Urteil des OLG Frankfurt vom 01.04.2009

OLG Frankfurt: verkehrsunfall, bandscheibenvorfall, belastung, kopfschmerzen, gutachter, wahrscheinlichkeit, anhörung, rechtshängigkeit, fahrzeug, schadenersatz

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Gericht:
OLG Frankfurt 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 163/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 253 BGB, § 823 Abs 1 BGB, §
286 ZPO, § 287 ZPO
(Schadenersatz bei Verkehrsunfall: Anforderungen an den
Nachweis der Ursächlichkeit eines Auffahrunfalls für einen
Bandscheibenvorfall)
Leitsatz
Zur Frage der Kausalität eines Auffahrunfalls für einen Bandscheibenvorfall
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer
des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26.Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Verurteilung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 115 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zur
Vollstreckung gebrachten Betrages leistet.
Gründe
I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte restliche Ansprüche aus einem
Verkehrsunfall geltend, für dessen Schadensfolgen die Beklagte in vollem Umfang
einzustehen verpflichtet ist. Der bei der Beklagten haftpflichtversicherte Pkw war
am 9.9.2004 auf einen Kastenwagen aufgefahren, der auf das Heck des vom
Kläger gesteuerten Pkw aufgeschoben wurde. Nach Angaben des Klägers wurde
sein Pkw noch auf ein vor ihm stehendes Fahrzeug aufgeschoben. Das eingeholte
Kraftfahrzeuggutachten bezüglich des von dem Kläger gesteuerten Fahrzeuges
wies einen substanziellen Anstoß im Heckwagen mit Schwerpunkt Mitte aus. Das
gesamte Heck war im mittleren Bereich nach vorne gestaucht und erheblich
beschädigt. Die äußerlichen Anbauteile und Rückleuchten sowie Verkleidungsteile
wurden erheblich nach vorne gestaucht. Das Rückwandblech sowie der
Kofferraumboden wurden erheblich deformiert und beschädigt. Die Längsträger
rechts und links hinten wurden an den Enden jeweils gestaucht und nach vorne
deformiert. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf Bl. 47 ff. d.A.
verwiesen.
Der damals 37 Jahre alte Kläger begab sich nach dem Unfall zunächst nach Hause
und stellte sich am Folgetag beim Hausarzt Dr. A vor. Über die dort
vorgenommene Untersuchungen und Feststellungen liegen keine Unterlagen vor.
Am 16.9.2004 begab sich der Kläger zu dem Orthopäden B, der bei der
Untersuchung eine schmerzhafte Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule mit
Druckschmerz in Höhe C3/4 links und eine diffuse Sensibilitätsstörung der Finger
der linken Hand feststellte. Die Röntgenuntersuchung der Halswirbelsäule ergab
keine knöchernen Verletzungen. Bei der Befundkontrolle am 27.9.2004 waren die
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keine knöchernen Verletzungen. Bei der Befundkontrolle am 27.9.2004 waren die
Beschwerden weitgehend unverändert. Es erfolgte eine Überweisung zum
Neurologen, der eine radikuläre Läsion der Armnerven ausschloss. Aufgrund
anhaltender von dem Kläger angeführter Beschwerden wurde am 2.11.2004 eine
Kernspintomographie der Halswirbelsäule durchgeführt, bei der sich
Bandscheibenvorfälle C5/6 und C6/7 ergaben. In einem Gutachten von Dr. C vom
3.2.2006 wurde aufgrund eines MRT vom 2.1.2006 eine deutliche Rückbildung des
Bandscheibenvorfalles C6/7 festgestellt. Weiterhin wurde ein noch geringer
Bandscheibenvorfall im Bereich C5/6 angegeben. Der Kläger gab an, aufgrund
seiner chronischen Schmerzen unter Schlafstörungen, Schwindel, Gereiztheit,
Minderbelastbarkeit, Gedächtnisstörungen und Kopfschmerzen zu leiden.
Weiterhin bestünden Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule und der
Kniegelenke, die belastungs- und witterungsabhängig zu wiederkehrenden
Schmerzen mit eingeschränkter Belastbarkeit führten. Eine daneben bestehende
Bluthochdruckerkrankung wurde hausärztlich behandelt.
Mit der Klage hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines
angemessenen Schmerzensgeldes über die bereits gezahlten 3.000,-- Euro hinaus
geltend gemacht. Weiterhin hat er die Verurteilung der Beklagten zum Ersatz
entgangenen Verdienstes von über 60.000,00 Euro verfolgt.
Hierzu hat er ausgeführt, bei seiner Arbeitssuche vor dem Schadensereignis von
der Firma D ein Stellenangebot zum 15.11.2004 erhalten zu haben. Aufgrund der
eingetretenen Erwerbsunfähigkeit sei er nicht in der Lage gewesen, dieses
Stellenangebot anzunehmen. Bei einem ihm entstandenen Bruttogehalt von
3.800,00 Euro pro Monat zuzüglich 550,00 Euro Urlaubsgeld und unter Abzug
erhaltener Lohnersatzleistungen (Arbeitslosengeld und Krankengeld) sei ihm ein
Schaden von 60.108,06 Euro erwachsen. Weiterhin hat der Kläger den Ausspruch
der Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger alle
weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis zu
ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder
andere Dritte übergegangen ist.
Durch den Unfall habe er eine Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule und
Bandscheibenvorfälle an den Wirbeln C5/C6 und C6/C7 erlitten, die dazu geführt
hätten, dass der Kläger nahezu erwerbsunfähig sei und seitdem einer
kontinuierlichen ärztlichen Behandlung bedürfe. Eine entsprechende
Vorerkrankung des Klägers habe nicht bestanden.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
a. ein über den gezahlten Betrag von 3.000,00 Euro hinaus gehendes
angemessenes Schmerzensgeld,
b. einen Betrag in Höhe von 60.108,06 Euro nebst 5 % Zinsen über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen;
2. festzustellen dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren
materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus dem
Verkehrsunfall mit der Versicherungsnehmerin der Beklagten, Frau E, am 9.9.2004
in O1 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen
Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat bestritten, dass der Auffahrunfall am 9.9.2004 die von dem Kläger
behaupteten Verletzungen hervorgerufen habe. Da objektivierbare Befunde nicht
vorlägen, die Diagnoseerstellung der von dem Kläger konsultierten Ärzte allein
aufgrund der von dem Kläger angegebenen subjektiven Beschwerden erfolgt sei,
sei der Nachweis eines unfallbedingten Bandscheibenvorfalles, die äußerst selten
seien, nicht geführt. Vielmehr sei Ursache für die eingeschränkte Belastbarkeit des
Klägers sein massives Übergewicht, seine Bluthochdruckerkrankung und die
Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule sowie der Kniegelenke.
Das Landgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, er habe
infolge des Unfalls vom 9.9.2004 zwei Bandscheibenvorfälle erlitten, so dass er
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infolge des Unfalls vom 9.9.2004 zwei Bandscheibenvorfälle erlitten, so dass er
trotz durchgeführter Behandlungen nach wie vor arbeitsunfähig sei, durch
Einholung eines schriftlichen Zusammenhangsgutachtens des Sachverständigen
Prof. Dr. F. Wegen der Einzelheiten des schriftlichen Gutachtens vom 23.11.2007
wird auf Bl. 78 bis 110 d.A. verwiesen. Das Landgericht hat in der mündlichen
Verhandlung vom 3.6.2008 den schließlich gestellten Antrag auf Anhörung des
Sachverständigen mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Kläger diesen
Antrag nicht so rechtzeitig gestellt habe, dass der Sachverständige zu der letzten
mündlichen Verhandlung am 3.6.2008 habe geladen werden können.
Das Landgericht hat sodann in dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen
(Bl. 151 bis 157 d.A.).
Gegen dieses, dem Kläger am 3.7.2008 zugestellte Urteil richtet sich seine am
1.8.2008 eingelegte Berufung, die der Kläger am 2.9.2008 hat begründen lassen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger die Aufhebung des angefochtenen Urteils und
Verurteilung der Beklagten entsprechend den zuletzt gestellten erstinstanzlichen
Anträgen, hilfsweise die Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht. Zur Begründung seiner
Berufung führt der Kläger aus, dass das Landgericht verfahrensfehlerhaft den
Sachverständigen nicht angehört habe, und wendet sich gegen das Gutachten,
das nach seiner Ansicht schwere Mängel aufweise.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
a. ein über den gezahlten Betrag von 3.000,00 Euro hinaus gehendes
angemessenes Schmerzensgeld,
b. einen Betrag in Höhe von 60.108,06 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen
weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus
dem Verkehrsunfall mit der Versicherungsnehmerin der Beklagten, Frau E, am
9.9.2004 in O1 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen
Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist;
hilfsweise den Rechtsstreit den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das Landgericht zurück zu verweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird zur
Ergänzung des Tatbestandes auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen. Der Sachverständige Prof. F hat sein schriftliches Gutachten
im Termin vom 28.1.2009 mündlich erläutert. Wegen der Einzelheiten seiner
Angaben wird auf Bl. 254 bis 258 d.A. verwiesen.
II.
Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete
Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat mit Recht das
Bestehen der mit der Klage verfolgten Ansprüche auf Zahlung eines weiteren
Schmerzensgeldes, auf Ersatz des Verdienstausfalls und auf Feststellung der
Verpflichtung der Beklagten zur Ersatzpflicht künftiger aus dem Verkehrsunfall
herrührender übergangsfähiger Schäden gemäß § 3 Nr. 1 PflVersG a.F. verneint.
Der Kläger hat nicht den ihm obliegenden Nachweis der Ursächlichkeit des
Auffahrunfalls für die von ihm behauptete schädigende Folge zweier
Bandscheibenvorfälle geführt. Da der Auffahrunfall nach dem unstreitigen
Sachverhalt zu einer Primärverletzung des Klägers geführt hatte, die ansonsten
nach § 286 ZPO im Wege des Vollbeweises nachzuweisen war, waren die von dem
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nach § 286 ZPO im Wege des Vollbeweises nachzuweisen war, waren die von dem
Kläger behaupteten Bandscheibenvorfälle mit dem Beweismaß des § 287 Abs. 1
ZPO nachzuweisen, der nicht auf Folgeschäden einer einzelnen Verletzung
beschränkt ist, sondern auch die neben der feststehenden Körperverletzung
entstehenden weiteren Schäden aus derselben Schädigungsursache umfasst (vgl.
BGH VersR 2009, 69 (70); BGH VersR 2003, 474 (475); BGH VersR 1972, 372
(374)). Dieser Beweis wäre nur dann als geführt anzusehen, wenn eine erhebliche,
überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass der Auffahrunfall die
Bandscheibenvorfälle des Klägers herbeigeführt hat (vgl. BGH NJW-RR 2002, 166
(167); BGH NJW 1996, 775 (776); VBGH JZ 1973, 427 (428); OLG Koblenz Neue
Versicherungszeitschrift 2001, 269). Der Kläger hat diesen Nachweis jedoch nicht
erbracht.
Das hierzu eingeholte gerichtliche Gutachten des Sachverständigen Prof. F, der
sein Gutachten vor dem Senat mündlich erläutert hat, hat nicht den erforderlichen
Nachweis einer Unfallkausalität für die aufgetretenen Bandscheibenvorfälle
ergeben. Dass die biomechanische Belastung des Körpers des Klägers durch den
Auffahrunfall dazu geführt hat, dass eine Verlagerung von Bandscheibengewebe
außerhalb der normalen Zirkumferenz der Bandscheibe aufgetreten ist, ist nach
den Feststellungen des Gutachters jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich.
Der Sachverständige hat diese Feststellung unter Würdigung sowohl des
Unfallmechanismus wie auch der unfallnah ärztlich dokumentierten Beschwerden,
Auffälligkeiten und Befunde gewonnen. Hinsichtlich des Unfallmechanismus ist der
Sachverständige in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass es
bei dem Verkehrsunfall vom 9.9.2004 zu einer höheren heckseitig einwirkenden
biomechanischen Belastung gekommen ist. Der Sachverständige hat hierbei, was
ebenfalls nicht zu beanstanden ist, eine Differenzgeschwindigkeit zwischen 30 bis
40 km/h zugrunde gelegt, die auf das Fahrzeug und den Körper des Klägers
einwirkten. Da eine verkehrstechnische Analyse nicht durchgeführt worden ist,
durfte der Sachverständige diesen Ausgangspunkt wählen, der sich zum Vorteil
des Klägers auswirkte, um so mehr, als der Sachverständige zum Hergang des
Unfalls die Schilderung des Klägers hierzu im Übrigen zugrunde gelegt hat. Der
Sachverständige hat allein aus dem Unfallmechanismus abzuleitende Bedenken
dagegen angeführt, dass die mit dem Auffahrunfall verbundene biomechanische
Belastung geeignet war, die Bandscheibenvorfälle herbei zu führen. Den hierfür
von dem Sachverständige mitgeteilten Studien, die sich auf die Bandscheiben der
Lendenwirbelsäule beziehen, kann bei einer Übertragung auf die Halswirbelsäule
entnommen werden, dass nur bei einer Überflexion, einer Vorbeugung über die
physiologische Grenze hinaus, der Faserring der Bandscheibe reißen oder sich von
der Endplatte lösen könne. Ein solcher Mechanismus war jedoch bei dem
Unfallhergang deshalb nicht denkbar, weil der Kopf relativ zum Rumpf nach kurzer
anfänglicher Flexionsbewegung im Wesentlichen eine Translationsbewegung nach
hinten ausführte, und der Kopf gegen die Kopfstütze geriet. Damit war eine für
einen Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule geeignete einwirkende
biomechanische Belastung, die aus einer Vorbeugung über die physiologische
Grenze hinaus bestand, nicht gegeben, so dass der Unfallmechanismus eher
dagegen sprach, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den
Bandscheibenvorfällen im Bereich der Halswirbelsäule mit dem Verkehrsunfall vom
9.9.2004 bestand. Den Ausschlag dafür, anzunehmen, dass eine Ursächlichkeit
des Auffahrunfalls für die Bandscheibenvorfälle nicht bestand, geben jedoch die
unfallnah festgestellten ärztlich dokumentierten Beschwerden, Auffälligkeiten und
Befunde.
Soweit der Kläger bei der persönlichen Begutachtung vom 11.9.2007 geschildert
hatte, dass sofort nach dem Unfall Nacken-Kopfschmerzen sowie
Schwindelgefühle eingetreten seien, und Schmerzen am linken Handgelenk und
ein Kribbeln in den Fingern beschrieben hatte, hat der Gutachter überzeugend
festgestellt, dass diese Beschwerden aus orthopädischer Sicht unspezifisch seien,
sie sowohl bei unfallabhängigen wie auch bei unfallunabhängigen
Beschwerdebildern im Bereich der Halswirbelsäule vorkommen können. Ein
sicherer Hinweis darauf, dass diese Beschwerden im Zusammenhang mit dem
Unfallereignis stehen, sei damit nicht gegeben. Gegen die Annahme eines
Zusammenhangs der Empfindungsstörungen im Bereich der linken Hand mit einer
bandscheibendingten Problematik spricht es auch, dass nach den Feststellungen
des Neurologen vom 27.9.2004 eine nervenwurzelbezogene Schädigung
ausgeschlossen worden ist. Da beim bildgebenden Verfahren eine leichte
Vorwölbung der Bandscheibe rechtsseitig festgestellt worden ist, konnte ein
Kribbeln linksseitig nicht damit in Verbindung stehen. Der Sachverständige hat im
übrigen mit Recht darauf hingewiesen, dass die von dem Kläger beschriebene
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übrigen mit Recht darauf hingewiesen, dass die von dem Kläger beschriebene
Empfindungsstörung im Sinne eines Kribbelns in dem ärztlichen Befundbericht
vom 16.9.2004 nicht beschrieben worden ist, desgleichen die von dem Kläger
beschriebene Ausstrahlung bzw. ein Aufsteigen in den linken Unterarm bis über
den Ellenbogen hinweg. Weiterhin konnten die nach dem Unfall beschriebenen
Kopfschmerzen und Schwindelgefühle nicht dahin gedeutet werden, dass sie mit
einer etwaigen Bandscheibenproblematik in den Segmenten C5/C6 und/oder
C6/C7 stehen. Kopfschmerzen und Schwindel wären vielmehr allein bei Problemen
der oberen drei Halswirbelsäulensegmente erklärbar, da in diesen oberen HWS-
Segmenten Zusammenhänge zwischen Nervenwurzel und Hirnnerven bestehen.
Zusammenfassend hat der Sachverständige es als sehr unwahrscheinlich
bezeichnet, dass die beiden Bandscheibenvorwölbungen unfallbedingt
hervorgerufen worden seien.
Durchgreifende Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Feststellungen des
Sachverständigen bestehen nicht. Soweit der Kläger angeführt hat, er sei von dem
Sachverständigen nicht umfassend untersucht worden, der unzutreffende
Befundtatsachen wie ein flottes Gangbild des Klägers, fehlende Schmerzen beim
Zusammendrücken des Brustkorbes, eine Untersuchung in Bauchlage, die
Fähigkeit des Klägers zum zügigen sich vorne Überbeugen, zu dem kräftigen
Faustschluss des Klägers und zum Erreichen der Daumenspitzen mit allen
Langfingerkuppen angenommen habe, hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der
Sachverständige alle die von ihm in seinem Gutachten vorgenommenen
Untersuchungen vorgenommen hat. Dagegen kann nicht eingewandt werden,
dass sich der Sachverständige nach seinen eigenen Angaben persönlich an den
Kläger und den Untersuchungstermin nicht mehr erinnern konnte. Der
Sachverständige hat jedoch glaubhaft bekundet, dass er regelmäßig die
angeführten Untersuchungen selbst vorgenommen und Feststellungen getroffen
hat, die in sein Gutachten eingeflossen sind. Es genügt, davon auszugehen, dass
die in dem Gutachten geschilderte umfassende Untersuchung vorgenommen
worden ist. Soweit der Kläger angeführt hat, der Sachverständige habe eine
bestimmte Kopfstellung des Klägers zum Unfallzeitpunkt unterstellt, ist darauf
hinzuweisen, dass der Kläger selbst gehalten war, sich hinsichtlich dieser
Anknüpfungstatsache festzulegen. Im Übrigen hat der Sachverständige unter
Hinweis auf seine Ausführungen in NZV 2008, 113 (116) festgestellt, dass nach
dem bisherigen Stand der medizinischen Forschung eine Verbindung zwischen der
Kopfhaltung zum Zeitpunkt der Heckkollision mit dem Auftreten von Schmerzen
nicht bestehe. Soweit gegen die Richtigkeit des Gutachtens weiterhin eingewandt
wird, der Sachverständige habe keine gesicherte Aussage zu der auf den Kläger
einwirkenden Energie treffen können, weil weder die Aufprallgeschwindigkeit noch
die Masse des auffahrenden Fahrzeuges berücksichtigt worden sei, wird kein Fehler
des Gutachtens des Sachverständigen aufgezeigt. Zum einen hatte das
Gutachten des Sachverständigen eine Aufprallgeschwindigkeit von 30 bis 40 km/h
angenommen, zum anderen hatten gerade die unfallnah festgestellten
Beschwerden zu einer Verneinung der erheblichen Wahrscheinlichkeit eines
Ursachenzusammenhangs zwischen dem Aufprall und den Bandscheibenvorfällen
geführt, so dass es auf die Aufprallenergie und deren etwaige Auswirkung auf den
Körper des Klägers nicht entscheidend ankommt. Weiterhin stellte es keinen Fehler
des Gutachtens dar, dass der Sachverständige sich nicht mit den Auswirkungen
des Unfalls auf die zum Bandscheibenschaden geneigte Konstitution des Klägers
auseinandergesetzt hatte. In seiner mündlichen Anhörung hat der
Sachverständige im Anschluss an die von ihm veröffentlichte Studie (NZV 2008,
113 (115 f.) festgestellt, dass mehr Gesichtspunkte gegen eine prinzipielle höhere
Verletzungsempfindlichkeit der verschleißbedingt veränderten Halswirbelsäule
sprechen als dafür. Schließlich kann gegen die Richtigkeit der Feststellungen des
Sachverständigen nicht eingewandt werden, dass er veraltete Literatur verwandt
habe. Der Sachverständige hat hierzu glaubhaft angegeben, dass neuere Literatur
hierzu nicht vorhanden sei. Etwas anderes kann auch nicht aus der von dem
Kläger mit dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 4.3.2009 vorgelegten
Studie abgeleitet werden. Die auf ältere Studien gestützte Untersuchung gibt für
die Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den
aufgetretenen Bandscheibenvorfällen nichts her. Die statistische Aussage der
Studie, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen einem Verkehrsunfall mit
einem Bandscheibenvorfall in 41,15 % der untersuchten Fälle bejaht worden sei, ist
für den von dem gerichtlichen Gutachter umfassend untersuchten Sachverhalt
ohne Bedeutung. Im Übrigen hat der Gutachter auffällige
Degenerationserscheinungen unter Auswertung der radiologischen Befunde
glaubhaft verneint, so dass dieser Ansatzpunkt für den in der vorgelegten Studie
anzunehmenden Anscheinsbeweis aus dem Vorliegen eines adäquaten Traumas,
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anzunehmenden Anscheinsbeweis aus dem Vorliegen eines adäquaten Traumas,
einer Beschwerdefreiheit unmittelbar vor dem Ereignis und dem Einsetzen einer
neuen typischen Symptomatik bei Vorliegen eines erheblichen Vorschadens nicht
gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen einer Zulassung der
Revision nicht vorliegen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.