Urteil des OLG Frankfurt vom 14.05.2003

OLG Frankfurt: zwangsvollstreckung, ermessensfehler, reform, hauptsache, kreditvertrag, urkunde, zivilprozessrecht, quelle, darlehen, umdeutung

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Gericht:
OLG Frankfurt 9.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 W 9/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 707 Abs 2 S 2 ZPO, § 769
ZPO
(Vollstreckungsgegenklage: Unanfechtbarkeit der
Versagung der einstweiligen Einstellung der
Zwangsvollstreckung)
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Landgerichts Gießen vom 31.
Januar 2003 - Az. 5 O 11/03 - wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels haben die Kläger zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Kläger wenden sich gegen die Versagung der einstweiligen Einstellung der
Zwangsvollstreckung.
Die Kläger nahmen zur Baufinanzierung bei der Beklagten mehrere Kredite auf, die
mit einer Grundschuld besichert sind; in der Grundschuldbestellungsurkunde
haben die Kläger sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr Vermögen
unterworfen.
Nachdem die Kläger mit mehreren Raten in Rückstand geraten waren, kündigte die
Beklagte die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in Höhe eines Betrages von
1.400,- € an. Hiergegen wenden die Kläger sich mit ihrer
Vollstreckungsabwehrklage und sind der Ansicht, der Kreditvertrag verstoße gegen
§ 4 I 4 Nr. 1 b) des VerbrKrG und gegen § 138 BGB.
Ihren Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung hat das
Landgericht mit Beschluss vom 31. Januar 2003 zurückgewiesen, da die Klage
keine Aussicht auf Erfolg habe. Gegen diesen ihnen am 7. Februar 2003
zugestellten Beschluss richtet sich ihr am 19. Februar 2003 bei Gericht
eingegangenes und als "Beschwerde" bezeichnetes Rechtsmittel, mit dem sie
insbesondere an ihrer Rechtsansicht, das Darlehen sei sittenwidrig, festhalten.
Das Rechtsmittel der Kläger ist unzulässig.
Dies folgt schon aus der Bezeichnung als "Beschwerde". Die Möglichkeit der
Anfechtung zivilprozessualer Beschlüsse durch die Beschwerde ist durch das
Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I, S. 1887), das
zum 1. Januar 2002 in Kraft getreten ist, abgeschafft worden.
Eine Umdeutung dieses Rechtsmittels in ein nach neuem Recht statthaftes
Rechtsmittel - insbesondere eine sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO - ist nicht
möglich, weil die Versagung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung
mangels Erfolgsaussicht der Hauptsache auch mit einem solchen Rechtsmittel
nicht wirksam angefochten werden kann.
Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach Erhebung einer
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Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach Erhebung einer
Vollstreckungsgegenklage ist nach § 769 ZPO möglich. Voraussetzung hierfür ist
unter anderem, dass die Hauptsacheklage eine gewisse Aussicht auf Erfolg bietet.
Dies hat das Landgericht geprüft und verneint. Gegen diese Entscheidung des
erstinstanzlichen Gerichts ist ein Rechtsmittel grundsätzlich nicht möglich. Dies
folgt aus § 707 II 2 ZPO, der auf § 769 entsprechend anzuwenden ist (Lemke, MDR
2002, 13; Zöller/Herget, § 769 Rn. 13; Baumbach/Hartmann, § 769 Rn. 12, alle
m.w.N.).
Eine der Ausnahmen, unter denen die Rechtsprechung eine sofortige Beschwerde
doch zulässt, ist vorliegend nicht gegeben. Möglich wäre dies bei einem
Ermessensfehler des Landgerichts, wenn also Umfang und Grenzen der
vorzunehmenden Interessenabwägung unzutreffend angenommen worden wären.
Vor Inkrafttreten der ZPO-Reform wurde eine Ausnahme auch vertreten für den
Fall, dass das Erstgericht eine "greifbar gesetzwidrige" Entscheidung getroffen
hatte. Ob diese Fallgruppe nach der reformbedingten Infragestellung der
außerordentlichen Beschwerde durch den BGH überhaupt noch anzuerkennen ist,
kann dahin stehen, weil weder ein Ermessensfehler noch eine greifbare
Gesetzwidrigkeit mit der Beschwerde geltend gemacht wird.
Die Kläger wenden sich allein gegen die Feststellung des Landgerichts, ihre Klage
habe in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg. Genau diese Voraussetzung der
einstweiligen Einstellung kann aber im Rechtsmittelverfahren nicht überprüft
werden. Es handelt sich dabei nicht um eine Ermessensfrage, sondern um die dem
erstinstanzlichen Gericht zustehende Sachentscheidung, auf die jeder auch nur
faktische Vorgriff des Rechtsmittelgerichts zu unterbleiben hat. Ausführungen zur
Erfolgsaussicht im Rahmen eines Rechtsmittels gegen den Einstellungsbeschluss
würden eine solche mittelbare Einwirkung des nachfolgend zuständigen
Berufungsgerichts auf das Verfahren vor dem Prozessgericht darstellen, die
systemwidrig und unzweckmäßig wäre. Als faktische Präjudizierung müssen sie
deswegen vermieden werden, zumal sich das Prozessgericht hierdurch in seiner
Aufgabe behindert sehen könnte, bei gebotener anderer Beurteilung der Sach-
und Rechtslage im weiteren Verlauf des Verfahrens die Entscheidung abzuändern
(OLG Naumburg NJW-RR 98, 366; OLG Hamm MDR 88, 241; OLG München NJW-RR
1987, 767; Schneider MDR 87, 64).
Die Kosten des Rechtsmittels haben die Kläger zu tragen, da es ohne Erfolg
geblieben ist (§ 97 I ZPO).
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, da die
Voraussetzungen des § 574 II ZPO nicht vorliegen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.