Urteil des OLG Frankfurt vom 14.07.2006

OLG Frankfurt: firma, umbau, feststellungsklage, hinweispflicht, abnahme, mieter, fernwärme, wirtschaftlichkeit, form, pastor

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Gericht:
OLG Frankfurt 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 U 2/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 633 BGB, § 635 BGB, § 73
AIHonO
(Ingenieurhaftung wegen eines Planungsfehlers bei
bindenden Vorgaben des Auftraggebers; Hinweispflicht
des Sonderfachmanns)
Leitsatz
1. Zur Ingenieurhaftung wegen eines Planungsfehlers bei bindenden Vorgaben des
Auftraggebers
2. Zur Hinweispflicht des Sonderfachmanns
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des
Landgerichts Darmstadt vom 22. November 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckbaren Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter Planungs- und
Bauleitungsfehler auf Schadensersatz, sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für
zukünftige Schäden in Anspruch.
Die Klägerin errichtete Ende der 90er Jahre in O1 in unmittelbarer Nachbarschaft
der A und teilweise auf deren Grundstück einen Gebäudekomplex zum Betrieb
eines C-Filmtheaters.
Zu diesem Zweck schloss die Klägerin am 6. November 1997 mit dem Betreiber
des Kinos, der M Filmtheater GmbH & Co. KG, einen Mietvertrag. Grundlage des
Mietvertrages war die diesem beigefügte so genannte „Mieterbaubeschreibung“.
In den allgemeinen Vorbemerkungen (Punkt 1.1) war bestimmt, dass alle
Lichtspielhäuser der M-Gruppe bei der technischen Ausstattung der heizungs-,
lüftungs- und sanitärtechnischen Anlagen mit dem gleichen System ausgerüstet
werden sollten. Die Baubeschreibung sollte als „Leitfaden“ dienen, von dem
abgewichen werden konnte, wenn es „zweckmäßig“ war. Es folgten sodann
Regelungen zu den einzelnen technischen Anlagen (Punkt 2). Zur
„Lüftungstechnik“ wurde eine zentrale Klimaanlage vorgesehen (Punkt 2.1). Die
„Kältetechnik“ sah eine „Kälteerzeugung mit Rückkühlung“ in Form einer
„Absorptionskälteanlage“ vor (Punkt 2.3.1). Für den Fall, dass eine
Absorptionsanlage nicht einsetzbar war, bestimmte die Baubeschreibung, dass
„aus Gründen der Wirtschaftlichkeit… ein Kaltwassersatz mit dem Kältemittel
Ammoniak… zu installieren“ sei.
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Mit der „Planung der haustechnischen Gewerke Klima, Lüftung, Heizung und
Sanitär“ sollte die beklagte Ingenieurgesellschaft betraut werden. Diese gab am
16. Dezember 1997 ein Angebot ab, dem eine Honorarsummenermittlung nach
den Regeln der HOAI beigefügt war; die Grundlagenermittlung (Phase 1) war
ausgenommen.
Nachdem die Beklagte am 6. August 1998 aus Anlass eines in den Räumen der
Klägerin stattgefundenen Koordinationsgesprächs ihr Lüftungs- und Klimakonzept
vorgestellt hatte, erteilte ihr die Klägerin am 13. August 1998 den Auftrag zur
ingenieurtechnischen Planung gemäß dem vorgelegten Angebot; die zwischen der
Klägerin und der Mieterin vereinbarte „Mieterbaubeschreibung“ sollte für die
Bauausführung bestimmend sein. Zum Abschluss eines förmlichen
Ingenieurvertrags zwischen den Prozessparteien kam es nicht.
Die Bauarbeiten wurden mit der A abgestimmt. Von Seiten der A wurde im Beisein
der Beklagten die Idee eingebracht, den dort erzeugten Dampf als Energiequelle
für die Kühlung des Kinos zu nutzen. Die Mieterin M KG nahm die Idee auf.
Mit dem Anlagenbau wurde die Firma N & Z beauftragt. Diese legte ein
Alternativangebot mit einem so genannten Dunstturm vor. Am 6. Mai 1999 erteilte
die Klägerin der Firma N & Z einen entsprechenden geänderten Auftrag.
Am 26. Juli 1999 beauftragte die Klägerin die Beklagte zusätzlich mit der
Bauleitung aller Technikgewerke.
Am 1. November 1999/1. Februar 2000 schlossen die A und die M KG einen
Wärmelieferungsvertrag über die Abnahme von Fernwärme in Form von Dampf;
angefügt war eine Preisregelung, die eine Preisänderungsklausel enthielt.
Die M KG nahm den Kinobetrieb Anfang 2000 auf; die Klimaanlage wurde ohne
vorherige Abnahme in Betrieb genommen. Die Fertigstellungsanzeige der Firma N
& Z wurde der Klägerin erst am 11. Oktober 2000 erteilt. Die förmliche Abnahme
der „Kältetechnik“ fand in Gegenwart der Beklagten am 2. November 2000 statt.
Aus diesem Anlass wies die Firma N & Z unter Hinweis auf eine ordnungsgemäße
Wartung und Instandhaltung in den Betrieb der Anlage ein; hierzu wurde ein
Einweisungsprotokoll gefertigt. Am 24. April 2000 erteilte der Architekt der Klägerin
für die Schlussrechnung der Firma N & Z vom 6. Februar 2001 die
Zahlungsfreigabe.
Zu einem aus dem Parteivortrag nicht genau zu ersehenden Zeitpunkt kam es
später zu einem Mieterwechsel. An die Stelle der M Filmtheater GmbH & Co. KG
trat die Firma B GmbH & Co. KG in das Mietverhältnis ein. Diese rügte in der
Folgezeit, so unter anderem am 30. April 2002, einen erhöhten Energieverbrauch
und wies die Klägerin darauf hin, dass der Kinobetrieb unwirtschaftlich betrieben
werde und defizitär sei.
Am 13. Juni 2002 kam es daher zu einem Ortstermin, bei dem die haustechnische
Anlage überprüft wurde. In ihrem Protokoll stellte die Beklagte – wie bereits am 29.
März 2001 – erneut fest, dass die Kälteanlage nicht bedarfsgerecht betrieben und
Mängel nicht zeitnah beseitigt worden seien; gleichzeitig unterbreitete sie
Vorschläge zur Beseitigung der Unzulänglichkeiten.
Am 17. September 2002 erteilte die Klägerin dem Sachverständigen D den
Auftrag, zu prüfen, ob das Gesamtkonzept der technischen Ausrüstung die
Forderungen des Mietvertrages erfülle, und ob die technische Konzeption
wirtschaftlich geplant worden sei.
Unter dem 4. Juni 2003 erstattete der Sachverständige D der Klägerin ein
Privatgutachten, in dem es heißt, dass die Kältemaschine „völlig unwirtschaftlich“
betrieben werde, weil zu hohe Kosten für den Bezug des Dampfes entstünden. Der
Sachverständige sah die Verantwortlichkeit hierfür bei der Beklagten als Planerin
und der Firma N & Z. Er empfahl einen Austausch des Aggregats.
Im Juli 2003 entschloss sich die Klägerin zum Umbau der Kältetechnik durch Einbau
einer Kompressionskälteanlage. Der Umbau erfolgte im Juni 2004. Die
Umbaukosten beziffert die Klägerin mit € 204.427,58, die sie mit der vorliegenden
Klage von der Beklagten ersetzt verlangt. Wegen weiterer Planungsmängel und
anderer Mängel begehrt sie die Feststellung von deren Ersatzpflicht.
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Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe nicht das wirtschaftlich günstigste
Kältesystem geplant und sehenden Auges eine „völlig sinnlose“ Anlage
vorgesehen; zudem sei die Anlage überdimensioniert. Die Klägerin hat die Ansicht
vertreten, der Umbau der Kältetechnik sei aus Gründen der
Schadensgeringhaltung erforderlich gewesen.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und sich darauf berufen,
durch die ihr verbindlich vorgegebene „Mieterbaubeschreibung“ sei ihr auch die
Absorptionsanlage zwingend vorgegeben worden, weshalb ein Planungsfehler
ausscheide. Die im Bereich der Kältetechnik aufgetretenen Mängel beruhten auf
einer unzureichenden Wartung und fehlerhaften Bedienung der Anlage; auch sei
die Anlage durch den Mieter vor förmlicher Abnahme unzulässigerweise bereits in
Betrieb genommen worden. Gegenüber dem Gutachten des Privatgutachters D
hat die Beklagte sachliche Einwände erhoben. Außerdem hat sie die Höhe des
Schadens bestritten und hilfsweise mit Gegenansprüchen über insgesamt €
15.408,99 aufgerechnet.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Eine Pflichtverletzung der Beklagten hat das Landgericht verneint, da es an einer
fehlerhaften Planung fehle. Nach der „Mieterbaubeschreibung“ sei die
Absorptionskälteanlage zwingend vorgeschrieben gewesen, sodass wirtschaftliche
Überlegungen von der Beklagten nicht mehr anzustellen waren. Technisch
durchführbar sei die Absorptionsanlage gewesen. Des Weiteren hat das
Landgericht darauf hingewiesen, dass die erste Mieterin, die M KG, überhöhte
Betriebskosten zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht habe. Beanstandungen
habe erstmals der Mietnachfolger B erhoben. Für den Umbau der Kälteanlage sei
die Klägerin allein verantwortlich.
Hinsichtlich der Feststellungsklage hat das Landgericht das Feststellungsinteresse
verneint, da die Anlage inzwischen umgebaut worden sei und die Klägerin einen
etwaigen Schaden beziffern könne.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht
eingelegten Berufung.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe die Wirtschaftlichkeit der
Absorptionskälteanlage überprüfen müssen; der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit
begründe einen Planungsfehler.
Des Weiteren beruft sich die Klägerin darauf, die Beklagte habe ihr obliegende
Beratungs- und Aufklärungspflichten verletzt. Als Sonderfachmann habe sie die
Unwirtschaftlichkeit der Absorptionskälteanlage erkennen und die Klägerin hierauf
hinweisen müssen.
Das Feststellungsinteresse hält die Klägerin für gegeben. Sie beruft sich darauf,
eine Bezifferung des Schadens sei ohne ein weiteres Sachverständigengutachten
nicht möglich; auch habe das Landgericht die ihm obliegenden prozessualen
Hinweispflichten missachtet.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 22.11.2005 abzuändern und
1. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 204.427,58 € nebst Zinsen in Höhe
von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche
weitergehenden Schäden und Kosten zu ersetzen, die durch oder im
Zusammenhang mit der von der Beklagten für das Bauvorhaben C-Kino O1, S1,
geplanten und mangelhaft bauüberwachten klimatechnischen und
kältetechnischen Anlage (Klimatechnik, Lüftung, Heizung, Sanitär sowie Sprinkler-
Brandschutz- und Kälteanlage), deren notwendig gewordenen Austausch und noch
notwendigen Mangelbeseitigungsarbeiten entstanden sind oder noch entstehen
werden einschließlich etwaiger Folgeschäden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte macht sich die Begründung des angefochtenen landgerichtlichen
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Die Beklagte macht sich die Begründung des angefochtenen landgerichtlichen
Urteils zu Eigen; außerdem wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen
Vortrag. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass sie nach den vertraglichen
Vereinbarungen nicht verpflichtet war, wirtschaftliche Überlegungen bei der
Auswahl der Kältetechnik anzustellen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die
Berufungsbegründungsschrift der Klägerin vom 17. Februar 2006 (Bl. 271 ff. d. A.)
und auf den Schriftsatz der Klägerin vom 6. Juli 2006 (Bl. 326 ff. d. A.), sowie auf
die Berufungserwiderung der Beklagten vom 10. Mai 2006 (Bl. 309 ff. d. A.) Bezug
genommen.
II. Der Klägerin steht ein auf die §§ 634, 635 BGB a. F. gestützter
Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten nicht zu.
1. Die Planungsleistung der Beklagten leidet nicht an einem Sachmangel.
a) Eine Ingenieurleistung ist regelmäßig mangelhaft, wenn sie funktionsuntauglich
ist (vgl. BGH, NJW 2001, 1276 – für den Architekten). Ebenso kann ein Mangel
vorliegen, wenn zwar die Planung technisch funktionstauglich ist, aber die
geschuldete Optimierung der Nutzbarkeit nicht erreicht wird (BGH, BauR 1998,
354, 355 – für den Architekten); maßgebend für die Beurteilung sind die Ziele des
Bauherrn. Andererseits wird die „optimalste“ Planungslösung grundsätzlich nicht
geschuldet (OLG Karlsruhe, BauR 2001, 1933 – für den Architekten). Die Pflichten
des Ingenieurs sind weitgehend denen des Architekten vergleichbar (BGH, WM
1988, 1675, 1676).
b) Die von der Beklagten vertraglich geschuldete Leistung ergibt sich aus dem
Werkvertrag der Parteien. Das Angebot der Beklagten vom 16. Dezember 1997
und die Annahmeerklärung der Klägerin vom 13. August 1998 sind inhaltlich
dürftig. Ein förmlicher Ingenieurvertrag wurde nicht abgeschlossen.
Es ist nach dem beiderseitigen Parteivorbringen unbestritten, dass die zwischen
der Klägerin und der Mieterin M KG vereinbarte „Mieterbaubeschreibung“ auch für
das Verhältnis zur Beklagten maßgebend sein sollte.
Aus dem Angebot der Beklagten vom 16. Dezember 1997 ist zu ersehen, dass die
„Grundlagenermittlung“ von ihr nicht geschuldet werden sollte; dies ergibt sich aus
der beiliegenden Honorarsummenermittlung. Dies verweist auf § 73 HOAI. Die
Leistungsphase 1 war von der Beklagten nicht geschuldet. Der gegenteilige, nicht
näher begründete und auch nicht unter Beweis gestellte Vortrag der Klägerin in
der Berufungsbegründungsschrift steht mit den schriftlichen Erklärungen der
Parteien nicht im Einklang.
Die HOAI enthält kein normatives Leitbild für den Inhalt des Ingenieurvertrages; sie
enthält öffentliches Preisrecht (BGH, NJW 1997, 586, 587; BGH, NJW 1999, 427).
Für den Inhalt der vertraglichen Leistungspflichten ist allein der Werkvertrag nach
Maßgabe der Regeln des BGB maßgebend. Gleichwohl kann der im Vertrag
enthaltene Hinweis auf die Leistungsphasen der HOAI eine Hilfe bei der
ergebnisorientierten Auslegung des Vertragsinhalts sein.
Zur Grundlagenermittlung gehört unter anderem die Klärung der technischen
Ausrüstung, vorliegend vor allem die Frage, welche von mehreren technisch
möglichen Kälteerzeugungsanlagen ihrem System nach für das Bauvorhaben am
geeignetsten war (vgl. § 73 Abs. 3 HOAI). Genau diese Aufgabe hatte die Beklagte
vorliegend aber nicht zu lösen. Dass die Klimaanlage als Absorptionskälteanlage
betrieben werden sollte, war der Klägerin durch die „Mieterbaubeschreibung“
vorgegeben (Punkt 2.3.1). Nur bei Unmöglichkeit des Einbaus einer solchen Anlage
hätte eine andere Lösung erwogen werden müssen. Diese spezielle Vorgabe für
die Kältetechnik geht den allgemeinen Vorschriften der Baubeschreibung vor.
Die Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Mieter M KG datieren vom 6.
November 1997. Zu diesem Zeitpunkt waren vertragliche Beziehungen zwischen
den Prozessparteien noch gar nicht begründet. Die Entscheidung zur
Kälteerzeugung hatte die Klägerin bereits getroffen, ehe sie die Beklagte mit ihren
Ingenieurleistungen beauftragt hat. Dies erklärt, weshalb die Grundlagenermittlung
nicht Vertragsbestandteil war.
Die M KG betrieb in einer Vielzahl ihrer Lichtspielhäuser Kälteanlagen nach der
Absorptionstechnik. Die Technik des Systems war ihr ebenso bekannt wie die
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Absorptionstechnik. Die Technik des Systems war ihr ebenso bekannt wie die
anfallenden Kosten. Nach dem Inhalt der so genannten „Mieterbaubeschreibung“
lag es im Interesse der Mieterin, diese Kältetechnik möglichst in allen
Lichtspielhäusern zu installieren. Dies erklärt es, weshalb die Auswahl der
Kältetechnik nicht mehr Aufgabe der erst später beauftragten Beklagten war. Es
kann daher für die Entscheidung offen bleiben, ob die Beklagte ergänzend eine
Wirtschaftlichkeitsberechnung hätte anstellen müssen, die unterbliebene
Wirtschaftlichkeitsberechnung, die im Übrigen zu Lasten der Klägerin mit
erheblichen weiteren Kosten verbunden gewesen wäre, blieb auf die Auswahl der
Kältetechnik ohne Auswirkung.
Ob die Beklagte ihrerseits die Mieterin M KG bei der Erstellung der
„Mieterbaubeschreibung“ fachkundig beraten hat, ist nicht entscheidungsrelevant.
Hieraus könnten sich mögliche Ansprüche der M KG gegenüber der Beklagten
ergeben. Vertragliche Pflichten gegenüber der Klägerin wurden für die Beklagte
hierdurch nicht begründet.
Die nach den Absprachen der Klägerin mit der Mieterin M KG vermieterseits
geschuldete Absorptionskälteanlage war der Beklagten vorgegeben. Eine andere
Art der Kälteerzeugung hatte die Beklagte bei ihrer Planung nicht mehr zu
berücksichtigen. Funktionsuntauglich war die Absorptionskälteanlage nicht.
Bezeichnenderweise wurden seitens der Mieterin M KG auch keine
Mängeleinwände erhoben. Auf eine Optimierung der vorgesehenen Kältetechnik,
also die Wirtschaftlichkeit der Absorptionsanlage, musste die Beklagte nicht näher
achten. Die Ziele der Kältetechnik hatte die Klägerin als Bauherrin vorgegeben.
2. Ein Planungsfehler ist der Beklagten auch nicht deshalb vorzuwerfen, weil zum
Betrieb der Kältetechnik Dampf von der benachbarten A bezogen wurde. Die Idee
der Dampfnutzung stammte von der A. Dies räumt die Klägerin in ihrem
Schriftsatz vom 6. Juli 2006 auch selbst ein. Die Mieterin M KG hatte die Idee
aufgegriffen. Von der Beklagten wurde das Konzept der Dampfnutzung nicht
maßgeblich entwickelt, wie dies die Klägerin noch in ihrer
Berufungsbegründungsschrift behauptet hat. Aus dem Protokoll des
Koordinierungsgesprächs vom 6. August 1998 – immer noch vor der Beauftragung
der Beklagten – ist zu ersehen, dass die Dampfnutzung „untersucht“ werden
sollte, wobei dies gleichermaßen von der Beklagten und den die Klägerin
vertretenden Architekten E und F erfolgen sollte. Nach dem übereinstimmenden
erstinstanzlichen Parteivorbringen war es die Absicht der Klägerin, eine von der
Beklagten vorgesehene Wärmeerzeugungsanlage auf dem Dach des Bauobjekts
„zur Reduzierung der Investitionskosten“, also im eigenen wirtschaftlichen
Interesse, durch die Dampfnutzung zu ersetzen. Noch in der Klageschrift hatte die
Klägerin daher vorgetragen, dass die Nutzung der Fernwärme „eine Sache
zwischen Mieter [M KG] und …A betreffe; der Mieter habe die Fernwärme nutzen
wollen“.
Damit scheidet aber ein Planungsfehler der Beklagten aus, die die Dampfnutzung
weder initiiert noch später vorgeschlagen hat. Dass die Beklagte den später
abgeschlossenen Wärmelieferungsvertrag zwischen der Mieterin und der A
entwickelt hat, stellt keinen Planungsfehler ihrer Ingenieurleistung dar.
3. Hinweispflichten hat die Beklagte nicht missachtet.
a) Die Beklagte war Sonderfachmann. Einem Sonderfachmann obliegen
grundsätzlich besondere aus seinem Fachressort resultierende Hinweis- und
Aufklärungspflichten.
Selbst wenn die Art der Kältetechnik (hier: Absorptionsanlage) bauseits
vorgegeben war, musste die Beklagte im Rahmen der ihr obliegenden Vorplanung
(Leistungsphase 2 nach § 73 HOAI) auf erkennbare Schwächen einer solchen
Anlage, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, grundsätzlich hinweisen (OLG Düsseldorf,
BauR 2000, 131 – Überprüfung der vom Bauherrn vorgefertigten Planung; vgl.
auch BGH, BauR 1999, 1319, 1322 – Überschreitung der Kostenvorstellungen des
Bauherrn; BGH, BauR 2005, 400, 402 – Kostenüberschreitung; OLG Koblenz, NJW-
RR 2003, 1671 – Umbau und Verzicht des Bauherrn auf eine Statik; OLG
Düsseldorf, NZ Bau 2002, 457).
Die Hinweispflicht des Sonderfachmanns entfällt aber, wenn der Auftraggeber von
den aufzuklärenden Umständen selbst positive Kenntnis besitzt und daher in der
Lage ist, die Konsequenzen seiner Grundlagenentscheidung für die weitere
Planung und Durchführung der Ingenieurleistungen selbst zu erkennen. In einem
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Planung und Durchführung der Ingenieurleistungen selbst zu erkennen. In einem
solchen Falle bedarf er keiner fachkundigen Beratung durch den Ingenieur (vgl.
BGH, BauR 2005, 400, 403; BGH, BauR 1999, 1319, 1322; OLG Düsseldorf, NZ Bau
2002, 457; KG, BauR 2004, 551). In diesen Fällen wird ein fehlender Hinweis des
Ingenieurs nicht schadensursächlich (BGH, BauR 2005, 400, 403; OLG Stuttgart,
BauR 2000, 1893).
b) Ein solcher Ausnahmefall ist hier gegeben.
Die eigene Sachkunde kann dem Auftraggeber auch durch einen ihn beratenden
Architekten vermittelt werden (BGH, NJW-RR 2001, 520). Maßgebend sind stets die
Umstände des jeweiligen Einzelfalles.
Vorliegend war die Klägerin bereits durch ihre Organe selbst ausreichend
sachkundig. Der Geschäftsführer ihrer Komplementär GmbH G ist Diplom-
Ingenieur und Architekt. Außerdem wurde die Klägerin durch die Architekten E und
F beraten. Dass letztere auch in Fragen der Kältetechnik über eine ausreichende
Sachkunde verfügten, folgt unschwer daraus, dass sie nach dem Willen der
Klägerin - neben der Beklagten – die Nutzung der Fernwärme untersuchen sollten,
wie dies aus Anlass des Koordinationsgesprächs vom 6. August 1998
abgesprochen worden war.
Auch der Umstand, dass die Klägerin lange vor Beauftragung der Beklagten die Art
der Kälteerzeugung bereits in der „Mieterbaubeschreibung“ festgelegt hat, spricht
für ihre eigene Sachkunde.
Ebenfalls für eine eigene Sachkunde der Klägerin spricht der weitere Umstand,
dass die Errichtung des Dunstturmes von ihr selbst am 6. Mai 1999 mit der
bauausführenden Firma N und Z ohne Anwesenheit der Beklagten verhandelt
worden ist, wie dies das Protokoll vom gleichen Tage ausweist. Ob dies „in
Übereinstimmung“ mit der Beklagten geschehen ist, wie es im Protokoll heißt, was
die Beklagte bestritten und wofür die Klägerin keinen Beweis angetreten hat, kann
dahinstehen. Dieser Umstand ändert an der vorhandenen Sachkunde der Klägerin
nichts. Auch die Auftragserteilung an die Firma N & Z am 10. Mai 1999 erfolgte
seitens der Klägerin ohne Einschaltung der Beklagten.
Die maßgebende Ausgestaltung der Klimatechnik wurde zwischen der Klägerin und
der Mieterin M KG lange vor Beauftragung der Beklagten ausgehandelt. Die M KG
war hinreichend sachkundig, da sie eine Vielzahl ihrer Lichtspielhäuser mit dieser
Technik betrieb. Durch die Mieterin wurden der Klägerin hinreichende spezielle
Sachkenntnisse vermittelt. Bezeichnenderweise hat die M KG die
Absorptionsklimaanlage ohne diesbezügliche Mängeleinwände in Betrieb
genommen. Auch die Klägerin hat die Anlage abgenommen.
Erst der Zweitnutzer, die Firma B, die ebenfalls sachkundig war, hat die Anlage
beanstandet, obwohl die Anmietung in dem Zustand geschah, wie er – auch aus
vorangegangenen Betriebskostenabrechnungen ersichtlich – offenkundig war.
Zu einer besonderen Hinweispflicht der Beklagten bestand bei dieser Sachlage
keine Veranlassung.
4. Die Feststellungsklage ist unzulässig. Auf Seiten der Klägerin fehlt das
besondere Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO), das auch im Bauprozess
eine Prozessvoraussetzung darstellt (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl., Rn
433).
Auch wenn im Bauprozess eine weite und freie Auslegung des Interesses
angebracht sein mag (Werner/Pastor, Rn 438) und der Feststellungsklage ein
größerer Spielraum eingeräumt werden soll, ändert dies nichts an der Grundregel,
dass ein Feststellungsinteresse regelmäßig zu verneinen ist, wenn der Schaden,
der sich aus dem Baumangel ergibt, der Höhe nach feststeht und ohne
Schwierigkeiten beziffert werden kann. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der
Auftraggeber den Baumangel zwischenzeitlich durch ein Drittunternehmen hat
beheben lassen (Werner/Pastor, Rn 436).
Auch muss dem Auftraggeber zugemutet werden, dass er sich wenigstens darum
bemüht, die erforderlichen Mangelbeseitigungskosten zu ermitteln. Dies gilt vor
allem dann, wenn die Bauarbeiten längst beendet sind.
Für einen weiteren, derzeit noch nicht bezifferbaren Schadenseintritt muss eine
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Für einen weiteren, derzeit noch nicht bezifferbaren Schadenseintritt muss eine
gewisse Wahrscheinlichkeit sprechen (BGH, NJW-RR 2005, 1474, 1475 f. – noch
nicht sanierter mangelhafter Hallenboden; BGH, NJW-RR 1997, 339, 340 -
Kellerdurchfeuchtung wegen fehlerhafter „weißer Wanne“).
Diese Kriterien führen vorliegend bei den von der Klägerin geltend gemachten
weiteren Mängeln zu folgender Wertung:
a) Die Klägerin hat im Juli 2003 den Umbau der Kälteerzeugungsanlage veranlasst;
nunmehr wird sie von einer Kompressortechnik betrieben. Nach den Darlegungen
des eigenen Privatgutachters D in dessen Gutachten vom 4. Juni 2003 (Seite 32)
wurden die vorhandenen Kaltwasser- und Kühlwasserpumpen, die angeblich zu
gering dimensioniert waren, ausgebaut. Damit war der von der Klägerin
behauptete Mangel der alten Anlage beseitigt. Die Kosten für den Umbau der
Kälteanlage (Rechnung der Firma H vom 13. Oktober 2004) in Höhe von €
130.500,00 sind Gegenstand des bezifferten Klageantrages. Aus angeblich zu
gering dimensionierten Kaltwasser- und Kühlwasserströmen können daher keine
weiteren Schäden entstehen, weshalb das Feststellungsinteresse fehlt.
b) Der nach Auffassung der Klägerin zu gering dimensionierte Überlauf des
Kühlturms kann ebenfalls keine weiteren Schäden verursachen. Denn nach den
Darlegungen des Privatgutachters D (a. a. O.) wird für die jetzt installierte
Kompressionskälteanlage eigentlich ein kleinerer Kühlturm benötigt. Der Gutachter
empfiehlt in seinem Gutachten aber ausdrücklich, den vorhandenen Kühlturm zu
belassen. Dies bedeutet, dass er für die neue Kälteanlage funktionstauglich ist.
Mangels eines weiteren Schadens fehlt auch hier das Feststellungsinteresse.
c) Die angebliche Überdimensionierung der Kälteanlage ist durch den Umbau
behoben. Die Investitionskosten der Klägerin sind Gegenstand der bezifferten
Leistungsklage. Welcher weitere Schaden wahrscheinlich ist, erschließt sich aus
dem klägerischen Vorbringen nicht. Das Feststellungsinteresse fehlt auch insoweit.
d) Ob der Klägerin wegen der der Beklagten gezahlten Honorare ein
Rückforderungsanspruch zusteht, hängt von der Beantwortung einer Rechtsfrage
ab. Eine Bezifferung ist der Klägerin ohne weiteres möglich. Ob ihr Begehr letztlich
erfolgreich ist, hindert die Bezifferung nicht. Auch hier fehlt das
Feststellungsinteresse.
e) Die Architektenkosten für den Umbau und die Umplanung der Kälteanlage kann
die Klägerin ermitteln. Der Architekt ist zugleich der Geschäftsführer ihrer
Komplementärin. Es ist der Klägerin zuzumuten, den angeblichen Schaden
ziffernmäßig zu erfassen. Daher fehlt das Feststellungsinteresse.
5. Soweit die Klägerin rügt, das Landgericht habe seiner Hinweispflicht (§ 139 Abs.
2 ZPO) nicht genügt und auf die Unzulässigkeit der Feststellungsklage nicht
hingewiesen, bleibt dies für den Ausgang des Rechtsstreits ohne Auswirkung. Denn
der Vortrag der Klägerin im Berufungsrechtszug enthält inhaltlich keine
weitergehenden tatsächlichen Ausführungen. Die geäußerten Rechtsansichten
bewegen sich im Allgemeinen.
Die Klägerin war schon bei Anhängigkeit ihrer Klage am 22. Dezember 2004 in der
Lage, ihren weitergehenden Schaden zu beziffern. Das Feststellungsinteresse
fehlte schon zu diesem Zeitpunkt. Es bleibt daher für das Prozessergebnis ohne
Einfluss, dass ein Kläger regelmäßig nicht verpflichtet ist, während des Prozesses
von der Feststellungsklage zur Leistungsklage zu wechseln (BGH, NJW-RR 2005,
1474, 1476).
III. Da die Berufung ohne Erfolg bleibt, hat die Klägerin die Kosten der Berufung zu
tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet
ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO. Die gesetzlichen
Voraussetzungen zur Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor. Die
vorliegende Entscheidung betrifft einen Einzelfall. Von der höchstrichterlichen
Rechtsprechung weicht der Senat nicht ab.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.