Urteil des OLG Frankfurt vom 02.02.2001

OLG Frankfurt: ablauf der frist, aufrechnung, nachbesserung, gegenforderung, vollstreckung, bauherr, firma, vergütung, baustelle, skonto

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Gericht:
OLG Frankfurt 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 U 231/98
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 634 Abs 1 S 1 BGB, § 635
BGB
Baumangel: Angemessenheit einer Frist zur
Nachbesserung; treuwidrige Vereitelung von
Nachbesserungsmaßnahmen bei Baustellenverweis;
Aufrechnung als neuer Einwand in der Berufungsinstanz
Leitsatz
Abrechnung Bauvertrag
Tenor
Das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt vom
22.09.1998 wird abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.492,77 DM nebst 11,5 % Zinsen
hieraus seit dem 09.12.1997 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels sind von der Klägerin zu 85 %, von der Beklagten zu
15 % zu tragen.
Die Kosten der ersten Instanz sind von der Klägerin zu 91 %, von der Beklagten zu
9 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 12.000,00 DM, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 15.000,00 DM, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin ist mit 61.136,70 DM, die Beklagte ist mit 10.492,77 DM beschwert.
Tatbestand
Aus Arbeiten an zwei Bauvorhaben der Beklagten macht die Klägerin Werklohn
geltend; die Parteien gehen in zweiter Instanz übereinstimmend von einer
rechnerisch offenen Vergütung in Höhe von 71.629,46 DM aus.
Auf der Grundlage des seinerzeit weitergehenden Streits hat die Klägerin vor der
Kammer beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 78.516,48 DM nebst 11,5 %
Zinsen seit dem 09.12.1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgetragen, von der rechnerisch ermittelten Vergütung aus dem
Bauvorhaben "Sch." - Rechnung vom 25.11.1997 - sei Skonto in Höhe von 3 %
abzusetzen; aus diesem Bauvorhaben habe die Klägerin auch die Kosten zu
ersetzen, die der Beklagten aus der Beseitigung zurückgelassenen Unrats
entstanden seien. Auf der Grundlage einer Aufrechnung mit Gegenforderungen
aus einem anderen Bauvorhaben - M. - hat die Beklagte weiter vorgetragen, die
Klägerin habe die Gebühren eines in die Beurteilung ihrer Leistungen
eingeschalteten Sachverständigen übernommen. Sie habe in diesem
Bauvorhaben unsauber gearbeitet, vor allem den Untergrund ihrer Putz- und
Malerarbeiten ungenügend vorbereitet. An anderer Stelle desselben Baus habe sie
flüssige Raufaser "nach unten verlaufend" aufgebracht. Aufgrund dieser Mängel
habe sie auch die Gebühren zu ersetzen, die mit der Einschaltung eines weiteren
Sachverständigen entstanden. Schließlich hat die Beklagte wegen behaupteter
Mängel am Außenputz desselben Baus ein Zurückbehaltungsrecht geltend
gemacht.
Die Kammer hat die Beklagte in Höhe von 71.629,46 DM nebst Zinsen zur
Zahlung von Werklohn verurteilt, die weitergehende Klage abgewiesen. Wegen der
gefundenen Gründe sowie des erstinstanzlichen Sachvortrages der Parteien im
einzelnen wird auf das Urteil vom 22.09.1998 verwiesen. Mit der Berufung trägt die
Beklagte vor, auf die Rechnung vom 25.11.1997 - "Sch." - müsse sich die Klägerin
Skonto anrechnen lassen, dies auch im Blick auf Abschlagszahlungen. Was den
Gegenanspruch auf Ersatz der Kosten der Beseitigung von Bauschutt angehe,
habe die Klägerin auf der ganzen Baustelle verstreut Schutt hinterlassen, der sich
zu einer halben Containerladung summiert habe. Die Gebühren des
Sachverständigen S. - Bauvorhaben "M." - seien von der Klägerin zu tragen, weil
der Sachverständige ihr ungünstige Feststellungen getroffen habe. Aus demselben
Bauvorhaben - "M." - habe die Klägerin der Beklagten die Kosten der
Nachbesserungsarbeiten zu ersetzen, die der Sachverständige S. für notwendig
erachtet habe; dessen Feststellungen entsprächen der Sachlage. Mit der
Beseitigung der Mängel notwendig verbundene Regiekosten seien ebenfalls
auszugleichen. So gelte es auch für den Aufwand, der mit der Entfernung und
Erneuerung des unsauber aufgebrachten Rauputzes an einer Wand der Kantine
verbunden war. Wegen der Mängel des Außenputzes an Wohnhaus und
Bürogebäude/Halle desselben Baus - er sei zu dünn aufgebracht - verfolgt die
Beklagte in zweiter Instanz nicht mehr ein Zurückbehaltungsrecht, sondern erklärt
nunmehr ausdrücklich die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Ausgleich von
Wertminderung; insoweit sieht sie sich zugleich berechtigt, die Kosten des zur
Beurteilung der Qualität des Außenputzes eingeschalteten Sachverständigen D.
ersetzt zu verlangen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 22.09.1998 abzuändern und die
Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Beklagte habe die Abschlagszahlungen nicht innerhalb der im
Vertrag bestimmten Frist von 10 Tagen geleistet. Eine Abrede, nach der die
Gebühren des Sachverständigen S. zu erstatten seien, gebe es nicht; es bleibe
"bestritten, was Inhalt des Parteigutachtens S. war und ist". Es werde auch
bestritten, dass irgendwelche Nachbesserungsarbeiten ausgeführt worden seien.
Für die Geltendmachung von sogenannten Regiekosten sei "keine
Anspruchsgrundlage ersichtlich"
Wegen des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz im übrigen und einzelnen wird
auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist überwiegend begründet. Die Klägerin kann aus den Bauvorhaben
"L./W." und "Sch." noch 10.492,77 DM nebst Zinsen beanspruchen. In Höhe von
61.136,70 DM greifen die Aufrechnungen, die die Beklagte erklärt hat, durch; der
Senat entscheidet allerdings nicht über die wegen des Aufwandes für den
angeblich fachwidrig - in ungenügender Stärke - aufgebrachten Außenputzes
erklärte Aufrechnung.
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1. Die rechnerisch im übrigen unstreitige Restforderung aus dem Bauvorhaben
"Sch." vermindert sich um einen Skontoabzug auf Abschlagsrechnungen in Höhe
von 3 %; das entspricht einem Betrag von 1.583,55 DM. Die Befugnis, Skonto in
Höhe von 3 % dann abzusetzen, wenn innerhalb von 10 Tagen nach Fälligkeit
gezahlt werde, hatten die Parteien unter Ziffer 3 des Bauvertrages vom
09.07.1997 mit den Worten "abzüglich 3 % Skonto 10 A-Tage (gleich Arbeitstage)"
unmissverständlich und umfassend zugleich für die Schlusszahlung wie für
Abschlagszahlungen festgehalten. War der Passus im Abschnitt "Vergütung" ohne
jede Einschränkung auf bestimmte Rechnungen oder bestimmte Zahlungen
festgehalten, dann bezog er sich notwendig auf jede "Vergütung", damit auf jede
fällige Zahlung. Zur Höhe ist die Berechnung des Anteils von 3 % auf 1.583,55 DM
nicht in Frage gestellt worden. Die Tatsache, dass die Beklagte die 10-Tages-Frist
jeweils eingehalten hat, erachtet der Senat auf der Grundlage des § 138 Abs. 1, 2
ZPO - die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig
abzugeben, und jede Partei hat sich über die vom Gegner behaupteten Tatsachen
zu erklären - für unstreitig. Denn die Beklagte trägt unter präziser Angabe der
Daten von Rechnungseingang und Abgabe des Überweisungsauftrages sowie der
Ausführungsfrist präzise vor, dass und wie die Zahlungsfrist jeweils eingehalten
wurde. Wenn die Beklagte die Rechtzeitigkeit der Zahlungen pauschal bestreitet,
sich mit der Berufungserwiderung auf die Worte beschränkt, "im übrigen sind die
Abschlagszahlungen auch nicht innerhalb einer Frist von 10 Tagen ab
Rechnungsstellung und Anforderung erfolgt", dann ist das keine umfassende
Erklärung im Sinne des § 138 Abs. 1, 2 ZPO.
2. Ihr aus der Beseitigung von zurückgelassenem Bauschutt entstandene
Aufwendungen kann die Beklagte hingegen nicht ersetzt verlangen; die insoweit
erklärte Aufrechnung geht deshalb fehl. Zwar war die Klägerin als
Werkunternehmerin ohne weiteres - und ohne dass es einer ausdrücklichen
Vereinbarung bedurfte - verpflichtet, den in Zusammenhang mit ihren Arbeiten
entstehenden Abfall zu beseitigen. Mit der Erfüllung dieser (sog. Haupt-)
Verpflichtung war sie auch in Verzug geraten; denn der Bauleiter der Beklagten
hatte sie mehrfach erfolglos aufgefordert, den Schutt abzutransportieren. Die
Beklagte hat aber die formalen Voraussetzungen nicht erfüllt, unter denen das
Gesetz eine Umwandlung des vertraglichen Leistungsanspruches in einen auf
Zahlung von Geld gerichteten Ersatzanspruch eröffnet: Entgegen der in § 326 Abs.
1 Satz 1 BGB festgehaltenen Anforderung hat sie der Klägerin weder eine Nachfrist
gesetzt noch angedroht, im Falle der Fristversäumnis eine (dann: verspätete)
Erfüllung durch die Klägerin abzulehnen.
3. Begründet - und zwar in Höhe von 1.017,52 DM - ist die Aufrechnung hingegen
insoweit, als es um eine Gegenforderung aus dem Bauvorhaben "M.", nämlich
einen Anspruch auf Ausgleich der Gebühren des Sachverständigen S. geht, welche
die Beklagte verauslagt hat. Grundlage des Gegenanspruches ist die schriftliche
Vereinbarung vom 13.08.1997 (Anlage 21 (3) zum Schriftsatz vom 08.06.1998).
Haben die Parteien dort auf der Grundlage der gemeinsamen Begehung der
Baustelle und der Diskussion gerügter Mängel unter anderem festgehalten
"Gutachtertermin ist am Dienstag 9.30 Uhr ... Gutachterkosten werden nach Ob-
oder Unterliegen (offensichtlich gemeint: Obsiegen oder Unterliegen)
abgerechnet", dann wird daraus deutlich, dass man sich konkret darauf geeinigt
hatte, dass ein Gutachter die Mängel(rügen) beurteilen sollte. Dann konnte die
Vereinbarung über die "Abrechnung" der Gutachterkosten nur bedeuten, dass das
Obsiegen oder Unterliegen, also die Grundlage der "Zurechnung" des
Gebührenaufwandes anhand der vom Gutachter gefundenen Einschätzungen
beurteilt werden sollte, oder mit anderen Worten: Die Klägerin unterwarf sich der
vom Sachverständigen zu findenden Bewertung in "gebührenrechtlicher" Hinsicht.
4. Ebenfalls durch Aufrechnung erloschen ist die Klageforderung in Höhe eines
weiteren Teilbetrages von 56.350,00 DM; insoweit konnte die Beklagte im Blick auf
Mängel der Arbeiten am Bauvorhaben "M." Schadensersatz wegen Nichterfüllung
verlangen. Die Beklagte hat im Einzelnen vorgetragen, dass die Klägerin in
insgesamt elf Räumen bzw. Bereichen den Innenputz uneben aufgebracht und
unsauber zur anschließenden Tapezierung vorbereitet, weiter die Tapeten im
Nahtbereich nicht durchweg schlüssig angesetzt und verklebt hat (Gutachten des
Sachverständigen S. vom 26.08.1997, Bl. 2 und 3 "Sachverständigengutachten Nr.
2"/Anlage 8 (2) zum Schriftsatz vom 24.03.1998); sie - die Beklagte - hat auch
dargetan, welche Arbeiten zur Beseitigung der Mängel im einzelnen erforderlich
waren (Angebot der Firma MP. vom 15.10.1997, Anlage 28 (1) zum Schriftsatz
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waren (Angebot der Firma MP. vom 15.10.1997, Anlage 28 (1) zum Schriftsatz
vom 15.01.1999). Wenn die Klägerin dem lediglich entgegenhält, "es gibt weder bei
den Innenarbeiten noch beim Außenputz mangelhafte Arbeiten der Klägerin. Es ist
nicht richtig, dass Arbeiten im Innenbereich mangelhaft ausgeführt worden seien.
Angebliche Mängel werden bestritten. Die Inhalte der Gutachten des
Sachverständigen S. werden als unzutreffend bestritten" (Schriftsatz vom
27.04.1998, Bl. 4), "im übrigen ist und bleibt bestritten, was Inhalt des
Parteigutachtens S. war und ist. Dem Grunde und der Höhe nach bestritten sind
auch mit 56.350,00 DM berechnete Kosten." (Berufungserwiderungsschrift vom
14.04.1999, Bl. 4.), dann ist dieses Bestreiten unsubstantiiert und damit
unbeachtlich. Ist jede Partei nämlich - vgl. oben 1. - verpflichtet, ihre Erklärungen
über tatsächliche Umstände vollständig abzugeben, sich damit vollständig auch
über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären (§ 138 Abs. 1, 2
ZPO), dann bedeutet das, dass die Partei, die sich über Behauptungen der
Gegenseite zu den Ergebnissen eigener Handlungen - eigener Arbeiten - äußert,
konkret darzulegen hat, was die Ergebnisse dieser eigenen Handlungen aus ihrer
Sicht gewesen seien; dies gilt insbesondere dann, wenn sie - wie die Klägerin - in
der Lage ist, diese Ergebnisse fachkundig zu beurteilen. Ist auf dieser
prozessrechtlichen Grundlage das als unstreitig zu behandeln, was die Beklagte
zum "Erfolg" der Leistungen der Klägerin vorgetragen hat, so gilt dasselbe im Blick
auf die Aufwendungen, die die Beklagte als zur Herstellung eines
vertragsgerechten Zustandes erforderlich bezeichnet hat; denn auch sie ergeben
sich aus der vorgelegten, ins einzelne gehenden Aufstellung der Firma MP. vom
15.10.1997, und die Klägerin wäre kraft ihrer Fachkunde in der Lage gewesen,
hierzu - ebenfalls - im einzelnen Stellung zu nehmen. Die formalen
Voraussetzungen, die den - zunächst bestehenden - Nachbesserungsanspruch
der Beklagten in einen auf Zahlung von Geld gerichteten Ersatzanspruch
übergehen ließen (§§ 635, 634 Abs. 1 BGB), sind erfüllt. Mit Schreiben vom
30.08.1997 konkretisierte die Beklagte - auf das Gutachten S. bezugnehmend -
ihre Mängelrügen im einzelnen und setzte Frist zur Mängelbeseitigung, gleichzeitig
kündigte sie an, in dem Falle, dass die Mängel nicht fristgerecht beseitigt würden,
"den Auftrag (zu) kündigen und eine andere Firma (zu) beauftragen", die
Beseitigung des Mangels nach dem Ablauf der Frist also abzulehnen. Der Senat
erachtet die mit Schreiben vom 30.08.1997 gesetzte Frist ungeachtet dessen für
angemessen, dass sie sich auf fünf Tage beschränkte. Denn die Klägerin wusste -
spätestens - seit mehreren Wochen, seit der Baustellenbesprechung vom
13.08.1997 von den Mängelrügen, und der Nachfristsetzung im Schreiben vom
30.08.1997 war bereits eine "abschließende", nämlich auf den Feststellungen des
Sachverständigen S. beruhende Aufforderung zur Beseitigung der Mängel
vorausgegangen (Schreiben vom 26.08.1997, noch ohne
Ablehnungsandrohung/Anlage 10 (1) zum Schriftsatz vom 24.03.1998). Ganz
unabhängig hiervon konnte die Klägerin nach der Baustellenbesichtigung am
13.08.1997 schon deshalb nicht daran zweifeln, dass sie zur Nachbesserung
verpflichtet war, weil sie fachkundig ist und deshalb in der Lage war, die vom
Sachverständigen S. festgestellten Mängel selbst zu erkennen. Faktisch also hatte
sie nicht 5 Tage, vielmehr (mindestens) 22 Tage - 13.08. bis 05.09. - Zeit,
nachzubessern. Der Beklagten ist es nicht unter Treu- und
Glaubensgesichtspunkten versagt, sich auf die Nichteinhaltung der
Nachbesserungsfrist zu berufen; die Tatsache, dass der Bauherr M. die Leute der
Klägerin der Baustelle verwies, als sie am 04.09.1997 bei ihm vorsprachen,
eröffnet nicht den Einwand widersprüchlichen Verhaltens der Beklagten. Selbst
zugunsten der Klägerin in rechtlicher Hinsicht unterstellt, das Verhalten des
Bauherrn sei der Beklagten zuzurechnen, verdient dieses Verhalten keinen Tadel
im Sinne einer "treuwidrigen Vereitelung von Nachbesserungsmaßnahmen". Denn
die Leute der Klägerin waren unangemeldet bei dem Bauherrn erschienen; er
hatte - deshalb - keine Möglichkeit, rechtzeitig dafür zu sorgen, dass die in seinem
Haus tätigen Arbeiter beaufsichtigt würden; er selbst stand unmittelbar vor der
Abreise. Unter diesen Umständen sieht der Senat es als nicht nur "entschuldigt",
sondern fast selbstverständlich an, dass der Bauherr die Leute der Klägerin
abwies. Nur am Rande fügt der Senat an, dass es, hätte der Bauherr für den
nächsten Tag für Aufsicht gesorgt, ausgeschlossen gewesen wäre, die
Nachbesserungsfrist einzuhalten. Denn dieser nächste Tag war der 05.09., der Tag
des Fristablaufs. Angesichts des im Angebot der Firma MP. vom 15.10.1997
dokumentierten Umfangs der Arbeiten war es ausgeschlossen, diese Arbeiten in
einem Tag auszuführen.
5. Die Klageforderung ist in Zusammenhang mit der anderweiten Vergabe der
unerledigt gebliebenen Nachbesserungsarbeiten zu einem weiteren Teilbetrag von
1.000,00 DM erloschen; in dieser Höhe durfte die Beklagte Regiekosten ersetzt
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1.000,00 DM erloschen; in dieser Höhe durfte die Beklagte Regiekosten ersetzt
verlangen. Der notwendig mit der anderweiten Vergabe und der Einweisung der
Leute der Drittunternehmerin verbundene Aufwand ist Teil des von der Klägerin auf
der Grundlage des vorstehend zu Ziffer 4 abgehandelten Sachverhalts zu
ersetzenden Nichterfüllungsschadens (§ 635 BGB). In der Bemessung der
wirtschaftlichen Belastung, die aus der Vorbereitung der Nachbesserungsarbeiten
und der Einweisung der Drittunternehmerin folgte, erachtet der Senat den Ansatz,
den die Beklagte eingeführt hat, für überzogen. Die Neuvergabe und Abwicklung
erforderte eine (erneute) Ausschreibung, eine "überschaubare" mündliche oder
telefonische Verhandlung und wenige Fahrten zur Baustelle; ungeachtet des nicht
ganz geringen Wertes der Arbeiten selbst war ihr Anlass und ihr Gegenstand
insgesamt gut zu überschauen und in kurzer Zeit zu erklären. Dies - vor allem den
geldwerten Zeitaufwand - auszugleichen, erscheint dem Senat ein Betrag von
1.000,00 DM angemessen (§ 287 Abs. 1 ZPO).
6. Erloschen ist die Klageforderung auch anteilig insoweit, als die Beklagte mit
einer Schadensersatzforderung wegen Nichterfüllung der
Nachbesserungsverpflichtung der Klägerin im Bereich Halle/Kantine aufgerechnet
hat; der Höhe nach entspricht dies dem Betrag von 1.185,63 DM. Die Klägerin
hatte Arbeiten an einer Wand dergestalt mangelhaft ausgeführt, dass die von ihr
aufgebrachte flüssige Raufaser nach unten verlaufen war; die aufgebrachte
Raufaser musste entfernt, der Untergrund erneut vorbereitet und eine neue
Schicht Raufaser musste aufgebracht werden; das machte eine Farbabgleichung
mit den anderen Wänden des Raums erforderlich. So hat es die Beklagte im
Schriftsatz vom 08.06.1998 im Einzelnen vorgetragen, und die Klägerin ist dem
inhaltlich nicht mehr entgegengetreten; die früher - Schriftsatz vom 27.04.1998,
Bl. 6 - gemachte Bemerkung, "die Ausführung erfolgte auch ordnungsgemäß",
stellt keine vollständige, den Erfolg der Arbeiten veranschaulichende Erklärung dar
(§ 138 Abs. 1, 2 ZPO). Die formalen Voraussetzungen des
Schadensersatzanspruches aus § 635 BGB sind erfüllt: Die Beklagte hat mit
Schreiben vom 29.01.1998 zur Mängelbeseitigung aufgefordert, zugleich eine -
angemessene, nämlich zweiwöchige - Erledigungsfrist gesetzt und angedroht, die
Beseitigung des Mangels nach dem Ablauf der Frist abzulehnen, nämlich "die
Ihnen bereits gemeldeten Mängel entfernen (zu) lassen" (§ 634 Abs. 1 Satz 1
BGB).
7. Ersatz des Gebührenaufwandes, der ihr aus der Begutachtung des Außenputzes
am Bauvorhaben "M." durch den Sachverständigen D. entstanden ist, kann die
Beklagte hingegen nicht verlangen; die diesbezüglich erklärte Aufrechnung geht
deshalb fehl. Zwar sind die Kosten der gutachterlichen Schadensfeststellung im
Grundsatz Teil des Anspruchs auf Ersatz von Nichterfüllungsschaden aus § 635
BGB. Zu dem Zeitpunkt aber, als die Sachverständigengebühren anfielen, waren
die formalen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches im Blick auf -
angeblich - mangelhafte Ausführungen der Außenputzarbeiten noch nicht erfüllt:
Die Beklagte setzte erst im Anschluss an die Einholung des Gutachtens, nämlich
mit Schreiben vom 19.02.1998 (Anlage 7 (1) zum Schriftsatz vom 24.03.1998)
eine Nachbesserungsfrist mit der Erklärung, dass sie die Beseitigung des Mangels
nach dem Ablaufe der Frist ablehnen werde (§ 634 Abs. 1 Satz 1 BGB).
8. Über die Frage, ob die Beklagte auf der Grundlage der Feststellungen des
Sachverständigen D. Ersatz von Nichterfüllungsschaden wegen mangelhafter
Ausführung der Außenputzarbeiten verlangen kann, wird der Senat in diesem
Rechtsstreit nicht entscheiden. Er lässt die nunmehr erklärte Aufrechnung nicht zu.
Nach § 530 Abs. 2 ZPO ist dann, wenn die beklagte Partei in der Berufungsinstanz
die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend macht, die hierauf gegründete
Einwendung nur dann zuzulassen, wenn die Klägerseite einwilligt oder das
Berufungsgericht die Geltendmachung in dem anhängigen Verfahren für
sachdienlich hält; das Letztere aber ist nicht der Fall.
Die Beklagte hat mit ihrer Gegenforderung erst in zweiter Instanz aufgerechnet.
Sie hatte diese Forderung zwar schon in erster Instanz eingeführt, an sie aber nur
ein Zurückbehaltungsrecht geknüpft. In der Beurteilung dessen, wann die
Aufrechnung geltend gemacht ist, ob sie sich also als für die Berufungsinstanz
"neuer" Einwand darstellt, kommt es nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt die die
Aufrechnung stützende Gegenforderung in den Prozess eingeführt wurde, vielmehr
allein darauf, zu welchem Zeitpunkt sich die Beklagte auf das Gegenrecht berufen,
die Aufrechnung erklärt hat (BGH WM 1976, 584; MüKo-Rimmelspacher, 2. Aufl.
2000, § 530 Rz 26). Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts in erster
Instanz nimmt der Erklärung der Aufrechnung erst in zweiter Instanz nicht den
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Instanz nimmt der Erklärung der Aufrechnung erst in zweiter Instanz nicht den
Charakter als "neuer Einwand". Denn das Zurückbehaltungsrecht stellt einen nach
Voraussetzungen und Rechtsfolgen im Verhältnis zur Aufrechnung andersartigen
Einwand dar (Rimmelspacher a.a.O. § 530 Rz 23; Zöller-Gummer, ZPO, 21. Aufl.
2001, § 530 Rz 10). Entgegen der nunmehr geäußerten Auffassung der Beklagten
war die erstinstanzliche Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts wegen der
Mängel des Außenputzes nicht als Aufrechnung auszulegen. Zwar ist unbeschadet
des unterschiedlichen Rechtscharakters die Erklärung des Zurückbehaltungsrechts
ebenso wie die Erklärung der Aufrechnung auslegungsfähig; das Gericht muss und
darf also prüfen, was mit einer äußerlich unzweideutigen Erklärung (wirklich)
gemeint war, und das kann dann zur Auslegung einer auf ein
"Zurückbehaltungsrecht" bezogenen Erklärung als Aufrechnungserklärung führen,
wenn schlicht zwei Geldforderungen gegeneinander gestellt werden (BGHZ 37,
344; 38, 129; Gummer a.a.O. § 530 Rz 10; Rimmelspacher a.a.O. § 530 Rz 23). In
diesem Sinne als Geldforderung der Klageforderung entgegengestellt hatte die
Beklagte ihren Anspruch wegen des Außenputzes aber in erster Instanz nicht:
Ganz im Sinne der gesicherten Grundsätze zur Zurückbehaltung bei mangelhafter
Ausführung eines Werkes hatte sie nicht den "reinen" Wert der zur Nachbesserung
erforderlichen Arbeiten, vielmehr ein Mehrfaches der Gegenforderung
entgegengesetzt. Ihr Geschäftsführer hatte auch im Termin zur mündlichen
Verhandlung am 18.08.1998 nicht klargestellt, dass es nur noch um die
Abrechnung des Bauvorhaben, nicht mehr um Nachbesserung ginge; zwar hatte
er darauf hingewiesen, "der Bauherr M. wäre anstelle einer Nachbesserung mit
einer Wertminderung für den Außenputz ... einverstanden"; zugleich aber hatte er -
der Geschäftsführer der Beklagten - dem den Charakter des Vorläufigen gegeben,
nämlich weiter erklärt, "entsprechende Gutschriften wurden ihm unter Vorbehalt
erteilt". Das bedeutet, dass die Beklagte von ihrem Nachbesserungsbegehren
noch nicht endgültig Abstand genommen hatte. Die - damit - erstmalig in zweiter
Instanz erklärte Aufrechnung zuzulassen, wäre - da die Klägerin nicht eingewilligt
hat - nach Einschätzung des Senats nicht sachdienlich. Denn die Frage, ob die
Beklagte Schadensersatz wegen Nichterfüllung beanspruchen kann, hängt - die
formalen Voraussetzungen sind mit Fristsetzung und Ablehnungsandrohung im
Schreiben vom 19.02.1998 erfüllt (§§ 635, 634 Abs. 1 BGB) - davon ab, ob die
Klägerin die Putzarbeiten vertragsgerecht oder mangelhaft ausgeführt hat, und
das kann der Senat auf der Grundlage des derzeitigen Erkenntnisstandes nicht
beurteilen. Die Beklagte hat durch Vorlage des Gutachtens des Sachverständigen
D. vom 18.02.1998 (Anlage 12 (1) zum Schriftsatz vom 24.03.1998) im einzelnen
schlüssig dargelegt, dass die von der Klägerin aufgebrachte Putzschicht die
anerkannten technischen Anforderungen nicht erfüllt. Dem ist die Klägerin durch
seinerseits schlüssigen Vortrag zur Qualität des Außenputzes entgegengetreten,
hat insbesondere hervorgehoben, den Putz in ausreichender Schichtdicke
entsprechend den Anweisungen der Herstellerin aufgebracht zu haben. Diese
Problematik kann nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt
werden; das aber würde den im übrigen entscheidungsreifen Berufungsrechtsstreit
unangemessen verzögern. Der Beklagten steht es frei, die Ersatzansprüche in
einem eigenständigen Verfahren geltend zu machen.
9. Die Entscheidung über die Zinsen ergibt sich aus §§ 284 Abs. 1, 286 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 93 ZPO. Zu Recht weist die
Beklagte darauf hin, sie habe die erstinstanzlich geltend gemachte Teilforderung
von 9.697,67 DM im kostenrechtlichen Sinne "sofort" anerkannt. Die dieser
Teilforderung zugrundeliegende Stundenlohnrechnung vom 09.10.1997 war
zunächst nicht veranschaulicht, da Stundenlohnzettel nicht beigegeben waren.
Wenn die Klägerin die Rechnung mit Schriftsatz vom 27.04.1998 um die
notwendigen Belege - Tagesrapportzettel - ergänzte und die Beklagte in ihrer
ersten darauf folgenden sachlichen Erklärung, nämlich im Schriftsatz vom
08.06.1998 die nunmehr veranschaulichte Teilforderung anerkannte, so war dies
im Rechtssinne "sofort". Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708
Ziffer 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.