Urteil des OLG Frankfurt vom 02.08.2007

OLG Frankfurt: einzelrichter, verfassungskonforme auslegung, vormerkung, beschwerdekammer, urkunde, ausnahme, eltern, vollzug, anteil, eigentum

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 289/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 14
Abs 5 KostO, § 14 Abs 7 KostO
(Beschwerde gegen eine Gebührenberechnung im
Grundbuchverfahren: Pflicht des Einzelrichters zur
Übertragung des Verfahrens auf die Beschwerdekammer)
Leitsatz
Bei grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtssache muss der Einzelrichter sie nach § 14
Abs. 7 Satz 2 KostO zur Entscheidung auf die Kammer übertragen. Entscheidet er
selbst und lässt die weitere Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, ist die
Zulassung für das Rechtsbeschwerdegericht bindend. Auf die entsprechend eingelegte
weitere Beschwerde ist die Entscheidung des Einzelrichters wegen Verstoßes gegen Art.
101 Abs. 1 S. 2 GG aufzuheben.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur neuen
Entscheidung an das Beschwerdegericht (Einzelrichter) zurückverwiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden
nicht erstattet.
Gründe
Der Kostenschuldner schloss am 07.11.2006 zu UR-Nr. .../2006 seines
Verfahrensbevollmächtigten mit seinen Eltern einen Vertrag, durch den ihm der
betroffene Grundbesitz im Weg vorweggenommener Erbfolge übertragen wurde.
Außerdem übertrug ihm sein Vater seinen Anteil an einer GbR, die keinen
Grundbesitz hält, sondern eine Staatsdomäne nebst deren Eigentums- und
Pachtflächen bewirtschaftet. Der Kostenschuldner bestellte in der Urkunde
außerdem ein Altenteil für seine Eltern und bewilligte die Eintragung einer
Vormerkung zur Sicherung der Erhöhung der mit dem Altenteil verbundenen
Barleistungen. Für den Vollzug der Urkunde im Grundbuch wurden mit
Kostenrechnung vom 04.01.2007 Gebühren in Höhe von insgesamt 571,95 € in
Rechnung gestellt, wobei den Gebühren für die Eigentümerübertragung und die
Katasterfortschreibung jeweils 300.000,00 € als Geschäftswert zu Grunde gelegt
wurde entsprechend der unter § 7 des Übergabevertrags enthaltenen Angabe, der
Wert der landwirtschaftlichen Grundstücke betrage 300.000,00 €. Die Gebühren für
die Eintragung des Altenteils und der Vormerkung wurden aus einem
Geschäftswert von 192.000,00 € berechnet.
Mit Beschluss des Amtsgerichts –Grundbuchamts- vom 24.05.2007 wurde auf die
Erinnerung des Kostenschuldners der Wert für die Eintragung der Vormerkung
reduziert auf 57.600,00 €. Auf die Erinnerung der Staatskasse hat das Amtsgericht
den Geschäftswert für die Gebühren für die Eigentumsumschreibung und die
Katasterfortschreibung auf 486.045,00 € erhöht entsprechend dem Wert laut
Bodenrichtwert von 3,00 €/qm. Eine Bewertung nach § 19 Abs. 4 KostO wurde
abgelehnt, da keine Hofstelle übergeben worden sei, auch ein Sicherheitsabschlag
sei nicht zu machen.
Dagegen hat der Kostenschuldner Beschwerde eingelegt, mit der er geltend
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Dagegen hat der Kostenschuldner Beschwerde eingelegt, mit der er geltend
gemacht hat, obwohl die Hofstelle nicht im Eigentum des Übergebers stehe,
sondern nur zugepachtet sei, müsse die verfassungskonforme Auslegung von § 19
Abs. 4 KostO dazu führen, dass vorliegend die Übergabe ebenfalls nach § 19 Abs.
4 KostO zu bewerten sei. Sollte dem nicht gefolgt werden, müsse aber auf den
entsprechend der Bodenrichtkarte sich ergebenden Wert ein Sicherheitsabschlag
von 50 % gemacht werden. Für die Eintragung der Veränderungsvormerkung sei
unter Anwendung von § 62 Abs. 2 KostO nur eine viertel Gebühr zu erheben. Der
Kostenschuldner hat ferner wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur
Entscheidung stehenden Frage die Zulassung der weiteren Beschwerde nach § 14
Abs. 5 KostO angeregt.
Mit Beschluss vom 26.06.2007, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat die
3. Zivilkammer des Landgerichts Hanau durch den Einzelrichter die Beschwerde
des Kostenschuldners zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen.
Gegen den Beschluss des Landgerichts hat der Kostenschuldner weitere
Beschwerde eingelegt, mit der er seine Anträge auf Ermäßigung des
Geschäftswertes und des Gebührensatzes weiterverfolgt.
Die weitere Beschwerde des Kostenschuldners ist nach § 14 Abs. 5 Satz 1 KostO
zulässig, insbesondere infolge Zulassung in dem landgerichtlichen Beschluss, an
die der Senat gebunden ist (§ 14 Abs. 5 Satz 4, Abs. 4 Satz 4 KostO), und auch
begründet.
Die Entscheidung des Einzelrichters ist unter Verletzung des Verfassungsgebots
des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entstanden. Dieser Mangel
ist von Amts wegen zu berücksichtigen und führt zur Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das Beschwerdegericht.
Zwar entscheidet nach § 14 Abs. 7 Satz 1 KostO über die Beschwerde eines der
Mitglieder der Beschwerdekammer, wenn die angefochtene Entscheidung von
einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Darin liegt eine
Ausnahme zu dem nach §§ 30 Abs. 2 Satz 2 FGG, 526 ZPO für den Bereich des
FGG prinzipiell geltenden Prinzip des fakultativen Einzelrichters, weshalb es keines
Übertragungsbeschlusses der Kammer bedurfte.
Diese Ausnahme gilt nach § 14 Abs. 7 Satz 2 KostO jedoch nicht, wenn die Sache
besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Wie der Formulierung " der
Einzelrichter überträgt…" zu entnehmen ist, darf der Einzelrichter nicht
entscheiden, wenn er der Sache grundsätzliche Bedeutung zumisst, sondern muss
das Verfahren zwingend auf die Kammer übertragen. Grundsätzliche Bedeutung
einer Rechtssache und Einzelrichterzuständigkeit schließen sich aus. Deshalb führt
in den Fällen, in denen der Einzelrichter über eine Beschwerde entscheidet, obwohl
er der Sache grundsätzliche Bedeutung zumisst, das auf die Zulassung wegen der
grundsätzlichen Bedeutung eingelegte Rechtsmittel zur Aufhebung wegen
fehlerhafter Besetzung des Beschwerdegerichts, ohne dass es einer
entsprechenden Rüge bedürfte.
Diese Auffassung vertritt der BGH zu der ZPO-Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO
seit 2003 in ständiger Rechtsprechung (vgl. MDR 2003, 588; NJW 2004, 448). Da
die Regelung in § 14 Abs. 7 KostO dem § 568 ZPO entspricht, schließt sich der
Senat auch für die Beschwerde gegen den Kostenansatz nach § 14 KostO der
Auffassung des BGH an (vgl. auch Thüringer OLG Beschl. vom 19.05.2005 - Not W
257/05 - für die Zulassung der weiteren Beschwerde durch den
Einzelrichter in Notarkostensachen).Der Einzelrichter der Beschwerdekammer wird
deshalb zunächst die Übertragung des Verfahrens nach § 14 Abs. 7 Satz 2 KostO
nachzuholen haben, bevor die Kammer über die Erstbeschwerde und auch die
Zulassung der weiteren Beschwerde erneut entscheiden kann.
Der Senat hat seinerseits in voller Besetzung entschieden, obwohl die weitere
Beschwerde eine Einzelrichterentscheidung des Landgerichts betraf, da er die
Auffassung vertritt, dass in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen die
GBO gehört und damit auch die in der KostO geregelten Grundbuchkosten
gehören, der Einzelrichter nicht gemäß § 122 Abs. 1 GVG an die Stelle des Senats
treten kann (Beschl. v. 25.05.2005 -20 W 461/04- RVGreport 2006, 120).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 14 Abs. 9 KostO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.