Urteil des OLG Frankfurt vom 02.09.2004

OLG Frankfurt: verjährungsfrist, wohnung, auflage, fahrzeug, aufenthalt, stadt, leihvertrag, tatsachenfeststellung, berufungskläger, verfügung

1
2
3
4
5
6
7
8
9
Gericht:
OLG Frankfurt 17.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
17 U 102/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 195 BGB, § 598 BGB, §§
598ff BGB, § 606 BGB, § 823
Abs 1 BGB
Gebrauchsüberlassung eines Kfz im Rahmen eines
Gefälligkeitsverhältnisses
Gründe
In dem Rechtsstreit … weist der Senat darauf hin, dass er beabsichtigt, die
Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil sei keine Aussicht
auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert.
Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung, § 546 ZPO
noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO der Entscheidung des Berufungsgerichts
zugrunde zu legenden Tatsachen eine abweichende Entscheidung.
Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der
Tatsachenfeststellung des Landgerichts begründen und die deshalb eine erneute
Feststellung gebieten, bezeichnet die Berufungsbegründung nicht.
Soweit der Beklagte und Berufungskläger die Rechtsansicht weiterverfolgt, es habe
sich bei der Überlassung des Fahrzeugs der Versicherungsnehmerin A um ein
Leihverhältnis gehandelt und es seien mithin die nunmehr von der Klägerin geltend
gemachten Rückgriffsansprüche verjährt, vermag dies der Berufung nicht zum
Erfolg zu verhelfen.
Der Klägerin steht - wie das Landgericht auch zutreffend festgestellt hat -
grundsätzlich ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1
BGB zu, der der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 n.F. BGB unterliegt.
Entgegen der Annahme der Beklagten handelt es sich bei der Überlassung des
Pkws um ein ohne Rechtsbindungswillen eingegangenes Gefälligkeitsverhältnis und
nicht um einen Leihvertrag oder ein leihähnliches Vertragsverhältnis. Dies hat zur
Folge, dass die kurze Verjährungsfrist des § 606 BGB nicht - auch nicht in
entsprechender Anwendung -heranzuziehen ist.
Ob die Überlassung eines Gegenstandes im Rahmen eines bloßen
Gefälligkeitsverhältnisses oder aufgrund einer rechtlich zur Gebrauchsüberlassung
verpflichtenden Vertragsvereinbarung erfolgt, ist unter Berücksichtigung der
jeweiligen Einzelfallumstände zu beurteilen. Dabei kommt dem Anlass und dem
Zweck der Gebrauchsüberlassung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und der
Interessenlage der Parteien entscheidende Bedeutung zu (vgl. BGHZ 21, 102
[107]; 88, 373 [382] = MDR 1984, 380; BGHZ 92, 164 [168] = MDR 1985, 298;
Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Auflage, Einleitung vor § 241 Rz. 5; Palandt/Weidenkaff,
BGB, 63. Auflage, Einführung vor § 598, Rz. 7).
Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall davon auszugehen, dass die
Versicherungsnehmerin A ihr Fahrzeug dem Beklagten nicht mit
Rechtsbindungswillen überließ.
Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass es sich um eine, kurzfristige,
spontane Überlassung des Pkws handelte, um dem Beklagten, einem Freund der
10
11
12
13
14
15
16
spontane Überlassung des Pkws handelte, um dem Beklagten, einem Freund der
Versicherungsnehmerin, die Fahrt in die Stadt zu ermöglichen. Bei dem dem
Beklagten zur Verfügung gestellten Pkw handelte es sich auch nicht um eine
Sache mit außergewöhnlich hohem Wert, da das Fahrzeug bereits sieben Jahre alt
war und einen Verkehrswert von ungefähr 8.400,--€ aufwies.
Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es der
Versicherungsnehmerin A verwehrt gewesen wäre, vor Fahrtantritt die bekundete
Bereitschaft zur Aushändigung des Pkws an den Beklagte zu widerrufen. Bei
sachgerechter Würdigung dieser Umstände ist das Verhalten der
Versicherungsnehmerin A entsprechend der bei solchen Situationen üblichen
gesellschaftlichen Gepflogenheiten als Gefälligkeit des täglichen Lebens
einzuordnen, das für die Versicherungsnehmerin keine rechtlichen Verpflichtungen
begründen sollte (vgl. auch OLG Stuttgart, NJW 1971, 660 [661],
Palandt/Weidenkaff, BGB, 63. Aufl., Einführung vor § 598 Rz. 7).
In gleicher Weise ist dies für die von dem Beklagten der Versicherungsnehmerin A
eingeräumte Möglichkeit des zeitweiligen Unterkommens in der Wohnung des
Beklagten zu beurteilen. Auch dies geschah ohne Rechtsbindungswillen,
verbunden mit dem Recht, den Aufenthalt der Versicherungsnehmerin in der
Wohnung jederzeit beenden zu können.
Vor diesem Hintergrund kann eine Verknüpfung dergestalt, dass die Überlassung
des PKW als mit Rechtsbindungswillen versehene Gegenleistung für den Aufenthalt
in der Wohnung gelten sollte, nicht angenommen werden.
Die rechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien beurteilen sich mithin
ausschließlich nach den deliktsrechtlichen Bestimmungen der §§ 823 ff. BGB.
Der sich somit aus § 823 Abs 1 BGB ergebende Schadensersatzanspruch der
Klägerin ist jedoch - wie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt
- nicht verjährt.
Der Anspruch unterliegt nicht der sechsmonatigen Verjährungsfrist des § 606 BGB,
denn selbst wenn das im Streitfall vorliegende Gefälligkeitsverhältnis Züge einer
Leihe aufweisen sollte (sog. Gefälligkeitsleihe), kämen die besonderen
Haftungsregelungen der § 598 ff. BGB nicht zur Anwendung. Bei diesen
Regelungen handelt es sich nämlich um ein vom Gesetzgeber besonders
ausgeformtes Vertragsverhältnis, das einen beiderseitigen Verpflichtungswillen der
Beteiligten voraussetzt (BGH v. 9.6.1992 –VI ZR 49/91, MDR 1992, 1032 = NJW
1992, 2474 [2475]). Folglich können einzelne Bestimmungen, die zur Gestaltung
dieses besonderen Vertragsverhältnisses beitragen, nicht auf ein dem Deliktsrecht
unterliegendes Gefälligkeitsverhältnis übertragen werden (vgl. BGH v. 9.6.1992 - VI
ZR 49/91, MDR 1992, 1032 = NJW 1992, 2474 [2475] zur Frage der Übertragung
der Haftungsbeschränkung des § 599 BGB).
Der Beklagte erhält Gelegenheit, zu diesem Hinweis bis zum 20.09.2004 Stellung
zu nehmen bzw. die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.