Urteil des OLG Frankfurt vom 15.08.2008

OLG Frankfurt: treu und glauben, umkehr der beweislast, haftpflichtversicherung, korrespondenz, auskunft, verkehrsunfall, schmerzensgeld, verkehrsauffassung, verdienstausfall, entziehen

1
2
Gericht:
OLG Frankfurt 19.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
19 U 153/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 241 BGB, § 311 BGB, § 781
BGB
Gesetzliche Haftpflichtversicherung: Abrechnungsschreiben
des Versicherers mit einer Zahlungszusage als
deklaratorisches Schuldanerkenntnis
Leitsatz
Teilt die dem Grunde nach einstandspflichtige gesetzliche Haftpflichtversicherung dem
Geschädigten nach vorangegangener Korrespondenz, die auch das Verlangen nach
Vorlage von Urkunden und Belegen zum Zwecke der Überprüfung der vom
Geschädigten geltend gemachten Schadenspositionen zum Gegenstand hatte, mit sie
hinsichtlich einzeln aufgeführter Positionen diesen jeweils zugeordnete Beträge zahlen
werde, handelt es sich bei dieser Mitteilung um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis
und nicht lediglich um eine ohne Rechtbindungswillen abgegebene unverbindliche
Mitteilung.
Tenor
Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten durch
einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die
Berufung keine Aussicht auf Erfolg erkennen lässt, die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht
erfordert.
Gründe
Das Vorbringen in der Berufungsbegründung zeigt weder einen Rechtsfehler der
angefochtenen Entscheidung des Landgerichts auf, noch sind Anhaltspunkte für
eine fehler- oder lückenhafte Feststellung der entscheidungserheblichen
Tatsachen erkennbar (§ 529 ZPO).
Die Klägerin macht gegen die Beklagte, die Haftpflichtversicherung ihres einen
Verkehrsunfall verursachenden Versicherungsnehmers, Schadensersatzansprüche
geltend. Dabei handelt es sich um mehrere Schadensersatzpositionen, u. a. um
Schmerzensgeld und Verdienstausfall. Im Rahmen einer Korrespondenz der
Beklagten mit den Prozessbevollmächtigten der Klägerin verlangte die Beklagte
die Vorlage diverser Unterlagen zur Prüfung der
Schadensersatzanspruchsberechtigung der Klägerin. Nach Vorlage dieser
Unterlagen übersandte die Beklagte an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin
unter dem 20.8.2007 ein Schreiben, in dem sie mitteilte „wir zahlen heute an Sie:“
Es folgt eine Auflistung verschiedener von der Klägerin geltend gemachter
Schadenspositionen, denen jeweils Zahlungsbeträge zugeordnet und diese
anschließend summiert wurden. Anschließend ist aufgeführt: „Diesen Betrag
haben wir überwiesen“. Hinsichtlich weiterer Schadensersatzpositionen wird um die
Vorlage weiterer Unterlagen ersucht. Das Schreiben ging den
Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 21.8.2007 zu. Mit Schreiben vom
21.8.2007, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 22.8.2007 zugegangen,
teilte die Beklagte mit, dass sie nur hinsichtlich zweier der im vorangegangenen
Schreiben aufgeführter Schadensersatzpositionen Zahlungen leisten werde und
3
4
5
Schreiben aufgeführter Schadensersatzpositionen Zahlungen leisten werde und
bittet die Klägerin darum, das vorangegangene Schreiben als gegenstandslos zu
betrachten.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihre Schadensersatzansprüche unter Berufung
auf das Schreiben der Beklagten vom 20.8.2007, das sie als deklaratorisches
Schuldanerkenntnis wertet, weiter. Das Landgericht hat die Beklagte dem
Klageantrag entsprechend zur Zahlung verurteilt.
Das Landgericht hat mit Recht und zutreffender Begründung einen Anspruch der
Klägerin aus einem kausalen Schuldanerkenntnisvertrag (§§311, 241 BGB i. V. mit
§§ 7 StVG, 823, 253 BGB, 3 PflVG) in Höhe der Klageforderung angenommen.
1. Das vertraglich bestätigende (deklaratorische) Schuldanerkenntnis ist als ein im
BGB nicht geregelter Vertragstyp neben dem sog. konstitutiven
Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB und einem Anerkenntnis, das keinen
rechtsgeschäftlichen Willen verkörpert, allgemein anerkannt (BGHZ 66, 250; WM
1976. 689; Palandt-Sprau, BGB, 67. Aufl. 2008, § 781 Rn. 3). Während das nicht
rechtsgeschäftliche Anerkenntnis lediglich dem Zweck dient, dem Gläubiger
Erfüllungsbereitschaft mitzuteilen oder ihm den Beweis zu erleichtern und daher
(allenfalls) eine Umkehr der Beweislast bewirkt, soll bei einem konstitutiven
Schuldanerkenntnis gemäß § 781 BGB eine vom bestehenden Schuldgrund
unabhängige neue selbständige Verpflichtung geschaffen werden (BGH WM 1976,
689). Demgegenüber hebt das bestätigende (deklaratorische) Schuldanerkenntnis
den in Frage stehenden Anspruch nicht auf eine neue Anspruchsgrundlage,
sondern verstärkt diesen Anspruch unter Beibehaltung des Anspruchsgrundes
dadurch, dass dieser insgesamt - oder zumindest in bestimmten Beziehungen -
dem Streit oder der Ungewissheit entzogen und (insoweit) endgültig festgelegt
wird. Zugleich wird beim bestätigenden Schuldanerkenntnis regelmäßig die
Verwirklichung der Forderung von möglicherweise bestehenden Einwendungen
oder Einreden befreit (BGH NJW 1963, 2316; RuS 1984, 67). Hat der Schuldner eine
Schuld anerkannt, ist ausgehend vom Wortlaut der Erklärung durch Auslegung zu
ermitteln, welche Wirkungen von diesem Anerkenntnis ausgehen und welche
Reichweite dieses hat. Bei der Ermittlung des zum Ausdruck gebrachten
Parteiwillens ist auf den erkennbar mit dem Anerkenntnis verfolgten Zweck, die
beiderseitige Interessenlage im konkreten Fall und die allgemeine
Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses
abzustellen (BGH WM 1976, 689; BGHZ 131, 136; NJW 1999, 418). Die Annahme
eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses und nicht nur einer
Tilgungszweckbestimmung der Beklagten ist vorliegend gerechtfertigt, weil die
Beteiligten unter den konkreten Umständen einen besonderen Anlass für den
Abschluss eines schuldbestätigenden Vertrages hatten. Vor der Erklärung der
Beklagten in ihrem Schreiben vom 20.8.2007 bestand Streit oder zumindest
subjektive Ungewissheit über das Bestehen der Schuld und/oder einzelner
Positionen (BGH NJW 1995, 960, 961 m. w. N.). Zwar stand die Einstandspflicht der
Beklagten als Haftpflichtversicherung hinsichtlich des dem
Schadensersatzbegehren der Klägerin zu Grunde liegenden Unfallereignisses, das
durch ihren Versicherungsnehmer allein verursacht wurde, fest; ungeklärt war
jedoch zwischen den Parteien die Erstattungsfähigkeit hinsichtlich der einzelnen
Schadensersatzpositionen. Zum Zwecke der Prüfung der Anspruchsberechtigung
der Klägerin forderte die Beklagte daher von der Klägerin diverse Unterlagen an.
Nach erfolgter Prüfung der von dieser vorgelegten Unterlagen teilte die Beklagte
der Klägerin mit Schreiben vom 20.8.2007 sodann mit, welche Beträge sie auf die
einzelnen genannten Schadenspositionen zahlen werde und fügte hinzu, dass sie
den summierten Betrag überwiesen habe. Hinsichtlich weiterer Positionen forderte
sie bei der Klägerin weitere Belege an. Dieses Verhalten kann unter Beachtung des
Empfängerhorizonts eindeutig nur dahin verstanden werden, dass sich die
Beklagte bezüglich ihrer Ersatzverpflichtung in der Weise bewusst festgelegt hat,
dass die Haftungsfrage hinsichtlich der einzelnen genannten Schadenspositionen,
denen jeweils Erstattungsbeträge zugeordnet wurden, abschließend in der Weise
geklärt werden sollte und sie mithin insoweit keine Einwendungen mehr erheben
wollte, die ihr zu dieser Zeit bekannt waren oder mit denen sie zumindest rechnen
musste (BGH NJW 1973, 39). Gerade der Umstand, dass die Beklagte in ihrem
Schreiben vom 20.8.2007 bestimmte einzelne Positionen benennt, diesen
konkrete Beträge zuordnet, während sie hinsichtlich anderer Positionen weitere
Aufklärung verlangt, zeigt, dass sie die genannten Schadenspositionen für die
Zukunft, d h. im Zuge der weiteren Schadensabwicklung dem Streit entziehen
wollte. Diese Leistungszusage, die rechtlich als Angebot auf Abschluss eines
kausalen Schuldanerkenntnisvertrages zu qualifizieren ist, konnte die Klägerin
6
7
8
9
10
11
kausalen Schuldanerkenntnisvertrages zu qualifizieren ist, konnte die Klägerin
nach § 151 BGB annehmen. Daran, dass sie dieses Angebot angenommen hat,
bestehen schon deshalb keine Zweifel, weil die Beklagte die Leistung der einzelnen
Schadenspositionen jeweils in der von der Klägerin begehrten Höhe zugesagt hat.
Dem kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg entgegen halten, dass in der
Rechtsprechung Mitteilungen einer Versicherung über Auszahlungssummen in der
Regel nicht als Anerkenntnis angesehen werden (vgl. Palandt-Sprau a. a. O. Rn.
10). Den von der Beklagten genannten Rechtsprechungsbeispielen (etwa OLG
Celle VersR 2007, 930 ff.; OLG Köln VersR 2003, 95 f.) lag ein
Versicherungsverhältnis zugrunde, im Rahmen dessen etwa ein
Auszahlungsbetrag aus einer Lebensversicherung mitgeteilt wird oder ohne
konkreten Anlass eines zu Grunde liegenden Streitverhältnisses eine Mitteilung
oder Auskunft ergeht, hinsichtlich derer ein Rechtsbindungswille fehlt. Im
Gegensatz hierzu bestand vorliegend ein Streit oder jedenfalls eine subjektive
Ungewissheit über die Frage der Schadensregulierung durch die Beklagte und lag
nicht nur eine tatsächliche Auskunft über eine Auszahlungssumme vor, wie die
Beklagte meint (vgl. zur Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses
im Zusammenhang mit Erklärungen von Versicherungen in
Haftungsangelegenheiten auch OLG Karlsruhe, ZfSch 1999, 350 ff.; KG in
KGReport Berlin 1999, 44; OLG Hamm OLGReport Hamm 1997, 245; auch OLG
Köln RuS 2006, 376 ff.).
2. Zu Recht hat das Landgericht auch die Zurechenbarkeit der Erklärung der
Sachbearbeiterin vom 20.8.2007 als eigene Erklärung der Beklagten
angenommen. Dafür spricht unter dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinvollmacht
bereits der Umstand, dass das Schreiben vom 21.8.2007, mit dem die Beklagte
ihre Erklärung vom Vortage widerrufen wollte, von der gleichen Sachbearbeiterin
stammt.
3. Unerheblich ist desweiteren auch, dass das Schreiben vom 20.8.2007 (ebenso
das Schreiben vom 21.8.2007) nicht mit einer Unterschrift der Sachbearbeiterin
versehen ist. Eine besondere Schriftform haben die Parteien für das auch formlos
wirksame deklaratorische Anerkenntnis nicht vereinbart. Im Übrigen ist die
Berufung der Beklagten auf die fehlende Unterschrift der Sachbearbeiterin auch
wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) unbeachtlich. Zum einen
ist es durchaus im Schriftverkehr der Versicherungen nicht unüblich, Schreiben nur
mit dem Namen des Sachbearbeiters, nicht jedoch mit einer Unterschrift zu
versehen, ohne dass dadurch der Rechtsbindungswille der Versicherung in Frage
gestellt wäre; zum anderen ist auch das nachfolgende Schreiben vom 21.8.2007,
nach dessen Inhalt das vorangegangene Schreiben vom 20.8.2007 als
gegenstandslos betrachtet werden soll, ohne Unterschrift versandt worden.
Hinsichtlich dieses Schreibens beruft sich die Beklagte ersichtlich nicht auf die
fehlende Unterschrift der Sachbearbeiterin.
4. Mit Schreiben vom 21.8.2007 konnte die Beklagte ihr vorangegangenes
Schreiben, das nach den vorangegangenen Ausführungen als Angebot zum
Abschluss eines kausalen Schuldanerkenntnisvertrages zu qualifizieren ist, auch
nicht mehr widerrufen. Wie aus den Eingangsstempeln des
Prozessbevollmächtigten der Klägerin ersichtlich, gingen das Schreiben vom
20.8.2007 am 21.8.2007 und das Schreiben vom 21.8.2007 am 22.8.2007 dem
Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu. An das Angebot vom 21.8.2007 aber ist
die Beklagte gebunden; von einer unverzüglichen Annahme durch die Klägerin
nach § 151 BGB ist auszugehen.
5. Durch den Abschluss eines bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrages mit
dem Inhalt des Schreibens vom 21.8.2007 sind der Beklagten Einwendungen
gegen das Bestehen einer Zahlungspflicht hinsichtlich der genannten Positionen
abgeschnitten, soweit sie ihr bei Abgabe des Anerkenntnisses bekannt waren oder
mit denen sie jedenfalls hätte rechnen müssen. Die nunmehr geltend gemachten
Einwendungen beruhen allesamt auf der Erkenntnislage, die die Beklagte bereits
am 21.8.2007 hatte, wie auch das Schreiben vom 21.8.2007 zeigt.
Sie haben Gelegenheit, zu diesen Hinweisen bis zum 5. September 2008 Stellung
zu nehmen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.