Urteil des OLG Frankfurt vom 12.04.2010

OLG Frankfurt: unabhängiger sachverständiger, software, firma, zertifizierung, interessenkonflikt, treuhandvertrag, verfügung, kopie, nennwert, treugeber

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Gericht:
OLG Frankfurt 16.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 W 11/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 823 BGB, § 1004 Abs 1 BGB,
Art 5 Abs 1 GG
Unterlassungsanspruch hinsichtlich verschiedener
Äußerungen, Einordnung der Äußerungen als
Tatsachenbehauptung oder Meinung
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 29. Januar 2010 (2-03 O 17/10) wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 110.000,- € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung des Erlasses einer
einstweiligen Verfügung ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht hat das Landgericht den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung
zurückgewiesen, da dem Antragsteller kein Verfügungsanspruch zusteht. Ein
Unterlassungsanspruch aus den §§ 823, 1004 Abs. 1 BGB besteht nicht.
Hinsichtlich der Äußerung der Antragsgegnerin, bei der Zertifizierung von Software
zur Altersvorsorgeberatung durch den …. habe über Jahre hinweg ein erheblicher
Interessenkonflikt bestanden, geht das Landgericht zutreffend davon aus, dass es
sich insoweit um eine Meinungsäußerung handelt, die vom Grundrecht aus Art. 5
Abs. 1 GG gedeckt ist.
Ob im Einzelfall ein Interessenkonflikt besteht, hängt sehr stark von einer Wertung
von Tatsachen ab. Diese Wertung kann unterschiedlich ausfallen. Sie ist nicht dem
Beweis zugänglich, sondern von Elementen der Stellungnahme und des
Dafürhaltens geprägt.
Ob das wirtschaftliche Engagement des Antragstellers bei den Firmen A1 GmbH
und A2 GmbH einerseits und die Mitwirkung an der Zertifizierung von Software der
Mitbewerber dieser Firmen andererseits einen Interessenkonflikt darstellt, lässt
sich nicht mit den im Zivilprozess üblichen Beweismitteln klären.
Die weitere Äußerung, der Antragsteller sei bis zum Sommer 2009 an der A1
GmbH beteiligt gewesen, ist ebenfalls zulässig. Unstreitig erhielt der Antragsteller
im Jahr 2002 einen Geschäftsanteil an dieser Firma im Nennwert von 5.000,- €
übertragen und im Juli 2004 einen weiteren Anteil von 1.250,- €.
Beide Anteile übertrug er nach seinem allerdings nicht glaubhaft gemachten
Vortrag treuhänderisch an die Firma A2 GmbH. Wirtschaftlich blieb er
also nach seinem eigenen Vorbringen Inhaber dieser Geschäftsanteile.
Am 21. November 2004 will der Antragsteller das Treuhandverhältnis auf seine
Lebensgefährtin übertragen haben.
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Die vom Antragsteller insoweit vorgelegte Kopie einer Vereinbarung zwischen ihm
und seiner Lebensgefährtin stellt aber keine wirksame Übertragung des
Treuhandvertrages dar.
Zum Einen bezieht sich die vorgelegte Kopie der Vereinbarung vom 21. November
2004 auf einen Treuhandvertrag vom 19. Februar 2002/2. Juli 2004, während laut
Klägervortrag der Treuhandvertrag hinsichtlich der Geschäftsanteile an der Firma
A1 GmbH am 19. März 2002 geschlossen worden sein soll. Zum Anderen ergibt
sich aus der vorgelegten Urkunde keine genaue Bezeichnung, um welchen
Treuhandvertrag es sich handelt, insbesondere was Treugut sein soll und wer
Treugeber und wer Treuhänder ist. Darüber hinaus unterliegen auch
Treuhandvereinbarungen der Formvorschrift des § 15 Abs. 4 GmbHG (BGH NJW- RR
2006, 1415), die durch die Vereinbarung vom 21. November 2004 nicht gewahrt
ist.
Die Äußerung der Antragsgegnerin, der Antragsteller sei bis zum Sommer 2009 an
der A2 GmbH beteiligt gewesen, ist deshalb - jedenfalls was die wirtschaftliche
Beteiligung angeht - keine falsche Tatsachenbehauptung.
Auch die vom Landgericht mit den Nr. 2 - 4 bezeichneten Äußerungen waren
zulässig, da es sich bei dem Hinweis auf einen Interessenkonflikt um eine zulässige
Schlussfolgerung und damit um eine Meinungsäußerung handelt.
Soweit die Antragsgegnerin den Antragsteller als Strippenzieher hinter den
Kulissen bei der Firma A bezeichnet, so ist auch dies angesichts des Umstandes,
dass der Antragsteller wirtschaftlich stark investiert hat in diese Firmengruppe,
aber selbst nicht nach außen in Erscheinung getreten ist, nicht zu beanstanden.
Hierbei handelt es sich um eine zulässige Meinungsäußerung.
Die Äußerung, der Antragsteller habe als vermeintlich unabhängiger
Sachverständiger beim … solange an den Bewertungskriterien der Software
herumgeschraubt, bis sie nur seine Firma erfüllen konnte, ist ebenfalls zulässig.
Die Ausführungen des Landgerichts, auf die insoweit Bezug genommen wird, sind
zutreffend. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist das Landgericht nicht
davon ausgegangen, dass der Antragsteller aus den gesetzlichen Regelungen die
für vorgeworfenen Zwecke passenden Regelungen herausgesucht hat. Auch wenn
eine Software die gesetzlichen Regelungen zu beachten hat, ist für die
Zertifizierung vor allem maßgebend, wie diese Regelungen in eine brauchbare und
verständliche Softwareanwendung umgesetzt wurden. In diesem
Umsetzungsvorgang sind rechtliche und technische Standards zu berücksichtigen.
Dass der Antragsteller als stellvertretender Vorsitzender des ... insoweit mitgewirkt
hat, ist nicht zweifelhaft.
Die Äußerung, Vorstände von Softwarefirmen, die das Zertifizierungsverfahren des
... erlebt hätten, würden bei Fachfragen in der Regel an ... verwiesen, der ... nutze
die ... für die fachliche Sicherheit, ... sei immer in Person des Antragstellers
aufgetreten, so ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden.
Der Antragsteller wendet gegen diese Äußerung lediglich ein, dass sich neben der
Firma A keine Softwarefirma beim ... beworben habe, sodass er auch keinem Chef
eines Softwareanbieters gegenüber getreten sei.
Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass der Antragsteller diese
Behauptung nicht glaubhaft gemacht hat. Er hat dies auch in zweiter Instanz nicht
nachgeholt. Dabei wäre es ihm ohne Weiteres möglich, durch Vorlage von
eidesstattlichen Versicherungen von Mitarbeitern des … zu belegen, dass es außer
der A keine Bewerber für die Zertifizierung gegeben hat.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers enthält die Äußerung der
Antragsgegnerin, es sei fragwürdig, wenn Miteigentümer eines Wettbewerbers
Einfluss und Einblick in die Software von Konkurrenten bekommen und
Zertifizierungsstandards setzen, keine unwahre Tatsachenbehauptung, sondern
eine zulässige Meinungsäußerung.
Ob das Setzen von Zertifizierungsstandards und der Einblick in die Software von
Mitbewerbern, auch wenn dieser Einblick nicht sonderlich tief geht, fragwürdig ist
oder nicht, ist sehr stark von Elementen der Stellungnahme und des Dafürhaltens
geprägt, sodass es ein Werturteil darstellt, das vom Recht auf freie
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geprägt, sodass es ein Werturteil darstellt, das vom Recht auf freie
Meinungsäußerung gedeckt ist.
Hinsichtlich der Äußerung, sogar die B sei dem Vernehmen nach beim ...
abgeblitzt beim Versuch, ihre Beratungssoftware ...-fest zu machen, rügt der
Antragsteller lediglich, dass er sein Vorbringen nicht glaubhaft machen konnte, da
es sich um eine Negativtatsache handele. Dies ist indes nicht der Fall. Ob die B
versucht hat, für ihre Software eine Zertifizierung beim ... zu erreichen und ob sie
mit ihrem Antrag gescheitert ist, lässt sich ohne Schwierigkeiten glaubhaft
machen.
Die weitere Äußerung, der Antragsteller sei ein einflussreiches und langjähriges
Mitglied einer Jury, die alljährlich Awards für Beratungssoftware vergebe und diese
Preise würden gemeinsam von den Zeitschriften „Z“ und „Y“ sowie vom „…“ und
vom Verein ... ausgelobt, ist ebenfalls zulässig. Zu Recht ist das Landgericht
insoweit von einer wahren Tatsachenbehauptung ausgegangen, was in der
Beschwerde nicht angegriffen worden ist.
Soweit der Antragsteller gerügt hat, der Preis sei nicht von den Zeitschriften „Z“
und „Y“ verliehen worden, so steht dies zum Einen im Gegensatz zu seinen
eigenen Angaben in der Email vom 25. November 2009 an den Chefredakteur der
Antragsgegnerin, in der er auf den „…“ und das „Y“ als Ausrichter des
Wettbewerbs hinweist. Im Übrigen hat das Landgericht zutreffend angenommen,
dass der Antragsteller insoweit nicht unmittelbar betroffen ist.
Die Äußerung Nr. 11 des landgerichtlichen Beschlusses hat das Landgericht
ebenfalls mit der zutreffenden Begründung der fehlenden Glaubhaftmachung
der Unwahrheit als zulässig angesehen. Insoweit sind keine Angriffe in der
Beschwerde erfolgt.
Da das Rechtsmittel des Antragstellers erfolglos war, hat er gemäß § 97 Abs. 1
ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert war nach § 3 ZPO festzusetzen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.