Urteil des OLG Frankfurt vom 20.12.2006

OLG Frankfurt: grobe fahrlässigkeit, berechnung der frist, verjährungsfrist, systematische auslegung, schlüssiges verhalten, historische auslegung, anschrift, zustellung, anlageberatung, kapitalanlage

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Gericht:
OLG Frankfurt 19.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
19 U 18/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 167 BGB, § 195 BGB, § 199
Abs 1 Nr 2 BGB, Art 229 § 6
Abs 1 BGBEG, Art 229 § 6 Abs
4 BGBEG
Verjährung: Schadensersatz wegen fehlerhafter
Anlageberatung; Verjährungsvoraussetzungen in
Überleitungsfällen; Geringfügigkeitsgrenze bei
Zustellungsverzögerung)
Leitsatz
Zur Frage der Verjährungsvoraussetzungen gem. Art. 229 § 6 Abs. 1, 4 EGBGB in
Überleitungsfällen: Die Berechnung des Laufs der regelmäßigen Verjährungsfrist nach §
195 BGB (n.F.) erfolgt ohne Einbeziehung der subjektiven Voraussetzungen des § 199
Abs. 1 Nr. 2 BGB.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.12.2005 verkündete Urteil der 4
Zivilkammer des Landgerichts Limburg an der Lahn wird zurückgewiesen. Die
Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden,
wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen falscher Beratung
beim Abschluss eines Beteiligungsvertrages an dem Drei-Länder-Fonds DLF ….
Die Beklagte zu 1) ist eine Gesellschaft für Wirtschaftsberatung und
Finanzbetreuung, der Beklagte zu 2) ein für sie tätiger selbständiger
Handelsvertreter.
Der Beklagte zu 2) führte am 30.06.1995 mit der Klägerin und dem Zeugen Z,
ihrem damaligen Lebensgefährten und heutigem Ehemann, eine Erhebung der
persönlichen und wirtschaftlichen Daten der Klägerin durch. Aus diesen Daten
erstellte der Beklagte zu 2) sodann eine Wirtschaftsanalyse, die er der Klägerin am
10.07.1995 vorstellte. Am 10.07.1995 vermittelte der Beklagte zu 2) der Klägerin
ein Finanzprodukt zur Nutzung vermögenswirksamer Leistungen. Es gab weitere
Gesprächstermine zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2). Im Jahr 1996
erbte die Klägerin einen Geldbetrag von etwa 100.000,00 DM. Der Beklagte zu 2)
bot der Klägerin an, für sie eine Vermögensanlage auszuarbeiten. Im August 1996
stellte der Beklagte zu 2) der Klägerin in ihrer Wohnung neben weiteren
Kapitalanlageprodukten auch das Anlagemodell Dreiländerfonds … – A KG - vor.
Der Beklagte zu 2) schlug der Klägerin vor, die 75.000,00 DM aus der Erbschaft,
die angelegt werden sollten, in drei Teile zu teilen und 10.000,00 DM in einem
Geldmarktfonds, 15.000,00 DM in der Vermögensverwaltung D und 50.000,00 DM
im DLF … anzulegen. Zu diesem Gespräch füllte der Beklagte zu 2) eine
„Gesprächsnotiz zur Beratung“ aus, die er und die Klägerin unterschrieben
(Anlage K 1, Bl. 14 d.A. – unvollständig). Diesem Beratungsgespräch lag unstreitig
der Prospekt zum DLF …, Stand Mai 1996, (Anlage B 10, Bl. 212 d. A.) zu Grunde.
Streitig ist zwischen den Parteien, ob dieser Prospekt der Klägerin ausgehändigt
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Streitig ist zwischen den Parteien, ob dieser Prospekt der Klägerin ausgehändigt
wurde, oder ob der Beklagte zu 2) den Prospekt nach Beendigung des
Beratungsgesprächs und Zeichnung der Anlage wieder an sich genommen hat.
Die Klägerin unterzeichnete das Beteiligungsangebot am DLF … Nr. … (Anlage B
7. 81 207 d.A.) mit einer Beteiligungssumme von 50.000.00 DM zuzüglich einer
Abwicklungsgebühr von 2.500,00 DM. Mit gesonderter Unterschrift bestätigte sie
auf diesem Formular den Erhalt des Prospekts DLF …. Der Antrag der Klägerin
wurde von der B mbH als Treuhandgesellschaft für den DLF … mit Schreiben vom
07.08.1996 angenommen. Die Klägerin zahlte die Kommanditeinlage von
50.000,00 DM und die Abwicklungsgebühr von 2.500,00 DM auf das Treuhandkonto
der B mbH ein.
Die Klägerin erhielt anfangs jährliche Ausschüttungen in Höhe von 7 % der
Beteiligungssumme. Ab 1999 erhielt die Klägerin keine Ausschüttung in Höhe von
7 % der Beteiligungssumme mehr, sondern nur noch von Jahr zu Jahr geringer
werdende Teilbeträge. Die Mieterin der Immobilien des DLF … in O1, die C AG,
stellte Insolvenzantrag.
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte zu 2) habe bei der Vorstellung des DLF …
u.a. erklärt, es handele sich um eine sichere Anlage. Durch den hohen
Immobilienanteil sei der DLF … absolut risikolos. Der Fonds garantiere
regelmäßige Ausschüttungen von mindestens 7 % p. a. Die Möglichkeit einer
Verringerung oder gar des Ausfalls der Ausschüttungen bzw. eines Totalverlust der
Beteiligung habe der Beklagte zu 2) nicht angesprochen. Zu ihren Erwartungen an
eine Vermögensanlage habe die Klägerin dem Beklagten zu 2) erklärt, sie sei nur
an einer langfristigen und sicheren Anlage interessiert und wolle in keiner Weise
spekulative Anlagen tätigen, die Sicherheit der Anlage habe für sie absolute
Priorität. Weiterhin seien die Geltendmachung von steuerlichen Vorteilen und die
Veräußerbarkeit der Anlage für die Entscheidung der Klägerin ausschlaggebend
gewesen. Der Beklagte zu 2) habe daraufhin zugesichert, dass der DLF… für diese
Anlagezwecke hervorragend geeignet sei. Er habe den DLF … uneingeschränkt als
„Alterssicherung“ empfohlen, da keinerlei Risiken bestünden. Der Beklagte zu 2)
habe seine Angaben zwar anhand des Prospekts erläutert, der Klägerin aber
keinen Prospekt ausgehändigt. Die Klägerin hätte überdies von dem Beklagten zu
2) auf bestehende kritische Berichterstattungen in der Presse hingewiesen werden
müssen. Die Klägerin hat schließlich die Auffassung vertreten, der Prospekt DLF …
vom Jahr 1996 sei unübersichtlich und undeutlich.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 26.842,82 €
nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.1996 zu bezahlen, Zug
um Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche der Klägerin aus der Beteiligung
Nr. … der Drei-Länder-Beteiligung A KG.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben behauptet, der Beklagte zu 2) habe die Klägerin anhand des
Prospekts über alle wesentlichen Risiken des DLF … aufgeklärt, insbesondere
darüber, dass es sich bei dem Fonds um eine unternehmerische Beteiligung mit
den damit typischerweise einhergehenden Chancen und Risiken handele und die
im Prospekt prognostizierten Ausschüttungen keineswegs garantiert, sondern nur
prognostiziert seien und deren Erzielbarkeit einen planmäßigen Geschäftsverlauf
voraussetze. Auch über ein mögliches Mietausfallrisiko sei die Klägerin aufgeklärt
worden. Sie sei auch darüber aufgeklärt worden, dass es sich bei der
Fondsbeteiligung um eine langfristige Kapitalanlage handele. Die Gesprächsnotiz
belege, dass die Klägerin ihre persönliche Risikobereitschaft mit der dort
angegebenen mittleren Kategorie skizziert habe. Aus der Gesprächsnotiz ergebe
sich außerdem, dass die Beteiligung im DLF … ausschließlich als langfristige
Kapitalanlage von dem Beklagten zu 2) empfohlen und von der Klägerin so auch
verstanden worden sei. Der Beklagte zu 2) habe der Klägerin sämtliche Prospekte
der ihr vorgestellten Kapitalanlagen, insbesondere den Prospekt des DLF …,
bereits in einem dem Zeichnungstermin vorangegangenen Gesprächstermin zum
Eigenstudium überlassen. Dies sei auch dadurch belegt, dass die Klägerin den
Empfang des Prospekts mit ihrer gesonderten Unterschrift auf dem
Beteiligungsangebot (Anlage B 7) bestätigt habe. Die Risikohinweise des
Verkaufsprospekts seien hinreichend geeignet, auch einem in geschlossenen
Immobilienfonds unerfahrenen Kapitalanleger sowohl die Chancen und deren
Grenzen, aber auch die Risiken des Anlageobjektes hinreichend deutlich vor Augen
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Grenzen, aber auch die Risiken des Anlageobjektes hinreichend deutlich vor Augen
zu führen. Sie macht zudem geltend, dass der Vortrag zur Höhe des Schadens
wegen erhaltener Steuervorteile unschlüssig sei. Des Weiteren müsse sich die
Klägerin jedenfalls ein Mitverschulden zurechnen lassen.
Im Übrigen erhebt die Beklagte zu 1) die Einrede der Verjährung.
Die am 6.12.2004 bei dem Landgericht eingegangene Klage ist dem Beklagten zu
2) am 10.1.2005 und der Beklagten zu 1) am 28.2. 2005 zugestellt worden. Die
Klägerin hatte in der Klageschrift eine falsche ladungsfähige Anschrift angegeben
und nach ihr am 18.1.2005 zugegangenem Hinweis des Gerichts diesem die
zutreffende ladungsfähige Anschrift der Beklagten zu 1) mit am 10.2.2005
eingegangenen Faxschreiben mitgeteilt.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Z. Wegen
des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom
08.11.2005 (Bl. 385 ff. d. A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat zunächst einen zwischen dem
Beklagten zu 2) und der Klägerin zustande gekommenen Beratungsvertrag
angenommen, jedoch eine fehlerhafte Beratung verneint. Der Prospekt enthalte
eine ausreichende Aufklärung über die Risiken der Kapitalanlage. Auf der
Grundlage des Beweisergebnisses hat es festgestellt, dass die Klägerin den
Prospekt DLF …. spätestens im Beratungstermin ausgehändigt erhalten habe und
der Beklagte zu 2) auf der Grundlage dieses Prospekts die erforderlichen
Risikohinweise gegeben habe. Die anders lautenden Bekundungen des Zeugen Z
seien nicht glaubhaft. Insbesondere bestünden Zweifel an der Vollständigkeit der
Erinnerung des Zeugen, da er keine Details zu dem Inhalt des
Beratungsgesprächs habe bekunden können. Wegen fehlenden
Beratungsverschuldens könne dahinstehen, ob Vertragsbeziehungen der Klägerin
mit der Beklagten zu 1) zustande gekommen sind.
Gegen das am 22.12.2005 verkündete und ihr am 30.12.2005 zugestellte Urteil
des Landgerichts hat die Klägerin am 30.1.2006 Berufung eingelegt und diese am
18.4.2006 innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.
Die Klägerin macht mit ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, das Landgericht
habe eine fehlerhafte Beweiswürdigung getroffen. Gerade der Umstand, dass sich
der Zeuge Z nach so langer Zeit nicht mehr an Details des damaligen
Beratungsgesprächs habe erinnern können, spreche für seine Glaubwürdigkeit und
die Glaubhaftigkeit seiner Aussage. Den wesentlichen Vortrag der Klägerin über
den Inhalt des Beratungsgesprächs und den Erhalt des Prospekts habe der Zeuge
bestätigt. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches
Vorbringen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagten
gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 26.842,82 € nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz seit dem 2.8.1996 zu bezahlen, Zug um Zug gegen
Abtretung sämtlicher Ansprüche der Klägerin aus der Beteiligung Nr. ... der
Dreiländerbeteiligung A KG.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Allerdings seien infolge der Beratung nur
vertragliche Beziehungen der Klägerin zu der Beklagten zu 1) zustande
gekommen. Etwaige Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) aber seien
verjährt. Hinsichtlich des als Handelsvertreter für die Beklagte zu 1) tätigen
Beklagten zu 2) sei mit der Klägerin eine vertragliche Beziehung nicht entstanden.
Auch bestünden gegen den Beklagte zu 2) keine quasivertraglichen Ansprüche der
Klägerin. Im Übrigen wiederholen und vertiefen die Beklagten ihr erstinstanzliches
Vorbringen und auch die erhobene Einrede der Verjährung.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand der
angefochtenen Entscheidung sowie auf die in der Berufungsinstanz gewechselten
Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat keinen
Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen
fehlerhafter Anlagenberatung nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 3 BGB
I.
1. Von einem zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) durch schlüssiges
Verhalten zustande gekommenen Anlageberatungsvertrag ist auf Grund der
tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts auszugehen. Ein
Schadensersatzanspruch der Klägerin käme insoweit aber nur dann in Betracht,
wenn der Beklagte zu 2) der Klägerin den als Grundlage der Beratung dienenden
Fondsprospekt DLF … der A AG, der eine hinreichende Aufklärung über die mit der
Anlage verbundenen Risiken, insbesondere des Risikos eines Totalverlustes enthält
(vgl. insoweit nur BGH WM 2006, 522 f.) – entgegen der schriftlichen Bestätigung
der Klägerin - nicht überlassen hat, um dieser Gelegenheit zu geben, ihre
getroffene Anlageentscheidung innerhalb der bestehenden Widerrufsfrist zu
überprüfen und er darüber hinaus abweichende, die Risiken der Anlage
verneinende oder zumindest über das bestehende Anlagenrisiko fehlerhafte
Angaben gemacht hätte.
2. Ob dies der Fall war, insbesondere ob die vom Landgericht auf Grund der
Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen zutreffend sind, kann jedoch im
Verhältnis zur Beklagten zu 1) deshalb dahingestellt bleiben, weil etwaige
Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) verjährt sind.
a) Gemäß Art 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB kommt die
Verjährungsfrist des § 195 BGB n. F. zur Anwendung, weil diese Frist kürzer ist als
diejenige nach altem Recht. Danach unterliegen die nach altem Recht, d. h. vor
dem 1.1.2002 entstandenen Ansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung, die
zuvor der 30jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a. F. unterfielen, nunmehr
nach der Übergangsregelung Art. 229 § 6 Abs. 1, 4 EGBGB der ab dem 1.1.2002
zu berechnenden dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB n. F. und verjähren
daher grundsätzlich zum 31.12.2004. Diese Verjährungsfrist ist indes hinsichtlich
der gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Ansprüche bereits vor der am 28.2.2005
an die Beklagte zu 1) bewirkten Zustellung der Klage abgelaufen. Die
Verjährungsfrist wurde auch nicht durch die Einreichung der Klageschrift am
6.12.2004 gehemmt. Die „verspätete“ Zustellung der Klageschrift vom 3.12.2004
erfolgte nicht „demnächst“ im Sinne des § 167 BGB. Sie beruht vielmehr auf einer
von der Klägerin verursachten Verzögerung. Diese hatte in der Klageschrift eine
falsche, nämlich eine ehemalige Adresse der Beklagten zu 1) angegeben, unter
der die Beklagte zu 1) seit Juli 2001 nicht mehr ihren Geschäftssitz hatte. Die
Mitteilung des Gerichts vom 14.1.2005 von der erfolglosen Zustellung nebst der
Aufforderung, eine ladungsfähige Anschrift der Beklagten zu 1) mitzuteilen, wurde
der Klägerin am 18.1.2005 zugestellt. Erst mit Faxschreiben vom 10.2.2005, mithin
mehr als 3 Wochen nach Erhalt des gerichtlichen Hinweises, teilte die Klägerin dem
Gericht die zutreffende ladungsfähige Anschrift der Beklagten zu 1) mit, woraufhin
die Zustellung erst am 28.2.2005 erfolgen konnte. Die von der Klägerin zu
vertretende Zustellungsverzögerung ist nicht mehr geringfügig. Allein die
Zeitdifferenz zwischen der gerichtlichen Mitteilung der fehlgeschlagenen
Zustellung und der Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift beträgt mehr als drei
Wochen und übersteigt mithin die Geringfügigkeitsgrenze, dies, obgleich zu
erwarten gewesen wäre, dass die Klägerin unverzüglich, nämlich innerhalb weniger
Tage die ladungsfähige Anschrift mitteilt.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist im Regelfall nur eine
Zustellungsverzögerung von bis zu zwei Wochen noch als geringfügig anzusehen
(vgl. nur BGH NJW 2000, 2282). Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des
BGH zu § 691 Abs. 2 ZPO n. F. (vgl. BGHZ 150,221 ff.) entgegen, auf deren
Grundlage Greger in: Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 167 Rn. 11 eine abweichende
Rechtsauffassung zur Bestimmung der zeitlichen Grenze für eine geringfügige
Verzögerung der Klagezustellung vertritt. Vielmehr hat der BGH in FamRZ 2004,
21 in Kenntnis der abweichenden Auffassung von Greger klargestellt, dass er an
seiner bisherigen Rechtsprechung zu §§ 270 Abs. 3 ZPO a. F / § 167 ZPO n. F.
festhält. Dem schließt sich der Senat an.
b) Die Berechnung des Beginns der Verjährungsfrist ab dem 1.1.2002 erfolgt nach
Auffassung des Senats auch unabhängig von den subjektiven Voraussetzungen
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Auffassung des Senats auch unabhängig von den subjektiven Voraussetzungen
des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n. F., mithin unabhängig davon, ob der Geschädigte
erst nach dem 1.1.2002 Kenntnis von den anspruchsbegründeten Tatsachen
erlangte oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dafür, dass der
Gesetzgeber mit der Regelung des Art 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB auch die in §
199 BGB n. F. geregelten Voraussetzungen für den Beginn der Verjährungsfrist als
maßgebend erachten wollte, fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten. Vielmehr
lässt eine Auslegung dieser Norm erkennen, dass der Gesetzgeber mit dieser
Vorschrift ausschließlich die Frage der Berechnung der kurzen Verjährung für
Altansprüche regeln wollte und diese mithin eine Sondervorschrift zu Art. 229 § 6
Abs. 1 Satz 2 EGBGB und zu § 199 BGB darstellt.
aa) Hierfür spricht bereits der Wortlaut des Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB.
Danach „wird die kürzere Frist vom 1. Januar 2002 an berechnet“. Bereits das Wort
„berechnet“ lässt erkennen, dass nur auf eine zahlenmäßige Bestimmung der
Frist abgestellt wird und nicht auf zusätzliche subjektive Voraussetzungen. Zudem
wird für diese Rechenoperation ein festes Ausgangsdatum genannt. Hätte der
Gesetzgeber einen Fristbeginn abhängig von den subjektiven
Kenntnisvoraussetzungen gewollt, wäre diese Regelung eines zeitlich fest
bestimmten Fristbeginns nicht verständlich. Bereits aus dem Wortlaut der
Vorschrift ergeben sich mithin keine Anhaltspunkte dafür, dass für den Beginn der
Verjährungsfrist für vor dem 1.1.2002 entstandene Ansprüche aus Verschulden bei
Vertragsverhandlungen zusätzlich die subjektiven Voraussetzungen des § 199
Abs. 1 Nr. 2 BGB heranzuziehen sind (so auch OLG Celle, Beschluss vom
26.7.2005 – Az.: 3 W 92/05 -; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.12.2005 – Az.: 1 U
206/05 – Anlage BB 8; LG Hannover; Urteil vom 10.2.2006 – Az.: 8 O 61/05 – juris).
bb) Dies wird bestätigt durch die Gesetzesmaterialien (Bundestagsdrucksache
14/6040, Seite 273), in denen ohne Erwähnung des § 199 BGB n. F. davon die
Rede ist, dass „die kürzere Frist .... am 1.1.2002 zu laufen beginnt“. Dabei wird
überdies auch nicht von einer Berechnung der Frist gesprochen, so dass jeglicher
Ansatzpunkt für eine Interpretation dieses Begriffs fehlt, wie sie u. a. Kandelhard,
NJW 2005, 630 ff. vornimmt. Auch insoweit wird vielmehr ein konkretes
Anfangsdatum für den Fristbeginn benannt, so dass auch die historische
Auslegung keinen Anhaltspunkt dafür bietet, dass die subjektiven
Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Satz 2 BGB bei der Bestimmung der
Verjährungsfrist zu berücksichtigen wären (vgl. auch OLG Celle a. a.O.; OLG
Karlsruhe a. a. O.).
cc) Die systematische Auslegung des Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB führt zum
gleichen Ergebnis. In Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ist ausdrücklich bestimmt,
dass sich der Verjährungsbeginn für vor dem 1.1.2002 entstandene Ansprüche
allein nach dem alten Schuldrecht richten soll. Daraus lässt sich folgern, dass eine
Anwendung der den Verjährungsbeginn nach neuem Schuldrecht regelnden Norm
des § 199 BGB n. F. auch im Rahmen des Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB nicht
in Betracht kommt, der eine von Abs. 1 Satz 2 abweichende Regelung nicht
vorsieht.
dd) Soweit aus teleologischer Sicht in Rechtsprechung (OLG Braunschweig, ZIP
2006, 180 ff.; OLG Stuttgart, ZIP 2005, 2152 ff.) und Literatur (Kandelhard, NJW
2005, 630 ff.; Schulte-Nölke/Hawxwell, NJW 2005, 2117) mit mehr oder minder
eingehender Begründung eine andere Auffassung vertreten wird, fehlt es nach den
vorstehenden Ausführungen bereits an den für eine solche Auslegung
erforderlichen Voraussetzungen einer Regelungslücke oder eines Hinweises auf ein
gesetzgeberisches Versehen (so auch LG Hannover a. a. O.). Insbesondere der
eindeutige Wortlaut der Norm, der keinerlei Hinweise auf eine Verknüpfung der
Fristberechnung mit den subjektiven Voraussetzungen des § 199 BGB erkennen
lässt, bildet eine Grenze für teleologische Auslegungsversuche (vgl. hierzu auch
zutreffend Assmann/Wagner, a. a. O., Seite 3171 f.). Daher sind auch Erwägungen,
die – im Übrigen einseitig – auf das Interesse des Gläubigers abstellen, nicht
durchgreifend.
c) Letztlich kann diese Frage der Anwendbarkeit der Voraussetzungen des § 199
Abs. 1 Satz 2 BGB bei der Frage des Beginns der Verjährungsfrist nach neuem
Recht vorliegend dahinstehen. Selbst wenn man annimmt, dass die kürzere Frist
ab dem 1.1.2002 gemäß § 199 Abs. 1 Satz 2 BGB nur dann in Lauf gesetzt wird,
wenn der Gläubiger die den Anspruch begründenden Tatsachen kennt oder infolge
grober Fahrlässigkeit nicht kennt, endet die Verjährung vorliegend am 31.12.2004.
Denn die Klägerin wusste am 1.1.2002 bereits, dass die nach der Beratung durch
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Denn die Klägerin wusste am 1.1.2002 bereits, dass die nach der Beratung durch
den Beklagten zu 2) angeblich zuverlässig zu erwartende, weil garantierte
Ausschüttung von 7 % p. a. aus dem Drei-Länder-Fonds seit Jahren verfehlt wurde.
Die Ausschüttungen beliefen sich nach den Angaben der Klägerin im Schriftsatz
vom 12.10.2005 im Jahr 1998 auf ca. 73 %, im Jahr 1999 auf ca. 47 %, im Jahr
2000 auf 41 % und im Jahr 2001 schließlich auf nur noch 19 % des Betrages, der
bei einer Ausschüttung von 7 % p. a. zu erwarten gewesen wäre. Damit war für die
Klägerin hinreichend Veranlassung gegeben, bereits vor dem 1.1.2002 die Sach-
und Rechtslage hinsichtlich einer etwaigen Falschberatung zu überprüfen. Die zur
drastischen Verminderung der Ausschüttungen führenden Schwierigkeiten des
Fonds traten jedenfalls bereits im Jahr 2000 auf. Ab diesem Zeitpunkt konnte die
Klägerin erkennen, dass die von ihr behaupteten Angaben des Beklagten zu 2)
über die Beteiligung so nicht zutreffend sein konnten (vgl. hierzu auch OLG Celle,
Urteil vom 23.2.2006 – Az.: 11 U 165/05 - Anlage BB 16; LG Hannover, Urteil vom
31.3.2006 – Az.: 8 O 321/05 – zit. d. d. Beklagten: Bl. 651 d. A.). Die für eine
Begründung ihres Anspruchs auf Schadensersatz erforderlichen Tatsachen waren
der Klägerin daher entweder bekannt oder blieben ihr jedenfalls, soweit sie trotz
des Ausbleibens der angeblich zugesagten Ausschüttung keine weiteren
Prüfungen unternommen hat, in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt.
Dementsprechend vermag auch der Vortrag der Klägerin, sie sei erst aufmerksam
geworden, nachdem sie erfahren hatte, dass gegen den Initiator des Fonds, A,
Anklage wegen Betruges und Untreue erhoben worden sei, ebenso wenig eine
grob fahrlässige Nichtkenntnis zu widerlegen, wie der Vortrag, erst durch die
Rechtsberatung ihrer Prozessbevollmächtigten habe sie Kenntnis von den
schadensersatzbegründeten Tatsachen erlangt. Gerade wenn, wie die Klägerin
vorgetragen hat, der Beklagte zu 2) die Anlage als risikolos dargestellt und eine
feste Mindestausschüttung von 7 % p. a. zugesagt haben soll, hätte sich der
Klägerin in Folge der erheblich geringeren Ausschüttungsquoten aufdrängen
müssen, dass die Beratung nicht zutreffend gewesen sein konnte. Bei
Schadensersatzansprüchen ist grobe Fahrlässigkeit bereits dann zu bejahen, wenn
der Gläubiger in Kenntnis eines drohenden Schadens untätig bleibt, obgleich ihm
die Beschaffung von Informationen über die zur Anspruchsverfolgung relevanten
Tatsachen möglich und zumutbar war. Unerheblich ist auch der Vortrag der
Klägerin, dass infolge der Reduzierung der Renditeerwartungen die Sicherheit der
Anlage insgesamt nicht in Zweifel gezogen worden sei. Ausreichend ist vielmehr
die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis einer Pflichtverletzung, die
vorliegend bereits im Ausfall der fest zugesagten Ausschüttung gelegen haben
soll, ohne dass das wahre Ausmaß dieser Pflichtverletzung bereits bekannt
gewesen sein muss.
II.
Ein Anspruch auf Schadensersatz steht der Klägerin gegen den Beklagten zu 2)
nicht zu, da keine vertraglichen Beziehungen mit diesem zustande gekommen
sind und die Voraussetzungen einer persönlichen Haftung nicht vorliegen. Der
Beklagte zu 2) handelte, wovon auch die Klägerin ausgeht, bei der Anlageberatung
als Vertreter der Beklagten zu 1). Sämtliche den Anlagenberatungsvertrag
betreffenden Unterlagen weisen dementsprechend die Beklagte zu 1) als die
eigentliche Vertragspartnerin der Klägerin aus. Auch eine persönliche Haftung des
Beklagten zu 2) begründende quasivertragliche Ansprüche bestehen nicht. Die
Verpflichtungen aus einem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen
eines Vertreters begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis treffen grundsätzlich
nur den Vertretenen und nur unter ganz besonderen Umständen auch den
Vertreter selbst (vgl. BGH NJW 1990, 509; WM 1988, 1888, 1889). Solche
besonderen Umstände, die eine persönliche Haftung des Vertreters aus dem
Gesichtspunkt eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen begründen könnten,
sind vorliegend nicht gegeben. Sie erfordern entweder ein wirtschaftlich starkes
Eigeninteresse des Vertreters am Vertragsschluss oder ein in besonderem Maße
in Anspruch genommenes persönliches Vertrauen, durch das die
Vertragsverhandlungen erheblich beeinflusst werden (vgl. BGH NJW-RR 2005, 1137;
BGHZ 87, 27, 37 f.; BGH NJW-RR 1992, 605; Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007,
§ 311 Rn. 60 ff.).Ein besonderes wirtschaftliches Eigeninteresse des Vertreters
besteht nur dann, wenn dieser gleichsam in eigener Sache auftritt und
wirtschaftlich als Herr des Geschäfts oder als eigentlicher wirtschaftlicher
Interessenträger anzusehen ist. Solche Umstände hat die Klägerin nicht
vorgetragen. Die bloße Aussicht des Beklagten zu 2) auf eine Abschlussprovision
genügt insoweit nicht (BGH NJW 1990, 506).Die Inanspruchnahme besonderen
persönlichen Vertrauens setzt voraus, dass der Verhandelnde durch sein Auftreten
eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr
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eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr
für die Seriosität und Erfüllung und die Erfüllung des Vertrages übernommen hat
(BGH ZIP 2003, 571). Hierzu genügen nicht allein private Kontakte oder eine
bereits bestehende Geschäftsbeziehung (BGH NJW-RR 1992, 605). Sonstige
Umstände, die im vorliegenden Fall die Annahme einer Inanspruchnahme
besonderen persönlichen Vertrauens durch den Beklagten zu 2) rechtfertigen
könnten, liegen nicht vor. Die Klägerin hat insoweit allein darauf abgestellt, dass
der Beklagte zu 2) sie bereits 1995 in ihren wirtschaftlichen Angelegenheiten
beraten und zwischen ihnen ein freundschaftsähnliches Verhältnis bestanden
habe. Auch wenn die Klägerin dem Beklagten auf Grund dieser Umstände
sicherlich mehr Vertrauen entgegengebracht hat, als dies bei einem ihr fremden
Berater der Fall gewesen wäre, genügt dies zum einen nicht, um ein besonderes
persönliches Vertrauensverhältnis zu begründen und zum anderen lässt sich dem
Vortrag der Klägerin auch nicht entnehmen, dass der Beklagte zu 2) ein solches in
Anspruch genommen und dadurch auf die Beratungen Einfluss genommen hätte.
Soweit sich die Klägerin insoweit darauf beruft, dass der Beklagte zu 2) -
ausweislich seiner eigenen Angaben - anlässlich des Beratungsgesprächs gesagt
habe, dass die geschlossenen Immobilienfonds, die über die Beklagte zu 1)
vermittelt werden, in deren Servicezentrale einer Prüfung unterzogen werden, liegt
darin ebenso wenig eine Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens, wie in der
Mitteilung an die Klägerin, er selbst habe einen Anteil an dem Fonds gezeichnet.
Es handelt sich dabei vielmehr um übliche Verkaufsargumente. In diesen Angaben
liegt entgegen der Ansicht der Klägerin auch keine über das normale
Verhandlungsvertrauen hinausgehende Übernahme einer persönlichen Gewähr.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in
§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache
weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO). Dies ist hinsichtlich der
Bemessung der Geringfügigkeitsgrenze bei der Anwendung des § 167 ZPO schon
deshalb nicht der Fall, weil der BGH in Kenntnis der gegenteiligen
Rechtsauffassung von Zöller-Greger (a. a. O.) seine bisherige Rechtsauffassung
bestätigt hat. Hinsichtlich der Frage, ob bei der Anwendung der
Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB die subjektiven
Voraussetzungen des § 199 BGB zu berücksichtigen sind, handelt es sich zwar um
eine Rechtsfrage, hinsichtlich derer divergente Entscheidungen von
Oberlandesgerichten vorliegen. Jedoch beruht die Entscheidung des Senats
letztlich darauf, dass auch in Anwendung des § 199 BGB Verjährung eingetreten
ist, es mithin auf eine endgültige Klärung der Rechtsfrage nicht ankommt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.