Urteil des OLG Frankfurt vom 23.06.2009

OLG Frankfurt: anschlussberufung, grundstück, treu und glauben, bunker, käufer, zustand, verkehrswert, ertragswert, kaufpreis, kaufvertrag

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Gericht:
OLG Frankfurt 16.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 U 223/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 434 Abs 1 S 2 Nr 2 BGB, §
437 Nr 2 BGB, § 441 Abs 3
BGB, § 441 Abs 4 S 4 BGB, §
444 BGB
Sachmangelhaftung beim Grundstückskauf: Reste eines
Luftschutzbunkers auf einem Baugrundstück als
Beschaffenheitsmangel
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. Oktober 2007, Az. 2-19 O 69/07, wird
zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil der 19. Zivilkammer des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. Oktober 2007, Az. 2-19 O 69/07, teilweise
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 160.523,80 € nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 157.500,- €
seit dem 24. März 2007 sowie aus 3.023,80 € seit dem 1. Februar 2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Anschlussberufung
zurückgewiesen.
Von den Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger 36 % und die Beklagte 64 %.
Von den Kosten der zweiten Instanz tragen der Kläger 56 % und die Beklagte 44
%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags
leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Minderungsansprüche aus einem Kaufvertrag über ein
Grundstück mit einem Zweifamilienhaus in Stadt1, unter dem sich Reste eines
gesprengten Luftschutzbunkers aus dem 2. Weltkrieg befinden.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl.
164 bis 166 d. A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 105.000,- € stattgegeben. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Grundstück sei wegen der
Bunkerruine mangelhaft. Die Beklagte könne sich nicht auf den im Kaufvertrag
vereinbarten Haftungsausschluss berufen, da sie den Mangel arglistig
verschwiegen habe. Zudem habe sie zumindest billigend in Kauf genommen, dass
der Kläger und seine Ehefrau bei Offenbarung der Existenz des Bunkers den
Kaufvertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätten. Die
durch den Bunker verursachte Wertminderung beliefe sich nach Schätzung des
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durch den Bunker verursachte Wertminderung beliefe sich nach Schätzung des
Gerichts auf 10 % des Kaufpreises und damit auf 105.000,- €.
Im Weiteren wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 166
bis 169 d. A.) verwiesen.
Gegen dieses ihr am 2. November 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit
einem am 29. November 2007 bei Gericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz
Berufung eingelegt und begründet.
Die Beklagte rügt, das Landgericht habe zu Unrecht einen Mangel angenommen.
Die übliche Beschaffenheit eines Kaufgegenstands bestimme sich nach dem dem
Käufer erkennbaren Zustand der Sache. Der Kläger habe eine Immobilie mit
Gartengrundstück erwerben wollen und erworben, wobei nach § 7 Ziff. 3 des
notariellen Vertrags die Verwendbarkeit des Grundstücks für bestimmte Zwecke
nicht geschuldet gewesen sei. Von dieser Erwartungshaltung her sei die Eignung
des Objekts für die gewöhnliche Verwendung vorbehaltlos gegeben, da die
Bewohnbarkeit des Hauses sowie die Nutzbarkeit des Gartens uneingeschränkt
gegeben seien. Deshalb sei selbst bei unterstellter Kenntnis der Beklagten von
dem Bunker eine Aufklärung nach Treu und Glauben nicht geschuldet gewesen.
Darüber hinaus unterstelle das Landgericht der Beklagten zu Unrecht Kenntnis von
dem Bunker, wobei es insbesondere unterlassen habe, entlastende Tatsachen zu
berücksichtigen. Schließlich sei die Schätzung des Landgerichts nach § 287 ZPO
ermessensfehlerhaft, zumal es damit dem unsubstantiierten klägerischen Vortrag
zu einem Teilerfolg verhelfe.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26.
Oktober 2007, Az. 2 - 19 O 69/07, die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt der Kläger,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26.
Oktober 2007, Az. 2 – 19 O 69/97, die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere
260.539,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 1. September 2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, soweit die Beklagte verurteilt
worden ist. Mit seiner Anschlussberufung begehrt er unter Erweiterung der Klage
Minderung in Höhe der Mangelbeseitigungskosten, die nach einem bereits
erstinstanzlich vorgelegten Privatgutachten des Sachverständigen SV1 erforderlich
seien. Zudem macht er die für die Erstellung des Gutachtens angefallenen Kosten
geltend.
Die Beklagte hält den mit der Anschlussberufung gehaltenen Sachvortrag für
unsubstantiiert und verspätet.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 20. Mai 2008 (Bl. 251
f. d. A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und durch
mündliche Anhörung des Sachverständigen.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des
Sachverständigen SV2 vom 16. Februar 2009 (hintere Aktentasche) und auf die
Sitzungsniederschrift vom 2. Juni 2009 (Bl. 319 ff. d. A.) verwiesen.
II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet, während die
Anschlussberufung des Klägers zulässig und zum Teil begründet ist und zur
teilweisen Abänderung des angefochtenen Urteils führt.
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Der Kläger begehrt von der Beklagten Kaufpreisminderung. Anspruchsgrundlage
ist daher entgegen der Annahme des Landgerichts, das die Voraussetzungen für
einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung geprüft hat, §§ 437 Ziff. 2,
441 Abs. 4 S. 4 BGB (i.V.m. § 398 BGB).
Danach hat der Verkäufer einer mangelhaften Sache den Mehrbetrag zu erstatten
hat, wenn der Käufer mehr als den geminderten Kaufpreis gezahlt hat. Dieser
Anspruch des Klägers gegen die Beklagte beläuft sich auf 157.500,- €.Das
Landgericht hat zunächst zutreffend angenommen, dass das von dem Kläger
erworbene Grundstück aufgrund der dort befindlichen Bunkerruine mangelhaft ist.
Da die Parteien keine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben und nach § 7
Ziff. 3 des notariellen Vertrags die Verwendbarkeit des Grundstücks für bestimmte
Zwecke nicht geschuldet ist, wäre das Grundstück nach § 434 Abs. 1 S. 2 Ziff. 2
BGB dann frei von Sachmängeln, wenn es sich für die gewöhnliche Verwendung
eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist
und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Dabei bestimmt sich die
Frage, welche Beschaffenheit der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann,
objektiv nach dem Erwartungshorizont eines vernünftigen Durchschnittskäufers
(Bamberger/Roth/Faust, Beck´scher Online-Kommentar, Stand 1. Februar 2007 §
434 BGB Rn. 72; Staudinger/Matusche-Beckmann, Bearbeitung 2004, § 434 BGB
Rn. 77; Palandt/Weidenkaff, 68. A., § 434 BGB Rn. 30; BGH, NJW 2007, 1351).
Vorliegend handelt es sich bei dem Kaufgegenstand um ein aus ursprünglich zwei
selbständigen Flächen bestehendes Grundstück, das mit einem Zweifamilienhaus
bebaut ist und im unbebauten Teil derzeit einen Garten aufweist. Es liegt in Stadt1
und damit in einem Wohngebiet, das planungsrechtlich als Bauland ausgewiesen
ist. Es handelt sich um eine gehobene bis sehr gute Wohnlage, was sich in dem
von dem Sachverständigen SV2 in seinem Gutachten vom 16. Februar 2009 mit
500,- €/m² angegebenen Bodenrichtwert und in dem von dem Kläger entrichteten
Kaufpreis niederschlägt. Vor diesem Hintergrund kann ein vernünftiger
Durchschnittskäufer erwarten, dass ein Grundstück vergleichbarer Art nicht mit
Resten eines gesprengten Luftschutzbunkers versehen ist, die sich über eine
Länge von über 20 m, eine Breite von ca. 4 m und eine Höhe über Boden von ca.
1,60 m auf dem Grundstück verteilen und die sowohl eine uneingeschränkte
gärtnerische Nutzung als auch eine veränderte bauliche Nutzung zumindest
wesentlich erschweren und beeinträchtigen. Dabei kann die Beklagte nicht damit
gehört werden, dass sie lediglich eine Immobilie mit Gartenland veräußert habe
und eine bestimmte Verwendbarkeit des Grundstücks nicht geschuldet war. Auch
wenn keine ausdrückliche Veräußerung als Bauland erfolgte, konnte ein
durchschnittlicher Käufer erwarten, dass ein bebautes Grundstück in dieser
Wohnlage eine Beschaffenheit aufweist, die baulichen Veränderungen und
geänderten bauliche Nutzungen nicht entgegensteht. Etwas ergibt sich auch dann
nicht, wenn man - wie die Beklagte - auf den subjektiven Erwartungshorizont
speziell des Klägers abstellt. Auch wenn der Kläger das Grundstück nicht zum
Zweck der weiteren Bebauung mit einem konkreten Bauvorhaben erworben hat,
ist unstreitig, dass die Parteien im Zuge der Verkaufsgespräche über die Frage der
Bebaubarkeit gesprochen haben. Die Beklagte hat zumindest angegeben (vgl.
Schriftsatz vom 20. August 2008 S. - Bl. 148 d. A.) erklärt zu haben, dass nach
ihrer Kenntnis eine Baugenehmigung für den zweiten Grundstücksteil existiere.
Damit hat sie aber in dem Kläger die Erwartung erweckt, dass das Grundstück eine
Beschaffenheit aufweist, die grundsätzlich auch eine weitere Bebauung oder
bauliche Veränderung des bestehenden Zustands ermöglicht. Erwartungen
können aber auch durch frühere Äußerungen des Verkäufers geweckt werden,
selbst wenn sie später nicht Vertragsinhalt werden (Bamberger/Roth/Faust, a.a.O.,
§ 434 Rn. 72).
Der Annahme eines Mangels steht auch nicht die Angabe des Sachverständigen
entgegen, wonach die Nutzung als Gartenland im belasteten Zustand keine
signifikanten Beeinträchtigungen aufweise (Gutachten S. 47). Der Sachverständige
hat insoweit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass er
sich mit dieser Äußerung auf den baulichen Istzustand bezogen hat. Dessen
ungeachtet muss es aber einem Käufer im Rahmen der gewöhnlichen Verwendung
des Grundstücks möglich sein, auch Veränderungen in der Gartengestaltung
vorzunehmen, z.B. eine insgesamt ebene Rasenfläche zu erstellen. Von daher ist
selbst die Nutzungsmöglichkeit des Gartens durch die Bunkerreste eingeschränkt.
Das Landgericht hat weiterhin zutreffend angenommen, dass sich die Beklagte
nach § 444 BGB nicht auf den unter § 7 Ziff. 4 des notariellen Vertrags
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nach § 444 BGB nicht auf den unter § 7 Ziff. 4 des notariellen Vertrags
vereinbarten Haftungsausschluss berufen kann, da sie den Mangel arglistig
verschwiegen hat.
Ein arglistiges Verschweigen setzt zunächst voraus, dass der Verkäufer den Fehler
kennt oder ihn zumindest für möglich hält, wobei es genügt, dass er die den Fehler
begründenden Umstände Kennt (oder für möglich hält); ob er sie rechtlich
zutreffend als Fehler im Sinne des Gesetzes einordnet, ist demgegenüber ohne
Belang (BGH, NJW 2007, 835). Das Landgericht hat zu Recht aus einer Vielzahl von
Tatsachen den Schluss gezogen (§ 286 ZPO), dass die Beklagte Kenntnis von den
Bunkerresten und damit von den einen Fehler begründenden Umständen hatte.
Der Schwiegervater der Beklagten, der Bauunternehmer ..., hatte das Grundstück
1955/56 erworben sowie anschließend bebaut. Er hat bis in die 80er Jahre hinein
einen Prozess wegen Erschließungskosten geführt, die er in Anbetracht der
Wertlosigkeit des Grundstücks für die weitere Bebauung nicht bezahlen wollte. Die
Beklagte ist 1984 und damit zu einem Zeitpunkt in das Haus eingezogen, als der
Rechtsstreit zumindest noch nicht lange zurücklag. Sie lebte dort mit dem
Schwiegervater und dessen Sohn, ihrem Ehemann, zusammen, der ebenfalls
Kenntnis von dem Bunker hatte und diese Kenntnis auch Nachbarn gegenüber
kommunizierte. Desgleichen wussten ihre Schwägerin sowie ihr Schwager -
ebenfalls Partner im Bauunternehmen - von dem Bunker; letzterer hat die
Beklagte bei dem Verkauf des Hauses beraten. 1995 fand ein Schwimmbadbau
statt, in dessen Zuge - was die Beklagte wusste - die Böschung mit weiterem
Mutterboden aufgefüllt und teilweise neu bepflanzt wurde, wodurch sich der
Böschungswinkel deutlich erhöhte. Unstreitig haben auch eine Vielzahl
unmittelbarer Nachbarn Kenntnis von dem Bunker, und zwar nicht nur ältere, die
den Bunker aus eigener Anschauung heraus kennen, sondern auch solche, die
zeitlich mit der Beklagten in das Gebiet gezogen sind. Dabei haben einige
Nachbarn direkt von dem Ehemann der Beklagten von dem Bunker erfahren. Vor
diesem Hintergrund erscheint es dem Senat nicht glaubhaft, wenn die Beklagte
angibt, dessen ungeachtet nichts von dem Bunker gewusst zu haben. Wenn alle in
der Familie davon Kenntnis hatten und diese Kenntnis - insbesondere der eigene
Ehemann - sogar an Nachbarn weitergetragen haben, dann spricht die
Lebenserfahrung dafür, dass auch die Beklagte mitbekommen hat, dass sich auf
dem Grundstück Bunkerreste befinden. Zudem gab es durchaus Anlass, auch
innerhalb der Familie über die Bunkerrest zu sprechen, so anlässlich des
Rechtsstreits des Schwiegervaters oder der Neugestaltung der Böschung im Zuge
des Schwimmbadbaus.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass gegen eine Kenntnis der Beklagten der
Umstand sprechen könnte, dass sie bei Übergabe des Hauses einen Ordner
zurückließ, in dem sich zahlreiche Dokumente über den Bunker befinden.
Allerdings kann sie dabei auch von der Hoffnung getragen worden sein, der Kläger
werde dem keine weitere Bedeutung beimessen. Insofern ist dieser Umstand
angesichts der sonstigen dargelegten Umstände, die für eine Kenntnis der
Beklagten sprechen, nicht geeignet, die persönliche Gewissheit des Senats zu
erschüttern, für die ausreicht, dass sie den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie
völlig auszuschließen (Zöller/Greger, 27. A., § 286 Rn. 19).
Die Beklagte hätte im Weiteren den Kläger über den ihr bekannten Bunker
aufklären müssen.
Eine Aufklärungspflicht besteht, wenn der Verkäufer, der den Mangel kennt oder
ihn mindestens für möglich hält oder mit ihm rechnet, billigend in Kauf nimmt,
dass der Käufer ihn übersieht und den Vertrag in Kenntnis des Mangels nicht oder
nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte; dabei muss es sich um
Umstände handeln, die für die Kaufentscheidung von Bedeutung sind
(MünchKomm / Westermann, 5. A., § 438 BGB Rn. 29; Staudinger/Matusche-
Beckmann, a.a.O. § 438 BGB Rn. 85; BGHZ 123, 363). Dabei erfasst das
Tatbestandsmerkmal der Arglist nicht nur ein Handeln des Veräußerers, das von
betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, bei
denen es an einer betrügerischen Absicht fehlt, die vielmehr auf bedingten Vorsatz
- im Sinne eines (bloßen) "Fürmöglichhaltens" und "Inkaufnehmens" - reduziert
sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (BGHZ
123, 363). Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die
Voraussetzungen einer Aufklärungspflicht gegeben sind und der Kläger den
Kaufvertrag bei Kenntnis des Vorhandenseins der Bunkerreste zumindest nicht mit
dem vereinbarten Inhalt abgeschlossen hätte. Selbst wenn der Kläger das
Grundstück lediglich als Immobilie mit Gartenland erworben hätte, wie die Beklagte
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Grundstück lediglich als Immobilie mit Gartenland erworben hätte, wie die Beklagte
geltend macht, konnte sie nicht davon ausgehen, dass es für einen Käufer ohne
Belang ist, wenn ein großer Teil des Grundstücks mit Bunkerresten belastet ist, die
zwar nicht der Nutzung im Istzustand, aber einer uneingeschränkten
Gartengestaltung im Wege wären. Zudem hat das Landgericht zu Recht darauf
hingewiesen, dass die Existenz des Bunkers auch vor dem Hintergrund einer
möglichen Bebauung für den Kläger von Bedeutung sein konnte. Denn wie bereits
dargelegt, haben die Parteien vor Abschluss des Kaufvertrags über die Möglichkeit
der Bebauung des anderen Grundstücksteils gesprochen. Auch wenn der Kläger
nicht die konkrete Absicht geäußert haben mag bauen zu wollen, war für die
Beklagte erkennbar, dass eine Offenbarung des Vorhandenseins von ein
Bauvorhabens zumindest wesentlich erschwerender Bunkerreste für die
Kaufentscheidung des Klägers - und sei es auch nur hinsichtlich der
Preisgestaltung - von Bedeutung sein würde. Hinzu kommt, dass der Kläger die
Beklagte unstreitig danach gefragt hat, ob der Grund und Boden belastet sei oder
ob es irgendwelche Beschränkungen gäbe. Selbst wenn gesprengte Bunkerreste
nicht unter die gesetzliche Definition von Altlasten fallen sollten, musste die
Beklagte aufgrund dieser Frage davon ausgehen, dass diese Bunkerreste für den
Vertragsschluss und -inhalt nicht ohne Folgen seinen konnten.
Eine für die Geltendmachung einer Minderung grundsätzlich erforderliche
Fristsetzung war hier nach den von der Berufung nicht angegriffenen
Feststellungen des Landgerichts entbehrlich, so dass der Kläger zur Minderung des
Kaufpreises berechtigt ist.
Bei einer Minderung ist gemäß § 441 Abs. 3 S. 1 BGB der Kaufpreis in dem
Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der
Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde.
Dies führt vorliegend dazu, dass die Minderung und damit der
Rückzahlungsanspruch nach § 441 Abs. 4 S. 1 BGB 157.500,- € beträgt.
Nach § 441 Abs. 3 S. 2 BGB ist die Minderung, soweit erforderlich, durch
Schätzung zu ermitteln. Allerdings hat es vorliegend nach Auffassung des Senats
an greifbaren Anhaltspunkten gefehlt, die einer Schätzung hätten zugrunde gelegt
werden können. Der Senat hat deshalb ein Sachverständigengutachten eingeholt,
um die Minderungshöhe zumindest annäherungsweise bestimmen zu können.
Von der Einholung eines Sachverständigengutachtens war nicht deshalb
abzusehen, weil das erstinstanzliche klägerische Vorbringen zur Minderungshöhe
widersprüchlich und damit unbeachtlich gewesen wäre. Für den Kläger bestand die
Schwierigkeit, hinsichtlich eines möglichen Minderungsbetrags vorzutragen. Er hat
deshalb zunächst seine Forderung anhand dreier Kostenvoranschläge der Firmen
A GmbH und B GmbH beziffert. Dessen ungeachtet war es ihm nicht verwehrt,
durch Vorlage eines Privatsachverständigengutachtens darauf hinzuweisen, dass
die zunächst angesetzten Kosten eher zu niedrig bemessen sein dürften. Dadurch
wurde sein Vortrag nicht unsubstantiiert.
Der Senat geht zur Ermittlung der Minderung zunächst mit dem Sachverständigen
SV2 davon aus, dass der objektive Verkehrswert des Grundstücks ohne die im
Boden befindlichen Überreste des Bunkers mit 1.065.000,- € und der Verkehrswert
mit den Überresten mit 904.000,- € anzusetzen ist. Der Sachverständige hat
zunächst nachvollziehbar den Sachwert des Grundstücks im unbelasteten Zustand
mit 951.500,- € und den Ertragswert mit 1.065.000,- € ermittelt. Dabei hat er in
der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 2. Juni 2009 in seiner Anhörung
dargelegt, warum er keinen Mittelwert zwischen dem Sachwert und dem
Ertragswert gewählt, sondern letztlich den Verkehrswert mit dem Ertragwert
gleichgesetzt hat. Er hat dies für den Senat verständlich damit erklärt, dass sich
der Ertragswert gut ermitteln lasse und ein Vergleich mit anderen Kauffällen
gezeigt habe, dass der Ertragswert den Marktwert besser widerspiegele als der
Sachwert.
Der Senat hat auch keine Bedenken, dem Sachverständigen darin zu folgen, einen
Sicherheitsabschlag für Instandsetzungskosten zum Wertermittlungsstichtag in
Höhe von 25.000,- € in Ansatz zu bringen. Zwar hat die Beklagte pauschal
behauptet, das Gebäude sei in renoviertem Zustand veräußert worden. Allerdings
hat der Sachverständige im Rahmen des Ortstermins unter Anwesenheit beider
Parteien festgehalten, welche Modernisierungs- und Renovierungsmaßnahmen
nach dem Wertermittlungsstichtag durchgeführt worden sind, und daraus auf zum
Wertermittlungsstichtag erforderliche Sanierungs- und
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Wertermittlungsstichtag erforderliche Sanierungs- und
Instandsetzungsmaßnahmen rückgeschlossen, die er mit brutto 25.000,- €
beziffert hat. Dies hat er in der mündlichen Verhandlung ergänzend dahingehend
erläutert, dass die geschätzten Kosten zum Stichtag erforderlich waren, um das
Haus weiterhin nutzen zu können. Deshalb ist es nach Auffassung des Senats
gerechtfertigt, diese Kosten bei der Ermittlung des Verkehrswerts in Abzug zu
bringen, so dass sich der Verkehrswert im unbelasteten Zustand am 15. Juli 2005
auf geschätzte 1.065.000,- € belief.
Zur Ermittlung des Verkehrswerts im belasteten Zustand hat der Sachverständige
zunächst die Beseitigungskosten der Bunkerruine unter Berücksichtigung von
Sowieso kosten auf ca. 145.000,- € geschätzt, was von den Parteien im Einzelnen
nicht angegriffen wird. Soweit er dabei von einem Bauvorhaben ausgegangen ist,
dass die Entfernung der Bunkerfragmente erfordert, ist dies nach Ansicht des
Senats nicht zu beanstanden, da letztlich nur die Beseitigung der Reste dem
Interesse eines durchschnittlichen Käufers auf uneingeschränkte Nutzbarkeit des
Grundstücks entspricht. Im Übrigen hat der Sachverständige in seiner mündlichen
Anhörung verdeutlicht, dass auch die Kosten für die von ihm vorgestellten
Bauvarianten I und II mit ähnlichen Unwägbarkeiten verbunden sind wie die Kosten
hinsichtlich der gewählten Variante III. Weiterhin hat der Senat keine Bedenken,
einen psychologischen Minderwert in Höhe von 21.000,- € als Wertminderung
anzusetzen. Die Annahme eines merkantilen Minderwerts beruht gerade auf der
Lebenserfahrung, dass eine einmal mit Mängeln behaftet gewesene Sache trotz
sorgfältiger und vollständiger Reparatur im Geschäftsverkehr vielfach niedriger
bewertet wird (BGH, VersR 78, 328 für ein Gebäude). Von daher ist es auch bei
einem gesprengten Luftschutzbunker, bei dem zudem wertrelevante
Kontaminationen im Erdreich aufgrund der vorgenommenen Sprengungen nicht
völlig auszuschließen sind, naheliegend, dass der Geschäftsverkehr einen
Sicherheitsabschlag vornehmen würde. Daran ändert nach Auffassung des Senats
der Umstand nichts, dass das Grundstück in einer gehobenen Wohnlage liegt;
denn auch dann hat der Geschäftsverkehr ein Interesse daran, für einen hohen
Kaufpreis ein Grundstück ohne Verdacht auf verborgen gebliebene Mängel zu
erwerben. Letztlich hat der Sachverständige den merkantilen Minderwert mit 2 %
sehr gering angesetzt, so dass der Senat keine Veranlassung hat, dem nicht zu
folgen. Schließlich hat der Sachverständige die von ihm aufgrund der Baukosten
und des psychologischen Minderwerts ermittelte Wertminderung einer
Plausibilitätsbetrachtung unterzogen, die seine Annahmen trägt. Er hat insoweit
eine Analogie zu innerstädtischem Gartenland gezogen, den unbebauten
Grundstücksteil mit dem Bodenrichtwert für innerstädtisches Gartenland bewertet
und diesen Wert zu dem Ertragswert für den überbauten Grundstücksanteil
addiert. Das Ergebnis entspricht in der Größenordnung in etwa dem nach Abzug
der geschätzten Beseitigungskosten und des psychologischen Minderwerts
ermittelten Verkehrswert. Somit ist mit dem Sachverständigen von einem
Verkehrswert mit den Überresten des Luftschutzbunkers von 904.000,- €
auszugehen.
Daraus folgt für die Berechnung des Minderwerts folgendes:
Bei der Berechnung der Minderung ist von dem vereinbarten Kaufpreis
auszugehen. Er ist in dem Verhältnis herabzusetzen, in dem der Wert der
mangelfreien Sache zu dem Wert der mangelhaften Sache steht. Der Wert der
mangelhaften Sache (904.000,- €) beträgt gerundet 85 % des Werts der
mangelfreien Sache (1.065.000,- €). Der Kläger hat 1.050.000,- € gezahlt. 85 %
davon betragen 892.500,- € mit der Folge, dass der Kläger 157.500,- € zu viel
gezahlt hat.
Daraus folgt, dass die Berufung der Beklagten keinen Erfolg hat. Vielmehr ist das
Urteil auf die Anschlussberufung des Klägers dahin abzuändern, dass dem Kläger
ein Minderungsanspruch in Höhe von 157.500,- € zusteht.
Die Anschlussberufung ist zulässig, insbesondere innerhalb der Frist des § 524
Abs. 2 S. 2 ZPO eingelegt. Soweit der Kläger mit seiner Anschlussberufung seinen
Klageantrag hinsichtlich der begehrten Minderung erweitert hat, liegt keine
Klageänderung nach § 533 ZPO, sondern eine nicht unter § 533 ZPO fallende (vgl.
BGH, NJW 2004, 2152) Klageerweiterung nach § 264 Ziff. 2 ZPO vor, da der Kläger
den bisherigen Streitgegenstand nicht durch einen anderen ersetzt, sondern
lediglich seinen Klageantrag in der Hauptsache erweitert hat, indem er eine andere
Berechnung vorgenommen hat (vgl. dazu Zöller/Greger, a.a.O., § 264 Rn. 3a).
Soweit sich der Kläger dabei auf das Privatgutachten SV1 beruft, liegt auch kein
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Soweit sich der Kläger dabei auf das Privatgutachten SV1 beruft, liegt auch kein
neuer Vortrag vor, da der Kläger das Gutachten bereits in erster Instanz zur
Untermauerung der Berechtigung seines Anspruchs eingeführt hat. Nach
Auffassung des Senats durfte sich der Kläger im Rahmen seiner
Anschlussberufung auch im Wesentlichen auf dieses Gutachten beziehen. Zwar
kann die einfache Bezugnahme auf ein Privatgutachten die eigene verantwortliche
Stellungnahme des Berufungsanwalts zu der tatsächlichen und rechtlichen
Würdigung des Streitstoffs in dem angefochtenen Urteil nicht ersetzen (BGH, MDR
1963, 438; NJW 1967, 728). Vorliegend handelt es sich jedoch nicht um einen
solchen Fall, in dem sich die Ausführungen lediglich in einem Verweis auf ein
Gutachten erschöpfen. Der klägerische Anwalt hat klargestellt, dass das Urteil nur
hinsichtlich des zugesprochenen Betrags angegriffen wird, und insoweit angeführt,
dass der Kläger seiner Auffassung nach verlangen kann, so gestellt zu werden, wie
er ohne Mangel stünde. Der Anspruch zielt danach auf den Wertunterschied
zwischen der mangelhaften und der mangelfreien Sache, den der Kläger anhand
des in Bezug genommenen Privatgutachtens SV1 beziffert. Diese Angaben
machen in Verbindung mit den vorherigen Ausführungen zur Frage der
Mangelhaftigkeit des Grundstücks deutlich, dass sich der Kläger dagegen wendet,
den Minderungsbetrag unterhalb der Kosten für die Beseitigung der Bunkerreste
anzusetzen. Von daher liegt eine wenn auch sehr knapp gehaltene, so doch nach
Auffassung des Senats ausreichende Begründung des mit der Anschlussberufung
geltend gemachten Anspruchs vor. Der Kläger musste dabei auch nicht den Inhalt
des Privatgutachtens schriftsätzlich wiedergeben. Denn die Höhe der Minderung
unterliegt im Wesentlichen der vom Gericht vorzunehmenden Schätzung, so dass
das Privatgutachten - ähnlich wie die von der Beklagten vorgelegten Schätzungen
und Kostenvoranschläge - damit im Wesentlichen als Arbeitshilfe für das
erkennende Gericht bzw. den eingeschalteten Sachverständigen dient. Insofern ist
es ausreichend, dass der Kläger das Gutachten schriftsätzlich eingereicht und
dargelegt hat, sich die darin enthaltenen Angaben - unter Aufgabe der
Beschränkungen der ersten Instanz - zu eigen zu machen.
Soweit der Kläger mit seinem erweiterten Klageantrag zusätzlich zu dem
Minderungsanspruch einen Schadensersatzanspruch wegen der für das Gutachten
SV1 angefallenen Kosten geltend macht, handelt es sich um eine Klageänderung
nach § 533 ZPO, die sachdienlich ist, da sie geeignet ist, die Frage der
Kostentragung für ein im Rahmen des Rechtsstreits eingeholtes Privatgutachten
im anhängigen Rechtsstreit auszuräumen und einer weiteren Rechtsstreitigkeit
vorzubeugen. Zudem ist die Höhe der angefallenen Gutachterkosten von der
Beklagten nicht bestritten worden, so dass diese Angaben der Verhandlung und
Entscheidung über die Anschlussberufung zugrunde gelegt werden können.
Die Anschlussberufung des Klägers hat auch insoweit teilweise Erfolg, als der
Kläger - wie oben dargelegt - gegen die Beklagte einen Minderungsanspruch in
Höhe von insgesamt 157.500,- € und damit über den erstinstanzlichen
ausgeurteilten Betrag hinaus hat, so dass das Urteil entsprechend abzuändern ist.
Zudem hat der Kläger gegen die Beklagten einen Anspruch auf Ersatz der
Gutachterkosten für das Privatgutachten des Sachverständigen SV1 in Höhe von
3.023,80 € aus §§ 437 Abs. 1 Ziff. 3, 280 BGB. Der Schädiger hat nämlich die
Kosten eines von dem Geschädigten zur Bestimmung der Schadenshöhe
eingeholten Sachverständigengutachtens zu ersetzen, soweit dieses - wie hier -
aus Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist (MünchKomm/Oetker, 5.
A., § 249 Rn. 371).
Hinsichtlich der Zinsen ist zu differenzieren. Der Kläger hat gegen die Beklagte
einen Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus 157.500,- € seit dem 24. März 2007 (Rechtshängigkeit) aus §§ 291, 288 Abs. 1
BGB. Hinsichtlich der erstmals mit der Anschlussberufung geltend gemachten
Gutachterkosten sind Zinsen erst ab Rechtshängigkeit der Anschlussberufung, d.
h. ab dem 1. Februar 2008, zu zahlen. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf
Zahlung von Zinsen bereits ab dem Tag der Überweisung des Kaufpreises besteht
nicht.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2
ZPO. Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da es sich
lediglich um die Anwendung des geltenden Rechts und der Rechtsprechung auf
einen Einzelfall handelt und die Rechtssache damit keine grundsätzliche
Bedeutung hat; zudem erfordert auch die Fortbildung des Rechts oder die
Bedeutung hat; zudem erfordert auch die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts nicht. Der Streitwert für die Berufung wird auf 365.539,45 €
festgesetzt (Berufung: 105.000,- €; Anschlussberufung: 260.539,45 €).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.