehlerfrei verneint und dabei entgegen der Einschätzung
des Betreuers nicht nur auf die Stundenzahl einer Fachhochschulausbildung
einerseits und des absolvierten Lehrganges andererseits abgestellt, sondern
sachgerecht berücksichtigt, dass die in der Regel dreijährige Ausbildung an einer
Fachhochschule wissenschaftlich ausgerichtet ist und entscheidend durch die an
wissenschaftlichen Maßstäben geprägte Auswahl der Fachhochschuldozenten
geprägt wird. Die Schlussfolgerung des Landgerichts, dass während des fast
doppelt so lange dauernden Studiums an einer Fachhochschule der
Unterrichtsstoff wesentlich tiefgreifender und grundlegender sowie mit
wissenschaftlicher Fundierung vermittelt wird, ist nachvollziehbar und rechtlich
nicht zu beanstanden. Sie kann von dem Beteiligten zu 1) insbesondere nicht
durch den bloßen Hinweis auf die etwa gleiche Stundenzahl seines Lehrganges und
einer Fachhochschulausbildung ausgeräumt werden. Gleiches gilt auch für seinen
Hinweis, dass für die Einstellung eines Lehrers für Pflegeberufe sowohl
Fachhochschulabsolventen als auch Teilnehmer seines Lehrganges in Betracht
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Fachhochschulabsolventen als auch Teilnehmer seines Lehrganges in Betracht
kämen und bei der Bezahlung insoweit nicht differenziert werde.
Durchaus zutreffend hat die Beteiligte zu 2) in diesem Zusammenhang darauf
hingewiesen, dass auch der Erwerb einer Ausbildungsberechtigung im Handwerk
als Meister eine mehrjährige Weiterbildungsmaßnahme nach erfolgreichem
Abschluss der Lehre erfordert, ohne deshalb bereits mit einer
Fachhochschulausbildung gleichgesetzt werden zu können. So hat auch der Senat
bereits die Ausbildung zu einer staatlich anerkannten Erzieherin eine
Hochschulausbildung nicht als vergleichbar eingestuft (vgl. Senatsbeschluss vom
31. Mai 2000 - 20 W 5/2000). Ebenso hat das BayObLG (BtPrax 2000, 33 = JurBüro
2000, 92 = BayObLGZ 1999 Nr. 63) die Ausbildungsberechtigung für
Bankkaufleute gemäß § 76 Abs. 3 Berufsbildungsgesetz lediglich einer
abgeschlossenen Lehre, nicht jedoch einer Hochschulausbildung gleichgesetzt.
Somit kann der Betreuer seine Vergütung nur auf der Grundlage des
Stundensatzes von 45,-- DM gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BVormVG
beanspruchen, so dass die sofortige weitere Beschwerde zurückzuweisen war.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO
und ergibt sich aus der Differenz zwischen der vom Landgericht zugesprochenen
und der vom Betreuer begehrten Vergütung.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.