Urteil des OLG Frankfurt vom 08.06.2010

OLG Frankfurt: anpassung, unechte rückwirkung, verordnung, aufzählung, unternehmen, daten, ermächtigung, ergänzung, umkehrschluss, ermessen

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Gericht:
OLG Frankfurt 1.
Kartellsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 W 3/09 (Kart)
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 4 ARegV, § 9 ARegV, § 10
ARegV, § 24 Abs 3 ARegV, §
25 ARegV
Leitsatz
1. Ein Anspruch auf einen pauschalierten Investitionszuschlag nach § 25 ARegV besteht
im vereinfachten Verfahren (§ 24 ARegV) auch nicht unter dem Gesichtspunkt des
Vertrauensschutzes für solche Netzbetreiber, die einen Antrag auf Teilnahme am
vereinfachten Verfahren vor der Änderung des § 24 Absatz 3 ARegV gestellt haben.
2. Die Berücksichtigung eines Erweiterungsfaktors ist im ersten Jahr der
Regulierungsperiode ausgeschlossen.
3. § 21 a Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 5 Satz 1 EnWG enthält eine
ausreichende gesetzliche Grundlage für die Berücksichtigung eines generellen
sektoralen Produktivitätsfaktors.
Tenor
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Festlegungsbescheid der
Beschwerdegegnerin vom 03.12.2008 – Az.: III2A-075s10-462#004 – wird
zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird durch gesonderten
Beschluss festgesetzt werden.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung der Erlösobergrenzen
durch die Beschwerdegegnerin.
Die Beschwerdeführerin betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz im Sinne des § 3 Nr.
3 EnWG. Für die erste Anreizregulierungsperiode nach der
Anreizregulierungsverordnung vom 29.10.2007 (ARegV) genehmigte die
Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin die Teilnahme am vereinfachten
Verfahren nach § 24 ARegV. Mit Schreiben vom 26.06.2008 (Anlage Bf 5)
beantragte die Beschwerdeführerin die Berücksichtigung eines Erweiterungsfaktors
nach § 10 ARegV zum 01.01.2009.
Durch den angefochtenen Bescheid vom 03.12.2008 hat die Beschwerdegegnerin
die kalenderjährlichen Erlösobergrenzen der Beschwerdeführerin für den Zeitraum
der ersten Regulierungsperiode (2009 bis 2013) festgesetzt. Den Antrag der
Beschwerdeführerin auf Anpassung der Erlösobergrenzen durch Einbeziehung
eines pauschalierten Investitionszuschlages gemäß § 25 ARegV hat die
Beschwerdegegnerin abgelehnt, weil nach § 24 Abs. 3 ARegV in der Fassung vom
12.4.2008 § 25 ARegV im vereinfachten Verfahren nicht anwendbar sei. Den
Antrag der Beschwerdeführerin auf Anpassung der Erlösobergrenzen zum
01.01.2009 durch einen Erweiterungsfaktor hat die Beschwerdegegnerin ebenfalls
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01.01.2009 durch einen Erweiterungsfaktor hat die Beschwerdegegnerin ebenfalls
ablehnt. Wegen der Einzelheiten, insbesondere der Begründung, wird auf den
Bescheid (GA 6-28) Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführerin meint, die Nichtgewährung des beantragten
pauschalierten Investitionszuschlags verstoße gegen den allgemeinen
Gleichheitsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG. Nach der Verordnungsbegründung (BR-
Drs. 417/07, S. 70) diene der Investitionszuschlag dazu, notwendige Investitionen
in die Energieversorgungsnetze in der Startphase der Anreizregulierung nicht zu
behindern.
Das Risiko, dass zu Beginn der Anreizregulierung erforderliche Investitionen nicht
durchgeführt würden, bestehe insbesondere für kleinere Netzbetreiber. Dass bei
Teilnehmern am vereinfachten Verfahren kein Effizienzvergleich nach den §§ 12 bis
14 ARegV stattfinde, rechtfertige die Differenzierung nicht. Die nach §§ 14 Abs. 1
Nr. 3, Abs. 2 ARegV vorzunehmende Vergleichbarkeitsrechnung diene nicht nur als
rechnerische Grundlage für den Effizienzvergleich, sondern auch als
Datengrundlage für die Ermittlung der Basis für den pauschalierten
Investitionszuschlag. Deshalb könne die Entbehrlichkeit des Effizienzvergleichs das
Entfallen des pauschalierten Investitionszuschlags nicht begründen. Die
Berechnung nach § 14 Abs. 2 ARegV sei auch nicht allzu schwierig. Selbst wenn
man die Ungleichbehandlung als gerechtfertigt ansehen wollte, wäre die
Ablehnung des Antrages gleichwohl unzulässig, da dieser – unstreitig – bereits vor
der Änderung des § 24 Abs. 3 ARegV gestellt worden sei. Richtigerweise sei auf
den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Wäre der Zeitpunkt der
behördlichen Entscheidung maßgeblich, würde ihr der vorher bestehende
Anspruch nachträglich abgeschnitten, weil sie an das vereinfachte Verfahren
gebunden sei. Die nachträgliche Änderung verletze ihr schutzwürdiges Vertrauen,
da sie sich bei der Option für das vereinfachte Verfahren auch von der Möglichkeit
der Kalkulation mit dem Investitionszuschlag habe leiten lassen.
Die Beschwerdeführerin ist zudem der Ansicht, die Beschwerdegegnerin habe zu
Unrecht den Antrag der Beschwerdeführerin auf Anpassung der Erlösobergrenze
durch einen Erweiterungsfaktor gemäß § 10 Abs. 1 ARegV mit der Begründung
abgelehnt, in dem ersten Jahr der Anreizregulierung sei dies nicht möglich. Dies
ergebe sich aus § 4 Abs. 3 S. 3 und Abs. 4 ARegV und aus der Formel in Anlage 2
zur ARegV. Änderungen der Versorgungsaufgabe gegenüber dem Basisjahr
könnten über § 10 Abs. 1 ARegV Berücksichtigung finden.
Die Beschwerdeführerin wendet sich schließlich dagegen, dass die
Beschwerdegegnerin bei der Berechnung der jährlichen Erlösobergrenzen nicht
von einem gesamtwirtschaftlichen, sondern von einem sektoralen
Produktivitätsfortschritt ausgegangen ist. Sie meint, die Regelung in § 9 ARegV
verstoße gegen § 21a Abs. 5 S. 1 und Abs. 6 S. 2 Nr. 5 EnWG. Nach § 21a Abs. 5
S. 1 EnWG sei nur die inflationsbereinigte gesamtwirtschaftliche
Produktivitätsentwicklung zu berücksichtigen.
Auch in den Gesetzesmaterialien zum EnWG werde eine sektorale
Produktivitätsentwicklung nicht erwähnt. Eine Einstellung weiterer Faktoren bei der
Bestimmung der Effizienzvorgaben könne auch nicht daraus hergeleitet werden,
dass § 21a Abs. 5 S. 1 EnWG einzelne Faktoren als „insbesondere“ zu
berücksichtigen benenne. Das Gesetz regele lediglich abschließend und nach dem
Wortlaut unmissverständlich, dass die gesamtwirtschaftliche
Produktivitätsentwicklung für die Bestimmung der Effizienzvorgaben maßgeblich
sei. Auch § 21a Abs. 6 S. 2 Nr. 5 EnWG, der Regelungen zum Verfahren bei der
Berücksichtigung der Inflationsrate vorsehe, ermächtige den Verordnungsgeber
nicht dazu, anstelle der gesamtwirtschaftlichen eine höhere sektorale
Produktivitätssteigerung zu berücksichtigen. Überdies sei es auch rechtswidrig,
dass der Verordnungsgeber den sektoralen Produktivitätsfaktor für die ersten
beiden Regulierungsperioden betragsmäßig mit 1,25 % bzw. 1,5 % bestimmt habe.
Dies widerspreche dem Prinzip der sogenannten Methodenrobustheit in § 23 a
Abs. 5 S. 5 EnWG, wonach der Wert zur Ermittlung der Höhe des sektoralen
Produktivitätsfortschritts nach dem Stand der Wissenschaft zu ermitteln sei. Mit
den pauschalen Festlegungen setze sich der Verordnungsgeber jedoch an die
Stelle wissenschaftlicher Ermittlungen. Die Befugnis zu Pauschalwerten folge auch
nicht aus der generellen Befugnis in § 21a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 EnWG zur näheren
Ausgestaltung der Methode der Anreizregulierung und ihrer Durchführung. Jede
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Ausgestaltung der Methode der Anreizregulierung und ihrer Durchführung. Jede
Festlegung zum Produktivitätsfaktor müsse den tatsächlichen Entwicklungen des
Strom- bzw. Gassektors im Vergleich zur Gesamtwirtschaft entsprechen und dürfe
nicht vorab festgelegt werden. Die pauschale Vorabfestlegung sei auch nicht durch
die im Bericht der Beteiligten vom 30.6.2006 (Randnummern 261 ff.) angeführten
methodischen Probleme und fehlenden Datengrundlagen gerechtfertigt. Eine
generelle sektorale Produktivitätsvorgabe dürfe es aus Gründen der
Rechtssicherheit so lange nicht geben, wie die erforderliche Datengrundlage für
eine wirtschaftswissenschaftlich fundierte Berechnung fehle. Der von der
Beteiligten in ihrem Bericht ermittelte generelle sektorale Produktivitätsfaktor von
2,54 % sei nicht sachgerecht.
Zumindest verstoße die ARegV insoweit gegen § 21a Abs. 4 S. 6 EnWG, als sich
der Faktor für den sektoralen Produktivitätsfortschritt auch auf vorübergehend
nicht beeinflussbare Kostenanteile beziehe.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Bescheid der Beschwerdegegnerin vom 03.12.2008 – Aktenzeichen III 2 A -
075 s 10 - 462#004 – aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, die
Erlösobergrenze der ersten Regulierungsperiode (Jahre 2009 bis 2013) für die
Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts
neu zu bestimmen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin meint, der Antrag sei insoweit unzulässig, als sie
(Beschwerdegegnerin) verpflichtet werden soll, einen Feststellungsbescheid
gemäß der Rechtsauffassung des Gerichts zu erlassen, da die Festsetzung der
Erlösobergrenze von Amts wegen erfolge.
Die Beschwerdegegnerin vertritt die Ansicht, die Beschwerdeführerin könne die
Berücksichtigung eines pauschalierten Investitionszuschlags nicht verlangen, da
dieser schon nach der ursprünglichen Fassung des § 24 Abs. 3 ARegV im
vereinfachten Verfahren nicht vorgesehen gewesen sei. § 25 Abs. 2 und 3 ARegV
nähmen auf die nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit Abs. 2 ARegV
bestimmten Kapitalkosten Bezug. Diese Kapitalkosten würden indes nur im
Regelverfahren, nicht aber im vereinfachten Verfahren bestimmt.
Die Beschwerdegegnerin ist der Ansicht, die Ablehnung einer Anpassung der
Erlösobergrenze auf Grund einer nachhaltigen Veränderung der
Versorgungsaufgabe sei zu Recht erfolgt. Eine Anwendung des § 10 ARegV im
ersten Jahr der Regulierungsperiode komme nicht in Betracht, weil eine Anpassung
der Erlösobergrenze durch einen Erweiterungsfaktor und eine Änderung der
Versorgungsaufgabe des Netzbetreibers während der Regulierungsperiode
begrifflich eine bereits festgelegte Erlösobergrenze bzw. eine bereits begonnene
Regulierungsperiode voraussetze. Die Beschwerdeführerin könne sich auch nicht
auf die Formel in Anlage 2 zur ARegV berufen.
Die Beschwerdegegnerin meint, § 21a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 EnWG sei eine
hinreichende Ermächtigung für den Verordnungsgeber zur Implementierung des
generellen sektoralen Produktivitätsfaktors. Überdies stelle auch Abs. 6 S. 2 Nr. 1
dieser Bestimmung eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage bereit, da die
Inflationsrate nicht bestimmt werden könne, ohne dass der Produktivitätsfaktor
berücksichtigt werde. Bei der in § 21a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 EnWG geforderten näheren
Ausgestaltung der Methode einer Anreizregulierung komme dem
Verordnungsgeber ein weites Verordnungsermessen zu, was auch daraus deutlich
werde, dass § 112a EnWG die Bundesnetzagentur zur Vorlage eines Berichts zur
Einführung der Anreizregulierung verpflichte, durch den erst der Verordnungsgeber
in die Lage versetzt werden sollte, die Methodik der Anreizregulierung näher zu
bestimmen. § 9 ARegV widerspreche nicht § 21a Abs. 5 S. 1 EnWG, da Anreize für
eine effiziente Leistungserbringung methodisch nur wirksam erreicht würden, wenn
die Erlösobergrenzen die allgemeine Geldentwertung und den hierdurch noch nicht
abgebildeten sektoralen Produktivitätsfortschritt berücksichtigten. Die
betragsmäßige Bestimmung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors für
die beiden ersten Regulierungsperioden liege innerhalb des dem
Verordnungsgeber zustehenden Ermessens.
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Die Beteiligte tritt der Argumentation der Beschwerdegegnerin bei.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere innerhalb der Fristen des § 78 Abs. 1
und 3 EnWG eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie keinen Erfolg.
Die Beschwerde ist auch insoweit zulässig, als die Beschwerdegegnerin - obwohl
die ARegV kein Antragserfordernis vorsieht - verpflichtet werden soll, einen neuen
Bescheid über die Festlegung von Erlösobergrenzen unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts zu erlassen. Eine Verpflichtungsbeschwerde (auch
in Form der Bescheidungsbeschwerde) ist zur Verwirklichung des Rechtsschutzziels
der Beschwerdeführerin trotz des Wortlauts des § 75 Abs. 3 Satz 1 EnWG
(„Antragsteller“) ebenso wie nach § 63 GWB, dem die Bestimmung des § 75 EnWG
nachgebildet ist, nicht nur in reinen Antragsverfahren zulässig (OLG Stuttgart,
Beschluss v. 21.01.2010 - 202 EnWG 19/09. zitiert nach Juris Rn. 22 m.w.N.). Eine
Anfechtungsbeschwerde führt nur zur Beseitigung der angefochtenen
Entscheidung. Das Rechtsschutzziel der Beschwerdeführerin - nämlich die
Festlegung höherer als der angefochtenen Grenzen - lässt sich aber durch die
bloße Aufhebung des angefochtenen Bescheids nicht verwirklichen. Die
Beschwerdeführerin hat an einer höheren Festlegung der Erlösobergrenze jedoch
ein berechtigtes Interesse, denn nach dem Regelungssystem der
Anreizregulierung, wie es in EnWG und ARegV ausgestaltet worden ist, kann -
jedenfalls nicht ohne weiteres - angenommen werden, ein Netzbetreiber sei bei
Aufhebung eines Festlegungsbescheids berechtigt, Netzentgelte in beliebiger
Höhe zu erheben (ebenso OLG Stuttgart, wie vor, Rn. 21).
1. Pauschalierter Investitionszuschlag
Die Beschwerdegegnerin hat es mit Recht abgelehnt, in die Erlösobergrenze
gemäß § 25 ARegV einen pauschalierten Investitionszuschlag einzubeziehen
(ebenso OLG Naumburg, Beschluss vom 5.11.2009, 1 W 6/09 (EnWG), zitiert nach
Juris Rn. 75; OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.01.2010, Kart W 2/09, zitiert
nach Juris Rn. 50ff.; OLG Schleswig, Beschluss v. 25.03.2010 -16 Kart 34/09, zitiert
nach Juris Rn. 41 ff.; OLG Stuttgart, Beschluss v. 21.01.2010, 202 EnWG 19/09,
zitiert nach Juris Rn. 87 ff.; OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss v. 22.02.2010 – VI-3
Kart 66/09 (V), Umdruck Seite 6 – Anlage BG2).
Es stellt keinen Verstoß gegen das Verbot der Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1
GG) dar, dass nach der ARegV in der in § 24 Abs. 3 geänderten Fassung einem
kleinen Netzbetreiber, der sich für die Teilnahme am vereinfachten Verfahren
entschieden hat, der pauschalierte Investitionszuschlag nach § 25 ARegV nicht
gewährt wird (OLG Schleswig, wie vor, Rn. 42).
Bei der Betrachtung, wie die Unternehmen unterschiedlicher Größe jeweils
behandelt werden, ist auf den systematischen Gesamtzusammenhang der
Regelungen der ARegV abzustellen. Danach werden kleine Netzbetreiber nicht
wesentlich ungleich behandelt. Der pauschalierte Investitionszuschlag würde die
Erlösobergrenze für jedes Kalenderjahr um 1% der Kapitalkosten erhöhen.
Demgegenüber ermöglicht die Teilnahme am vereinfachten Verfahren in
mehrfacher Weise eine Steigerung der „anrechenbaren“ Kosten. So sehen § 34
Abs. 3 S. 3 und 4 ARegV eine Erhöhung des Ausgangsniveaus nach Maßgabe
eines fiktiven jährlichen Inflationsfaktors von 1,7% vor, ohne dass es darauf
ankommt, ob die Kosten des Netzbetreibers tatsächlich entsprechend gestiegen
sind. Zudem wird den Teilnehmern am vereinfachten Verfahren ein Effizienzwert
von 87,5% in der ersten Regulierungsperiode und ein Anteil von 45% ihrer
Gesamtkosten als dauerhaft nicht beeinflussbar zugestanden. Aufgrund dieser
möglichen Vorteile, mit denen die Teilnahme am vereinfachten Verfahren
verbunden ist, kann die Nichtgewährung eines pauschalierten
Investitionszuschlags nicht als unverhältnismäßig oder als willkürliche
Ungleichbehandlung eingestuft werden.
Wie in dem angefochtenen Bescheid bereits mit Recht ausgeführt worden ist,
findet § 25 ARegV im vereinfachten Verfahren gemäß § 24 Abs. 3 ARegV keine
Anwendung. Diese im Zeitpunkt der Behördenentscheidung geltende Fassung des
§ 24 Abs. 3 ARegV war von dem Beschwerdegegner anzuwenden
Generell gilt, dass bei der Anfechtung einer ablehnenden Behördenentscheidung
durch Verpflichtungsklage bzw. -beschwerde die Rechtslage im Zeitpunkt der
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durch Verpflichtungsklage bzw. -beschwerde die Rechtslage im Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht maßgeblich ist (BVerwG NVwZ 1991,
360; Eyermann/J. Schmidt, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl., § 113 Rdn. 45;
Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rdn. 217). Ansonsten bestimmt sich nach
dem materiellen Recht, welche Regelungen bei Änderung der dem geltend
gemachten Anspruch zugrunde liegenden Rechtslage anzuwenden sind (BVerwGE
84, 157, 160 f; Eyermann/J. Schmidt, a. a. O., Rdn. 45, 46). So ist etwa für die
Bereiche des Prüfungs- und des Berufszulassungsrechts entschieden worden, dass
ein zur Zeit der Antragstellung bestehender Rechtsanspruch durch spätere
Rechtsänderungen nicht berührt wird (Kopp/Schenke, a. a. O., Rdn. 223). Dies kann
indes nicht auf alle Rechtsgebiete verallgemeinert werden (Kopp/Schenke, a. a. O.,
Rdn. 224, 227). Für eine Abweichung von der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des
zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung geltenden Rechts bietet das Recht der
Anreizregulierung keinen Anhalt.
Auch aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ergibt sich vorliegend nichts
anderes. Die Änderung des § 24 Abs. 3 ARegV hat keine „echte“ Rückwirkung im
Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, weil davon nur die
Rede sein kann, wenn ein Rechtssatz nachträglich ändernd in bereits abgewickelte,
der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (z. B. BVerfGE 15, 313,
324), was vorliegend nicht der Fall ist. Ob eine „unechte“ Rückwirkung vorliegt, die
retrospektiv auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und
Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und die betroffenen Rechtsposition
nachträglich im Ganzen entwertet (z. B. BVerfGE 59, 128, 164), kann offen bleiben.
Diese wäre im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip verfassungsrechtlich jedenfalls
zulässig, da eine Abwägung des gesetzgeberischen Anliegens für das
Allgemeinwohl mit dem schutzwürdigen Vertrauen des von der Gesetzesänderung
Betroffenen zur Zulässigkeit der Ergänzung des Verordnungstextes in § 24 Abs. 3
ARegV führt.
Die Einfügung des § 25 ARegV in die Aufzählung der im vereinfachten Verfahren
nicht anwendbaren Bestimmungen in § 24 Abs. 3 ARegV war nur deklaratorisch,
wie es ebenso die Begründung zur Änderung dieser Vorschrift darstellt (BR-Drucks.
24/08 Seite 8). Auch vor der Änderung des § 24 Abs. 3 ARegV ergab sich bereits,
dass § 25 ARegV im vereinfachten Verfahren unanwendbar bleibt. Insofern ist die
Beschwerdeerwiderung zutreffend, die dies aus der Bezugnahme auf § 14 ARegV
in § 25 Abs. 2 und 3 ARegV herleitet. Die in diesen Absätzen vorgenommene
Verweisung auf die nach § 14 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ARegV bestimmten
Kapitalkosten passt für das vereinfachte Verfahren nicht. In diesem werden
Kapitalkosten nicht nach § 14 ARegV ermittelt, sondern wird gemäß § 24 Abs. 2
ARegV gerade anstelle der Ermittlung von Effizienzwerten nach den §§ 12 bis 14
ARegV ein pauschalierter Effizienzwert zu Grunde gelegt, der in der ersten
Regulierungsperiode 87,5% beträgt. Dem kann nicht entgegen gehalten werden,
dass die erforderlichen Daten der Regulierungsbehörde aus den Kostenprüfungen
vorlägen (so aber Missling, IR 2008, 201. 205). Es kommt nicht darauf an, ob ein
pauschalierter Investitionszuschlag ermittelt werden könnte, sondern darauf, dass
er nach dem Willen des Verordnungsgebers im Hinblick auf den
Vereinfachungszweck des vereinfachten Verfahrens nicht ermittelt werden soll.
Dass § 25 ARegV im vereinfachten Verfahren schon von der Natur der Sache her
unanwendbar war und es eines ausdrücklichen Ausschlusses in § 24 Abs. 3 ARegV
nicht bedurfte, lässt sich schließlich nicht dadurch widerlegen, dass § 24 Abs. 3
ARegV in seiner ursprünglichen Fassung ausdrücklich § 15 Abs. 1 und 2 ARegV von
der Geltung im vereinfachten Verfahren ausnimmt, obwohl auch diese
Bestimmung von der Natur der Sache her in diesem Verfahren nicht in Frage
kommen. Der Verordnungsgeber wollte ersichtlich nicht durch das Schweigen des
§ 24 Abs. 3 ARegV zu § 25 ARegV den pauschalierten Investitionszuschlag im
vereinfachten Verfahren zulassen. § 24 Abs. 3 ARegV nannte in seiner
ursprünglichen Fassung ohnehin nur Bestimmungen aus dem vorangehenden Teil
der Verordnung (§§ 1-23), was nicht besagen musste, dass die dem § 24 ARegV
nachfolgenden Vorschriften ausnahmslos im vereinfachten Verfahren anzuwenden
waren. Die Beschwerdeführerin konnte deshalb auch schon im Zeitpunkt der
Antragstellung auf Zulassung zum vereinfachten Verfahren durch Auslegung der
§§ 24 und 25 ARegV ohne weiteres erkennen, dass in diesem Fall ein
pauschalierter Investitionszuschlag nicht in Betracht kommt. Ein schutzwürdiges
Vertrauen auf die Anwendung des § 25 ARegV bestand deshalb nicht. Dass im
Zeitpunkt der Antragstellung teilweise die gegenteilige Ansicht vertreten wurde,
wie von der Landesregulierungsbehörde Baden-Württemberg in ihrem Schreiben
an die Netzbetreiber vom 20.12.2007 (Anlage Bf 12), steht dem nicht entgegen.
Denn diese Auffassung war nicht einhellig, vielmehr nahm die Mehrheit der
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Denn diese Auffassung war nicht einhellig, vielmehr nahm die Mehrheit der
Regulierungsbehörden schon vor der Ergänzung des § 24 Abs. 3 ARegV den
Standpunkte ein, dass der Zuschlag den Unternehmen, die am vereinfachten
Verfahren teilnehmen, nicht zuzugestehen sei, was auch in der Branche publiziert
wurde (vgl. etwa Mitteilung des Verbandes kommunaler Unternehmen vom
10.12.2007 an seine Mitglieder – Anlage BG 4; von PwC AG
Wirtschaftsprüfergesellschaft auf ihrer Internetseite www.ppwc.de , Anlage BG 5;
Marquardt/Zöckler, e|m|w 2008, S. 2 – Anlage Bf 10).
Aus diesen Gründen ergab sich die Geltung des § 25 ARegV im vereinfachten
Verfahren auch nicht aus dem Umkehrschluss aus dessen Abs. 5. Danach finden
die Abs. 1 bis 4 auf Betreiber von Übertragungs- und Fernleitungsnetzen keine
Anwendung. Daraus war nicht zu folgern, dass die Abs. 1 bis 4 in allen anderen
Fällen anzuwenden sind. Denn § 25 Abs. 5 ARegV regelt nur, für welche
Geschäftsbereiche von Netzbetreibern die Einbeziehung eines pauschalierten
Investitionszuschlages ausgeschlossen ist. Dagegen befasst sich die Bestimmung
nicht mit dem Ausschluss aufgrund der gewählten Verfahrensart wie vorliegend
derjenigen des vereinfachten Verfahrens mit pauschalierten Effizienzwerten.
2. Erweiterungsfaktor
Zu Recht hat die Beschwerdegegnerin auch den Antrag der Beschwerdeführerin
zurückgewiesen, die Erlösobergrenze für das Jahr 2009 auf Grund einer
nachhaltigen Veränderung der Versorgungsaufgabe gemäß den §§ 4 Abs. 4 Satz 1
Nr. 1, 10 ARegV anzupassen (Erweiterungsfaktor).
Im ersten Jahr der ersten Regulierungsperiode kommt eine Anwendung des § 10
ARegV nicht in Betracht (ebenso OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.01.2010,
Kart W 2/09, zitiert nach Juris Rn. 58ff.; OLG Stuttgart, Beschluss v. 14.01.2010,
202 EnWG 38/09 zitiert nach Juris Rn. 24 ff.; OLG Düsseldorf, Beschluss v.
24.03.2010 – VI-3 Kart 200/09 (V), Umdruck Seite 40 ff. – Anlage BG10).
Gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ARegV erfolgt auf Antrag des Netzbetreibers eine
Anpassung der Erlösobergrenze nach Maßgabe des § 10 ARegV, wobei diese
Anpassung gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2, 2. HS ARegV jeweils zum 1. Januar des
Folgejahres wirksam wird. Schon aus der Verwendung des Wortes "Anpassung"
ergibt sich, dass eine Anwendung des Erweiterungsfaktors im ersten Jahr der
Regulierungsperiode ausgeschlossen ist, denn eine Anpassung setzt begrifflich
eine bereits festgelegte Erlösobergrenze voraus.
Unschädlich ist, dass in § 4 Abs. 4 ARegV anders als in § 4 Absatz 3 Satz 3 ARegV
nicht ausdrücklich festgelegt wird, dass die Anpassung der Erlösobergrenze nach
dieser Norm nicht im ersten Jahr der jeweiligen Regulierungsperiode gilt. Dass der
Verordnungsgeber die in § 4 Absatz 3 Satz 3 ARegV enthaltene Klarstellung nicht
noch einmal in Absatz 4 ARegV ausgesprochen hat, rechtfertigt nicht den
Umkehrschluss, auch die für das erste Jahr der ersten Regulierungsperiode
erstmals festgesetzte Erlösobergrenze könne durch einen Erweiterungsfaktor
"angepasst" werden (OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.01.2010, Kart W 2/09,
zitiert nach Juris Rn. 61). Da eine Anpassung der Erlösobergrenze nach § 4 Abs. 4
ARegV nur aufgrund einer Entscheidung der Behörde über eine erneute Festlegung
der Erlösobergrenze in Betracht kommt, war die Wiederholung der Klarstellung in
Abs. 4 entbehrlich.
Die in der Anlage 2 zu § 10 ARegV enthaltene Formel steht diesem Verständnis
des § 4 Abs. 4 ARegV nicht entgegen. Mit Hilfe der Formel soll ein
Erweiterungsfaktor EF für "das Jahr t der jeweiligen Regulierungsperiode" errechnet
werden. Eine ausdrückliche Regelung, dass das Jahr t nicht das Jahr 2009 sein
kann, enthalten die Erläuterungen zwar nicht. Die Formel dient aber nur der
Berechnung des Erweiterungsfaktors für den Fall, dass gemäß den §§ 4 Abs. 4
Satz 1 Nr. 1, 10 ARegV auf Antrag eine Anpassung zu erfolgen hat. Sie ist nicht
maßgeblich für die Frage, ob eine Anpassung zu erfolgen hat. Auch soweit die
Formel der Berechnung Unterschiede zwischen dem Jahr t der Regulierungsperiode
und dem Basisjahr 0 zugrunde legt, lassen sich daraus keine Rückschlüsse auf das
„Ob“ einer Anpassung ziehen (OLG Stuttgart, wie vor, Rn. 30).
3. Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor
Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerdeführerin dagegen, dass der angefochtene
Bescheid den gemäß § 7 ARegV i. V. m. Anlage 1 zu dieser Vorschrift und § 9
ARegV vorgesehenen generellen sektoralen Produktivitätsfaktor in die
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ARegV vorgesehenen generellen sektoralen Produktivitätsfaktor in die
Erlösobergrenze eingerechnet hat (ebenso OLG Stuttgart, Beschluss v.
21.01.2010, 202 EnWG 19/09, zitiert nach Juris Rn. 44 ff.; OLG Düsseldorf,
Beschluss v. 24.03.2010 – VI-3 Kart 200/09 (V), Umdruck Seite 40 ff. – Anlage
BG10; OLG Schleswig, Beschluss v. 25.03.2010 -16 Kart 34/09, zitiert nach Juris Rn.
68 ff.; a.A. OLG Naumburg, Beschluss vom 5.11.2009, 1 W 6/09 (EnWG), zitiert
nach Juris Rn. 75; OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.01.2010, Kart W 2/09,
zitiert nach Juris Rn. 50ff.).
Die Verordnung ist insoweit nicht nichtig. Das EnWG enthält in § 21a Abs. 6 S. 1 Nr.
2 in Verbindung mit Abs. 5 S. 1 eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Nach
Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG müssen Gesetze, die zum Erlass von Rechtsverordnungen
ermächtigen, Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung bestimmen. Dadurch
wird der Gesetzgeber angehalten, die wesentlichen Entscheidungen selbst zu
treffen, und, sofern er Einzelregelungen einer Verordnung überlassen will, die
Tendenz und das Programm schon so weit zu umreißen, dass sich der Zweck und
der mögliche Inhalt der Verordnung bestimmen lassen. Allerdings müssen sich die
gesetzlichen Vorgaben nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der
Ermächtigungsnorm ergeben. Es genügt, dass sie sich mithilfe allgemeiner
Auslegungsgrundsätze wie dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der
Vorgeschichte des Gesetzes, ermitteln lassen (z. B. BVerfGE 80, 1, 20). Danach
genügt § 21a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 EnWG den grundgesetzlichen Anforderungen, indem
er dem Verordnungsgeber die Ausgestaltung der Methode einer Anreizregulierung
überträgt und inhaltlich auf Abs. 5 verweist (BGH, NVwZ-RR 2008, 315, 319 Rdn.
44). § 21a Abs. 5 S. 1 EnWG bezeichnet als Regelungsgegenstand allgemein die
Bestimmung unternehmensindividueller oder gruppenspezifischer Effizienzziele auf
Grundlage eines Effizienzvergleichs. Dazu gehört bei wirtschaftswissenschaftlicher
Betrachtung auch ein genereller sektoraler Produktivitätsfaktor. Es ist gerade ein
Kernziel der Anreizregulierung, dass Produktivitätsfortschritte auszunutzen sind.
Die Berücksichtigung der sektoralen Produktivitätsentwicklung ist somit eine nach
§ 21a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 EnWG zulässige Ausgestaltung der Methode einer
Anreizregulierung. Sie ermöglicht nämlich eine angemessenere Bestimmung
gruppenspezifischer Effizienzziele (§ 21a Abs. 5 S. 1 EnWG), weil sie nicht bei der
gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung stehenbleibt, sondern die
besondere Möglichkeit einer Produktivitätsausweitung im Bereich des Strom- und
Gastransports einbezieht. Wie die Bundesnetzagentur in ihrem Bericht
„Anreizregulierung“ zutreffend dargelegt hat, würde die bloße Orientierung der
Preis- oder Erlösvorgaben an der Produktivitätsentwicklung der Volkswirtschaft die
sektorspezifische Produktivitätsentwicklung nicht berücksichtigen. Dadurch könnte
bewirkt werden, dass die Netzbetreiber bei zu starken
Effizienzsteigerungsvorgaben überlastet oder die Kunden bei zu geringen
Vorgaben übervorteilt werden. Die Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen
Produktivitätsentwicklung muss daher ins Verhältnis zur sektoralen
Produktivitätsentwicklung gesetzt werden, damit die Auswirkungen auf
Netzbetreiber einerseits und Kunden andererseits angemessen berücksichtigt
werden (Bericht Anreizregulierung Rdn. 773; ebenso Müller-Kirchenbauer in:
Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 2008, § 17 Rdn. 7).
Dabei steht der Berücksichtigung eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors
nicht entgegen, dass § 21a Abs. 5 S. 1 EnWG lediglich die Berücksichtigung der
inflationsbereinigten gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung nennt. Denn
die dortige Aufzählung der zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Größen ist, wie
aus dem vorangestellten Wort „insbesondere“ deutlich wird, lediglich beispielhaft.
Sie räumt dem Verordnungsgeber vielmehr die Möglichkeit ein, gleich liegende
Größen in die Effizienzvorgaben zu implementieren, durch die sich
unternehmensindividuelle oder gruppenspezifische Effizienzziele besser
bestimmen lassen. Zu Unrecht macht die Beschwerdeführerin geltend, dass der
sektorale Produktivitätsfaktor erst Recht ausdrücklich in das Gesetz hätte
aufgenommen werden müssen, weil der vom Gesetz erwähnte
gesamtwirtschaftliche Produktivitätsfortschritt für die Netzbetreiber weniger
gravierend sei (GA 83). Der sektorale Produktivitätsfaktor ist nicht gravierender,
sondern spezieller als der gesamtwirtschaftliche Produktivitätsfortschritt, mag er
auch zeitweise oder gar vorherrschend höher ausfallen. Aus den gleichen Gründen
kann auch die beispielhafte Aufzählung von Regelungsgegenständen durch § 21a
Abs. 6 S. 2 EnWG als nicht abschließend angesehen werden, so dass es den in
Frage gestellten Verordnungsbestimmungen nicht entgegensteht, dass § 21a Abs.
5 S. 2 Nr. 5 EnWG lediglich das Verfahren bei der Berücksichtigung der
Inflationsrate erwähnt.
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§ 9 Abs. 2 ARegV ist auch nicht deshalb nichtig, weil der Verordnungsgeber durch
die Festlegung pauschaler Produktivitätsfaktoren für die ersten beiden
Regulierungsperioden sein Ermessen überschritten habe (zweifelnd allerdings
Pohl/Rädler, RdE 2008, 306, 309). Die Beschwerdegegnerin weist zutreffend darauf
hin, dass der weite Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers im EnWG auch
dadurch angelegt ist, dass das Gesetz in § 112a vor Erlass der Verordnung einen
Bericht der Bundesnetzagentur vorsieht, durch den erst der Verordnungsgeber die
fachlichen Kenntnisse erhält, um die Methodik der Anreizregulierung näher zu
bestimmen.
Die Bundesnetzagentur hat in ihrem 2. Referenzbericht für die Energiewirtschaft
einen sektoralen Produktivitätsfortschritt ermittelt, der um 2,54 % p. a. über dem
Produktivitätsfortschritt der Gesamtwirtschaft liegt (Randnummern 124 und 131).
Dem hält die Beschwerdeführerin zunächst entgegen, dass dieser Wert die
Energiewirtschaft insgesamt und nicht speziell den Bereich der Netzbetriebe
betrifft (2. Referenzbericht, Randnummern 94, 111 und 130). Dies hat seine
Ursache darin, dass Daten für den entflochtenen Netzbetrieb zum
Ermittlungszeitpunkt nicht vorlagen. Dies ist jedoch deshalb im Ergebnis
unbedenklich, weil eine ausreichende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass das
Potenzial für Produktivitätsfortschritte im Netzbereich größer ist als im
umfassenden Bereich der Energiewirtschaft. Die Beschwerdegegnerin führt dazu
zutreffend an, dass aufgrund des traditionellen und ungeschmälerten natürlichen
Monopols der Netzbetriebe gerade dieser Wirtschaftsbereich innerhalb der
gesamten Energiewirtschaft am wenigsten Effizienzanreizen ausgesetzt war
(Randnummer 157). Es ist deshalb nicht nur vertretbar, sondern naheliegend, für
den Betrieb von Energietransportnetzen einen möglichen Produktivitätsfortschritt
zu unterstellen, der jedenfalls nicht geringer anzusetzen ist als für die
Energiewirtschaft insgesamt. Da der Verordnungsgeber darüber hinaus mit den in
§ 9 Abs. 2 ARegV aufgenommenen Pauschalwerten von 1,25 % beziehungsweise
1,5% p. a. den festgestellten Wert von 2,54 % p. a. noch deutlich unterschreitet
und damit zudem im unteren Bereich von sektoralen Produktivitätsfaktoren liegt,
die in anderen Ländern angesetzt werden (Bericht „Anreizregulierung“ Rdn. 824),
kann von einer Überschreitung des durch das EnWG eingeräumte Ermessen keine
Rede sein. Insbesondere musste der Gesetzgeber auch nicht wegen mangelnder
Datengrundlage für den Bereich der Energie- und Gasnetze auf die
Implementierung eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors verzichten (so
jedoch Theobald/Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 2. Aufl., 2008,
Seite 246). Dass andere Studien – wie das Gutachten der PwC WPG AG mit 0,29 %
(Bericht der Bundesnetzagentur nach § 112a EnWG zur Einführung der
Anreizregulierung nach § 21a EnWG vom 30.6.2009, Rdn. 808 ff.) – zu anderen und
niedrigeren Ergebnissen kommen, hindert den Verordnungsgeber nicht, den 2.
Referenzbericht der Beteiligten zu Grunde zu legen und die Einwendungen gegen
den Bericht durch Abschläge zu berücksichtigen.
Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerdeführerin weiterhin dagegen, dass der
allgemeine sektorale Produktivitätsfaktor auch auf die vorübergehend nicht
beeinflussbaren Kostenanteile angewendet wird. Dem steht § 21a Abs. 4 S. 6
EnWG nicht entgegen. Das Gesetz besagt hierzu, dass Effizienzvorgaben nur auf
die beeinflussbaren Kostenanteile zu beziehen sind. Die vorübergehend nicht
beeinflussbaren Kostenanteile im Sinne von § 11 Abs. 3 ARegV gehören jedoch zu
den von § 21a Abs. 4 EnWG geregelten beeinflussbaren Kostenanteilen. Das EnWG
enthält noch nicht die Dreiteilung in dauerhaft nicht beeinflussbare, vorübergehend
nicht beeinflussbare und beeinflussbare Kostenanteile, sondern unterscheidet nur
zwischen den beeinflussbaren und nicht beeinflussbaren Kostenanteilen. § 11 Abs.
2 ARegV übernimmt die gesetzliche Regelung der nicht beeinflussbaren
Kostenanteile durch eine Erweiterung der gesetzlichen Beispiele (gesetzliche
Abnahme- und Vergütungspflichten, Konzessionsabgaben und Betriebssteuern).
Als vorübergehend nicht beeinflussbare Kostenanteile behandelt die Verordnung
nur die nach Abzug der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile
verbleibenden Gesamtkosten multipliziert mit dem bereinigten Effizienzwert.
Damit ist ausgeschlossen, dass dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile als
vorübergehend beeinflussbar behandelt werden. Es entspricht somit sowohl dem
Wortlaut des § 21a Abs. 4 EnWG als auch dessen Regelungszweck, die
vorübergehend nicht beeinflussbaren Kostenanteile zu den beeinflussbaren
Kostenanteilen im Sinne von § 21a Abs. 4 S. 6 EnWG zu rechnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 90 Satz 2 EnWG.
45 Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 86 Abs. 2 EnWG zuzulassen, da Rechtsfragen
von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden sind.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.