Urteil des OLG Frankfurt vom 19.08.2005

OLG Frankfurt: akteneinsicht, ermittlungsverfahren, auflage, rechtsverletzung, entscheidungskompetenz, subsidiarität, rechtsschutzgarantie, erfüllung, bezirk, vorverfahren

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Gericht:
OLG Frankfurt 3.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 VAs 36/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 23 GVGEG, §§ 23ff GVGEG, §
147 Abs 5 S 2 StPO, § 161a
Abs 3 S 2 StPO, § 161a Abs 3
S 3 StPO
(Ermittlungsverfahren: Rechtsweg bei Ablehnung des
Akteneinsichtsantrags des Beschuldigten durch die
Staatsanwaltschaft)
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird auf Kosten des Antragstellers als
unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert wird auf 2500 € festgesetzt.
Gründe
Gegen den Antragsteller ist ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft
Gießen anhängig, in dessen Verlauf - seinem Vorbringen zufolge - bisher nur
partielle Akteneinsicht gewährt worden ist.
Mit Antrag vom 3.8.2005 strebt der Antragsteller eine Verpflichtung der
Staatsanwaltschaft Gießen zur Gewährung uneingeschränkter Akteneinsicht an.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist wegen der Subsidiarität dieses
Rechtsbehelfes (§ 23 III EGVG) unzulässig.
Der Rechtsweg nach § 23 ff. EGGVG ist nur eröffnet, wenn keine andere Möglichkeit
besteht, eine gesetzliche Entscheidung zu erlangen (§ 23 Abs. 3 EGGVG). Ziel der
Regelung dieser Vorschriften ist es, in Erfüllung der Rechtsschutzgarantie des
Artikel 19 Abs. 4 GG die Entscheidungskompetenz der ordentlichen Gerichte aus
Gründen der Sachnähe zu erweitern (vgl. Kammergericht Berlin, Beschluss vom
17.9.2001 - 1 Zs 1696/01 zitiert nach Juris). Demzufolge ist die Nachprüfung von
Maßnahmen der Justizbehörden nach diesen Bestimmungen verwehrt, wenn die
Kompetenz hierfür den ordentlichen Gerichten bereits aufgrund anderweitiger
gesetzlicher Bestimmungen zugewiesen ist. Eine solche Zuweisung ist im
vorliegenden Fall gegeben.
Mit der am 1. November 2000 in Kraft getretenen Neufassung des § 147 StPO hat
der Gesetzgeber die Zuständigkeit für die Gewährung von Akteneinsicht neu
geregelt und gegen die Versagung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft
in den in § 147 Abs. 5 S. 2 StPO genannten Fällen den Rechtsbehelf des Antrags
auf gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe des § 161 a Abs. 3 S. 2-4 StPO
vorgesehen. Über diesen hat das Landgericht zu entscheiden, in dessen Bezirk die
Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat (§ 161a Abs. 3 S. 2 StPO). Diese gesetzliche
Neuregelung soll - auch in den Fällen, in denen die Anfechtung entsprechender
Entscheidungen der Staatsanwaltschaft schon nach bisherigem Recht möglich war
- einheitlich den Rechtsweg nach § 161 a Abs. 3 S. 2-4 StPO eröffnen (vgl.
Bundestagsdrucksache 13/9718, Seite 37, 38; Kammergericht Berlin, Beschluss
vom 17.9.2001, - 4 VAs 24/01 -, zitiert nach Juris). Im übrigen stehen dem
Beschuldigten gegen ablehnende Verfügungen der Staatsanwaltschaft im
Vorverfahren außer Gegenvorstellung bzw. Dienstaufsichtsbeschwerde keine
Rechtsmittel zur Verfügung (vgl. HK, 3. Auflage, § 147 Rdz. 25; Laufhütte in KK, 5.
Auflage, § 147 Rdz. 24; Meyer-Goßner, 48. Auflage § 147 Rdz. 40).
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Auch ein Antrag nach § 23 ff. EGGVG ist nicht zulässig, denn aus § 147 Abs. 5 S. 2
StPO folgt nun, dass in den übrigen Fällen ein Rechtsbehelf nicht gegeben ist. Der
hierzu früher geführte Streit über die Anwendung der §§ 23 ff. EGGVG hat sich
damit erledigt (Laufhütte a.a.O. Rdz. 25; Meyer-Goßner a.a.O. ).
Bei einer willkürlichen Verweigerung der Akteneinsicht (vgl. OLG Frankfurt, NStZ-RR
1996, 40) hiervon eine Ausnahme zu machen, kommt vorliegend schon deshalb
nicht in Betracht, weil sich der Antragsschrift weder entnehmen lässt, dass der
Antragsteller diese Rechtsverletzung geltend macht noch auf welche Tatsachen
die Willkür gründen soll. Im übrigen könnte nach der Neuregelung des § 147 StPO
Rechtsschutz in diesen Fällen nur (noch) in analoger Anwendung des § 161 a III
StPO gewährt werden. Dies ergibt sich für den Senat aus den vom
Bundesgerichtshof zur Frage des Rechtsschutzes im Rahmen einer Anordnung
nach § 98 II StPO entwickelten Leitsätze (BGHSt 44, 265 ff., 45, 183 ff.) Danach
sind im Interesse einer für die Betroffenen klaren Rechtswegszuweisung und dem
Gebot des effektiven Rechtsschutzes die bei dieser Frage auftretenden Probleme
bei einem Gericht zu konzentrieren. Hierbei bietet sich vorliegend das gem. § 147
V 2 i.V.m. § 161 a III StPO zuständige Gericht an, da es die größte Nähe zum
Sachverhalt hat und ohnehin bereits zur Entscheidung über die dort genannten
Fallkonstellationen berufen ist.
Der Hilfsantrag, „über die Anträge gem. § 23 Abs. 1 EGGVG vom 03.06.2005,
05.06.2005 und 26.06.2005 zu entscheiden“ ist ebenfalls unzulässig.
Gem. § 24 EGGVG muss der Antragsteller einen Justizverwaltungsakt und
substantiiert einen Sachverhalt dartun, aus dem sich im Wege der
Schlüssigkeitsprüfung seine Rechtsverletzung durch die angefochtene oder
unterlassene (= begehrte) Maßnahme feststellen lässt (vgl. KK-Schoreit, StPO, 5.
Aufl., Rdnr. 1 zu § 24 EGGVG m.w.N.),
Diese Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen, ist dem Senat jedoch verwehrt, da der
Antragsteller keinerlei Ausführungen zum Inhalt der betreffenden Anträge
gemacht hat, und der Vortrag damit aus sich heraus nicht verständlich ist. Es ist
nicht Aufgabe des Senats, sich durch Beiziehung von Akten die entsprechenden
Anträge zu beschaffen bzw. sie sich aus einem Konvolut von Anlagen, auf die
insoweit auch nicht Bezug genommen wird, für die Schlüssigkeitsprüfung
gleichsam „herauszusuchen“.
Einer Vorlage des Antrages vom 3.5.2005 an das Amtsgericht Gießen bedarf es
nicht, zumal der Antragsteller dies - wie er vorträgt - bereits am Tage der
Antragstellung getan hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 30 I EGGVG, 130 KostO. Die Festsetzung
des Geschäftswertes findet ihre Grundlage in §§ 30 I EGGVG, 30 KostO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.