Urteil des OLG Frankfurt vom 22.01.2009

OLG Frankfurt: treu und glauben, vergleich, meldung, schiedsstelle, miterfinder, patentanwalt, beschränkung, vollstreckung, einwilligung, verzicht

Gericht:
OLG Frankfurt 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 151/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 5 ArbnErfG
(Arbeitnehmererfindung: Voraussetzungen einer formell
ordnungsgemäßen Erfindungsanmeldung und der
Wahrung der Inanspruchnahmefrist bei einer
"Wissensdokumentation" durch den Arbeitgeber)
Leitsatz
1. Zu den formellen Anforderungen an eine Erfindungsmeldung nach § 5 ArbnErfG.
2. Zu den Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des BGH (GRUR 06,
754 - „Haftetikett“) die Frist für die Inanspruchnahme einer dem Arbeitgeber bekannt
gewordenen Diensterfindung ausnahmsweise auch ohne formell ordnungsgemäße
Erfindungsmeldung in Gang gesetzt wird; insbesondere zu der Frage, welche
Anforderungen in diesem Zusammenhang an die „Wissensdokumentation“ durch den
Arbeitgeber zu stellen sind.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.9.2006 verkündete Urteil der 6.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert.
1. Der Beklagte wird weiter verurteilt, in die Umschreibung der folgenden
Schutzrechte und Schutzrechtsanmeldungen auf die Klägerin beim Deutschen
Patent- und Markenamt einzuwilligen:
DE …
DE …
DE …
DE …
DE …
DE …
DE …
DE …
DE …
DE ….
2. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten hinsichtlich der Erfindungen gemäß
Ziffer 1. wegen Benutzung dieser Erfindungen durch die Klägerin weitergehende
Ansprüche als solche nach dem ArbEG nicht zustehen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
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Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Gründe
I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug
genommen (§ 540 I, 1 ZPO). Mit der Berufung verfolgt die Klägerin das
abgewiesene Klagebegehren nach Maßgabe der nachfolgend wiedergegebenen
Anträge weiter.
Nach Erlass des angefochtenen Urteils haben die Parteien in einem Verfahren vor
dem Hessischen Landesarbeitsgericht (im dortigen Verfahren mit umgekehrten
Parteirollen) mit schriftlichen Erklärungen vom ….2006/….2006 einen gerichtlichen
Vergleich geschlossen, die in Ziffer 6. eine umfassende Abgeltungsklausel enthält,
von der nach dem Wortlaut nur Ansprüche des Klägers des dortigen Verfahrens
ausgenommen sind; wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des
Landesarbeitsgericht nach § 278 VI ZPO vom 2.11.2006 (Bl. 408 ff. d.A.)
verwiesen. Nachdem der Beklagte die Auffassung vertreten hat, damit habe die
Klägerin auf die mit der Berufung weiterverfolgten Ansprüche verzichtet, hat die
Klägerin den Vergleich vorsorglich wegen Erklärungsirrtums angefochten und die
Fortsetzung des Verfahrens vor dem Landesarbeitsgericht beantragt, verbunden
mit der Widerklage auf Zwischenfeststellung, dass sich die Ausnahmeregelung von
der Abgeltungsklausel in Ziffer 6.1 des Vergleichs gemäß Beschluss des
Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 2.11.2006 auf Ansprüche beider Parteien
bezieht. Mit Urteil vom 28.5.2008 (Bl. 789 ff. d.A.) hat das Landesarbeitsgericht
festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich gemäß Beschluss vom
2.11.2006 beendet ist; zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin
(Beklagte des dortigen Verfahrens) mit dem Vergleich nicht auf Ansprüche auf
Umschreibung oder Übertragung von Schutzrechten oder
Schutzrechtsanmeldungen verzichtet habe. Die Zwischenfeststellungswiderklage
der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht als unzulässig abgewiesen. Die gegen
die Abweisung der Zwischenfeststellungswiderklage eingelegte
Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat das Bundesarbeitsgericht durch
Beschluss vom 12.12.2008 (Bl. 920 ff. d.A.) zurückgewiesen.
Die Klägerin schließt sich der vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen
Auslegung des Vergleichs gemäß Beschluss vom 2.11.2006 an. Weiter trägt sie im
Berufungsverfahren erstmals vor, seit Juni 2007 hätten sich vierzehn ihrer
Arbeitnehmer bei ihr gemeldet und geltend gemacht, neben dem Beklagten
Miterfinder der streitgegenständlichen Diensterfindungen zu sein; die Erfindungen
dieser Miterfinder habe sie unbeschränkt in Anspruch genommen. Im Hinblick
darauf hat die weitere Hilfsanträge formuliert. Im Übrigen wiederholt und vertieft
die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte aus zwei der streitbefangenen
Patentanmeldungen zwei Gebrauchsmusterabzweigungen vorgenommen, auf eine
der Patentanmeldungen ist inzwischen ein Patent erteilt worden; wegen der
Einzelheiten wird auf den - unbestrittenen - Vortrag im Schriftsatz des
Klägervertreters hierzu vom 8.7.2008 Bezug genommen. Hieran hat die Klägerin
die Klageanträge angepasst.
Die Klägerin beantragt,
I.1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen,
in die Umschreibung der folgenden Schutzrechte und Schutzrechtsanmeldungen
auf die Klägerin beim Deutschen Patent- und Markenamt einzuwilligen: DE … DE …
DE … DE … DE … DE … DE … DE … DE … DE …; hilfsweise für den Fall, dass eine
Umschreibung nicht in Betracht kommt, den Beklagten zu verurteilen, seinen
jeweiligen Erfinderanteil an vorgenannten Schutzrechtspositionen und den diesen
zugrunde liegenden Erfindungen auf die Klägerin zu übertragen und in die
Umschreibung dieser Schutzrechtspositionen auf die Klägerin beim Deutschen
Patent- und Markenamt einzuwilligen.
2. festzustellen, dass dem Beklagten hinsichtlich der Erfindungen gemäß Ziffer I.1.
wegen Benutzung dieser Erfindungen durch die Klägerin weitergehende Ansprüche
als solche nach dem ArbEG nicht zustehen.
II. hilfsweise zu I. 1.den Beklagte zu verurteilen, der Klägerin an den Gegenständen
der den Schutzrechtspositionen DE … DE … DE … DE … DE … DE … DE … DE …
zugrunde liegenden Erfindungen eine Mitinhaberschaft einzuräumen und in eine
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zugrunde liegenden Erfindungen eine Mitinhaberschaft einzuräumen und in eine
entsprechende Umschreibung vorgenannter Schutzrechtspositionen gegenüber
dem DPMA einzuwilligen;
2. hilfsweise zu Ziffer II. 1. festzustellen, dass die Klägerin an den
Schutzrechtspositionen DE … DE … DE … DE … DE … DE … DE … DE … DE … DE
… und den diesen zugrunde liegenden Erfindungen ein umfassendes, auch
übertragbares Nutzungsrecht zusteht. III. weiter hilfsweise zu Ziffern II. und III.
festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht geltend, nach dem Wortlaut des Vergleichs gemäß Beschluss vom
2.11.2006 sowie nach dem vorangegangenen Schriftwechsel (Anlage B 43) habe
die Klägerin in Ziffer 6. auf die streitgegenständlichen Ansprüche verzichtet, für
diese Auslegung spreche auch der Umfang der Anspruchpositionen, auf die der
Beklagte in dem Vergleich verzichtet habe. Wegen der Einzelheiten des Vortrags
wird insbesondere auf Ziffer 1. des Schriftsatzes des Beklagtenvertreters vom
20.11.2008 (Bl. 878 ff. d.A.) sowie auf die Schriftsätze des Beklagtenvertreters
vom 14.1.2009 (Bl. 953 ff. d.A.) und vom 20.1.2009 (Bl. 991 ff. d.A.) Bezug
genommen. Weiter bestreitet der Beklagte eine Miterfinderstellung anderer
Arbeitnehmer der Klägerin. Im Übrigen verteidigt der Beklagte das angefochtene
Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Die
nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Haftetikett“ erforderliche
Wissensdokumentation des Arbeitgebers liege jedenfalls in dem Bericht der
Konzernrevision der Klägerin vom 24.2.2003 (Anlage B 42 a), dem Schreiben der
Klägerin vom 5.5.2003 (Anlage K 7) sowie dem Schreiben der Patentabteilung der
Klägerin vom 24.9.2003 (Anlage B 6).
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
1. Die Klägerin hat in dem vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht
geschlossenen Vergleich gemäß Beschluss vom 2.11.2006 nicht auf die im
vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche verzichtet. Denn
ungeachtet des Wortlauts des Vergleichs sind bei einer an der Interessenlage der
Parteien orientierten Auslegung von der umfassenden Abgeltungsklausel in Ziffer
6. auch etwaige Ansprüche der Klägerin auf Umschreibung und Übertragung von
Schutzrechtspositionen ausgenommen. Insoweit schließt sich der Senat zunächst
in vollem Umfang den zutreffenden Ausführungen im Urteil des Hessischen
Landesarbeitsgerichts vom 28.5.2008 an. Das weitere Vorbringen des Beklagten
rechtfertigt ebenfalls keine abweichende Beurteilung. Vielmehr bestätigt auch die
schriftlich dokumentierte Entstehungsgeschichte des Vergleichs, dass die Parteien
die im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Ansprüche der Klägerin
gleichfalls von der Abgeltungsvereinbarung ausnehmen wollten.
Zwar hat Rechtsanwalt A, der den Beklagten in dem Verfahren vor dem
Hessischen Landesarbeitsgericht vertreten hat, zunächst mit Schreiben vom
17.8..2006 (Bl. 433 d.A.) einen Formulierungsvorschlag zur Ausnahmeregelung
von der Abgeltungsklausel unterbreitet, in der es – wie in dem später
geschlossenen Vergleich – unter Ziffer 6., erster Spiegelstrich, heißt „Ansprüche
unseres Mandanten aus Patenten …“. In einem weiteren Schreiben vom 29.9.2006
hat der von der Klägerin beauftragte Rechtsanwalt Prof. Dr. B jedoch (Bl. 438 d.A.)
ausgeführt, dass von der Ausgleichsklausel solche Ansprüche ausgenommen
werden sollten, „die ihre Grundlage in den zur Zeit rechtshängigen Verfahren
haben“. Dem schloss sich ein Formulierungsvorschlag für Ziffer 6., erster
Spiegelstrich des Vergleichs an, in dem es heißt „Ansprüche in Bezug auf die
Patente und/oder Gebrauchsmuster, die zur Zeit Gegenstand des gerichtlichen
Verfahrens beim Landgericht Frankfurt am Main – 2-06 O 82/06 – sind …“. Damit
wären die streitgegenständlichen Ansprüche von der Abgeltungsklausel
ausgenommen gewesen.
Mit Schreiben vom 4.10.2006 (Bl. 441 d.A.) hat der vom Beklagten eingeschaltete
Patentanwalt Dr. C geantwortet und eine Ausnahmeregelung zur
Abgeltungsklausel vorgeschlagen, die ebenfalls eine Beschränkung auf Ansprüche
des Beklagten nicht enthielt. Zugleich wird in dem Schreiben ausgeführt, dass „mit
vorstehender Formulierung der Komplex noch offener Streitfragen, soweit der
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vorstehender Formulierung der Komplex noch offener Streitfragen, soweit der
gewerbliche Rechtsschutz betroffen ist, klar umrissen und abgegrenzt“ sei. Das
kann nur dahin verstanden werden, dass auch der Patentanwalt des Beklagten die
zu diesem Komplex gehörenden, im vorliegenden Verfahren
streitgegenständlichen Ansprüche der Klägerin – entsprechend dem von ihm
vorgeschlagenen Wortlaut des Vergleichs – als von der Ausnahmeregelung erfasst
ansehen wollte. Dem steht nicht entgegen, dass es in dem selben Schreiben zuvor
im zweiten Absatz heißt: „Die von Ihnen vorgeschlagene Formulierung bedarf noch
geringfügiger Ergänzungen, um die Ansprüche Herrn Ds im Zusammenhang mit
seinen Erfindungen … offen zu halten“. Die Äußerung legt aus der Sicht des
objektiven Empfängers lediglich nahe, dass es Patentanwalt Dr. C mit der
gewünschten Änderung zwar darum ging, bestimmte Positionen des Beklagten im
Hinblick auf dessen Ansprüche im Zusammenhang mit seinen Erfindungen zu
wahren; dagegen kann ihr nicht entnommen werden, dass der Beklagte damit -
entgegen den erkennbar gewordenen Vorstellungen im Schreiben des
Rechtsanwalts Prof. Dr. B vom 29.9.2006 - von der Klägerin einen Verzicht auf
deren Ansprüche aus diesem Komplex verlangen wollte.
Unter dem 16.10.2006 (Bl. 443 d.A.) hat Rechtsanwalt Prof. Dr. B dem vom
Beklagten beauftragten Rechtsanwalt A mitgeteilt, seine Partei sei „bereit, die
Erledigungsklausel hinsichtlich der Patentansprüche so zu akzeptieren, wie sie von
Rechtsanwalt C vorgeschlagen wird“; er habe daher „das Ergebnis unserer
Korrespondenz in einen endgültigen Vergleichstext gegossen“. In diesem dem
Schreiben beigefügten Vergleichstext heißt es allerdings unter Ziffer 6., erster
Spiegelstrich, wiederum „Ansprüche des Klägers …“; diese Einschränkung ist
sodann in den mit Beschluss vom 2.11.2006 festgestellten Vergleich übernommen
worden.
Unter diesen Umständen handelt es sich bei der im Vergleichswortlaut unter Ziffer
6., erster Spiegelstrich, enthaltenen Beschränkung der Ausnahmeregelung auf
Ansprüche „des Klägers“ (und Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits)
ersichtlich um ein bei der Abfassung des Textes unterlaufenes – vermutlich auf die
erste Fassung im Schreiben des Rechtsanwalts Prof. Dr. B vom 17.8.2006
zurückgehendes – Versehen, das dem wirklichen Willen der den Vergleich
schließenden Parteien nicht entsprach. Aus der Sicht der Klägerin bestand – für
den Beklagten erkennbar - nicht der geringste Anlass, in dem Vergleich auf die
Ansprüche zu verzichten, die sie mit der kurz zuvor eingelegten Berufung gegen
das angefochtene Urteil des Landgerichts weiterverfolgt hatte. Wäre dies die
Absicht der Parteien gewesen, wäre in den Vergleich im Übrigen auch eine
Regelung aufgenommen worden, wie das anhängige Verfahren
zweckmäßigerweise zu beenden sei. Vor allem hat auch der Beklagte im Laufe der
Vergleichsverhandlungen niemals zu erkennen gegeben, dass er den
Vergleichsschluss vor dem Landesarbeitsgericht etwa von einem Verzicht der
Klägerin auf die streitgegenständlichen Ansprüche abhängig machen wollte. Wie
sich aus dem dargestellten Schriftwechsel, insbesondere dem Schreiben des
Patentanwalts C vom 4.10.2006, mit aller Deutlichkeit ergibt, ging vielmehr auch
der Beklagte erklärtermaßen davon aus, dass die streitgegenständlichen
Ansprüche der Klägerin von der Abgeltungsklausel ebenfalls ausgenommen
werden sollten. Daher beruhte die in den Vergleichstext aufgenommene
Beschränkung („des Klägers“) auf einem offensichtlichen Versehen, das dem
Anwalt der Klägerin bei der Abfassung des endgültigen Vergleichstextes
unterlaufen ist und das auch der Beklagte bzw. sein Anwalt vor der Annahme
dieses Vergleichsangebots übersehen hat. Selbst wenn der Beklagte die – für ihn
äußerst vorteilhafte – Abweichung des endgültigen Vergleichswortlauts vom Inhalt
des bis dahin von beiden Seiten beabsichtigten Vergleichsinhalts vor der Annahme
erkannt hätte, wäre es aus den dargestellten Gründen jedenfalls treuwidrig, wenn
der Beklagte die Klägerin nunmehr an dem Wortlaut des Vergleichs festhalten
wollte.
Die dargestellten Erwägungen zur Auslegung des Vergleichs führen zu einem
derart klaren Ergebnis, dass es für die Beurteilung nicht mehr darauf ankommen
kann, wie die Positionen, auf die der Beklagte im Rahmen dieses Vergleichs
verzichtet hat, zu bewerten sind.
2. Der Klägerin steht der mit dem Berufungsantrag zu I. 1. geltend gemachte
Anspruch auf Einwilligung des Beklagten in die Umschreibung der in diesem Antrag
aufgeführten Schutzrechte und Schutzrechtsanmeldungen zu, weil allen
Schutzrechtspositionen Diensterfindungen (§ 4 II ArbEG) des Beklagten zugrunde
liegen und die Klägerin diese Diensterfindungen wirksam in Anspruch genommen
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liegen und die Klägerin diese Diensterfindungen wirksam in Anspruch genommen
hat (§ 5 ArbEG). Die Klägerin hat daher auch ein rechtliches Interesse (§ 256 I
ZPO) an der Feststellung gemäß dem Berufungsantrag zu I. 2. begehrten
Feststellung.
a) Hinsichtlich der Qualifizierung als Diensterfindung besteht zwischen den
Parteien nur Streit in Bezug auf die DE …. Auch hierbei handelt es sich jedoch um
eine Diensterfindung (§ 4 ArbEG).
Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, hat der Beklagte die in Rede
stehende Erfindung noch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses mit der
Klägerin gemacht. Die Erfindung beruht auch maßgeblich auf Erfahrungen oder
Arbeiten des Betriebs der Klägerin i.S.v. § 4 II Nr. 2 ArbEG.
Der Beklagte ist nach eigenem Vortrag 1978 als Mechaniker bei der Klägerin
eingetreten, arbeitete seit 1990 als Meister der Getriebemontage und ab 1.5.2002
als Planer in der Getriebemontage. Das rechtfertigt den Schluss, dass er praktisch
sein gesamtes die Getriebetechnik im weitesten Sinn betreffendes Wissen bei der
Klägerin erworben hat. Die in Rede stehende Erfindung steht nach der
Anmeldeschrift (Anlagenkonvolut K 13) – ungeachtet der allgemeinen
Formulierung des Patentanspruchs – in engem Zusammenhang mit dem Problem,
dass Saugfilter für Automatikgetriebe kleinste Partikel aus dem Öl herausfiltern
müssen. Damit berührt der Erfindungsgegenstand in starkem Maße den
betrieblichen Tätigkeitsbereich des Beklagten, so dass jedenfalls eine tatsächliche
Vermutung für eine Erfahrungserfindung i.S.v. § 4 II Nr. 2 ArbEG spricht. Diese
Vermutung hat der Beklagte nicht widerlegt. Selbst wenn der Beklagte – wie er
vorträgt – auf das in der Anmeldung geschilderte Problem im Zusammenhang mit
seiner Mithilfe auf dem Reiterhof seiner Ehegattin gestoßen ist, folgt daraus nicht,
dass der Beklagte auch die Lösung dieses Problems derart unabhängig von den
betrieblich gewonnen Erfahrungen auf dem Gebiet der Getriebetechnik gefunden
hat, dass keine Erfahrungserfindung im Sinne des Gesetzes vorliegt.
b) Die Klägerin hat die streitgegenständlichen Diensterfindungen mit Schreiben
vom 19.4., 5.7. und 21.7.2005 wirksam unbeschränkt in Anspruch genommen, da
die viermonatige Inanspruchnahmefrist des § 6 II, 2 ArbEG zuvor nicht in Lauf
gesetzt worden war.
aa) Eine den allgemeinen Anforderungen gerecht werdende Erfindungsmeldung (§
5 ArbEG) hat – wovon auch das Landgericht mit zutreffender Begründung
ausgegangen ist – der Beklagte nicht erstattet.
Dies gilt zunächst hinsichtlich der Schreiben bzw. e-Mails des Beklagten vom
29.8.2002 (Anlage K 4), 4.9.2002 (Anlage K 5) und 20.11.2002 (Anlage K 6) schon
deshalb, weil hierin nur allgemein behauptet wird, der Beklagte habe eine Vielzahl
von Erfindungen gemacht, ohne dass diese auch nur in Ansätzen näher
beschrieben worden wären. Dies hat bereits die Schiedsstelle im Einzelnen in
ihrem Beschluss vom 29.6.2004 (Anlage K 12) zutreffend ausgeführt, ohne dass
es darauf ankäme, welche Bindungswirkung dieser Entscheidung zukommt.
Ebenso wenig kann dem Ordner SSt-O, den der Beklagte bei der Schiedsstelle mit
Schriftsatz vom 4.1.2003 eingereicht hat und der der Klägerin am 24.3.2003
zugestellt worden ist, eine ordnungsgemäße Meldung der streitgegenständlichen
Erfindungen gesehen werden. Es geht in diesem Zusammenhang nicht darum, ob
die besonderen Voraussetzungen einer Erfindungsmeldung nach § 5 II ArbEG
erfüllt sind; fehlte es nur hieran, hätte die Klägerin binnen zwei Monaten eine
entsprechende Ergänzung anfordern müssen (§ 5 III ArbEG). Vielmehr wird der
Ordner SSt-O schon den allgemeinen Anforderungen an eine Erfindungsmeldung
nach § 5 I ArbEG nicht gerecht.
Die Meldung hat nach dem Gesetz „gesondert schriftlich“ zu erfolgen. Zweck der
Regelung ist es, den Arbeitgeber in die Lage zu versetzen, den
Erfindungscharakter zu erkennen und sachgerecht über die Frage der
Inanspruchnahme oder Freigabe, den etwaigen Inhalt einer
Schutzrechtsanmeldung sowie über die Erfindervergütung zu entscheiden (vgl.
BGH GRUR 06, 754 – Haftetikett). Sowohl das Schriftformerfordernis als auch das
Erfordernis der „gesonderten“ Meldung sollen sicherstellen, dass dem Arbeitgeber
klar und deutlich vor Augen geführt wird, dass er die genannten Entscheidungen –
innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von vier Monaten - treffen muss, will er
nicht Gefahr laufen, dass die Diensterfindung frei wird. Daher muss eine die
Diensterfindung betreffende, für sich stehende und vom Arbeitnehmer
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Diensterfindung betreffende, für sich stehende und vom Arbeitnehmer
unterzeichnete Meldungsurkunde übergeben werden.
Den danach zu stellenden Anforderungen an eine ordnungsgemäße
Erfindungsmeldung wird der Ordner SSt-O selbst dann nicht gerecht, wenn man –
wovon das Landgericht ausgegangen ist – unterstellt, dass die Gegenstände der
einzelnen Erfindungen sich in diesem Ordner mit mehr oder weniger großer Mühe
finden lassen. Denn wenn überhaupt befinden sich diese Offenbarungen der
Erfindungen in den Anlagen K 1 – 4, K 7 zu dem Entwurf einer arbeitsgerichtlichen
Klage, der dem vom Beklagten unterzeichneten Schriftsatz an die Schiedsstelle
vom 4.1.2003 beigefügt war. Danach wäre den Erfordernissen der Schriftform und
der „gesonderten“ Meldung allenfalls dann Rechnung getragen, wenn der vom
Beklagten unterzeichnete Schriftsatz zumindest irgendeinen Hinweis darauf
enthielte, dass diese „Anlagen zur Anlage“ die Meldung von Diensterfindungen
enthalten sollten. Dazu ist dem Schriftsatz vom 4.1.2003 aber nichts zu
entnehmen. Es handelt sich bei diesem Schriftsatz im Gegenteil ausdrücklich um
eine Anrufung der Schiedsstelle gemäß § 31 I ArbEG „wegen Vergütung der
Arbeitnehmererfindungen gem. ArbNErfG“. Dies erweckt den Eindruck, mit dieser
Anrufung der Schiedsstelle solle die Höhe der Vergütung für eine bereits in
Anspruch genommene Diensterfindung geklärt werden. Dass in den Anlagen zu
einer Anlage dieses Schriftsatzes Diensterfindungen überhaupt erst gemeldet
werden sollten, war für die Klägerin nicht zu erkennen. Damit sind die
Voraussetzungen für eine Erfindungsmeldung nach § 5 I ArbEG nicht erfüllt.
bb) Die Inanspruchnahmefrist ist auch nicht unter Anwendung der vom
Bundesgerichtshof in der bereits genannten Entscheidung „Haftetikett“
entwickelten Grundsätze in Lauf gesetzt worden. Dies gilt selbst dann, wenn
unterstellt wird, dass die Klägerin sich auf Grund der vom Beklagten übermittelten
Informationen, insbesondere durch den Inhalt des Ordners SSt-O, im vollständigen
Besitz der einzelnen Erfindungen befand und auch wusste, dass der Beklagte der
Erfinder war. Denn auch unter dieser Voraussetzung wird nach der genannten
Entscheidung die Inanspruchnahmefrist trotz Fehlens einer formell
ordnungsgemäßen Erfindungsmeldung ausnahmsweise nur dann – letztlich im
Hinblick auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) - in Lauf gesetzt, wenn in einer der
ordnungsgemäßen Meldung vergleichbaren anderweitigen Form dokumentiert ist,
dass der Arbeitgeber das Wissen und die Erkenntnismöglichkeiten hat, die ihm
nach § 5 ArbEG vermittelt werden sollen (BGH a.a.O., Nr. 26). Der
Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung angenommen, dass im dortigen Fall
die Patentanmeldung durch den Arbeitgeber unter Nennung aller beteiligten
Erfinder eine solche „Wissensdokumentation“ darstellte. Unter diesen Umständen
wäre es in der Tat eine „treuwidrige Förmelei“ (BGH a.a.O.), vom Arbeitnehmer
noch die Meldung einer Diensterfindung zu verlangen, die der Arbeitgeber bereits
zum Gegenstand einer eigenen Schutzrechtsanmeldung gemacht hat. Daraus
kann aber nicht gefolgert werden, dass etwa eine Wissensübermittlung durch den
Arbeitnehmer an den Arbeitgeber, die zwar die Diensterfindung beinhaltet, jedoch
den besonderen formellen Erfordernissen einer Erfindungsmeldung gemäß § 5 I
ArbEG nicht gerecht wird, ebenfalls als „Wissendokumentation“ im Sinne der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angesehen werden könnte. Denn
dadurch würden die bereits oben dargestellten gesetzlichen Anforderungen an
eine Erfindungsmeldung im Ergebnis vollständig unterlaufen. Auch der
Entscheidung „Haftetikett“ kann nicht entnommen werden, dass eine solche
Konsequenz vom Bundesgerichtshof beabsichtigt ist.
Im vorliegenden Fall fehlt es an einer „Wissensdokumentation“ im dargestellten
Sinn. Insbesondere hat nicht – wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen
Fall – die Klägerin, sondern der Beklagte die Schutzrechtsanmeldungen
vorgenommen. Als „Wissensdokumentation“ kann auch nicht das Schreiben der
Klägerin vom 5.5.2003 (Anlage K 7) angesehen werden, in dem es heißt, nach
Erhalt des Ordners SSt-O sei die Klägerin „erstmals in die Lage versetzt,
überhaupt zu erkennen, was Ihr Mandant erfunden haben will“. Denn in dem
gleichen Schreiben hat die Klägerin die nach wie vor fehlende Erfindungsmeldung
mit der erforderlichen ausführlichen Beschreibung beanstandet. Dieses Verlangen
nach einer ordnungsgemäßen Erfindungsmeldung war schon angesichts der
Vielzahl der im Raum stehenden Diensterfindungen des Beklagten keine „bloße
Förmelei“ im Sinne der Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Das gleiche gilt für
den als Anlage B 42 a (Bl. 412 ff. d.A.) vorgelegten Bericht der Konzernrevision der
Klägerin vom 24.2.2003 sowie das Schreiben der Patentabteilung der Klägerin vom
24.9.2003 (Anlage B 6). Beide Unterlagen zeigen zwar, dass die Klägerin sich
allgemein mit den Erfindungen des Beklagten befasst hat, sie dokumentieren
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allgemein mit den Erfindungen des Beklagten befasst hat, sie dokumentieren
jedoch nicht in der erforderlichen Form, dass die Klägerin das Wissen und die
Erkenntnismöglichkeiten hatte, die ihr durch eine Erfindungsmeldung vermittelt
werden sollen.
c) Infolge der wirksamen Inanspruchnahme der Diensterfindungen kann die
Klägerin die Einwilligung des Beklagten in die Umschreibung verlangen; dies hat
das Landgericht – in Bezug auf die im Berufungsverfahren nicht mehr
streitgegenständlichen Diensterfindungen – zutreffend ausgeführt. Auf die Frage,
ob an den Erfindungen weitere Arbeitnehmer als Miterfinder beteiligt waren,
kommt es – da die Klägerin auch die Erfindungen dieser etwaigen Miterfinder in
Anspruch genommen hat – für die Entscheidung nicht an.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für
eine Zulassung der Revision (§ 543 II ZPO) liegen nicht vor. Nach Auffassung des
erkennenden Senats wirft insbesondere die Entscheidung „Haftetikett“ des
Bundesgerichtshofs keine für die Entscheidung des vorliegenden Falles erheblichen
ernsthaften Zweifelsfragen auf.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.